Bücher aus der mittelalterlichen Universität Wien und ihrem Umfeld
zusammengestellt von Friedrich Simader, Wien, ab 2007

Vorwort
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Die Bibliothek der Rosenburse [1]
(Domus Wagendrüssel - Collegium BMV rubae rosae - Bursa Undermhimel - Bursa sub coelo)

Der Wiener Mediziner Ulrich Grünwalder stiftete vor seinem Tod im Jahr 1419 Stipendien für vier Scholaren. 1423 kauften die Universitätslehrer Peter Czech von Pulkau, Dietrich Rudolfi von Hammelburg und Thomas Ebendorfer von Haselbach als Testamentsvollstrecker und Superintendenten der Stiftung das ehemalige Haus des Fleischhackers Paul Wagendrüssel an der Stadtmauer neben dem Friedhof des Dominikanerklosters. Weitere Stiftungen durch den Münzmeister und Ratsherrn Niclas Undermhimel, Mag. Petrus Etter und Nikolaus Leitgeb aus Neunburg, Pfarrer von Hütteldorf, ermöglichten ab dem Jahr 1447 insgesamt dreizehn Studienplätze[2]; im 16. Jahrhundert wurde ihre Zahl um vier weitere vermehrt[3]. Der Großteil der Studenten sollte aus Österreich stammen, für einen Studenten hatte die Stadt Korneuburg das Vorschlagsrecht.

Die Rosenburse besaß, wie die Spuren von Beschlägen am Hinterdeckel fest gebundener Bücher zeigen, im Gegensatz zu anderen Studentenhäusern eine Kettenbibliothek; darauf bezieht sich auch ein frühestens 1446 eingetragener Vermerk in Cod. 4838, laut dem die Handschrift in der Bibliothek angekettet werden sollte: 'Iste liber ad stipendium superius burse rose ad cathenandum in libraria ibidem detur'. Geht man allein von der Zahl der noch erhaltenen Bücher mit derzeit rund 120 Stück aus, war sie zu dieser Zeit und wohl auch noch im 16. Jahrhundert die bedeutendste Bursenbibliothek in Wien. Mangels einschlägiger Verzeichnisse ist ihre ursprüngliche Größe allerdings nicht abzuschätzen. Derzeit lassen sich überhaupt nur zwei schriftliche Quellen zum Bestand nachweisen, in denen konkrete Bücher benannt werden. Für die Zuordnung zur Bibliothek ist man deshalb in erster Linie auf entsprechende Vermerke in den Büchern angewiesen. Dazu kommen als wichtigstes äußeres Merkmal charakteristische Signaturschilder[4], die der Schrift nach im 16. Jahrhundert von einem Schreiber angefertigt worden sind: An der Innenseite des Vorderdeckels, seltener auch auf Vorsatzblättern, finden sich etwa 3 cm hohe Papierschilder mit einem Großbuchstaben. Erhalten haben sich Beispiele von 'A' bis 'Z', unklar bleibt jedoch das Ordnungsprinzip, da dafür weder Inhalt noch Format Anhaltspunkte geben. Bei einigen wenigen Stücken (Cod. 4189, 4446, 4625, 4830 und Ink. 23.A.5) finden sich zusätzlich auf der Außenseite des Vorderdeckels annähernd quadratische, zwischen 5,5 und 6,5 cm hohe Papierschilder mit einem übereinstimmenden Buchstaben. Es ist nicht zu entscheiden, ob ursprünglich alle Bücher sowohl große als auch kleine Schilder besessen haben; vielleicht standen jene mit den großen Schildern auch nur am Beginn eines Regals oder Pultes.

Am bedeutendsten ist eine Bücherliste des seit 1421 an der Universität Wien lehrenden Juristen Johann Gwerlich. Sie gilt seit der Veröffentlichung durch Gottlieb als Schenkung an das Collegium ducale[5]. Tatsächlich weist aber schon der einleitende Text auf die Rosenburse, denn die Insassen des Kollegiums werden als Stipendiaten bezeichnet, und der Hinweis auf die unmittelbare Nachbarschaft zum Friedhof der Dominikaner trifft nur auf dieses Studentenhaus zu: "... collegio stipendiatorum in domo immediata cimiterio fratrum predicatorum ...". Das Verzeichnis enthält insgesamt 33 Handschriften (34 Bände), deren Beschreibung nicht nur die Haupttexte, sondern meist auch den Textbeginn und die Beschaffenheit und Farbe des Einbands umfaßt. Mehrmals werden die ersten Worte auf dem 2. oder 3. beschriebenen Blatt eines Codex angegeben, wodurch bei einigen Handschriften trotz fehlender Besitzvermerke eine eindeutige Identifizierung möglich ist - fast alle tragen auch noch die Schilder der Rosenburse. Zeitlich läßt sich Gwerlichs Schenkung zwischen 1432 und vor 1439 einordnen: Die am 19. Februar 1432 im Collegium ducale niedergeschriebenen Statuten der Burse werden bereits erwähnt, und mit einem aus dem Jahr 1439 stammenden Inventar seiner Bücher[6] ergeben sich keine Überschneidungen mehr. Gwerlich behielt für seinen eigenen Gebrauch zunächst ein zweibändiges Brevier, einen illuminierten Psalter und eine Sammelhandschrift mit Werken des Nikolaus von Dinkelsbühl zurück - sie kamen, wie aus einem Testament aus dem Jahr 1438 hervorgeht, erst nach seinem Tod 1445 an die Burse[7].

Eine weitere Nachricht zu Büchern der Burse überliefern die Akten der Artistenfakultät für das Jahr 1482. Aus dem Nachlass des Gregorius Schleichel aus Linz erhält die Stiftung zwei juristische Handschriften[8]:

Um zumindest einen groben Überblick über die Entwicklung der Bibliothek zu bieten, sind unten jene Bücher zusammengestellt, die als Zuwachs chronologisch festgelegt werden können. Die Anfänge des Bestandes gehen vermutlich noch in die 20er Jahre des 15. Jahrhunderts zurück, denn als Vorbesitzer von Handschriften erscheinen mit Peter Czech von Pulkau und Dietrich Rudolfi aus Hammelburg Superintendenten der Stiftung, die schon 1425 bzw. 1428 verstorben sind. Als 1432 die Statuten der Burse verfaßt wurden, die unter anderem auch die Verwaltung der Bücher regeln, ist wohl bereits mit einer größeren Zahl von Büchern zu rechnen. Sie wurde fortan vor allem durch Schenkungen von Universitätsangehörigen vergrößert, darunter mehrere, die dem Studentenhaus als Superintendent oder Konventor[9] verbunden waren. Der ursprüngliche Umfang der einzelnen Nachlässe ist nicht bestimmbar; nur bei Thomas Ebendorfer dürfte sicher sein, daß sein Nachlaß die Schenkung Johann Gwerlichs deutlich übertroffen hat, denn aus seinem Besitz haben sich noch 31 Bände aus der Burse erhalten.