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Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken



Die Papstkrönung Pius IV.

Gewisse Zeitung: mit was. Pracht vnd Gepreng im anfang dieses 1560. Jars, zu Rom gekrönt sey der jetzige Pabst, Pius iiij. zuuor genant, Johannes Angelus de Medicis Cardinalis S. Stephani in Cölio Monte. - Gedruckt zu Nürnberg : durch Georg Kreydlein, 1560.

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Objektbeschreibung:
Holzschnitt
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 307.795-B.Alt-Mag

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Im August 1559 starb Papst Paul IV. (Gian Pietro Carafa). Die nur vier Jahre seines Pontifikats waren vor allem für die Römer eine unerfreuliche Zeit gewesen: Nicht nur hatte Paul die Befugnisse der Inquisition erweitert - von ihm stammt der Ausspruch "Selbst wenn mein eigener Vater Häretiker wäre, würde ich das Holz zusammentragen, um ihn verbrennen zu lassen" -, seine Neffen Carlo und Giovanni Carafa terrorisierten als Kardinalstaatssekretär bzw. Generalkapitän die Stadt. So war es kein Wunder, dass die Bevölkerung seinen Tod regelrecht feierte und die Amtsübernahme durch seinen Nachfolger Pius IV. begrüßte.

Vor diesem historischen Hintergrund spielen sich die prunkvollen Zeremonien ab, die eine in Nürnberg gedruckte Nachricht, eine sogenannte "Neue Zeitung", schildert: Pius' feierliche Krönung in St. Peter am Dreikönigstag 1560 und der lange, prunkvolle Zug von kirchlichen und weltlichen Würdenträgern und von Soldaten zu Fuß und zu Pferd, der den Papst zu seiner Bischofskirche, der Lateranbasilika, geleitet. Höhepunkt der Prozession ist natürlich die Erscheinung des Papstes selbst: Volgend hat man das Creutz vorgefürt / darauff ist der Bapst geritten in einem weissen Roggelt / unnd einer Rothsammaten Cappen / so all mit Edlen gestein geziert gewest / und ein Perlene Stollen umb den Hals / hat alle zeit den Segen ausgeben.Wer die ausführliche Beschreibung nicht bis ins Detail lesen will, gewinnt einen Eindruck von der Größe des Ereignisses allein durch den schlichten letzten Satz dieses Berichts: Also habt jr alles was ich gesehen / Gleichfals ist man in der Procession widerum heim gezogen / deren Pferde sind gewest 7000+etc.

Pius IV. erwies sich aus Sicht der Römer als gute Wahl: Er begann seine Amtsperiode mit einer Generalamnestie für die Teilnehmer des Aufstandes vom August 1559 - bei der Nachricht vom Tod Pauls IV. war das Gebäude der Inquisition geplündert und vieles verwüstet worden, was an die Carafa-Familie erinnerte - und mit der Hinrichtung der verhaßten Papstneffen. Auch trug er als Bauherr wesentlich zur Verschönerung Roms und des Kirchenstaats bei, weniger aber zur Atmosphäre der Stadt: Giorgio Vasari jedenfalls beklagte die Fadesse und Glanzlosigkeit des öffentlichen Lebens unter seiner Regierung.
Tatsächlich war der 1499 als Giovanni Angelo de Medici in Mailand geborene (und nicht mit den florentiner Medici verwandte) Pius ein besonnener Charakter. Das äußerte sich auch in einer Einschränkung der Inquisition und in einer Revision des Index der verbotenen Bücher. Auch gestattete er in Österreich und Böhmen vorübergehend die Darreichung des Weines auch an die nicht zum Klerus gehörenden Gläubigen, den "Laienkelch", eine typische Forderung aller reformatorischen Bewegungen der Zeit.
Trotz dieses eher gemäßigten Vorgehens stärkte Pius die Gegenreformation, aber auch die Kirchenreform - in erster Linie durch die Wiederaufnahme des Konzils von Trient und seine Beendigung 1563. Beim Antritt eines kirchlichen Amtes mußte von da an das von ihm formulierte Tridentinische Glaubensbekenntnis, mit dem sich der Sprecher zu den dogmatischen Beschlüssen des Konzils bekannte, abgelegt werden.

Pius IV. starb 1565. Sein Neffe, (der heilige) Karl Borromäus, der ihm seine Karriere verdankte und ihn beim Trientiner Konzil zur Seite gestanden war, unterstützte die Wahl seines Nachfolgers Pius V. (Michele Ghislieri), eines ehemaligen Protegés Pauls IV.

Die Nachricht von Pius' Papstkrönung stieß auf solches Interesse, dass die Gewisse Zeitung innerhalb von etwa drei Wochen mindestens sechs Auflagen erfuhr. Solche sogenannten "Neuen Zeitungen" stellen eine Druckmediengattung dar, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum entstand, sich über ganz Europa verbreitete und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nachweisbar ist. "Neue Zeitungen" sind nichtperiodische Nachrichtenblätter, die eine oder mehrere Nachrichten über kurz zuvor stattgefundene Ereignisse und oft auch Illustrationen enthalten. Ein Zentrum des Drucks dieser Nachrichtenblätter im deutschen Sprachraum war Wien.

Neue Zeitungen von 1720 (Frankfurt)

Haimliche Anschleg (1523 Augsburg)


© Österreichische Nationalbibliothek, 2007
last update: 19.06.2007

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