Bücher aus der mittelalterlichen Universität Wien und ihrem Umfeld
zusammengestellt von Friedrich Simader, Wien, ab 2007

Vorwort
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Die Bibliothek der Lilienburse [1]

Um 1450/57 errichtete der Passauer Domdechant Mag. Burkhard Krebs aus Herrenberg, der selbst ab 1411 als sozial Bedürftiger in Wien immatrikuliert hatte[2], eine Stiftung für zehn aus Württemberg stammende Studenten. Drei Jahre nach seinem Tod, 1465, wurde dafür ein Haus in der heutigen Postgasse Nr. 11 erworben, und vermutlich im gleichen Jahr entstanden auch die Statuten, in denen zum ersten Mal der Name 'Bursa Lilii' vorkommt. Die Stiftung wurde in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erweitert, u.a. 1499 durch Dr. iur. Heinrich Neithart, Domkustos zu Konstanz und Pfarrer zu Ulm[3]. Noch 1546 war das 'contubernium liliorum' für Studenten aus Schwaben, Württemberg und Ulm reserviert. Die Burse bestand wohl bis zur Auflassung der Studentenhäuser im Jahr 1623; 1628 wurde das Gebäude von den Jesuiten verkauft[4].

Burkhard Krebs hat seiner Stiftung keine Bücher hinterlassen, scheint aber mit dem Collegium ducale ein Abkommen geschlossen zu haben. Laut Stiftungsbrief sollten jene Bücher zum kanonischen Recht, die Krebs dem Collegium geschenkt hatte, bevorzugt an Stipendiaten seiner Burse verliehen werden. Sobald diese den ersten akademischen Grad an ihrer Fakultät erlangt hatten, mußten sie die Bücher zurückgeben; wenn nach längstens fünf Jahren absehbar war, daß sich kein Studienerfolg einstellen würde, waren die Bücher ebenfalls zurückzustellen[5].

Die Übernahme der einschlägigen Passagen aus den Statuten der Rosenburse[6] läßt vermuten, daß dann ab 1465 auch eine eigene, vom Provisor verwaltete Bibliothek vorhanden war oder zumindest mit Bücherzuwachs gerechnet wurde. Da die Besitzvermerke in den wenigen erhaltenen Handschriften und Inkunabeln erst aus dem 16. Jahrhundert stammen, läßt sich über die Frühzeit der Bibliothek keine Aussage treffen - der Altbestand ging möglicherweise durch einen Brand im April 1472, der die Burse verwüstete[7], verloren.

Im 16. Jahrhundert standen mehrere prominente Humanisten mit der Burse in Verbindung, die zum Teil auch Bücher schenkten[8]: Conrad Celtis vermachte ihr laut Testament im Jahr 1508 Dubletten (Ink. 17.F.12, Ink. 20.C.26) aus seiner Privatbibliothek, die großteils an die artistische Fakultät ging - für den Fall, daß sich dort Probleme mit den Räumlichkeiten ergeben, war die Lilienburse als Standort aller seiner Bücher vorgesehen[9]. Auch Johannes Gremper aus Rheinfelden erscheint als Vorbesitzer (Cod. 3207, Cod. 3211), während von Johannes Cuspinianus, der 1507 als Konventor der Burse genannt wird[10], nichts nachweisbar ist.

In den folgenden Jahrzehnten muß es dann einen regelmäßigen Zuwachs an Büchern gegeben haben, denn laut einem am 24. August 1569 von zwei Stipendiaten angelegten Katalog (Wien, Archiv der Universität, Ladula 3, Nr. 25) besaß die Lilienburse zu diesem Zeitpunkt 475 Bücher[11]. Das Verzeichnis, ein einfach gehefteter Sextern aus Papier (21,5 x 17 cm), ist großteils von einer Hand geschrieben, die nach zwei Versehen ab Nr. 218 von einer anderen abgelöst wurde, von Nr. 248 an aber wieder die Arbeit aufnahm. Angeführt sind nur Autor und/oder Titel; weitere Angaben fehlen meistens, außer daß vier Handschriften als solche bezeichnet sind (Nr. 66, 67, 107 und 118). Davon haben sich noch eine zweibändige Bibel (Nr. 67 und 118 = Cod. 4420 und 4441) sowie die unter Nr. 107 angeführten 'Simplicia Serabionis scripta' mit Cod. 5399 erhalten. Auch die meisten bislang aufgefundenen Inkunabeln finden sich im Katalog wieder. Handschriften mit Besitzvermerken des 16. Jahrhunderts wie Cod. 3136, 3207, 3211 und 5357 lassen sich dagegen ebensowenig nachweisen wie Cod. 5273, der im Jahr 1527 in der Burse geschrieben worden ist.

Ein den Büchern der Lilienburse gemeinsames äußeres Merkmal ist derzeit nicht auszumachen. Vielleicht ergeben sich weitere Zuordnungen aufgrund des Kataloges, denn zumindest in Cod. 5399 wurde auf dem Spiegel des Vorderdeckels auch die dem Verzeichnis entsprechende Nummer eingetragen.

Catalogus librorum spectantium
ad bibliothecam bursae lilii
conscriptus a stipendiatis
eiusdem bursae 24 die
augusti anno domini MDLXIX

Index librorum in bibliotheca
bursae lilii