Warum übertreibe ich so in meinen Träumen?
Der Weg zu Brigitte K. war zwar auch in Wirklichkeit ziemlich langwierig, denn das in Luftlinie kurze Weg-Stückchen musste kreuz und quer durch Gartengässchen gegangen werden, aber in meinen Träumen, die sich immer wieder einstellen, wird der Weg zu ihr immer hoffnungloser.
Zuerst habe ich geträumt, dass sie etwa am anderen Ende des Bezirkes wohnt und ich musste mich zu ihr durchmarschieren und durchfragen.
Später sind Wiesen zwischen ihr und mir gelegen, die plötzlich in einen Abhang enden, über den ich nicht springen kann. Ein anderes Mal habe ich geträumt, dass ich schon in ihrer Gasse gehe, mit Wohnhäusern und Geschäften, aber um zu ihr zu kommen, muss ich zwischen zwei endlosen grauen Häuserreihen hindurch, die arkadenartig durchbrochen sind. In allen diesen Träumen fühle ich, dass ich nicht ankommen werde oder dass ich die rechte Zeit versäumen werde.
Heute habe ich genauer gesehen, welches Industrieviertel ich durchqueren muss, um zu ihr zu gelangen: es war das Eisengebiet des Bezirkes /das es in Wirklichkeit nicht gibt/. Ich verfing mich gleich zum Beginn in das Netz von Röhren und Hochöfen und musste an den Hochöfen, umgeben von wilden Feuern, arbeiten. Einen Hochofen /sie waren am Schluss des Traums nur 2 1/2-3 Meter hoch/ musste ich stützen, damit er beim Brennen die Mauer nicht beschädige.
Eigentümlich ist, dass sich diese Träume nicht etwa dann einstellen , wenn ich abends an Brigitte K. gedacht habe, sondern dass sie anscheinend ohne Veranlassung kommen. Gestern am Abend habe ich an Friederike Mayröcker gedacht /nächsten Tags kam übrigens ein Brief von ihr/, aber geträumt habe ich vom Weg zu Brigitte K.
Abends, Do 14 1 54, Wels.Gestern abends genossen, x) Rohscheiben und Salami, die ich von zuhause bekommen hatte, im Bett gegessen, dazu "geträumt". dann unruhige Nacht.
Ich lege mich in der letzten Zeit sehr zeitig nieder. Ich schlafe in Portionen, wache auf, schaue auf die Uhr, trinke einen Schluck Zitronenwasser und schlafe im Augenblick danach wieder ein. Um halb sechs erwache ich endgültig und warte auf den Wecker. Mein Schlaf ist gut, meine Träume sind etwas wirr; dieser Eindruck entsteht aber sicher durch die "Portionierung" der Nächte, da mehr Fragmente als in der normal durchschlafenen Nacht im Bewusstsein zurückbleiben.
Tags die "zweite Inventur" fertiggeschrieben. Post von zu Haus und von Friederike Mayröcker. Vormittags etwas krank. Mittags gute Laune ins Büro gebracht. Wir sprachen von meiner Heimfahrt und vom Papiersaal. Abends in der Packerei gesessen und die Packbretter , die im Dezember verbraucht worden sind, erfasst. Nebenan hörte ich die Mädchen arbeiten und sah eine, die ihr Garderobekästchen offenstehen hatte und sich zum Nachhausegehen anzog.
Letzter langer Tag. Es taute. Ich erzählte am Nachmittag viel von mir und vom jungen wiener kulturellen Leben. Mir zum Abschied spie abends die Kokerei knapp neben meinem Weg.
Die letzten Arbeiten getan. Früh erreichte mich hier noch ein Brief des Südwestfunks. Man schickte mir freundlicherweise den Abzug der Radiosendung, in der auch ich besprochen wurde.
Abschied von den Welser Leuten. Mittags noch kurz auf meinem Zimmer, den Radioauszug gelesen.
Jetzt wird die Wiese vor dem Haus langsam blank.
15,51 D-Zug nach Wien. Aufenthalt nur in Linz.
Was Gescheiteres ist mir unterwegs nicht eingefallen. Der Mond scheinte. An der Donau brannten Lichter. Das Abteil war leider beleuchtet. Zwei Kinder mit ihren Grosseltern sassen im Gegenüber-Abteil. Wegen dieser Grosseltern war es mir nicht möglich, das beiden Abteilen gemeinsame Licht auszulöschen.
Die Kinder hätten es schon zugelassen, denn sie haben selber gern hinausgeschaut. Aber die Erwachsenen widersprachen mir nicht, als ich nach einer kurzen Finsternis-Probe ihnen das Licht zurückgab und ihnen sagte, ich habe nicht gewusst, dass beide Abteile eine gemeinsame Schaltung haben.
Auf dem Westbahnhof angekommen. Um acht Uhr abends zu Hause. Grosse Freude. Einen guten Abend verbracht, viel erzählt und zugehört, dann lang in den nächsten Tag geschlafen.
Auch zu meiner grossen Freude ist die Zimmerstellage, auf der alle meine Bücher und Schriften ihren Platz haben werden, während meiner Abwesenheit geliefert worden. Auch der Vorhang ist schon an ihr angebracht worden. Tagsüber räumte ich die Stellage ein und machte auch sonst viele Ordnungen. Schuf mir eine Uebersicht über die Post-Rückstände, die sich, während ich , bei mir angehäuft hatten. Las verschiedene Zuschriften und las in Zeitschriften, die mir nicht nach Wels geschickt worden waren. Auch Geld-Ordnung. Bestellte Bücher um 120.-- Schilling bei Herzog. Es taute.
Beginn meiner Arbeit in der Schönborngasse.
Guter Strassenbahnanschluss. Man lässt mich dort ganz von vorn in der Buchhaltung beginnen. Zunächst Arbeit an der Additionsmaschine; ich muss Konten aufaddieren. Man wird mir verschiedene kleine Arbeiten geben, die in der Buchhaltung anfallen. Mit der Zeit soll ich dann buchen lernen. Ausserdem soll ich einen Buchhaltung-Kurs besuchen, der mich theoretisch festigen soll. Wenn ich ganz ehrlich sein will, muss ich sagen, dass ich mir die Geschwindigkeit meines Vorstosses in die neue Stellung grösser vorgestellt habe als sie mir jetzt in Aussicht gestellt wird. Aber die Arbeitsbedingungen im Büro der Welser sind sehr angenehm, ganz andere als in der Oepex.
Früh, vor dem Büro, Stellage weiter eingerichtet, abends die wichtigste Korrespondenz. Aus der Bibliothek holte ich mir Aichingers "Die grössere Hoffnung".
Wie gestern gearbeitet. Abends Tagebuch nachgetragen. Seit Sonntag Vormittag, da ich die Zeitschriften, fast nur von aussen, angeschaut habe, bin ich überhaupt nicht dazugekommen, mich mit ihnen zu beschäftigen. Nicht einmal zuhause gründlich zu reden hatte ich seit Samstag Abend Zeit.
Zwischen Aufstehen, Arbeit und Niederlegen bleibt so wenig Zeit, dass man täglich nur eine Kleinigkeit erledigen kann. Und die Nacht kann ich nicht weiter ausnützen, da ich mindestens so viel Schlaf brauche, wie ich mir jetzt vergönne.
sahen wir uns den Film "Das war Rommel" an. Schön an diesem Film war, dass Deutsche und Engländer ihn gemeinsam gemacht hatten.
Von Nepp zwei Lehrbücher der Buchhaltung bekommen. Viel Post abends.
Sturm über Wien.
Immer ein bisschen an der Stellage weitergespielt.
abends hulat und Korrespondenz.
sagte mir Nepp, dass ich vier bis fünf Jahre brauchen werde, um in die Stellung hineinzuwachsen, für die ich bestimmt worden war.
Nachmittag kam Tante zu uns, ich sah sie erstmals, nach meinem Welser Aufenthalt, wieder. Viel geplaudert und besprochen. Abends begann ich die zerfetzten unter meinen Büchern einzubinden; eine Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, und bei der ich auch Gelegenheit fand, ein bisschen zu reden und auszuruhen.
Heute, Sonntag, 24 1 54, spät aufgestanden. Die Zeitschriften, die ich zuhause ungelesen liegen hatte, im Bett gelesen.
Ein chemischer Betrieb in Wien schreibt eine Stelle aus. Ich bot mich an, trotz meinen günstigen Aussichten in der Welser Papierfabrik. Auch die fällige Karte an Dr. Kirchhoff in Freiburg geschrieben. Tagebuch. Seit gestern ist es sehr kalt. /-9 Grad./ Gestern war der Himmel winterlich blau, heute ist es düster.
Stellage fertig eingerichtet.
Abends auf Tivoli mit Jirgal, Cysarz, Häussler, Schreiber. Um tiefer ineinander einzudringen, fehlte natürlich die Zeit. So fingen wir nicht einmal fragmentarisch an sondern hörten hauptsächlich Cysarz zu, der bezaubernd vehement nebensächliche Dinge erzählte.
Ich sehne mich nach Zusammenkünften, die mehrere Tage und Nächte ausfüllen: zum Beispiel danach, bei jemand Interessantem auf dem Lande eingeladen zu sein.
Nachmittags im Büro nur Ablage. Dann zum Zahnarzt, drei Plomben, gleich erledigt und bezahlt. Abends Tante und Paul besucht, unerwartetes kleines hulat.
Früh etwas später auf, zur Oepex gefahren, dort eine Zahlung aus einem alten Kopplungsgeschäft diskutiert und bereinigt. Man war sehr freundlich und achtungsvoll zu mir. Schwerer Frost dieser Tage. Minus 20 Grad.
Nach dem Büro zu Friederike Mayröcker. Wir sassen in einer kleinen Küche, zusammen mit ihren Eltern, unterhielten uns aber trotzdem anregend. Mit Friederike Mayröcker verstehe ich mich gut und hätte ich mich gut verstehen können
Fieberte, so dass ich vom Büro nach Hause geschickt wurde. Fühlte mich im Bett wohl. Nur unruhig.
Die bestellten Bücher kamen. Ich las ein wenig.
Wermut getrunken.
Im Bett geblieben. Am Artikel für und gegen die "Neuen Wege" zu schreiben begonnen. Nachmittags kam Tante, wir unterhielten uns über die beiden Büros.
Las in Rugels Buch "Rebell wider die Unnatur", das ich mir bestellt und das ich gestern bekommen hatte. Es ist ein sehr gutes Buch; das Buch, das mich von allen Ethikbüchern bisher am meisten befriedigt. /Wie stimmt es mit "meiner" Natürlichkeit-Idee überein, die ich früher zu predigen versucht habe und heute, durch alle Ablenkungen hindurch, zu realisieren versuche./
Herrn Andreas Okopenko Papierfabrik Ober-Oesterr. Wien VIII. Schönborngasse 18
19.1.54Lieber Andreas, wie das? Auf wie lang bist Du in Wels? Was ist mit der Wohnung in Grinzing? Long time, no see. Danke für Deine liebe Karte. Wie gefallen Dir die Welser? Viel Schnee? Gehst Du wenigstens rodeln? Oder spazieren!! Was wurde aus RoRoRo? Mir geht's wie immer gut, gehe skifahren, ins Theater, Konzert!! Drop a line real soon!! Grüße, auch an Deine Frau Mama.
ich sagte Friederike Mayröcker am 28.1., dass ihre kleinen lyrischen Bilder, die sie von einzelnen Stimmungen gibt, stark gewinnen würden, wenn sie die Perspektive in sie einführte; wenn sie nicht nur den Wind beschriebe sondern die zwei Türen mitzeichnete, durch die er hindurchweht.
29 1 54Vormittags noch im Bett geblieben, dann Artikel weitergeschrieben, zu Jandl gefahren. Mit ihm besprach ich das Programm unserer Lesung im Volksheim. Kalt.
Blieb heute noch vom Büro fort. Brachte den Ofen aus dem Keller, kaufte die Nebengeräte und stellte ihn in der Küche auf. Wir bestellten gleich Kohle und heizten das erstema1 die Wohnung gründlich. Den Artikel fertiggeschrieben.
Ich werde DM 30.-- für die Krolowsendung bekommen. Wieder Büro. Frost hält an. Schnee. Abends Artikel reinzuschreiben begonnen. Noch schlecht.
Nepp warnte mich vor dem Tratschen und lobte mich abends das erste Mal für eine geleistete Arbeit.
Abends provisorische Reinschrift des Artikels weiter.
Morgens Tante da. /Aus Unruhe wegen der gestrigen Tratschwarnung./ Im Büro: Rohbilanz auszuarbeiten begonnen. Ersten Fehler aufgefunden.
Grosser Postwirbel abends.
Früh Artikel verbessert.
Bei schönem blauem Winterwetter nachmittags zu Kein gefahren. Wir sprachen sehr gut miteinander und einigten uns rasch auf ein Programm für die Volksheimlesung. Das Programm ist besonders gut zusammengestellt.
Vormittags Artikel fertig, gut.
15 Uhr bei Polakovics. Dort sass ein neuer Autor der NW, Meier, ein ästhetisch wirkender Katholik. Ich finde ihn dem Wolfgang Fischer ähnlich, was Polakovics abstreitet. Im Gespräch verwendet Polakovics viele der Hakelschen Prägungen. Mit Traude trotz dem Artikelwechsel freundschaftliche Atmosphäre. Sie sagt: Im Grunde meinen wir ja dasselbe.
Abends Flockenfall. Es war die erste Fahrt mit den Strassenbahnen 46 und 47 wieder /nach unserer Uebersiedlung vom Steinhof/, es war der erste Besuch bei Polakovics wieder seit meinem Welser Aufenthalt; nein, sogar seit unserer Uebersiedlung im November!
Im Kino abends "Schlagerparade". Kein besonders sprühender, aber doch ein überdurchschnittlicher Film für die Unterhaltung.
Noch Frost. Für heute Tauwetter angesagt.
Betrachtete gestern nachmittags im Büro das Fleckchen grellblauen Himmels, das man aus unserem Fenster sehen konnte. Schaute immer wieder hin und dachte an den Himmel zu den verschiedenen Stunden des Nachmittags über den Gassen.
Mamas Geburtstag. Abends Holz, Photo, Rohscheiben.
Abends wieder Holz /die altdeutsche Kredenz weiter zerschlagen; endgültige Niederlage des alten Möbelstils/. Weigelbrief konzipiert. Noch kein Tauwetter.
Nachmittags photographierte uns Herr Nepp. Mir erklärte er viel von der Betriebsbuchhaltung.
Abends keine Arbeit. Bald habe ich meine Rückstände zuhaus aufgeholt.
Neuer Schneefall statt dem Tauwetter. Früh im "Monat" gelesen.
Am Tag begann es zu tauen.
Nachmittags: Mayröcker-Brief kam.
2 Zimmerstellagen konstruiert. Keller, Holz, künftige Küche geplant.
Wintereinsendung erledigt. Tante da, viel mit ihr besprochen.
Möcki-Brief geschrieben. Seit gestern Tauwetter, trüb.
Post aufgegeben. Stellagen in Auftrag.
Nachmittags drei Groschen in der Buchhaltung gesucht. Abends Alpenlandeinsendung hergerichtet. Die Arbeit lichtet sich.
0°, trüb, glatt.
Wirbel: Urlaub festgesetzt und Welser Aufenthalt entschieden. Abends mich mit Photos beschäftigt.
Erstmals bei Kalkulation mitgeholfen. Ebnerpost. Abends ausgeruht. Kälte bricht wieder ein.
Früh im "Monat" Artikel über Fitzgerald gelesen. Vorhang nichts, Staatsvertrag nichts. Bilanz, PM IV.
Früh Magistratisches Bezirksamt: Mittellosigkeitszeugnis für Mama.
Abends Lesung im Volksheim Margareten. Der Anfang war armselig. Insgesamt kamen dann doch über zwanzig Leute. Das Programm hatten wir sehr gut zusammengestellt. Gelesen haben wir mässig schlecht.
Gingen noch ein Stückchen mit Möcki und Jandl. Wenig bedeutsames Gespräch. Ein bisschen traurig über den nicht genützten Abend. Wunsch, er möchte noch schön enden. Als wir Abschied voneinander nahmen, wollte ich Möcki, etwas länger als anständig, die Hand drücken. Sie kam mir um ein winziges Teilchen einer Sekunde damit zuvor und sah mich dabei mit einem grünen eindeutigen Blick an, den ich "mit vollem Einverständnis meiner Seele" erwiderte; dann verschwammen unsere Blicke gleich ineinander. Ich fühlte, beglückt, dass Möcki meine geheimsten Erwartungen erfüllte, und wie sie mit mir übereinstimmte.
Nachmittags neue Korrespondenzen erledigt, Haarschneider, Hulat.
Vormittags Tagebuch nachgetragen.
14 Uhr bei arger Kälte zu Tante gefahren, missglückter Faschingsnachmittag. Trotzdem gut ausgeruht.
Schon die zweite Nacht träume ich von Möcki.
Die heutige Nacht teilte ich mir - wie seinerzeit in Wels - in viele kleine Portionen, damit ich nach jedem Traum Gelegenheit haben sollte, ihn in mein Bewusstsein aufzunehmen und gegebenenfalls zu geniessen.
Wie ich es abends vorausgewusst hatte, träumte ich heute mehrere Male von ihr. Der Traum, der mich am meisten ergriff, war der: Möcki wohnte in einem Keller, in einem Kaninchenverschlag. Heute wollte ich sie dort wieder besuchen, aber der Verschlag war leer. Nur ein paar Ueberbleibsel, etwa Kartoffelschalen und Rübenreste, erinnerten an ihr Leben.
Früh Tagebuch viel weiter.
Büro interessant.
Abends unseren Einrichtungsplan neu durchgerechnet.
Ich fuhr spät abends mit der Bahn in eine wilde bergige Gegend. Ich fand mich in einem Wald, auf steilem Boden, der vor mir ohne Ende hinunterverlief und hinter mir ohne Ende höher und höher anstieg. Der Boden war graubraun, unbewachsen, keine Nadel Reisig lag auf ihm. Die Baumstämme waren grau und trugen erst viele Menschenhöhen über dem Boden Zweige. Das einzige, was hier lebte, waren Millionen von Spinnen, die graubraun und gross um meine Füsse umherliefen und den Boden bis an den Horizont bekrochen.
Schmerzender Frost morgens. Steuergesuch geschrieben. Gemütlicher Abend. Schon mehrere Tage keine Post. Mama kaufte einen Vorhang für die Küchenstellage.
Im Traum zeigte ich Cysarz bunte Malereien Geisteskranker, die Papa gesammelt hatte.
Früh endlich Tagebuch weiter. Die Küche war schon früh geheizt.
Die "Neuen Wege" nehmen meinen Artikel nicht.
Abends schrieb ich Häussler einen Abschiedsbrief. Mama hat den Küchenvorhang schon genäht.
Im Büro heute ohne Nepp gearbeitet. Viel geleistet. Sehnsucht nach freier Zeit.
Schöner Abend, ein bisschen freundliche Post, Tagebuch fertig nachgetragen.
Warum übertreibe ich so in meinen Träumen?
Der Weg zu
Brigitte K.
war z war auch in Wirklichkeit
ziemlich langwierig, denn das in Luftlinie kurze Weg-Stückchen
musste kreuz und quer durch Gartengässchen gegangen werden,
aber in meinen Träumen, die sich immer wieder einstellen,
wird der Weg zu ihr immer hoffnungloser.
Zuerst habe ich geträumt, dass sie etwa am anderen Ende
des Bezirkes wohnt und ich musste mich zu ihr durchmarschieren
und durchfragen.
Später sind Wiesen zwischen ihr und mir gelegen, die plötzlich
in einen Abhang enden, über den ich nicht hinunterspringen kann.
Ein anderes Mal habe ich geträumt, dass ich schon in ihrer Gasse
gehe, mit Wohnhäusern und Geschäften, aber um zu ihr zu kommen,
muss ich zwischen zwei endlosen grauen Häuserreihen hindurch,
die arkadenartig durchbrochen sind. In allen diesen Träumen
fühle ich, dass ich nicht ankommen werde oder dass ich die
rechte Zeit versäumen werde.
Heute habe ich genauer gesehen, welches Industrieviertel ich
durchqueren muss, um zu ihr zu gelangen: es war das Eisengebiet
des Bezirkes /das es in Wirklichkeit nicht gibt/. Ich verfing mich
gleich zum Beginn in das Netz von Röhren und Hochöfen und musste
an den Hochöfen, umgeben von wilden Feuern, arbeiten. Einen Hochofen
/sie waren am Schluss des Traums nur 2 1/2-3 Meter hoch/
musste ich stützen, damit er beim Brennen die Mauer nicht
beschädige.
Eigentümlich ist, dass sich diese Träume nicht etwa dann einstellen
,
wenn ich abends an Brigitte K. gedacht habe, sondern dass sie
anscheinend ohne Veranlassung kommen. Gestern am Abend habe ich
an Friederike Mayröcker gedacht /nächsten Tags kam übrigens ein
Brief von ihr/, aber geträumt habe ich vom Weg zu Brigitte K.
Gestern abends genossen,
x)
Rohscheiben und Salami, die ich von zuhause bekommen hatte, im Bett
gegessen, dazu "geträumt". dann unruhige Nacht.
Ich lege mich in der letzten Zeit sehr zeitig nieder.
Ich schlafe in Portionen, wache auf, schaue auf die Uhr,
trinke einen Schluck Zitronenwasser und schlafe im
Augenblick danach wieder ein. Um halb sechs erwache ich endgültig
und warte auf den Wekccker. Mein Schlaf ist gut, meine Träume sind
etwas wirr; dieser Eindruck entsteht aber sicher durch die
"Portionierung" der Nächte, da mehr Fragmente als in der normal
durchschlafenen Nacht im Bewusstsein zurückbleiben.
Tags die "zweite Inventur" fertiggeschrieben. Post von zu Haus und
von Friederike Mayröcker. Vormittags etwas krank. Mittags gute
Laune ins Büro gebracht. Wir sprachen von meiner Heimfahrt und
vom Papiersaal. Abends in der Packerei gesessen und die Packbretter
,
die im Dezember verbracuucht worden sind, erfasst. Nebenan hörte ich
die Mädchen arbeiten und sah eine, die ihr Garderobekästchen
offenstehen hatte und sich zum Nachhausegehen anzog.
Letzter langer Tag. Es taute. Ich erzählte am
Nachmittag viel von mir und vom jungen Wwiener kultu-
rellen Leben. Mir zum Abschied spie abends die Kokerei
knapp neben meinem Weg.
Die letzten Arbeiten getan. Früh erreichte mich hier
noch
ein Brief des Südwestfunks. Man schickte mir
freundlicherweise den Abzug der Radiosendung,
in der auch ich besprochen wurde.
Abschied von den Welser Leuten. Mittags noch kurz
auf meinem Zimmer, den Radioauszug gelesen.
Jetzt wird die Wiese vor dem Haus langsam blank.
15,51 D-Zug nach Wien. Aufenthalt nur in Linz.
Was Gescheiteres ist mir unterwegs nicht eingefallen.
Der Mond scheinte. An der Donau brannten Lichter.
Das Abteil war leider beleuchtet. Zwei Kinder mit
ihren Grosseltern sassen im Gegenüber-Abteil. Wegen
dieser Grosseltern war es mir nicht möglich, das
beiden Abteilen gemeinsame Licht auszulöschen.
Die Kinder hätten es schon zugelassen, denn sie
haben selber gern hinausgeschaut. Aber die Erwachsenen
widersprachen mir nicht, als ich nach einer kurzen
Finsternis-Probe ihnen das Licht zurückgab und ihnen
sagte, ich habe nicht gewusst, dass beide Abteile eine
gemeinsame Schaltung haben.
Auf dem Westbahnhof angekommen. Um acht Uhr abends
zu Hause. Grosse Freude. Einen guten Abend verbracht,
viel erzählt und zugehört, dann lang in den nächsten
Tag geschlafen.
Auch zu meiner grossen Freude ist die Zimmerstellage,
auf der alle meine Bücher und Schriften ihren Platz
haben werden, während meiner Abwesenheit geliefert
worden. Auch der Vorhang ist schon an ihr angebracht
worden. Tagsüber räumte ich die Stellage ein und
machte auch sonst viele Ordnungen. Schuf mir eine
Uebersicht über die Post-Rückstände, die sich, während
ich , bei mir angehäuft hatten. Las verschiedene
Zuschriften und las in Zeitschriften, die mir nicht
nach Wels geschickt worden waren. Auch Geld-Ordnung.
Bestellte Bücher um 120.-- Schilling bei Herzog.
Es taute.
Beginn meiner Arbeit in der Schönborngasse.
Guter Strassenbahnanschluss. Man lässt mich dort
ganz von vorn in der Buchhaltung beginnen. Zunächst
Arbeit an der Additionsmaschine; ich muss Konten
aufaddieren. Man wird mir verschiedene kleine Arbeiten
geben, die in der Buchhaltung anfallen. Mit der Zeit
soll ich dann buchen lernen. Ausserdem soll ich einen
Buchhaltung-Kurs besuchen, der mich theoretisch festi-
gen soll. Wenn ich ganz ehrlich sein will, muss ich
sagen, dass ich mir die Geschwindigkeit meines
Vorstosses in die neue Stellung grösser vorgestellt
habe als sie mir jetzt in Aussicht gestellt wird.
Aber die Arbeitsbedingungen im Büro der Welser sind
sehr angenehm, ganz andere als in der Oepex.
Früh, vor dem Büro, Stellage weiter eingerichtet,
abends die wichtigste Korrespkondenz. Aus der Biblio-
thek holte ich mir Aichingers "Die grössere Hoffnung".
Wie gestern gearbeitet. Abends Tabgebuch nachgetragen.
Seit Sonntag Vormittag, da ich die Zeitschriften,
fast nur von aussen, angeschaut habe, bin ich über-
haupt nicht dazugekommen, mich mit ihnen zu beschäfti-
gen. Nicht einmal zuhause gründlich zu reden hatte
ich seit Samstag Abend Zeit.
Zwischen Aufstehen, Arbeit und Niederlegen bleibt so
wenig Zeit, dass man täglich nur eine Kleinigkeit
erledigen kann. Und die Nacht kann ich nicht weiter
ausnützen, da ich mindestens so viel Schlaf brauche,
wie ich mir jetzt vergönne.
sahen wir uns den Film "Das war Rommel"
an. Schön an diesem Film war, dass Deutsche und
Engländer ihn gemeinsam gemacht hatten.
Von Nepp zwei Lehrbücher der Buchhaltung bekommen.
Viel Post abends.
Sturm über Wien.
Immer ein bisschen an der Stellage weitergespielt.
abends hulat und Korrespondenz.
sagte mir Nepp, dass ich vier bis fünf
Jahre brauchen werde, um in die Stellung hineinzu-
wachsen, für die ich bestimmt worden war.
Nachmittag kam Tante zu uns, ich sah sie erstmals,
nach meinem Welser Aufenthalt, wieder. Viel geplau-
dert und besprochen. Abends begann ich die zer-
fetzten unter meinen Büchern einzubinden; eine
Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, und bei der
ich auch Gelegenheit fand, ein bisschen zu reden und
auszuruhen.
Heute, Sonntag, 24 1 54, spät aufgestanden. Die
Zeitschriften, die ich zuhause
ungelesen liegen hatte,
im Bett gelesen.
Ein chemischer Betrieb in Wien schreibt eine
Stelle aus. Ich bot mich an, trotz meinen günstigen
Aussichten in der Welser Papierfabrik. Auch die
fällige Karte an Dr. Kirchhoff in Freiburg geschrie-
ben. Tagebuch. Seit gestern ist es sehr kalt. /-9 Grad./
Gestern war der Himmel winterlich blau, heute ist
es düster.
Stellage fertig eingerichtet.
Abends auf Tivoli mit Jirgal, Cysarz, Häussler,
Schreiber. Um tiefer ineinander einzudringen,
fehlte natürlich die Zeit. So fingen wir nicht
einmal fragmentarisch an sondern hörten haupt-
sächlich Cysarz zu, der bezaubernd vehement
nebensächliche Dinge erzählte.
Ich sehne mich nach Zusammenkünften, die mehrere
Tage und Nächte ausfüllen: zum Beispiel danach,
bei jemand Interessantem auf dem Lande eingeladen
zu sein.
Nachmittags im Büro nur
Ablage. Dann zum Zahnarzt, drei Plomben, gleich
erledigt und bezahlt. Abends Tante und Paul
besucht, unerwartetes kleines hulat.
Früh etwas später auf, zur Oepex
gefahren, dort eine Zahlung aus einem alten Kopplungs-
geschäft diskutiert und bereinigt. Man war sehr
freundlich und achtungsvoll zu mir. Schwerer Frost
dieser Tage. Minus 20 Grad.
Nach dem Büro zu Friederike Mayröcker.
Wir sassen in einer kleinen Küche,
zusammen mit ihren Eltern, unterhielten
uns aber trotzdem anregend. Mit Frieder-
rike Mayröcker verstehe ich mich gut
und hätte ich mich gut verstehen können
Fieberte, so dass ich vom Büro nach
Hause geschickt wurde. Fühlte mich
im Bett wohl. Nur unruhig.
Die bestellten
Bücher
kamen. Ich las
ein wenig.
Wermut getrunken.
Im Bett geblieben. Am Artikel für
und gegen die "Neuen Wege" zu schrei-
ben begonnen. Nachmittags kam Tante,
wir unterhielten uns über die beiden
Büros.
Las in Rugels Buch "Rebell wider die
Unnatur", das ich mir bestellt und
das ich gestern bekommen hatte. Es ist
ein sehr gutes Buch; das Buch, das
mich von allen Ethikbüchern bisher
am meisten befriedigt. /Wie stimmt es
mit "meiner" Natürl ichkeit-Idee
überein, die ich früher zu predigen
versucht habe und heute, durch alle Ablen-
kungen hindurch, zu realisieren ver-
suche./
Herrn Andreas Okopenko Welser Papierfabrik Wels, Ober-Oesterr. Wien VIII. Schönborngasse 18
19.1.54Lieber Andreas, wie das? Auf wie lang
bist Du in Wels? Was ist mit der Wohnung
in Grinzing? Long time, no see. Danke
für Deine liebe Karte. Wie gefallen Dir
die Welser? Viel Schnee? Gehst Du wenig-
stens rodeln? Oder spazieren!! Was wurde
aus RoRoRo? Mir geht's wie immer gut,
gehe skifahren, ins Theater, Konzert!! Drop
a line real soon!! Grüße, auch
an Deine Frau Mama.
ich sagte Friederike Mayröcker am 28.1., dass ihre kleinen
lyrischen Bilder, die sie von einzelnen Stimmungen gibt,
stark gewinnen würden, wenn sie die Perspektive in sie
einführte; wenn sie nicht nur den Wind beschriebe sondern
die zwei Türen mitzeichnete, durch die er hindurchweht.
Vormittags noch im Bett geblieben, dann Artikel
weitergeschrieben, zu Jandl gefahren. Mit ihm
besprach ich das Programm unserer Lesung im Volksheim.
Kalt.
Blieb heute noch vom Büro fort. Brachte den Ofen
aus dem Keller, kaufte die Nebengeräte und stellte
ihn in der Küche auf. Wir bestellten gleich Kohle
und heizten das erstema1 die Wohnung gründlich.
Den Artikel fertiggeschrieben.
Ich werde DM 30.-- für die Krolowsendung bekommen.
Wieder Büro. Frost hält an. Schnee. Abends Artikel
reinzuschreiben begonnen. Noch schlecht.
Nepp warnte mich vor dem Tratschen und lobte mich abends
das erste Mal für eine geleistete Arbeit.
Abends provisorische Reinschrift des Artikels weiter.
Morgens Tante da. /Aus Unruhe wegen der gestrigen Tratsch-
warnung./ Im Büro: Rohbilanz auszuarbeiten begonnen.
Ersten Fehler aufgefunden.
Grosser Postwirbel abends.
Früh Artikel verbessert.
Bei schönem blauem Winterwetter nachmittags zu Kein
gefahren. Wir sprachen sehr gut miteinander und
einigten uns rasch auf ein Programm für die Volks-
heimlesung. Das Programm ist besonders gut zusammen-
gestellt.
Vormittags Artikel fertig, gut.
15 Uhr bei Polakovics. Dort sass ein neuer Autor
der NW, Meier, ein ästhetisch wirkender Katholik.
Ich finde ihn dem Wolfgang Fischer ähnlich, was
Polakovics abstreitet. Im Gespräch verwendet Polakovics
viele der Hakelschen Prägungen. Mit Traude trotz
dem Artikelwechsel freundschaftliche Atmosphäre.
Sie sagt: Im Grunde meinen wir ja dasselbe.
Abends Flockenfall. Es war die erste Fahrt mit den
Strassenbahnen 46 und 47 wieder /nach unserer Ueber-
siedlung vom Steinhof/, es war der erste Besuch bei
Polakovics wieder seit meinem Welser Aufenthalt; nein,
sogar seit unserer Uebersiedlung im November!
Im Kino abends "Schlagerparade". Kein besonders
sprühender, aber doch ein überdurchschnittlicher
Film für die Unterhaltung.
Noch Frost. Für heute Tauwetter angesagt.
Betrachtete gestern nachmittags im Büro das
Fleckchen grellblauen Himmels, das man aus unserem
Fenster sehen konnte. Schaute immer wieder hin und
dachte an den Himmel zu den verschiedenen Stunden
des Nachmittags über den Gassen.
Mamas Geburtstag. Abends Holz, Photo, Rohscheiben.
Abends wieder Holz /die altdeutsche Kredenz weiter
zerschlagen; endgültige Niederlage des alten Möbelstils/.
Weigelbrief konzipiert. Noch kein Tauwetter.
Nachmittags photographierte uns Herr Nepp. Mir erklärte
er viel von der Betriebsbuchhaltung.
Abends keine Arbeit. Bald habe ich meine Rückstände
zuhaus aufgeholt.
Neuer Schneefall statt dem Tauwetter. Früh im "Monat"
gelesen.
Am Tag begann es zu tauen.
Nachmittags: Mayröcker-Brief kam.
2 Zimmerstellagen konstruiert. Keller, Holz, künftige
Küche geplant.
Wintereinsendung erledigt. Tante da, viel mit ihr
besprochen.
Möcki-Brief geschrieben. Seit gestern Tauwetter, trüb.
Post aufgegeben. Stellagen in Auftrag.
Nachmittags drei Groschen in der Buchhaltung gesucht.
Abends Alpenlandeinsendung hergerichtet. Die Arbeit
lichtet sich.
0°, trüb, glatt.
Wirbel: Urlaub festgesetzt und Welser Aufenthalt
entschieden. Abends mich mit Photos beschäftigt.
Erstmals bei Kalkulation mitgeholfen.
Ebnerpost.
Abends ausgeruht. Kälte bricht wieder ein.
Früh im "Monat" Artikel über Fitzgerald gelesen.
Vorhang nichts, Staatsvertrag nichts. Bilanz, PM IV.
Früh Magistratisches Bezirksamt: Mittellosigkeitszeugnis
für Mama.
Abends Lesung im Volksheim Margareten. Der Anfang war
armselig. Insgesamt kamen dann doch über zwanzig Leute.
Das Programm hatten wir sehr gut zusammengestellt.
Gelesen haben wir mässig schlecht.
Gingen noch ein Stückchen mit Möcki und Jandl. Wenig
bedeutsames Gespräch. Ein bisschen traurig über den
nicht genützten Abend. Wunsch, er möchte noch schön enden.
Als wir Abschied voneinander nahmen, wollte ich Möcki,
etwas länger als anständig, die Hand drücken. Sie kam
mir um ein winziges Teilchen einer Sekunde damit zuvor
und sah mich dabei mit einem grünen eindeutigen Blick
an, den ich "mit vollem Einverständnis meiner Seele"
erwiderte; dann verschwammen unsere Blicke gleich
ineinander. Ich fühlte, beglückt, dass Möcki meine
geheimsten Erwartungen erfüllte, und wie sie mit mir
übereinstimmte.
Nachmittags neue Korrespondenzen erledigt, Haarschneider,
Hulat.
Vormittags Tagebuch nachgetragen.
14 Uhr bei arger Kälte zu Tante gefahren, missglückter
Faschingsnachmittag. Trotzdem gut ausgeruht.
Schon die zweite Nacht träume ich von Möcki.
Die heutige Nacht teilte ich mir - wie
seinerzeit in Wels - in viele kleine Portionen,
damit ich nach jedem Traum Gelegenheit haben
sollte, ihn in mein Bewusstsein aufzunehmen
und gegebenenfalls zu geniessen.
Wie ich es abends vorausgewusst hatte,
träumte ich heute mehrere Male von ihr.
Der Traum, der mich
am meisten ergriff, war der: Möcki wohnte
in einem Keller, in einem Kaninchenverschlag.
Heute wollte ich sie dort wieder besuchen,
aber der Verschlag war leer. Nur ein paar
Ueberbleibsel, etwa Kartoffelschalen und
Rübenreste, erinnerten an ihr Leben.
Früh Tagebuch viel weiter.
Büro interessant.
Abends unseren Einrichtungsplan neu durchgerechnet.
Ich fuhr spät abends mit der Bahn in eine
wilde bergige Gegend. Ich fand mich in einem
Wald, auf steilem Boden, der vor mir ohne Ende
hinunterverlief und hinter mir ohne Ende
höher und höher anstieg. Der Boden war grau-
braun, unbewachsen, keine Nadel Reisig lag auf
ihm. Die Baumstämme waren grau und trugen erst
viele Menschenhöhen über dem Boden Zweige.
Das einzige, was hier lebte, waren Millionen
von Spinnen, die graubraun und gross um meine
Füsse umherliefen und den Boden bis an den
Horizont bekrochen.
Schmerzender Frost morgens. Steuergesuch geschrieben.
Gemütlicher Abend. Schon mehrere Tage keine Post.
Mama kaufte einen Vorhandg für die Küchenstellage.
Im Traum zeigte ich Cysarz bunte Malereien
Geisteskranker, die Papa gesammelt hatte.
Früh endlich Tagebuch weiter. Die Küche war schon früh
geheizt.
Die "Neuen Wege" nehmen meinen Artikel nicht.
Abends schrieb ich Häussler einen Abschiedsbrief.
Mama hat den Küchenvorhang schon gen äht.
Im Büro heute ohne Nepp gearbeitet. Viel geleistet.
Sehnsucht nach freier Zeit.
Schöner Abend, ein bisschen freundliche Post, Tagebuch
fertig nachgetragen.
Warum übertreibe ich so in meinen Träumen?
Der Weg zu Brigitte K. war zwar auch in Wirklichkeit ziemlich langwierig, denn das in Luftlinie kurze Weg-Stückchen musste kreuz und quer durch Gartengässchen gegangen werden, aber in meinen Träumen, die sich immer wieder einstellen, wird der Weg zu ihr immer hoffnungloser.
Zuerst habe ich geträumt, dass sie etwa am anderen Ende des Bezirkes wohnt und ich musste mich zu ihr durchmarschieren und durchfragen.
Später sind Wiesen zwischen ihr und mir gelegen, die plötzlich in einen Abhang enden, über den ich nicht springen kann. Ein anderes Mal habe ich geträumt, dass ich schon in ihrer Gasse gehe, mit Wohnhäusern und Geschäften, aber um zu ihr zu kommen, muss ich zwischen zwei endlosen grauen Häuserreihen hindurch, die arkadenartig durchbrochen sind. In allen diesen Träumen fühle ich, dass ich nicht ankommen werde oder dass ich die rechte Zeit versäumen werde.
Heute habe ich genauer gesehen, welches Industrieviertel ich durchqueren muss, um zu ihr zu gelangen: es war das Eisengebiet des Bezirkes /das es in Wirklichkeit nicht gibt/. Ich verfing mich gleich zum Beginn in das Netz von Röhren und Hochöfen und musste an den Hochöfen, umgeben von wilden Feuern, arbeiten. Einen Hochofen /sie waren am Schluss des Traums nur 2 1/2-3 Meter hoch/ musste ich stützen, damit er beim Brennen die Mauer nicht beschädige.
Eigentümlich ist, dass sich diese Träume nicht etwa dann einstellen , wenn ich abends an Brigitte K. gedacht habe, sondern dass sie anscheinend ohne Veranlassung kommen. Gestern am Abend habe ich an Friederike Mayröcker gedacht /nächsten Tags kam übrigens ein Brief von ihr/, aber geträumt habe ich vom Weg zu Brigitte K.
Abends, Do 14 1 54, Wels.Gestern abends genossen, x) Rohscheiben und Salami, die ich von zuhause bekommen hatte, im Bett gegessen, dazu "geträumt". dann unruhige Nacht.
Ich lege mich in der letzten Zeit sehr zeitig nieder. Ich schlafe in Portionen, wache auf, schaue auf die Uhr, trinke einen Schluck Zitronenwasser und schlafe im Augenblick danach wieder ein. Um halb sechs erwache ich endgültig und warte auf den Wecker. Mein Schlaf ist gut, meine Träume sind etwas wirr; dieser Eindruck entsteht aber sicher durch die "Portionierung" der Nächte, da mehr Fragmente als in der normal durchschlafenen Nacht im Bewusstsein zurückbleiben.
Tags die "zweite Inventur" fertiggeschrieben. Post von zu Haus und von Friederike Mayröcker. Vormittags etwas krank. Mittags gute Laune ins Büro gebracht. Wir sprachen von meiner Heimfahrt und vom Papiersaal. Abends in der Packerei gesessen und die Packbretter , die im Dezember verbraucht worden sind, erfasst. Nebenan hörte ich die Mädchen arbeiten und sah eine, die ihr Garderobekästchen offenstehen hatte und sich zum Nachhausegehen anzog.
Letzter langer Tag. Es taute. Ich erzählte am Nachmittag viel von mir und vom jungen wiener kulturellen Leben. Mir zum Abschied spie abends die Kokerei knapp neben meinem Weg.
Die letzten Arbeiten getan. Früh erreichte mich hier noch ein Brief des Südwestfunks. Man schickte mir freundlicherweise den Abzug der Radiosendung, in der auch ich besprochen wurde.
Abschied von den Welser Leuten. Mittags noch kurz auf meinem Zimmer, den Radioauszug gelesen.
Jetzt wird die Wiese vor dem Haus langsam blank.
15,51 D-Zug nach Wien. Aufenthalt nur in Linz.
Was Gescheiteres ist mir unterwegs nicht eingefallen. Der Mond scheinte. An der Donau brannten Lichter. Das Abteil war leider beleuchtet. Zwei Kinder mit ihren Grosseltern sassen im Gegenüber-Abteil. Wegen dieser Grosseltern war es mir nicht möglich, das beiden Abteilen gemeinsame Licht auszulöschen.
Die Kinder hätten es schon zugelassen, denn sie haben selber gern hinausgeschaut. Aber die Erwachsenen widersprachen mir nicht, als ich nach einer kurzen Finsternis-Probe ihnen das Licht zurückgab und ihnen sagte, ich habe nicht gewusst, dass beide Abteile eine gemeinsame Schaltung haben.
Auf dem Westbahnhof angekommen. Um acht Uhr abends zu Hause. Grosse Freude. Einen guten Abend verbracht, viel erzählt und zugehört, dann lang in den nächsten Tag geschlafen.
Auch zu meiner grossen Freude ist die Zimmerstellage, auf der alle meine Bücher und Schriften ihren Platz haben werden, während meiner Abwesenheit geliefert worden. Auch der Vorhang ist schon an ihr angebracht worden. Tagsüber räumte ich die Stellage ein und machte auch sonst viele Ordnungen. Schuf mir eine Uebersicht über die Post-Rückstände, die sich, während ich , bei mir angehäuft hatten. Las verschiedene Zuschriften und las in Zeitschriften, die mir nicht nach Wels geschickt worden waren. Auch Geld-Ordnung. Bestellte Bücher um 120.-- Schilling bei Herzog. Es taute.
Beginn meiner Arbeit in der Schönborngasse.
Guter Strassenbahnanschluss. Man lässt mich dort ganz von vorn in der Buchhaltung beginnen. Zunächst Arbeit an der Additionsmaschine; ich muss Konten aufaddieren. Man wird mir verschiedene kleine Arbeiten geben, die in der Buchhaltung anfallen. Mit der Zeit soll ich dann buchen lernen. Ausserdem soll ich einen Buchhaltung-Kurs besuchen, der mich theoretisch festigen soll. Wenn ich ganz ehrlich sein will, muss ich sagen, dass ich mir die Geschwindigkeit meines Vorstosses in die neue Stellung grösser vorgestellt habe als sie mir jetzt in Aussicht gestellt wird. Aber die Arbeitsbedingungen im Büro der Welser sind sehr angenehm, ganz andere als in der Oepex.
Früh, vor dem Büro, Stellage weiter eingerichtet, abends die wichtigste Korrespondenz. Aus der Bibliothek holte ich mir Aichingers "Die grössere Hoffnung".
Wie gestern gearbeitet. Abends Tagebuch nachgetragen. Seit Sonntag Vormittag, da ich die Zeitschriften, fast nur von aussen, angeschaut habe, bin ich überhaupt nicht dazugekommen, mich mit ihnen zu beschäftigen. Nicht einmal zuhause gründlich zu reden hatte ich seit Samstag Abend Zeit.
Zwischen Aufstehen, Arbeit und Niederlegen bleibt so wenig Zeit, dass man täglich nur eine Kleinigkeit erledigen kann. Und die Nacht kann ich nicht weiter ausnützen, da ich mindestens so viel Schlaf brauche, wie ich mir jetzt vergönne.
sahen wir uns den Film "Das war Rommel" an. Schön an diesem Film war, dass Deutsche und Engländer ihn gemeinsam gemacht hatten.
Von Nepp zwei Lehrbücher der Buchhaltung bekommen. Viel Post abends.
Sturm über Wien.
Immer ein bisschen an der Stellage weitergespielt.
abends hulat und Korrespondenz.
sagte mir Nepp, dass ich vier bis fünf Jahre brauchen werde, um in die Stellung hineinzuwachsen, für die ich bestimmt worden war.
Nachmittag kam Tante zu uns, ich sah sie erstmals, nach meinem Welser Aufenthalt, wieder. Viel geplaudert und besprochen. Abends begann ich die zerfetzten unter meinen Büchern einzubinden; eine Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, und bei der ich auch Gelegenheit fand, ein bisschen zu reden und auszuruhen.
Heute, Sonntag, 24 1 54, spät aufgestanden. Die Zeitschriften, die ich zuhause ungelesen liegen hatte, im Bett gelesen.
Ein chemischer Betrieb in Wien schreibt eine Stelle aus. Ich bot mich an, trotz meinen günstigen Aussichten in der Welser Papierfabrik. Auch die fällige Karte an Dr. Kirchhoff in Freiburg geschrieben. Tagebuch. Seit gestern ist es sehr kalt. /-9 Grad./ Gestern war der Himmel winterlich blau, heute ist es düster.
Stellage fertig eingerichtet.
Abends auf Tivoli mit Jirgal, Cysarz, Häussler, Schreiber. Um tiefer ineinander einzudringen, fehlte natürlich die Zeit. So fingen wir nicht einmal fragmentarisch an sondern hörten hauptsächlich Cysarz zu, der bezaubernd vehement nebensächliche Dinge erzählte.
Ich sehne mich nach Zusammenkünften, die mehrere Tage und Nächte ausfüllen: zum Beispiel danach, bei jemand Interessantem auf dem Lande eingeladen zu sein.
Nachmittags im Büro nur Ablage. Dann zum Zahnarzt, drei Plomben, gleich erledigt und bezahlt. Abends Tante und Paul besucht, unerwartetes kleines hulat.
Früh etwas später auf, zur Oepex gefahren, dort eine Zahlung aus einem alten Kopplungsgeschäft diskutiert und bereinigt. Man war sehr freundlich und achtungsvoll zu mir. Schwerer Frost dieser Tage. Minus 20 Grad.
Nach dem Büro zu Friederike Mayröcker. Wir sassen in einer kleinen Küche, zusammen mit ihren Eltern, unterhielten uns aber trotzdem anregend. Mit Friederike Mayröcker verstehe ich mich gut und hätte ich mich gut verstehen können
Fieberte, so dass ich vom Büro nach Hause geschickt wurde. Fühlte mich im Bett wohl. Nur unruhig.
Die bestellten Bücher kamen. Ich las ein wenig.
Wermut getrunken.
Im Bett geblieben. Am Artikel für und gegen die "Neuen Wege" zu schreiben begonnen. Nachmittags kam Tante, wir unterhielten uns über die beiden Büros.
Las in Rugels Buch "Rebell wider die Unnatur", das ich mir bestellt und das ich gestern bekommen hatte. Es ist ein sehr gutes Buch; das Buch, das mich von allen Ethikbüchern bisher am meisten befriedigt. /Wie stimmt es mit "meiner" Natürlichkeit-Idee überein, die ich früher zu predigen versucht habe und heute, durch alle Ablenkungen hindurch, zu realisieren versuche./
Herrn Andreas Okopenko Papierfabrik Ober-Oesterr. Wien VIII. Schönborngasse 18
19.1.54Lieber Andreas, wie das? Auf wie lang bist Du in Wels? Was ist mit der Wohnung in Grinzing? Long time, no see. Danke für Deine liebe Karte. Wie gefallen Dir die Welser? Viel Schnee? Gehst Du wenigstens rodeln? Oder spazieren!! Was wurde aus RoRoRo? Mir geht's wie immer gut, gehe skifahren, ins Theater, Konzert!! Drop a line real soon!! Grüße, auch an Deine Frau Mama.
ich sagte Friederike Mayröcker am 28.1., dass ihre kleinen lyrischen Bilder, die sie von einzelnen Stimmungen gibt, stark gewinnen würden, wenn sie die Perspektive in sie einführte; wenn sie nicht nur den Wind beschriebe sondern die zwei Türen mitzeichnete, durch die er hindurchweht.
29 1 54Vormittags noch im Bett geblieben, dann Artikel weitergeschrieben, zu Jandl gefahren. Mit ihm besprach ich das Programm unserer Lesung im Volksheim. Kalt.
Blieb heute noch vom Büro fort. Brachte den Ofen aus dem Keller, kaufte die Nebengeräte und stellte ihn in der Küche auf. Wir bestellten gleich Kohle und heizten das erstema1 die Wohnung gründlich. Den Artikel fertiggeschrieben.
Ich werde DM 30.-- für die Krolowsendung bekommen. Wieder Büro. Frost hält an. Schnee. Abends Artikel reinzuschreiben begonnen. Noch schlecht.
Nepp warnte mich vor dem Tratschen und lobte mich abends das erste Mal für eine geleistete Arbeit.
Abends provisorische Reinschrift des Artikels weiter.
Morgens Tante da. /Aus Unruhe wegen der gestrigen Tratschwarnung./ Im Büro: Rohbilanz auszuarbeiten begonnen. Ersten Fehler aufgefunden.
Grosser Postwirbel abends.
Früh Artikel verbessert.
Bei schönem blauem Winterwetter nachmittags zu Kein gefahren. Wir sprachen sehr gut miteinander und einigten uns rasch auf ein Programm für die Volksheimlesung. Das Programm ist besonders gut zusammengestellt.
Vormittags Artikel fertig, gut.
15 Uhr bei Polakovics. Dort sass ein neuer Autor der NW, Meier, ein ästhetisch wirkender Katholik. Ich finde ihn dem Wolfgang Fischer ähnlich, was Polakovics abstreitet. Im Gespräch verwendet Polakovics viele der Hakelschen Prägungen. Mit Traude trotz dem Artikelwechsel freundschaftliche Atmosphäre. Sie sagt: Im Grunde meinen wir ja dasselbe.
Abends Flockenfall. Es war die erste Fahrt mit den Strassenbahnen 46 und 47 wieder /nach unserer Uebersiedlung vom Steinhof/, es war der erste Besuch bei Polakovics wieder seit meinem Welser Aufenthalt; nein, sogar seit unserer Uebersiedlung im November!
Im Kino abends "Schlagerparade". Kein besonders sprühender, aber doch ein überdurchschnittlicher Film für die Unterhaltung.
Noch Frost. Für heute Tauwetter angesagt.
Betrachtete gestern nachmittags im Büro das Fleckchen grellblauen Himmels, das man aus unserem Fenster sehen konnte. Schaute immer wieder hin und dachte an den Himmel zu den verschiedenen Stunden des Nachmittags über den Gassen.
Mamas Geburtstag. Abends Holz, Photo, Rohscheiben.
Abends wieder Holz /die altdeutsche Kredenz weiter zerschlagen; endgültige Niederlage des alten Möbelstils/. Weigelbrief konzipiert. Noch kein Tauwetter.
Nachmittags photographierte uns Herr Nepp. Mir erklärte er viel von der Betriebsbuchhaltung.
Abends keine Arbeit. Bald habe ich meine Rückstände zuhaus aufgeholt.
Neuer Schneefall statt dem Tauwetter. Früh im "Monat" gelesen.
Am Tag begann es zu tauen.
Nachmittags: Mayröcker-Brief kam.
2 Zimmerstellagen konstruiert. Keller, Holz, künftige Küche geplant.
Wintereinsendung erledigt. Tante da, viel mit ihr besprochen.
Möcki-Brief geschrieben. Seit gestern Tauwetter, trüb.
Post aufgegeben. Stellagen in Auftrag.
Nachmittags drei Groschen in der Buchhaltung gesucht. Abends Alpenlandeinsendung hergerichtet. Die Arbeit lichtet sich.
0°, trüb, glatt.
Wirbel: Urlaub festgesetzt und Welser Aufenthalt entschieden. Abends mich mit Photos beschäftigt.
Erstmals bei Kalkulation mitgeholfen. Ebnerpost. Abends ausgeruht. Kälte bricht wieder ein.
Früh im "Monat" Artikel über Fitzgerald gelesen. Vorhang nichts, Staatsvertrag nichts. Bilanz, PM IV.
Früh Magistratisches Bezirksamt: Mittellosigkeitszeugnis für Mama.
Abends Lesung im Volksheim Margareten. Der Anfang war armselig. Insgesamt kamen dann doch über zwanzig Leute. Das Programm hatten wir sehr gut zusammengestellt. Gelesen haben wir mässig schlecht.
Gingen noch ein Stückchen mit Möcki und Jandl. Wenig bedeutsames Gespräch. Ein bisschen traurig über den nicht genützten Abend. Wunsch, er möchte noch schön enden. Als wir Abschied voneinander nahmen, wollte ich Möcki, etwas länger als anständig, die Hand drücken. Sie kam mir um ein winziges Teilchen einer Sekunde damit zuvor und sah mich dabei mit einem grünen eindeutigen Blick an, den ich "mit vollem Einverständnis meiner Seele" erwiderte; dann verschwammen unsere Blicke gleich ineinander. Ich fühlte, beglückt, dass Möcki meine geheimsten Erwartungen erfüllte, und wie sie mit mir übereinstimmte.
Nachmittags neue Korrespondenzen erledigt, Haarschneider, Hulat.
Vormittags Tagebuch nachgetragen.
14 Uhr bei arger Kälte zu Tante gefahren, missglückter Faschingsnachmittag. Trotzdem gut ausgeruht.
Schon die zweite Nacht träume ich von Möcki.
Die heutige Nacht teilte ich mir - wie seinerzeit in Wels - in viele kleine Portionen, damit ich nach jedem Traum Gelegenheit haben sollte, ihn in mein Bewusstsein aufzunehmen und gegebenenfalls zu geniessen.
Wie ich es abends vorausgewusst hatte, träumte ich heute mehrere Male von ihr. Der Traum, der mich am meisten ergriff, war der: Möcki wohnte in einem Keller, in einem Kaninchenverschlag. Heute wollte ich sie dort wieder besuchen, aber der Verschlag war leer. Nur ein paar Ueberbleibsel, etwa Kartoffelschalen und Rübenreste, erinnerten an ihr Leben.
Früh Tagebuch viel weiter.
Büro interessant.
Abends unseren Einrichtungsplan neu durchgerechnet.
Ich fuhr spät abends mit der Bahn in eine wilde bergige Gegend. Ich fand mich in einem Wald, auf steilem Boden, der vor mir ohne Ende hinunterverlief und hinter mir ohne Ende höher und höher anstieg. Der Boden war graubraun, unbewachsen, keine Nadel Reisig lag auf ihm. Die Baumstämme waren grau und trugen erst viele Menschenhöhen über dem Boden Zweige. Das einzige, was hier lebte, waren Millionen von Spinnen, die graubraun und gross um meine Füsse umherliefen und den Boden bis an den Horizont bekrochen.
Schmerzender Frost morgens. Steuergesuch geschrieben. Gemütlicher Abend. Schon mehrere Tage keine Post. Mama kaufte einen Vorhang für die Küchenstellage.
Im Traum zeigte ich Cysarz bunte Malereien Geisteskranker, die Papa gesammelt hatte.
Früh endlich Tagebuch weiter. Die Küche war schon früh geheizt.
Die "Neuen Wege" nehmen meinen Artikel nicht.
Abends schrieb ich Häussler einen Abschiedsbrief. Mama hat den Küchenvorhang schon genäht.
Im Büro heute ohne Nepp gearbeitet. Viel geleistet. Sehnsucht nach freier Zeit.
Schöner Abend, ein bisschen freundliche Post, Tagebuch fertig nachgetragen.
Warum übertreibe ich so in meinen Träumen?
Der Weg zu
Brigitte K.
war z war auch in Wirklichkeit
ziemlich langwierig, denn das in Luftlinie kurze Weg-Stückchen
musste kreuz und quer durch Gartengässchen gegangen werden,
aber in meinen Träumen, die sich immer wieder einstellen,
wird der Weg zu ihr immer hoffnungloser.
Zuerst habe ich geträumt, dass sie etwa am anderen Ende
des Bezirkes wohnt und ich musste mich zu ihr durchmarschieren
und durchfragen.
Später sind Wiesen zwischen ihr und mir gelegen, die plötzlich
in einen Abhang enden, über den ich nicht hinunterspringen kann.
Ein anderes Mal habe ich geträumt, dass ich schon in ihrer Gasse
gehe, mit Wohnhäusern und Geschäften, aber um zu ihr zu kommen,
muss ich zwischen zwei endlosen grauen Häuserreihen hindurch,
die arkadenartig durchbrochen sind. In allen diesen Träumen
fühle ich, dass ich nicht ankommen werde oder dass ich die
rechte Zeit versäumen werde.
Heute habe ich genauer gesehen, welches Industrieviertel ich
durchqueren muss, um zu ihr zu gelangen: es war das Eisengebiet
des Bezirkes /das es in Wirklichkeit nicht gibt/. Ich verfing mich
gleich zum Beginn in das Netz von Röhren und Hochöfen und musste
an den Hochöfen, umgeben von wilden Feuern, arbeiten. Einen Hochofen
/sie waren am Schluss des Traums nur 2 1/2-3 Meter hoch/
musste ich stützen, damit er beim Brennen die Mauer nicht
beschädige.
Eigentümlich ist, dass sich diese Träume nicht etwa dann einstellen
,
wenn ich abends an Brigitte K. gedacht habe, sondern dass sie
anscheinend ohne Veranlassung kommen. Gestern am Abend habe ich
an Friederike Mayröcker gedacht /nächsten Tags kam übrigens ein
Brief von ihr/, aber geträumt habe ich vom Weg zu Brigitte K.
Gestern abends genossen,
x)
Rohscheiben und Salami, die ich von zuhause bekommen hatte, im Bett
gegessen, dazu "geträumt". dann unruhige Nacht.
Ich lege mich in der letzten Zeit sehr zeitig nieder.
Ich schlafe in Portionen, wache auf, schaue auf die Uhr,
trinke einen Schluck Zitronenwasser und schlafe im
Augenblick danach wieder ein. Um halb sechs erwache ich endgültig
und warte auf den Wekccker. Mein Schlaf ist gut, meine Träume sind
etwas wirr; dieser Eindruck entsteht aber sicher durch die
"Portionierung" der Nächte, da mehr Fragmente als in der normal
durchschlafenen Nacht im Bewusstsein zurückbleiben.
Tags die "zweite Inventur" fertiggeschrieben. Post von zu Haus und
von Friederike Mayröcker. Vormittags etwas krank. Mittags gute
Laune ins Büro gebracht. Wir sprachen von meiner Heimfahrt und
vom Papiersaal. Abends in der Packerei gesessen und die Packbretter
,
die im Dezember verbracuucht worden sind, erfasst. Nebenan hörte ich
die Mädchen arbeiten und sah eine, die ihr Garderobekästchen
offenstehen hatte und sich zum Nachhausegehen anzog.
Letzter langer Tag. Es taute. Ich erzählte am
Nachmittag viel von mir und vom jungen Wwiener kultu-
rellen Leben. Mir zum Abschied spie abends die Kokerei
knapp neben meinem Weg.
Die letzten Arbeiten getan. Früh erreichte mich hier
noch
ein Brief des Südwestfunks. Man schickte mir
freundlicherweise den Abzug der Radiosendung,
in der auch ich besprochen wurde.
Abschied von den Welser Leuten. Mittags noch kurz
auf meinem Zimmer, den Radioauszug gelesen.
Jetzt wird die Wiese vor dem Haus langsam blank.
15,51 D-Zug nach Wien. Aufenthalt nur in Linz.
Was Gescheiteres ist mir unterwegs nicht eingefallen.
Der Mond scheinte. An der Donau brannten Lichter.
Das Abteil war leider beleuchtet. Zwei Kinder mit
ihren Grosseltern sassen im Gegenüber-Abteil. Wegen
dieser Grosseltern war es mir nicht möglich, das
beiden Abteilen gemeinsame Licht auszulöschen.
Die Kinder hätten es schon zugelassen, denn sie
haben selber gern hinausgeschaut. Aber die Erwachsenen
widersprachen mir nicht, als ich nach einer kurzen
Finsternis-Probe ihnen das Licht zurückgab und ihnen
sagte, ich habe nicht gewusst, dass beide Abteile eine
gemeinsame Schaltung haben.
Auf dem Westbahnhof angekommen. Um acht Uhr abends
zu Hause. Grosse Freude. Einen guten Abend verbracht,
viel erzählt und zugehört, dann lang in den nächsten
Tag geschlafen.
Auch zu meiner grossen Freude ist die Zimmerstellage,
auf der alle meine Bücher und Schriften ihren Platz
haben werden, während meiner Abwesenheit geliefert
worden. Auch der Vorhang ist schon an ihr angebracht
worden. Tagsüber räumte ich die Stellage ein und
machte auch sonst viele Ordnungen. Schuf mir eine
Uebersicht über die Post-Rückstände, die sich, während
ich , bei mir angehäuft hatten. Las verschiedene
Zuschriften und las in Zeitschriften, die mir nicht
nach Wels geschickt worden waren. Auch Geld-Ordnung.
Bestellte Bücher um 120.-- Schilling bei Herzog.
Es taute.
Beginn meiner Arbeit in der Schönborngasse.
Guter Strassenbahnanschluss. Man lässt mich dort
ganz von vorn in der Buchhaltung beginnen. Zunächst
Arbeit an der Additionsmaschine; ich muss Konten
aufaddieren. Man wird mir verschiedene kleine Arbeiten
geben, die in der Buchhaltung anfallen. Mit der Zeit
soll ich dann buchen lernen. Ausserdem soll ich einen
Buchhaltung-Kurs besuchen, der mich theoretisch festi-
gen soll. Wenn ich ganz ehrlich sein will, muss ich
sagen, dass ich mir die Geschwindigkeit meines
Vorstosses in die neue Stellung grösser vorgestellt
habe als sie mir jetzt in Aussicht gestellt wird.
Aber die Arbeitsbedingungen im Büro der Welser sind
sehr angenehm, ganz andere als in der Oepex.
Früh, vor dem Büro, Stellage weiter eingerichtet,
abends die wichtigste Korrespkondenz. Aus der Biblio-
thek holte ich mir Aichingers "Die grössere Hoffnung".
Wie gestern gearbeitet. Abends Tabgebuch nachgetragen.
Seit Sonntag Vormittag, da ich die Zeitschriften,
fast nur von aussen, angeschaut habe, bin ich über-
haupt nicht dazugekommen, mich mit ihnen zu beschäfti-
gen. Nicht einmal zuhause gründlich zu reden hatte
ich seit Samstag Abend Zeit.
Zwischen Aufstehen, Arbeit und Niederlegen bleibt so
wenig Zeit, dass man täglich nur eine Kleinigkeit
erledigen kann. Und die Nacht kann ich nicht weiter
ausnützen, da ich mindestens so viel Schlaf brauche,
wie ich mir jetzt vergönne.
sahen wir uns den Film "Das war Rommel"
an. Schön an diesem Film war, dass Deutsche und
Engländer ihn gemeinsam gemacht hatten.
Von Nepp zwei Lehrbücher der Buchhaltung bekommen.
Viel Post abends.
Sturm über Wien.
Immer ein bisschen an der Stellage weitergespielt.
abends hulat und Korrespondenz.
sagte mir Nepp, dass ich vier bis fünf
Jahre brauchen werde, um in die Stellung hineinzu-
wachsen, für die ich bestimmt worden war.
Nachmittag kam Tante zu uns, ich sah sie erstmals,
nach meinem Welser Aufenthalt, wieder. Viel geplau-
dert und besprochen. Abends begann ich die zer-
fetzten unter meinen Büchern einzubinden; eine
Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, und bei der
ich auch Gelegenheit fand, ein bisschen zu reden und
auszuruhen.
Heute, Sonntag, 24 1 54, spät aufgestanden. Die
Zeitschriften, die ich zuhause
ungelesen liegen hatte,
im Bett gelesen.
Ein chemischer Betrieb in Wien schreibt eine
Stelle aus. Ich bot mich an, trotz meinen günstigen
Aussichten in der Welser Papierfabrik. Auch die
fällige Karte an Dr. Kirchhoff in Freiburg geschrie-
ben. Tagebuch. Seit gestern ist es sehr kalt. /-9 Grad./
Gestern war der Himmel winterlich blau, heute ist
es düster.
Stellage fertig eingerichtet.
Abends auf Tivoli mit Jirgal, Cysarz, Häussler,
Schreiber. Um tiefer ineinander einzudringen,
fehlte natürlich die Zeit. So fingen wir nicht
einmal fragmentarisch an sondern hörten haupt-
sächlich Cysarz zu, der bezaubernd vehement
nebensächliche Dinge erzählte.
Ich sehne mich nach Zusammenkünften, die mehrere
Tage und Nächte ausfüllen: zum Beispiel danach,
bei jemand Interessantem auf dem Lande eingeladen
zu sein.
Nachmittags im Büro nur
Ablage. Dann zum Zahnarzt, drei Plomben, gleich
erledigt und bezahlt. Abends Tante und Paul
besucht, unerwartetes kleines hulat.
Früh etwas später auf, zur Oepex
gefahren, dort eine Zahlung aus einem alten Kopplungs-
geschäft diskutiert und bereinigt. Man war sehr
freundlich und achtungsvoll zu mir. Schwerer Frost
dieser Tage. Minus 20 Grad.
Nach dem Büro zu Friederike Mayröcker.
Wir sassen in einer kleinen Küche,
zusammen mit ihren Eltern, unterhielten
uns aber trotzdem anregend. Mit Frieder-
rike Mayröcker verstehe ich mich gut
und hätte ich mich gut verstehen können
Fieberte, so dass ich vom Büro nach
Hause geschickt wurde. Fühlte mich
im Bett wohl. Nur unruhig.
Die bestellten
Bücher
kamen. Ich las
ein wenig.
Wermut getrunken.
Im Bett geblieben. Am Artikel für
und gegen die "Neuen Wege" zu schrei-
ben begonnen. Nachmittags kam Tante,
wir unterhielten uns über die beiden
Büros.
Las in Rugels Buch "Rebell wider die
Unnatur", das ich mir bestellt und
das ich gestern bekommen hatte. Es ist
ein sehr gutes Buch; das Buch, das
mich von allen Ethikbüchern bisher
am meisten befriedigt. /Wie stimmt es
mit "meiner" Natürl ichkeit-Idee
überein, die ich früher zu predigen
versucht habe und heute, durch alle Ablen-
kungen hindurch, zu realisieren ver-
suche./
Herrn Andreas Okopenko Welser Papierfabrik Wels, Ober-Oesterr. Wien VIII. Schönborngasse 18
19.1.54Lieber Andreas, wie das? Auf wie lang
bist Du in Wels? Was ist mit der Wohnung
in Grinzing? Long time, no see. Danke
für Deine liebe Karte. Wie gefallen Dir
die Welser? Viel Schnee? Gehst Du wenig-
stens rodeln? Oder spazieren!! Was wurde
aus RoRoRo? Mir geht's wie immer gut,
gehe skifahren, ins Theater, Konzert!! Drop
a line real soon!! Grüße, auch
an Deine Frau Mama.
ich sagte Friederike Mayröcker am 28.1., dass ihre kleinen
lyrischen Bilder, die sie von einzelnen Stimmungen gibt,
stark gewinnen würden, wenn sie die Perspektive in sie
einführte; wenn sie nicht nur den Wind beschriebe sondern
die zwei Türen mitzeichnete, durch die er hindurchweht.
Vormittags noch im Bett geblieben, dann Artikel
weitergeschrieben, zu Jandl gefahren. Mit ihm
besprach ich das Programm unserer Lesung im Volksheim.
Kalt.
Blieb heute noch vom Büro fort. Brachte den Ofen
aus dem Keller, kaufte die Nebengeräte und stellte
ihn in der Küche auf. Wir bestellten gleich Kohle
und heizten das erstema1 die Wohnung gründlich.
Den Artikel fertiggeschrieben.
Ich werde DM 30.-- für die Krolowsendung bekommen.
Wieder Büro. Frost hält an. Schnee. Abends Artikel
reinzuschreiben begonnen. Noch schlecht.
Nepp warnte mich vor dem Tratschen und lobte mich abends
das erste Mal für eine geleistete Arbeit.
Abends provisorische Reinschrift des Artikels weiter.
Morgens Tante da. /Aus Unruhe wegen der gestrigen Tratsch-
warnung./ Im Büro: Rohbilanz auszuarbeiten begonnen.
Ersten Fehler aufgefunden.
Grosser Postwirbel abends.
Früh Artikel verbessert.
Bei schönem blauem Winterwetter nachmittags zu Kein
gefahren. Wir sprachen sehr gut miteinander und
einigten uns rasch auf ein Programm für die Volks-
heimlesung. Das Programm ist besonders gut zusammen-
gestellt.
Vormittags Artikel fertig, gut.
15 Uhr bei Polakovics. Dort sass ein neuer Autor
der NW, Meier, ein ästhetisch wirkender Katholik.
Ich finde ihn dem Wolfgang Fischer ähnlich, was
Polakovics abstreitet. Im Gespräch verwendet Polakovics
viele der Hakelschen Prägungen. Mit Traude trotz
dem Artikelwechsel freundschaftliche Atmosphäre.
Sie sagt: Im Grunde meinen wir ja dasselbe.
Abends Flockenfall. Es war die erste Fahrt mit den
Strassenbahnen 46 und 47 wieder /nach unserer Ueber-
siedlung vom Steinhof/, es war der erste Besuch bei
Polakovics wieder seit meinem Welser Aufenthalt; nein,
sogar seit unserer Uebersiedlung im November!
Im Kino abends "Schlagerparade". Kein besonders
sprühender, aber doch ein überdurchschnittlicher
Film für die Unterhaltung.
Noch Frost. Für heute Tauwetter angesagt.
Betrachtete gestern nachmittags im Büro das
Fleckchen grellblauen Himmels, das man aus unserem
Fenster sehen konnte. Schaute immer wieder hin und
dachte an den Himmel zu den verschiedenen Stunden
des Nachmittags über den Gassen.
Mamas Geburtstag. Abends Holz, Photo, Rohscheiben.
Abends wieder Holz /die altdeutsche Kredenz weiter
zerschlagen; endgültige Niederlage des alten Möbelstils/.
Weigelbrief konzipiert. Noch kein Tauwetter.
Nachmittags photographierte uns Herr Nepp. Mir erklärte
er viel von der Betriebsbuchhaltung.
Abends keine Arbeit. Bald habe ich meine Rückstände
zuhaus aufgeholt.
Neuer Schneefall statt dem Tauwetter. Früh im "Monat"
gelesen.
Am Tag begann es zu tauen.
Nachmittags: Mayröcker-Brief kam.
2 Zimmerstellagen konstruiert. Keller, Holz, künftige
Küche geplant.
Wintereinsendung erledigt. Tante da, viel mit ihr
besprochen.
Möcki-Brief geschrieben. Seit gestern Tauwetter, trüb.
Post aufgegeben. Stellagen in Auftrag.
Nachmittags drei Groschen in der Buchhaltung gesucht.
Abends Alpenlandeinsendung hergerichtet. Die Arbeit
lichtet sich.
0°, trüb, glatt.
Wirbel: Urlaub festgesetzt und Welser Aufenthalt
entschieden. Abends mich mit Photos beschäftigt.
Erstmals bei Kalkulation mitgeholfen.
Ebnerpost.
Abends ausgeruht. Kälte bricht wieder ein.
Früh im "Monat" Artikel über Fitzgerald gelesen.
Vorhang nichts, Staatsvertrag nichts. Bilanz, PM IV.
Früh Magistratisches Bezirksamt: Mittellosigkeitszeugnis
für Mama.
Abends Lesung im Volksheim Margareten. Der Anfang war
armselig. Insgesamt kamen dann doch über zwanzig Leute.
Das Programm hatten wir sehr gut zusammengestellt.
Gelesen haben wir mässig schlecht.
Gingen noch ein Stückchen mit Möcki und Jandl. Wenig
bedeutsames Gespräch. Ein bisschen traurig über den
nicht genützten Abend. Wunsch, er möchte noch schön enden.
Als wir Abschied voneinander nahmen, wollte ich Möcki,
etwas länger als anständig, die Hand drücken. Sie kam
mir um ein winziges Teilchen einer Sekunde damit zuvor
und sah mich dabei mit einem grünen eindeutigen Blick
an, den ich "mit vollem Einverständnis meiner Seele"
erwiderte; dann verschwammen unsere Blicke gleich
ineinander. Ich fühlte, beglückt, dass Möcki meine
geheimsten Erwartungen erfüllte, und wie sie mit mir
übereinstimmte.
Nachmittags neue Korrespondenzen erledigt, Haarschneider,
Hulat.
Vormittags Tagebuch nachgetragen.
14 Uhr bei arger Kälte zu Tante gefahren, missglückter
Faschingsnachmittag. Trotzdem gut ausgeruht.
Schon die zweite Nacht träume ich von Möcki.
Die heutige Nacht teilte ich mir - wie
seinerzeit in Wels - in viele kleine Portionen,
damit ich nach jedem Traum Gelegenheit haben
sollte, ihn in mein Bewusstsein aufzunehmen
und gegebenenfalls zu geniessen.
Wie ich es abends vorausgewusst hatte,
träumte ich heute mehrere Male von ihr.
Der Traum, der mich
am meisten ergriff, war der: Möcki wohnte
in einem Keller, in einem Kaninchenverschlag.
Heute wollte ich sie dort wieder besuchen,
aber der Verschlag war leer. Nur ein paar
Ueberbleibsel, etwa Kartoffelschalen und
Rübenreste, erinnerten an ihr Leben.
Früh Tagebuch viel weiter.
Büro interessant.
Abends unseren Einrichtungsplan neu durchgerechnet.
Ich fuhr spät abends mit der Bahn in eine
wilde bergige Gegend. Ich fand mich in einem
Wald, auf steilem Boden, der vor mir ohne Ende
hinunterverlief und hinter mir ohne Ende
höher und höher anstieg. Der Boden war grau-
braun, unbewachsen, keine Nadel Reisig lag auf
ihm. Die Baumstämme waren grau und trugen erst
viele Menschenhöhen über dem Boden Zweige.
Das einzige, was hier lebte, waren Millionen
von Spinnen, die graubraun und gross um meine
Füsse umherliefen und den Boden bis an den
Horizont bekrochen.
Schmerzender Frost morgens. Steuergesuch geschrieben.
Gemütlicher Abend. Schon mehrere Tage keine Post.
Mama kaufte einen Vorhandg für die Küchenstellage.
Im Traum zeigte ich Cysarz bunte Malereien
Geisteskranker, die Papa gesammelt hatte.
Früh endlich Tagebuch weiter. Die Küche war schon früh
geheizt.
Die "Neuen Wege" nehmen meinen Artikel nicht.
Abends schrieb ich Häussler einen Abschiedsbrief.
Mama hat den Küchenvorhang schon gen äht.
Im Büro heute ohne Nepp gearbeitet. Viel geleistet.
Sehnsucht nach freier Zeit.
Schöner Abend, ein bisschen freundliche Post, Tagebuch
fertig nachgetragen.
Okopenko, Andreas: Tagebuch 14.01.1954–26.02.1954. Digitale Edition, hrsg. von Roland
Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno
Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische
Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 1.1,
15.1.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/
Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.
LinksInformationJegliche Nutzung der Digitalisate muss mit dem Rechtsnachfolger von Andreas Okopenko, August Bisinger, individuell abgeklärt werden.