Entstehungskontext

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Die Hornissen ist Peter Handkes erster Roman. Er entstand im Zeitraum von 1961 bis 1965 noch während seines Jurastudiums an der Universität Graz (1961 – 1966). Handke dürfte die Idee zum Roman schon während seines letzten Schuljahrs 1960/61 am humanistischen Gymnasium Klagenfurt oder während der Sommerferien 1961 entwickelt haben. Am 10. Dezember 1961, zwei Monate nach Beginn seines Studiums, erwähnte er das Romanprojekt bereits in einem Brief an seinen Deutschlehrer aus dem Gymnasium Tanzenberg, Reinhard Musar: »Nun bereite ich mich mit aller Anstrengung des Willens darauf vor, meinen Roman zum dritten Mal neu zu beginnen. Nun, da ich das Wort "Roman" hingeschrieben habe, kommt es mir wieder so lächerlich und unmöglich vor, dass ich am liebsten gar nicht daran zu denken wage. Doch was hilft es? Mag es mich kosten, was es wolle – ich werde ihn schreiben«. (zit. n. Pichler 2002, S. 33) Skizzen und Notizen zur Handlung, zu Figuren, einzelnen Szenen oder Kapiteln könnte Handke demnach schon ab 1960 angefertigt haben. Vielleicht sammelte er vor Schreibbeginn Notizen und »Sätze« (projektbezogene Beobachtungen und Erfahrungen), wie es als sein bis heute praktiziertes Arbeitsverfahren seit Der Hausierer dokumentiert ist.

Vorarbeiten

Während seines Studiums schrieb Handke erste kleine Prosatexte, die im steirischen Rundfunk gesendet und zum Teil in der Literaturzeitschrift manuskripte veröffentlicht wurden. (Sie erschienen 1967 gesammelt in dem Band Begrüßung des Aufsichtsrats im Residenz Verlag.) Gleichzeitig verfasste er, um Geld zu verdienen, für den Rundfunk Beiträge fürs Feuilleton und Buchrezensionen für die Sendung Bücherecke, die sein theoretisches Interesse, seine Bemühung um Form und seine Reflexionen über das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit, zeigen. Seine Vorstellung eines neuen Beschreibens und Erzählens versuchte er an seinem Romantext umzusetzen. Die kleineren Erzähltexte waren dabei, wie sich Peter Handkes Mentor, der Rundfunkredakteur Alfred Holzinger, erinnerte, »Etüden, methodische Übungen für den Roman Die Hornissen. Der unmittelbare Zusammenhang erweist sich auch darin, daß Passagen des Romans mit einigen der frühen Texte nahezu identisch sind« (Holzinger 1985, S. 20). Im Roman findet man die Kurzgeschichten Die Überschwemmung (1963), Die Hornissen (1963), Teile von Über den Tod eines Fremden (1963) und Ausbruch des Krieges (1964).

Arbeitsweise

Handkes Arbeitsweise, die Entstehung der verschiedenen Textfassungen und der als Kurzgeschichten ausgesonderten Kapitel seines Romans lassen sich kaum rekonstruieren und datieren. Geschrieben wurde der Roman jedenfalls an verschiedenen Orten: Handke arbeitete daran in seinem kleinen Untermietzimmer in Graz-Waltendorf, aber auch in seinem Elternhaus in Griffen (Kärnten) sowie während einer Reise im Sommer 1964 auf der Insel Krk. Etliche Abschnitte der Hornissen soll er auch im Zimmer seiner Freundin Libgart Schwarz in der Pension Rückert konzipiert haben (Pichler 2002, S. 62). Die Pension war ganz in der Nähe der Wohnung seines Freundes, des Schriftstellers und Herausgebers der Literaturzeitschrift manuskripte, Alfred Kolleritsch, und des Afro-Asiatischen Instituts, das sein Jugendfreund aus Tanzenberg, Hans Widrich, für die Diözese einrichtete (Widrich 2006).

Ein erste Textfassung der Hornissen könnte Handke noch mit Hand skizziert oder vorgeschrieben haben. Eine eigene Schreibmaschine besaß er wohl noch nicht. Eigenen Aussagen zufolge tippte er den Text im Forum Stadtpark in die Maschine. Im Sammelband Das Ende des Flanierens erzählt er in seiner Erinnerung an den befreundeten Maler Peter Pongratz: »Ich habe damals im Forumkeller meinen Roman "Die Hornissen") abgetippt, und Peter Pongratz hat im Forum gearbeitet, Lithos gedruckt.« (DEF 8f.) Das Abtippen könnte sich aber ebenso auf die Überarbeitung einer bereits bestehenden Typoskriptfassung beziehen. Fertige Passagen oder Auszüge seiner Texte dürfte er immer wieder Freunden gezeigt oder vorgelesen haben. Hans Widrich schrieb rückblickend: »Peter hat mich in meiner Wohnung im Afro-Asiatischen Institut in Graz, Leechgasse 22, besucht, und mir aus den Hornissen die Passage über die Liturgie vorgelesen, damit ich als Theologe prüfe, ob sie korrekt seien. Meines Wissens gab es nichts auszusetzen. Peter las von drei mit Maschine geschriebenen Blättern ab.« (Widrich 2006, S. 130)

Die Briefe an seine Mutter dokumentieren eine für den Roman wichtige Beschäftigung mit seinen Vorfahren, vor allem mit den beiden im Krieg verstorbenen Brüdern seiner Mutter. Im April 1962 studierte er etwa die Feldpostbriefe seines Onkels Gregor, von denen er, wie er seiner Mutter mitteilte, sehr beeindruckt war (Haslinger 1992, S. 67ff.). In seinem Brief vom 16. Jänner 1963 erzählte er der Mutter einen Traum, in dem er sein Onkel Gregor war und »alles, was ihm widerfuhr, das erlebte ich an mir, ganz unbeschreiblich war das« (zit. n. Haslinger 1992, S. 69). Der Traum spiegelt bereits das zentrale Thema von Die Hornissen und könnte von seinen Arbeiten an dem Roman initiiert worden sein.

Textfassungen

Die Sommermonate Juli und August 1964 verbrachte Handke mit seinem Schulfreund Reinhold Wieser auf der jugoslawischen Insel Krk, um dort den Roman zu schreiben (Haslinger 1992, S. 102). In Die morawische Nacht (2008) erinnert sich der Erzähler an das Schreiben seines ersten Romans auf der Insel, sie »hieß bei ihm Cordura, auch wenn sie in Wirklichkeit anders hieß« (DN 124). Ob die Erinnerung des Erzählers mit den Begebenheiten damals auf der Insel Krk übereinstimmen, lässt sich nicht sagen. In der Erzählung arbeitete der angehende Schriftsteller jedenfalls mit einer Schreibmaschine. »Zuerst belachten sie [seine Hausleute] ihn, und am Ende des Sommers kamen gar ausdrückliche Worte der Achtung für sein Tun, wohl auch wegen seiner der ihren entsprechenden Stetigkeit und dem Sich-um-keinen-Preis-stören-Lassen, weder von Geräuschen – Radios, Traktoren – noch von Gerüchen, unter einer Sonne, vor der zu gewissen Tageszeiten kein Laubschatten mehr schützte. Wenn von den verwesenden Fischköpfen und -därmen von Zeit zu Zeit eine Schwade herbeiwehte, hielt er sich das Taschentuch vor die Nase und tippte mit der freien Hand einfingrig weiter […].« (DN 134)

Ein Typoskript des Romans (ob es sich dabei um die erste oder bereits um eine zweite oder sogar dritte Textfassung handelte, ist unklar) schickte Handke im Herbst 1964 an den Österreichischen Rundfunk Klagenfurt, erbat es aber schon kurze Zeit später, am 25. November 1964, wieder zurück. Ebenfalls im November 1964 lasen die beiden Schauspieler Ulrich Hass und Hermann Treusch Auszüge aus dem Roman im Forum Stadtpark, wahrscheinlich die beiden Romankapitel, die im selben Jahr in den manuskripten erschienen (Haslinger 1992, S. 102; Holzinger 1985, S. 20) – Die Liturgie und ein Teil des Schlusses. Diese Textfassung von 1964 dürfte Handke bereits an einen deutschen Verlag geschickt haben. An seine Mutter schrieb Handke am 31. Jänner 1965: »Das erste Manuskript habe ich an einen deutschen Verlag geschickt, bis jetzt keine Antwort.« (zit. n. Haslinger 1992, S. 102)

Handke begann währenddessen mit der Umarbeitung des Romans, die er seiner Mutter ebenfalls in dem Brief vom 31. Jänner 1965 ankündigte: »Ich mache Absätze hinein, damit es besser verständlich wird, und auch sonst bessere ich manches aus, vor allem, indem ich kürze. – ... Aber gestern bin ich wieder fertig geworden (zum wievielten Mal?).« (zit. n. Haslinger 1992, S. 102) Ende Januar schloss Handke dem Brief nach eine weitere Fassung ab. Alfred Holzinger motivierte, um die Lesbarkeit zu erleichtern, das Einfügen von Überschriften; diese dürften ebenfalls im Rahmen dieser Fassung von 1965 eingesetzt worden sein.

Vermittelt durch Alfred Kolleritsch, schickte Handke dieses Typoskript im Frühjahr 1965 an die Lektorin des Luchterhand Verlags, Elisabeth Borchers (sie wurde später seine Lektorin bei Suhrkamp), die den Roman allerdings ablehnte. Gleichzeitig empfahl der Grazer Hispanist Anton Maria Rothbauer (Übersetzer von Miguel Cervantes) den Roman an Walter Boehlich von Suhrkamp. »[D]ie Entscheidung«, erinnerte sich Holzinger, »ließ lange auf sich warten, der Suhrkamp Verlag, wohin sich Rothbauer gewandt hatte, griff schließlich zu.« (Holzinger 1985, S. 20)

Annahme durch den Suhrkamp Verlag

Walter Boehlich bekundete Handke in einem Brief vom 2. Juni 1965 das Interesse des Verlags am Roman, bat ihn aber noch um etwas Geduld (Handke / Unseld 2012, S. 10). Boehlichs Brief war an die Grazer Anschrift adressiert, Peter Handke antwortete ihm erst über ein Monat später, am 14. Juli 1965 – aus Griffen, um ihm mitzuteilen, dass er sich in den Sommermonaten im Ausland aufhalten werde, mögliche Mitteilungen müssten ihm an seine Heimatadresse in Griffen geschickt werden (Handke / Unseld 2012, S. 10). Boehlich hatte das Manuskript seinem Kollegen, dem Lektor Chris Bezzel, gegeben, der sich für die Annahme des Romans einsetzte. Bezzel hatte in einem Lektoratsgutachten die Publikation empfohlen. Erhalten ist nur der Entwurf zum Gutachten, dessen Schluss lautete: »was von nicht wenigen autoren der moderne angestrebt wurde und wird: die völlig offene fabel, bei der nichts sich verfestigt, aber auch nichts sich verflüchtigt, die den leser nicht abzieht von seiner eigenen existenz, sondern ihm zum modell wird für mögliches leben – in diesem werk ist es auf bezwingende art gelungen. peter handke setzt mit seinem ersten roman DIE HORNISSEN die epische linie eines peter weiss und eines ror wolf ("Fortsetzung des Berichts") legitim und vielversprechend fort.« (Handke / Unseld 2012, S. 10)

Der Roman wurde angenommen. Am 10. August 1965 schrieb der Verleger Siegfried Unseld persönlich an Peter Handke: »Sehr geehrter Herr Handke, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß wir nach genauer Lektüre Ihres Manuskriptes uns entschieden haben, Ihre Arbeit in den Suhrkamp Verlag zu übernehmen.« Unseld bittet ihn um ein persönliches Gespräch, um »manche Austriazismen und auch einige umständliche Formulierungen, an denen doch noch gefeilt werden sollte« zu besprechen. Als Erscheinungstermin des Buches plane er die erste Hälfte 1966 (Handke / Unseld 2012, S. 9).

Als der Brief von Unseld in Griffen ankam, war Handke mit Libgart Schwarz noch in Varna, einem Badeort an der bulgarischen Schwarzmeerküste. Die Nachricht von der Annahme des Romans durch den Suhrkamp Verlag wurde ihm von seiner Mutter übermittelt (Haslinger 1992, S. 104; Pichler 2002, S. 64). Handke antwortete Unseld deshalb erst fünfzehn Tage später, am 25. August 1965, er habe sich »über die Maßen gefreut« und plane eine Frankfurtfahrt zwischen 13. und 14. September. »Die Ehre für mein Manuskript, die ihm geschieht, indem es in Ihrem Verlag erscheint, freut mich so, daß das Ereignis mir noch jetzt nicht ganz geheuer ist.« (Handke / Unseld 2012, S. 12)

Treffen in Frankfurt

Handke begann noch am selben Tag, an dem er Unseld geantwortet hatte, die Reise nach Frankfurt zu organisieren. Er bat Emil Breisach, den damaligen Präsidenten des Forums Stadtpark, in einem Brief um einen Fahrtkostenzuschuss von 700,– Schilling, den dieser am nächsten Tag bewilligte, mit der Auflage, das Geld zurückzuzahlen, falls der Verlag die Reisekosten übernähme (siehe Handke / Kolleritsch 2006, S. 5f.; Pichler 2002, S. 64). Am 27. August 1965 schrieb er aus Griffen eine Postkarte an Libgart Schwarz, die ihn auf der Reise nach Frankfurt begleiten sollte: »S. g. Fräulein Libgart Schwarz. Libgart! Das Manuskript wird im Suhrkamp Verlag erscheinen, wahrscheinlich im Frühjahr. Ich sollte nur zur Ausmerzung einiger Austriazismen und umständl. Wendungen im September zu einem "Gespräch" nach Frankfurt. Vielleicht kannst Du mitfahren. […] Jetzt kann mir wenig mehr passieren. D. P.« (ÖLA SPH/LW/Briefe von Handke, Peter an Schwarz, Libgart)

Wie man aus der Lektoratskorrespondenz von Handke und Chris Bezzel, dem Lektor seiner ersten beiden Romane, erfahren kann, wurde das Gespräch im Verlag ein paar Tage vorverlegt und fand schon am 9. September 1965 statt. Handke erinnerte sich im Nachhinein in dem kleinen Text Zeit mit Siegfried Unseld (ohne Zeitwörter) an das Gespräch: »Nach der Annahme der Hornissen Fahrt zum Verlag. Vorstellung beim Verleger, in seinem Büro im Grüneburgweg in Frankfurt. Ich übernächtig, an keiner der Autobahnraststätten zwischen München und F. ein Zimmer frei. "Verleger"? Unwissenheit des Zweiundzwanzigjährigen. Siegfried Unseld nicht nur im Dastehen im Raum gar übermächtig. (Übernächtig/übermächtig.) Riesengesicht. Und was für dunkle Augen – ich für deren Schönheit erst mit den Jahrzehnten offen.« (MO 422)

Nach dem Treffen bekräftigte Unseld Handke am 13. September noch einmal die Veröffentlichungspläne: »Nach Ihrem Manuskript freute es mich besonders, Sie nun auch persönlich kennenzulernen. Ich bin überzeugt, daß Sie mit diesem Manuskript am Anfang einer achtbaren Laufbahn stehen, und ich hoffe, daß wir in einer langen, guten und produktiven Verbindung bleiben. [/] Ich bestätige nochmals, daß wir Ihren Roman "Die Hornissen" im Frühjahr des nächsten Jahres herausbringen werden. Sie wollten Herrn Dr. Bezzel noch einige Korrekturen zuschicken. Es wäre mir angenehm, wenn dies noch in diesem Monat oder jedenfalls in der ersten Oktoberhälfte geschehen könnte. Wir wollen dann das Manuskript in Satz geben, um in Ruhe die Herstellung betreiben zu können.« (Handke / Unseld 2012, S. 13)

Die Korrekturen der Hornissen wurden zwischen Chris Bezzel und Handke brieflich und auch telefonisch abgewickelt. Die Korrespondenz zwischen Handke und Bezzel hat sich im Wesentlichen erhalten und lässt die gemeinsame Arbeit an Die Hornissen in groben Zügen nachvollziehen. Es geht darin vor allem um die Austriazismen, die Randtitel oder die Erstveröffentlichung einzelner Kapitel. Das von Handke eingeschickte Romantyposkript mit den vorgenommenen Korrekturen wie auch die Druckfahnen dazu sind allerdings nicht mehr vorhanden. So lassen sich weder die ursprüngliche Textfassung noch die in den Briefen angekündigten Eingriffe rekonstruieren.

Lebenslauf und Fotos

In seinem Brief vom 13. September 1965 fügte Unseld als Nachtrag an: »PS. Wir erwarten dann auch von Ihnen noch die erbetene Vita und bitte möglichst auch ein oder zwei Fotos.« (Handke / Unseld 2012, S. 13) Am 22. Oktober 1965 erinnerte Chris Bezzel Handke noch einmal an Foto und Vita, woraufhin ihm Handke am 26. Oktober 1965 seine »Lebensdaten« schickte, die bis auf kleine Änderungen auch so für den Buchumschlag der Erstausgabe von Die Hornissen übernommen wurden: »geboren am 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten. 1944-48 in Berlin. Volksschule in Griffen. 1954-59 humanistisches Gymnasium in einem Internat für Priesterzöglinge. Die letzten zwei Jahre der Gymnasialstudien in Klagenfurt. 1961 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Graz. Erste Veröffentlichungen in der Zeitschrift "manuskripte" des forum stadtpark Graz. [/] Außer dem Roman: Kürzere Prosa, ein Stück: "Publikumsbeschimpfung".« (Handke / Unseld 2012, S. 15ff.) Das Auftreiben brauchbarer Fotos verzögerte sich dagegen bis zum 8. Februar 1966, wie man der Korrespondenz von Handke und Bezzel entnehmen kann. Die Fotos, die dann das erste öffentliche Bild von Peter Handke prägten, waren aus einer Fotoserie von Otto Breicha, einem österreichischen Publizisten, Fotografen und stellvertretenden Leiter der Gesellschaft für Literatur (Handke / Unseld 2012, S. 16).

Treffen in Wien

Anfang November 1965 trafen sich Handke und Unseld in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien. In seinem Reisebericht Wien 2. bis 4. November 1965 hielt Unseld fest: »Peter Handke. Mit ihm traf ich zweimal zusammen. Der Eindruck blieb gleich oder verstärkte sich. Ich glaube, wir haben da einen hochinteressanten Autor gewonnen. Ich habe ihm angekündigt, daß bis Ende November die Fahnen-Sendungen beginnen. Wir wollen von dem Buch Leseexemplare etwa in einer Anzahl von 250 herstellen, die dann mit besonderer Berücksichtigung der Wiener und Grazer Sortimenter verschickt werden sollen. Erscheinungstermin des Buches nicht später als 20. März. Peter Handke gab mir dann sein Sprechstück "Publikumsbeschimpfung", das ist eine sehr originelle Sache, die sehr reizvoll ist. Die Aufführungschancen sind schwer zu beurteilen, doch sollte man es natürlich versuchen.« (Handke / Unseld 2012, S. 18, Anm. 2)

Druckfahnenkorrekturen

Die Korrekturen der Druckfahnen hatte Peter Handke nicht mit seinem Lektor besprochen, sondern, wie aus einem Brief an Chris Bezzel vom 27. November 1965 hervorgeht, direkt an die Herstellungsabteilung geschickt. Die Korrekturarbeiten waren damit aber nicht abgeschlossen, sondern zogen sich noch bis Ende Dezember. Zuvor folgte am 30. November 1965 allerdings ein Brief von Unseld an Handke, in dem er sich über das Ausmaß an Handkes Korrekturen, »die teilweise Neusatz und damit sehr hohe Kosten verursachen«, entsetzt zeigte und ihn bat, seine »Änderungen und Korrekturen auf das Unumgängliche [zu] reduzier[en]«, es habe »wenig Sinn, den Text in den Fahnen gewissermaßen neu zu schreiben« (Handke / Unseld 2012, S. 26).

Am 24. Jänner 1966 erhielt Handke von Unseld ein »Korrekturexemplar« von Die Hornissen, in welchem, Unseld betonte es eigens, nur mehr »Satzfehlerberichtigungen« eingetragen werden können und keine »stilistischen Änderungen mehr« (Handke / Unseld 2012, S. 30). Die Korrekturen retournierte Handke direkt an die Herstellungsabteilung, Chris Bezzel bestätigte den Erhalt am 10. Februar. Ein Monat später, am 16. März 1966, erklärt Unseld Handke die letzten Produktionsschritte: »ich habe eben die ersten Bindemuster Ihrer "Hornissen" in Händen gehabt und gab noch Anweisung für letzte Änderungen, die die Farbe des Rückenschildes und des Kopfschnitts betrafen. Danach wird jetzt also die Auflage, die schon vorbereitet ist, gebunden. Wir werden morgen wieder ein Exemplar haben, das dann in Ordnung ist, ich hoffe dies jedenfalls. Dieses Exemplar lasse ich Ihnen dann zugehen. Ich bin sehr gespannt, wie Ihnen das Ganze gefällt. Ich bin sehr froh darüber, daß wir das Buch in dieser Weise gemacht haben. Es ist ein Erstling, auf den Sie sehr stolz sein dürfen, und ich bin sicher, daß es nicht unser letztes Buch ist, das wir gemeinsam machen.« (Handke / Unseld 2012, S. 31)

Erstausgabe

Die Hornissen erschien am 20. März 1966 in einer Auflage von 3000 Exemplaren. Zur gleichen Zeit erreichte Handke die von Unseld angeregte Einladung Hans Werner Richters zur Tagung der Gruppe 47 im April 1966 in der amerikanischen Universitätsstadt Princeton. Obwohl der Roman keine große Resonanz fand (Nägele / Voris 1978, S. 36), gelang Peter Handke wegen seiner aufsehenerregenden Wortmeldung in Princeton (April 1966) und der Uraufführung seines Theaterstücks Publikumsbeschimpfung (Juni 1966) der Durchbruch als Autor. Noch zehn Jahre später meinte er im Gespräch mit Manfred Durzak: »Ich bin ganz sicher, daß niemand es [Die Hornissen] liest. Es fragt mich auch niemand nach dem Buch. Es werden nur Urteile, diese Verrisse, wiedergegeben. Oder wenn jemand die Landschaft kennt, fragt er: Ist das dort?« (Durzak 1982, S. 52) Die Hornissen jedoch sind poetologisch betrachtet die Grundlage für Handkes spätere Romane und Erzählungen; auch die Anlage und das Erzählen von Personen, Orten und Landschaften seiner Kindheit in Kärnten sind hier vorgegeben (Widrich 1985). (kp)

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