Küchenkunst und Tafelkultur
Kulinarische Zeugnisse aus der Österreichischen Nationalbibliothek

      Ausstellung im Prunksaal
28. April bis 31. Oktober 2006

Seit der Erfindung der Kochkunst essen die Menschen doppelt soviel wie die Natur verlangt – ätzte einst Benjamin Franklin (1706 – 1790) über die Kochbücher. Das mag vielleicht stimmen, doch brachten sie jene entscheidende Vielfalt ins Koch-einerlei, die uns erst von einer Kunstform sprechen lässt. Das Kochbuch als kulinari-sche Partitur begünstigte ganz wesentlich diesen gesellschaftlichen Aufstieg der Kochkünstler. Aus diesem Grunde präsen-tiert die Österreichische Nationalbibliothek aus ihrer reichen Sammlungen einige der ältesten und kostbarsten Exemplare von Kochbüchern.

Erstmals werden diese aufschlussreichen kultur- und sozialgeschichtlichen Zeug-nisse in einer umfangreichen Ausstellung wissenschaftlich aufgearbeitet. Auch die vielfältigen Formen der Tafelkultur, die den Glanz von höfischen Banketten – neben den lukullischen Freuden – wesentlich mitbestimmten, werden beleuchtet.

Am Beginn stehen einige der ältesten mittelalterlichen Kochbücher des Landes wie etwa das handgeschriebene und um 1400 datierte Kochbuch des Wiener Dorotheerklosters. Viele Kochbücher dieser Zeit überraschen vor allem mit ihren phantasievollen und teils haarsträubenden Rezepten, die zumeist auch medizinische Aspekte berücksichtigen. Einige der großzügig illuminierten Handschriften geben zudem über die Beschaffung und Zubereitung herkömmlicher wie auch exotischer Zutaten wort- und bildreich Auskunft.

Die Erfindung des Buchdrucks sollte schließlich den Kochbüchern zu ihrem ungebrochenen Siegeszug verhelfen, wobei die reich illustrierten Renaissance-Koch-bücher des Papstkochs Bartolomeo Scappi oder des kurfürstlichen Hofkochs Marcus Rumpold sicherlich zu den eindrucks-vollsten Beispielen zählen. In den barocken Kochbüchern finden sich auch die raffiniertesten Ideen barocker Tafelkultur.

Diesen jahrhundertealten Bücherschätzen wird die unübersehbare Vielfalt an Koch-büchern im 19. Jahrhundert gegenüber-gestellt, in denen sich Österreich auch als kulinarischer Vielvölkerstaat spiegelt – mit all den einst regionalen Einflüssen, etwa aus der böhmischen und ungarischen Küche.

Die Aufschlüsselung in Sonderthemen wie etwa Gesund oder Schmackhaft (Diätetik versus Kulinarik), der Wandel bei den Zutaten, die Kunst des Würzens und Konservierens sowie die Anfänge der Verschriftlichung der Kochkunst und die Speisenzubereitung unter religiöser und medizinischer Kontrolle (Diäten und Fasten) bietet unterschiedliche Zugänge zum vielschichtigen Thema.

Eigene Kapitel werden unter anderem auch der Küche als Arbeitsplatz, dem Wandel im Kücheninstrumentarium sowie der Küche als Schauplatz und Tatort (Stich-wort: Vergiftungen) gewidmet. Großes Augenmerk wird auch der repräsentativen Dimension des öffentlichen Mahls und Inszenierungen, wie auch Ritualen ge-schenkt (Stichwort: Kunst des Tranchie-rens und Serviettenlegens).

In einer kleinen „kulinarischen Heimat-kunde“ begegnen wir den kulinarischen Reminiszenzen aus dem Habsburger-imperium, der Wiener und Österreichi-schen Küche wie auch den Anfängen der Restaurantkultur in Österreich. Die spielerische Form des Kochens, die sich seit dem 19. Jahr-hundert vor allem in Puppenküchen und Puppenkochbüchern manifestiert, ist ebenso vertreten wie die (unfreiwillig) erfinderische Armen-, Not- und Kriegsküche, die sich in den jeweiligen Kochbüchern widerspiegelt.

Wie sich die Globalisierung der Welt auch in Koch- und Essgewohnheiten eingenistet hat, beleuchtet das abschließende Kapitel zum kulinarischen Pluralismus, der sich etwa in Chinesisch- und Arabisch-Kochbüchern genauso manifestiert wie in Survival- oder Comic-Kochbüchern.
Wie sagte doch der Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri: Wenn alle Künste untergeh'n,/ die edle Kochkunst bleibt besteh'n.

Kurator der Ausstellung:
Dr. Hannes Etzlstorfer (geb. 1959 Lasberg/ OÖ), Kunst- und Kulturhistoriker, Ausstellungsmacher und Kulturjournalist. Wissenschaftliche Konzeption von bzw. Mitarbeit an zahlreichen Ausstellungen zur österreichischen Kunst- und Kulturge-schichte – etwa im Wien Museum, Kunst-forum Wien, OÖ Landesmuseum, Stadt-museum Linz, Stadtgalerie Klagenfurt oder Salzburger Barockmuseum. Forschungs-schwerpunkt: Monastische Kunstsamm-lungen Österreichs – kunsttopographische Arbeiten für die Stifte Schlägl, Wilhering, Seitenstetten und Schlierbach. Edition zahlreicher Kataloge und Bücher.

» Hofburg - Kaiserappartements- Sisi Museum - Silberkammer

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