Ins tiefe Österreich

Notizbuch, 96 Seiten, 05.07.1976 bis 21.07.1976

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Beschreibung

Dieses hellrote Notizbuch mit der Aufschrift »NOTES« enthält Peter Handkes Aufzeichnungen aus dem Zeitraum zwischen 5. und 21. Juli 1976. Es ist etwas kleiner als die üblichen Notizbücher Handkes und hat einen Umfang von 96 linierten Seiten, die durchgehend von 1-96 paginiert wurden. Der vordere Vorsatz besteht aus drei unpaginierten Seiten, von denen die erste unbeschrieben ist (S. I). Die zweite Seite enthält Handkes Datierung der Notizen »5.7.-21.7. 1976« (S. II) und die dritte ist mit seiner Adresse und Telefonnummer beim Residenz Verlag in Salzburg versehen. Unter der Adresse notierte Handke den Titel seines Schreibprojekts »Ins tiefe Österreich« (S. III). Der hintere Vorsatz zählt ebenfalls drei Seiten, wobei die ersten beiden keine Seitenzahlen aufweisen (S. I*-II*) und die letzte mit 97 paginiert wurde; auf ihnen schrieb Handke Adressen und Telefonnummern, dazwischen aber auch noch Notizen.

Reisen

Am 20. Juni schrieb Handke seinem Verleger Siegfried Unseld in einem Brief, er habe bis »Anfang September [...] keine Adresse: alle Post sollte an den Residenz Verlag gehen, weil [er sich] irgendwo in Österreich herumtreiben werde ab 2.7.« (Handke / Unseld 2012, S. 308) Dieses Notizbuch entstand während der angekündigten Österreichreise Handkes. Der darin dokumentierte erste Teil der Reise führte Handke von Kärnten ins Mühl- und Waldviertel, weiter nach Wien und ins Salzburger Land. Wie die Notizen des vorangehenden Notizbuchs zeigen, kam Handke am 3. Juli aus dem Friaul nach Velden in Kärnten (DLA, A: Handke Peter, Notizbuch 006, S. 94). Am 5. Juli, an dem die Aufzeichnungen dieses Notizbuches beginnen, nahm er den Zug Richtung Salzburg (wo er aller Wahrscheinlichkeit nach einen Zwischenstopp machte) und fuhr am 6. Juli weiter über Linz nach Freistadt im Mühlviertel. Am nächsten Tag besichtigte er den Altar in Kefermarkt (S. 17-18) und ging noch am selben Tag von dort zu Fuß bis nach Sandl, das an den Ausläufern des Böhmischen Waldes, nahe der Grenze zur heutigen Tschechischen Republik sowie an der Grenze zwischen Ober- und Niederösterreich liegt. Im Gasthof abends notierte er: »18 km in einem gegangen, von 4-8« (S. 21).

Als nächste Reisestationen sind am 8. Juli bereits die Waldviertler Orte Bad Großpertholz und Gmünd eingetragen, wobei Handke, wie man in den Notizen lesen kann, bis nahe an den Eisernen Vorhang, die Grenze zur damaligen Tschechoslowakei (CSSR), gekommen ist: »Das Willkommensschild der CSSR von der Sonne durchschienen; der Grenzpolizist, der mit seiner Maschinenpistole hin und her geht wie ein Minnesänger« (S. 35). In Gmünd besuchte er am 9. Juli das Steinmuseum, wo er viele Notizen über die Ausstellungsobjekte und Steinarten machte (S. 42-44), stieg hier in die Schmalspurbahn nach Groß Gerungs (S. 46) und ging von dort wieder zu Fuß weiter bis nach Zwettl, wo er übernachtete. Am nächsten Tag besichtigte er die Stiftskirche Zwettl und wanderte, soweit man das in den Notizen nachvollziehen kann, über Roiten nach Rappottenstein, wo er wieder in einem Gasthof über Nacht blieb und in seinem Notizbuch vermerkte: »Das Shampoo ist in der Flasche geschäumt vom langen Gehen (30 km heute)« (S. 64).

Am 12. Juli nahm er dann morgens den Schulbus nach Grein (S. 71), von wo er dem befreundeten Schriftsteller Hermann Lenz eine Ansichtskarte (mit dem Flügelaltar Kefermarkt) schickte, auf der er kurz seine »Streunerei durch Ö.« erwähnte und seine weiteren Reisepläne mitteilte (Handke / Lenz 2006, S. 101). Da er noch mit der Umschlaggestaltung für Die linkshändige Frau beschäftigt war, schrieb er auch einen Brief an Siegfried Unseld, worin er ihm zudem berichtete: »seit einer Woche gehe ich kreuz + quer durch Österreich und habe, für den Moment, genug von Wäldern, Bächen und lauten Gasthöfen. Heute morgen habe ich die Tennisschuhe, mit denen ich gegangen bin, in den Abfallkorb gesteckt und will jetzt mit dem Schiff die Donau hinunter.« (Handke / Unseld 2012, S. 308) In Grein traf Handke vermutlich das befreundete Ehepaar Greinert (S. 77-79), mit dem er am Schiff nach Wien fuhr (S. 74-77). Ob er das am Weg erwähnte Stift Melk (S. 77) besichtigt hat oder nicht, geht aus den Aufzeichnungen nicht hervor. Die Reise von Freitstatt nach Wien ist durch eine in der Sammlung Peter Handke / Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erhalten Fotoserie dokumentiert. (ÖLA SPH/LW/S104)

In Wien besichtigte Handke verschiedene Kirchen in der Innenstadt (S. 81-83) und das Kunsthistorische Museum (S. 86) und ging am 15. Juli zu Fuß vom »3. [Bezirk] nach Simmering« (S. 83), weil dort, wie sich aus einer Adressnotiz im vorhergehenden Notizbuch (DLA, A: Handke Peter, Notizbuch 006, S. II) erschließen lässt, sein Bruder Hans Handke im Gaswerk arbeitete. Unter dem Datum des 16. Juli ist als nächste Reiseetappe »(Wien Salzburg) šTamsweg« (S. 86) vermerkt. In Tamsweg dürfte er (vermutlich mit Herrn und Frau Schaffler) einige Tage auf einer Alm im Gebirge (S. 88-91) verbracht, aber auch jemanden im Krankenhaus besucht haben (S. 93). In Salzburg oder Tamsweg traf er am 19./20. Juli auch den befreundeten Schriftsteller Gerhard Roth (S. 92, 94).

Landschaftsbeschreibungen

Das Notizbuch versammelt stimmungsvolle Beschreibungen der Landschaft und Natur im Sommer – der Bäume, des Himmels, der Tiere (Mücken, Fliegen, Libellen, Ameisen, Vögel, Fische, Rehe). »Der Mittag, das Fliegensummen, das {Tellerschichten}, die Kinderstimmen, die besonnten Telegraphendrähte, die hellen Bäuche der Mauersegler über einem, das Gras zittert unter meinem ruhigen Atem, die Wolken, die aus dem tiefen blauen Himmel sich bilden und sich rasch aus diesem Blau vergrößern, verbreiten, sich strecken als ob sie auf einen herunterfielen, näherkommend (das starke Gefühl, daß sie es auf einem abgesehen hätten, ein ewiges Näherkommen – und dann haben sie sich wieder aufgelöst« (S. 13-14), notierte Handke auf seinem Weg von Freistadt nach Kefermarkt. Oder in der Nähe eines »schwarz-dunklen Teiches« im Wald nahe der Grenze sah er: »ganz vereinzelt hellweiße Birkenstämme zwischen den Fichten [/] Libellen im dunklen Wald [/] Im Teichabfluß eine große Forelle, die aufwärtsspringt, klatschend und schlagend über den Steinen [/] Farne mit waagrecht gestaffelten Zweigen, wie Hochhaussiedlungen« (S. 30f).

Er bemerkte viele kleine Details, wie seine vom Staub glitzernden Schuhe (S. 59), aber auch seine sich mit dem Gehen verändernde Wahrnehmung: »wie beim Gehen alles eins wurde, wunderbar und erschreckend« (S. 22): »die Lastautos brausten wie Nachtzüge, die Grillen zirpten wie Mopeds hinter Hügeln, das Geräusch, mit dem ein Bauer das Stalltor zuschob war genau wie das Stöhnen von Kühen in einem anderen Stall, Geräusche der Dinge, Tiere und Menschen (Kinderreden im Weizenfeld) waren durcheinander, einerlei, je länger ich ging« (S. 23). Viele dieser Reisenotizen halten eine Abfolge von Geschehnissen fest, beschreiben die Gleichzeitigkeit oder Ähnlichkeit verschiedener Bewußtseinseindrücke, zum Beispiel indem sie die Geräusche der Natur mit Geräuschen der Zivilisation vergleichen: »das Aufrauschen eines Kastanienbaumes ist wie ein sich näherndes Auto, und das Wipfelrauschen der Fichten wie vorbeifließender Verkehr + Kuckucksschreie und Krähenschreie« (S. 32) oder: »der Hahnenschrei auf dem Feld wie ein herzzerreißender Aufschrei einer Frau« (S. 48). Dazwischen ist es wiederum so still, dass man nur »das Summen der Insekten« (S. 48) hört oder das »Sieden der Roggenhalme« (S. 32), das »Rascheln des Hafers, das Raspeln (?) der Gerste (Schwirren, trockenes, fast ein Geklapper, und zugleich ein Geknister vom Reifsein)« (S. 47).

Auf seinen Wegen begegnete er manchmal stundenlang keinem Menschen: »Alles ist gemacht, bearbeitet – aber niemand ist zu sehen (wie in USA, und wie in Märchenhäusern, wo die Suppe auf dem Herd kocht etc., ohne daß jm. zu sehen ist!)«(S. 31). Das Land scheint geradezu friedlich und geschichtslos: »Ich fiel nicht auf, es war Friede« (S. 6) notierte Handke oder: »Im Niemandsland: außer den zwei lichten Streifen im Sandweg deutet nichts auf eine Zeit oder Geschichte hin, kein Geräusch, kein Bild«(S. 31).

Beschreibungen der Dörfer

Interessant sind auch Handkes Eindrücke der kleinen Ortschaften am Land (an der Grenze zum Eisernen Vorhang) in Österreich Mitte der 1970er Jahre, seine genauen Beobachtungen der ländlichen Bevölkerung, die ihm »nicht unfreundlich, aber unfähig zur Freundlichkeit« (S. 33) erschien, und der Stimmung in den Dörfern: den Gasthöfen, mit ihren Zimmern und den Wirtshäusern, mit den Turn- Schach- und Schützenvereinen (S. 10f.), den neugierigen vors Haus tretenden und schauenden Dorfbewohnern (S. 16), den Frauen mit ihren gestopften Strümpfen (S. 46), die in den Häusern, in den Ställen, auf den Feldern (S. 36ff.) arbeiten und den ruhigen, nicht spielenden Kindern (S. 37), den flimmernden Fernsehern abends in den Häusern (S. 38), den Radiohörspielen aus den offenen Fenstern (S. 38), den zugezogenen Vorhängen abends, weil »draußen eh nichts mehr los« ist (S. 38), den Sommerzeltfesten (S. 13), mit Kameradschaftsbund-Fackelzug, Autosegnung, Fahnen und Fackelschwingen im Festprogramm (S. 53f.), den Kirchen und Messfeiern (S. 11, 28f., 41, S. 56-58, 59, 60f.), den Gesprächen der der Frauen, wie sie reden, rauchen, Eis essen (S. 39), der jungen Leute (S. 12), oder der alten Männer auf der Straße (S. 30).

Zum Beispiel beschreibt Handke in der Gegend von Gmünd den Innenhof eines »verwahrlosten Schloßhof[es]«: »unten stehen neben einer offen Tür 2 Couches im Freien, vor 1 Tisch; Blumen wachsen in alten Waschschüsseln [/] ein schwankender Mann tritt aus der Höhlung, schwankt auf den Füßen vor und zurück, rülpst, er ist stumm, bedeutet mir hin- und hergehend, daß ein Gewitter kommt, am Fensterrahmen baumelt ein Plastiksack mit Wäscheklammern drin; Wäschelauge steht im Abfluß, lila in der Hofmitte; das langgezogene Geschrill der Schwalben, das sporadische Rieseln in den Efeuranken, das Donnergrollen, ein leises Radio, die Abfallkübeln, das Fahrrad im Schloßeingang, die Sonnenuhr (1617), deren Zahlen abgebröckelt sind; eine schwangere Frau mit Einkaufstasche platscht mit Sandalen an den nackten Füßen aus der Wohnhöhlung, während ein Donner quer über den Himmel zieht wie ein Bomberflugzeug, der erste Tropfen auf meiner Stirn wie ein Insektenstich, er juckt und sticht [/] der sandige Hofboden voll vertrockneter, zertretener Kamille« (S. 44-46).

Notizen zum Salzburger Land

Im hinteren, in Tamsweg entstandenen Teil des Notizbuch verändert sich der Stil der Notizen; die Einträge beginnen gedichtartig, wechseln von Satz zu Satz das Thema oder zwischen Innen- und Außenansicht, die nur wie bei Regieanweisungen durch Querstriche voneinander getrennt sind. Eventuell hatte das keine ästhetischen Gründe, sondern nur den Zweck, Platz zu sparen. Am 18. Juli notierte Handke etwa: »"Orgeln" in den Dachrinnen, nein ein verschiedentönendes Klingen / Urwelt der drei Bergseen, Scheißgeruch / das angezogene Bein des einen Schächers / "Maria, die erhabene Schutzfrau Österreichs …." / Ameisen, die zwischen den Regentropfen durch den Staub eilen / Frau S. die im Wirtshaus die Speisen immer sofort vor dem Bestellen anschauen will / Ein Schäferhund, der in die leere Kirche kommt und Weihwasser trinkt« (S. 89ff.).

In Anbedracht der oftmals depremierenden Situation der Menschen am Land, forderte Handke seine Arbeit betreffend: »Schriftsteller: müßten mit letzter Kraft die Würde der Menschen wieder hervorarbeiten« (S. 69). Er formulierte damit eines der zentralen Anliegen seiner folgenden schriftstellerischen Arbeiten. Man findet nicht nur die Beschreibungen von Wahrnehmungen, sondern auch selbstreflexive Notizen, die sein Verhältnis zur Welt oder seine emphatischen Erlebnisse und Selbstansprachen ausdrücken: »Nicht die Welt stürzt ein, sondern ich suche einen Riß in ihr zum verkriechen, zum Aufblühen, die Welt ist schon immer untergegangen gewesen, nur manchmal geht sie kurz {mildstrahlend} auf« (S. 8) oder: »Energie für ein neues Zeitalter! – Und es muß ein neues Zeitalter anfangen! (Ich gehe über den nächtlichen Feldhang mit seinen Steinen wie über einen unbewohnten Planeten)« (S. 26). Umgekehrt geht es auch immer wieder um den Tod, seine Angst vorm Tod und die Toten (z. B.: S. 7, 11, 13, 22, 30, 32, 63).

Projekte

Die Reise diente Recherchezwecken für sein geplantes Romanprojekt »Ins tiefe Österreich« S. III), aus dem später die Tetralogie Langsame Heimkehr wurde, denn die Aufzeichnungen des Notizbuchs wurden von Handke diesem Schreibprojekt zugeordnet. Eine konkrete Verbindung von einzelnen Notizen mit dem Projekt (zu einer Figur oder einem Schauplatz etwa) hat er allerdings nicht vorgenommen. Manche Notizen sind in der dritten Person, der »Er-Form« formuliert und könnten bereits die Sicht von Valentin Sorger aus Langsame Heimkehr ausdrücken. Zum Beispiel: »Da die Welt ihm verschlossen blieb, überlegte er, ob es besser wäre, sich ganz sich selber zuzuwenden, als der Welt« (S. 6).

Die Aufzeichnungen über seinen Besuch des Bruders bei dessen Arbeitsstelle in Wien-Simmering könnten bereits im Kontext des Stücks Über die Dörfer stehen (S. 84ff.). Sie lauten beispielsweise: »Die Bühne in der Kantine [/] Der Kantinenwirt holte für H. das Spezialbier herbei, das nur H. trinkt (Märzen)« (S. 84); »Für H. gibt es nur das Heimatliche, alles andere ist eine Sauerei« (S. 84); »Sein erschöpftes, völlig abwesendes, abweisendes, wie tragisches Gesicht beim Eisenlegen« (S. 84); oder der kleine Dialog: »"Hast du ihn gerne?" – "Er is mei bruada." – "Sag einmal, ob du ihn gern hast?" – "Er is mei bruada, fertig."« (S. 85) Manche Bemerkungen über die Landdörfer erinnern an die Schmährede der Alten Frau in Über die Dörfer (ÜD 62ff.): Handkes abschätzige Notiz über die Beschilderung der Blumen auf den Feldwegen: »Zugrundegehen unter diesen von Schritt zu Schritt häufiger mit hölzernen Tafeln bezeichneten Gewächsen: WEISSDORN, WARZINGER SPINDELSTRAUCH, GEMEINER HOPFEN, oder einfach: HASELNUSS und SOMMERLINDE« (S. 51) oder »Ich begrüße immer von weitem erleichtert den Kirchturm des jeweiligen Orts: so seelenlos kann es dort also doch nicht zugehen! (Aber dann steht an der Ortstafel: "Feriendorf", oder "Erholungsort"…)« (S. 66). Kurz zuvor hatte er noch aufgeschrieben: »Dieses ganze wiederkäuende Land, wie nach dem 2. Schlaganfall seelisch dahinschlurfend« (S. 61).

Die diversen Kirchen- und Museumsbesuche belegt, dass sich Handke bereits Mitte der 1970er Jahre mit Malerei und sakraler Kunst beschäftigt hat. Dabei könnte er im Kunsthistorischen Museum Wien (S. 86) bereits auf den Großen Wald von Jakob van Ruisdael aufmerksam geworden sein, der in Die Lehre der Sainte Victoire eine Rolle spielt (DLS 119ff.).

Das Notizbuch enthält keine ins Journal Das Gewicht der Welt übernommenen Einträge, obwohl die Aufzeichnungen in den erfassten Zeitraum fallen: Handke stellte einzelne Notizen stattdessen an den Anfang von Die Geschichte des Bleistifts und zwar durchmischt mit Einträgen aus den Folgenotizbüchern.

Lektüren und Illustrationen

Lektüren verzeichnet das Notizbuch keine, Handke erwähnte auf seiner Schiffsfahrt von Grein nach Wien nur einmal Josef Eichendorff: »Jetzt, über 150 Jahre nach Eichendorff versucht jm. am Ufer der Donau uns was auf der Gitarre vorzuspielen, aber man hört keinen Ton« (S. 73). Das Notizbuch enthält auch nur wenige Illustrationen: im Steinmuseum von Gmünd zeichnete Handke verschiedene Steinmetzzeichen nach (S. 42), eine kleine, aus zwei parallelen Linien bestehende Skizze verdeutlicht eine zuvor beschriebene »Furt im Fluß« (S. 49) und eine, fast die Hälfte der Notizbuchseite einnehmende Zeichnung verdeutlicht die Form des Barockgiebels der Stiftskirche von Zwettl (S. 58). (kp)

Werkbezüge

Die Geschichte des Bleistifts

Dieses Notizbuch mit Peter Handkes Aufzeichnungen aus dem Zeitraum zwischen 5. und 21. Juli 1976 umfasst 96 Seiten, die durchgehend von 1-96 paginiert wurden. Der vordere Vorsatz besteht aus drei unpaginierten Seiten, mit Handkes Datierung der Notizen »5.7.-21.7. 1976« (S. II), seiner Adresse und Telefonnummer beim Residenz Verlag in Salzburg und dem Titel seines Schreibprojekts »Ins tiefe Österreich« (S. III). Der hintere Vorsatz zählt ebenfalls drei Seiten, wobei zwei keine Paginierung aufweisen (S. I*-II*) und eine mit der Seitenzahl 97 versehen wurde; auf ihnen schrieb Handke Adressen und Telefonnummern, dazwischen aber auch noch Notizen.

Die Einträge dieses Notizbuchs wurden von Handke nicht in sein erstes Journal Das Gewicht der Welt übernommen, welches eigentlich die Aufzeichnungen aus dem Zeitraum von November 1975 bis März 1977 versammelt, sondern in sein zweites Journal Die Geschichte des Bleistifts, das ohne Datierungen blieb. Auffällig ist dabei, dass sie mit Notaten aus dem Folgenotizbuch (ÖLA/SPH/LW/W13) und vermutlich auch weiterer Notizbücher vermischt wurden. Der Anfang von Die Geschichte des Bleistifts macht deutlich, dass dieses Journal noch weniger als Das Gewicht der Welt ein chronologisch verlaufendes Journal wiedergibt, als eine zumindest im ersten Teil des Journals kunstvoll arrangierte Zusammenstellung von Notizen. So folgen auf die ersten beiden Sätze in Geschichte des Bleistifts, die aus diesem Notizbuch von Seite 21 und 11 stammen, mehrere Sätze aus dem Folgenotizbuch, und fügen sich mit weiteren Notizteile aus diesem Notizbuch von den Seiten 73, 34, 8, 81, 69, 66, 79, 33, 35, 76 und 26 zu einer einzigen langen Notizabschnitt zusammen (DGB 5ff.). Die weiteren zwei Seiten im Journal (DGB 6-7) wurden diesem Notizbuch entnommen, die nächsten beiden Seiten (DGB 8-9) dem Folgenotizbuch, auf den Seiten 10 und 11 sind Einträge aus verschiedenen Notizbüchern vermischt. Hier findet man aber beispielsweise einen Eintrag vom Besuch Handkes bei seinem Bruder Hans in Simmering (S. 84ff.). Sie beginnt: »Die vollkommene Gleichgültigkeit, mit der der Portier des Werks über die Ein- und Ausgehenden redete« (DGB 11). Danach folgt im Journal die Bermerkung zu den drei Selbstbildnissen von Rembrandt, die Handke bei seinem Besuch im Kunsthistorischen Museum notiert hatte (S. 86; DGB 11) oder eine auf der letzten Seite des Notizbuchs eingetragene Notiz über die »scheinheiligen Gesichter der Gerechten beim Jüngsten Gericht« (S. 97; DGB 11).

Der Aufnahme der Notizen in die Geschichte des Bleistifts dürfte projektbedingt sein. Handke recherchierte 1976 noch für sein Romanprojekt »Ins tiefe Österreich«, aus dem später die Tetralogie Langsame Heimkehr wurde. Sämtliche dieses Projekt betreffenden Notate wurden erst nach dem Erscheinen der vier Werke von Handke weiterverwendet. Im Klappentext der Erstausgabe von Die Geschichte des Bleistifts heißt es: »In dieses Buch kann man hineingehen wie in ein adernreiches Bergwerk. Es enthält Aufzeichnungen, die Peter handke in den Jahren 1976-1980 während des Entstehends der epischen Folge "Langsame Heimkehr" gemacht hat.« (DGB) (kp)

 

 

Das Gewicht der Welt

Dieses Notizbuch mit Peter Handkes Aufzeichnungen aus der Zeit von 5. bis 21. Juli 1976 enthält keine ins Journal Das Gewicht der Welt übernommenen Einträge, obwohl diese in den vom Journal erfassten Zeitraum November 1975 bis März 1977 fallen würden. Die Monate Juli und August blieben ausgespart (DGW S. 206-207), Handke übernahm sie stattdessen in das 1982 erschienene zweite Journal Die Geschichte des Bleistifts und zwar vermischt mit Einträgen späterer Notizbücher. (kp)

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorsatzblatt): 

Ins tiefe Österreich

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  5.7.-21.7.1976 [S. II]; 5.7. [S. 1]; 6.7. [S. 5]; 7.7, [S. 9]; 8.7. [S. 27]; 9.7. [S. 40]; 10.7. [S. 54]; 11.7. [S. 63]; 12.7. [S. 91]; 13.7. [S. 77]; 14.7. [S. 81]; 15.7. [S. 83]; 16.7. [S. 86]; 17.7. [S. 87]; 18.7. [S. 88]; 19.7. [S. 91]; 20.7. [S. 93]; 21.7. [S. 95]; Juli 1976 [Beilage]
Datum normiert:  05.07.1976 bis 21.07.1976
Zusätzlich eingetragene Entstehungsorte: 

Obervellach (5.7., S. 2); Schwarzach-St.Veit (5.7., S. 4); Linz (6.7., S. 5); Freistadt (6.7., S. 6); Bahnhof (von Freistadt, 7.7., S. 12); Kefermarkt (7.7., S. 16); Kefermarkter Altar (7.7., S. 17); Heimatmuseum (7.7., S. 18); Sandl (7.7., S. 21); Kirche (8.7., S. 28); Großpertheim (sic!, eigentlich Bad Großpertholz, 8.7., S. 34); Großpertholz (8.7., S. 36); Gmünd (8.7., S. 38); Steinmuseum (9.7., S. 42); Museum (9.7., S. 44); Schloßhof (vermutlich Schloss Gmünd, 9.7., S. 44); Schmalspurbahn nach Groß Gerungs (9.7., S. 46); Hotel (vermutlich in Zwettl, 9.7., S. 52); Am Alten Rathaus (in Zwettl, 9.7., S. 53); Schalterraum des Bahnhofs von Gm. (Gmünd, Notiz zum Vortag, 10.7., S. 56); Kirche (10.7., S. 56); Stiftskirche (vermutlich die Kirche von Stift Zwettl; 10.7., S. 56); Kapelle (: Roiten) (10.7., S. 59); Rappottenstein (11.7., S. 63); Gasthofzimmer (11.7., S. 64); das FESTZELT (11.7., S. 67); Morgenbus (12.7., S. 71); Grein (12.7., S. 71); am Ufer der Donau (12.7., S. 73) SCHLEUSE (12.7., S. 74); Schiff nach Wien (12.7., S. 76); Fahrt nach Wien (12.7., S. 76); Stift Melk (12.7., S. 77); Kirche (vermutlich bereits in Wien, 13.7., S. 77); Neuer Markt (Wien, 14.7., S. 81); Wien; Stephansdom; U-Bahnstation (14.7., S. 82); Michaelakirche (14.7., S. 83); Vom 3. nach Simmering gegangen (15.7., S. 83); Kantine (15.7., S. 84); Portiersbaracke (15.7., S. 85); (Wien Salzburg)š Tamsweg (16.7., S. 86); Im Kunsthistorischen Museum (vermutlich nachträglich notiert, 16.7.; S. 86); Gebirgssee (17.7., S. 87); Hochgebirge (18.7.; S. 88); Krankenhaus (Tamsweg; 20.7., S. 93); Bar (20.7., S. 94f); in der kleinen Stadt (vermutlich Tamsweg, 20.7., S. 95)

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

1 hellrotes Notizbuch »NOTES«, 96 Seiten, I-III, pag. 1-96, I*-II*, pag. 97

Format:  6,6 x 10,4 cm
Schreibstoff:  Kugelschreiber (blau), Fineliner (rot, schwarz), Bleistift
Weitere Beilagen: 

Im vorderen Vorsatz: Papierstreifen mit Klebespuren und hs. Datierungsaufschrift »Juli 1976«

Nachweisbare Lektüren

  • Erwähnung von Joseph von Eichendorff (S. 73)
  • Über Gerhard Roth (S. 92, 94)

Malerei:

  • Rembrandt H. van Rijn: drei Selbstbildnisse im Kunsthistorischen Museum Wien (S. 86)

Ergänzende Bemerkungen

Illustrationen: 

 

  • »Turnv« in Frakturschrift (S. 10)
  • Steinmetzzeichen (S. 42)
  • kleine Skizze (zwei Linien) einer »Furt im Fluß« (S. 49)
  • Zeichnung eines Barockgiebels der Kirche von Stift Zwettl (S. 58)