Handelsakademie für Mädchen, Wien
Allgemeines:
- Ort: Wien II, Stephaniestrasse 16 (seit 1919: Hollandstraße)
- eröffnet 1907 vom "Verein zur Förderung der höheren kommerziellen Frauenbildung"
- die Schule wird zunächst privat geführt und später in den Besitz des Gremiums der Wiener Kaufmannschaft übernommen
- Olga Ehrenhaft-Steindler ist Direktorin; sie wird eine der ersten weiblichen Schuldirektorinnen, die in den Staatsdienst übernommen werden
- Olly Schwarz ist Kuratorin
- Eine Handelsakademie für Mädchen.
(...) In aller Stille wurde durch rührige Arbeit u. Agitation die Gründung einer Handelsakademie für Mädchen vorbereitet und in erstaunlich kurzer Zeit die Genehmigung des n.-ö. Landesschulrates für diese Anstalt erwirkt.
Bereits im Herbst dies. Jah. wird im II. Bezirk, Stefaniestrasse 16, der 1. Jahrgang der Handelsakademie eröffnet werden. Die oberste Leitung derselben wurde Dr. phil. Olga Steindler anvertraut, welche bereits mehrere Jahre am Mädchengymnasium Physik, Mathematik und philosophische Propaedeutik unterrichtete. Der Lehrplan entspricht dem der neuorganisierten Handelsakademie für junge Männer, ebenso wird der Lehrkörper nur aus erstqualifizierten Professoren und Professorinnen, welche die Lehrbefähigung für die Oberklassen von Handelsschulen oder Handelsakademien besitzen, bestehen.
Das Schulgeld beträgt 320 Kr. jährlich und 20 Kr. Einschreibegebühr und Lehrmittelbeitrag.
Leider ist dieses Unternehmen wie alle ähnlichen Bestrebungen ganz auf private Fonds angewiesen, Staat und Gemeinde leisten bei uns herzlich wenig für das kommerzielle Unterrichtswesen überhaupt, für das der Frauen - so gut wie nicht. Dr. von Haymerle betont in seinem grundlegenden Buch²) die Notwendigkeit einer staatlichen Unterstützung der kommerziellen Erziehung für das weibliche Geschlecht. Von dem 8,222000 Kr. übersteigenden Budget für fachliches Unterrichtswesen waren die weiblichen Fachschulen - Spitzenarbeiten, Industrie, Malschulen - nur mit 156.000 Kr. bedacht, deren Verwendung v. Haymerle als "einseitig" kritisiert. Ein Umschwung in dieser "einseitigen" Auffassung ist bisher noch nicht zu verzeichnen. Den Berichten von Dr. Silbermann für Deutschland ist zu entnehmen, dass viele Städte die Errichtung von Handelsschulen für Mädchen fördern hauptsächlich durch unentgeltliche Überlassung der Schulräume. In vielen Fällen gewähren die Städte nebstdem eine Subvention mit Jahresbeiträgen bis 2000 Mk. Auch subventionieren die Ältesten der Kaufmannschaft in Berlin den kaufmännisch-praktischen Hilfsverein für weibliche Angestellte mit einem Zuschuss von jährlich 1500 Mk. und die polytechnische Gesellschaft in Frankfurt a. M. unterstützt die Schule des Frauenbildungsvereins mit einem Betrag in der Höhe von 4000 Mk. Analogien dürften sich bei uns schwerlich finden. Es war daher notwendig, zur Förderung der neuen Schulanstalt eine Organisation zu schaffen, welche Verpflichtungen und Leistungen, die in Deutschland Gemeinden und Korporationen als die ihren anerkennen, übernehmen muss. - Am 30. April konstituierte sich der Verein zur Förderung der höheren kommerziellen Frauenbildung. Seine Aufgaben bestehen in der Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten für Frauen auf kommerziellem Gebiet insbesondere durch Kurse spezieller kaufmännischer Branchen, in der Heranbildung für Handelsschullehrerinnen, da bisher nur männliche Lehrpersonen an diesen Schulen wirken, in der Schaffung von Freiplätzen und eine Stellenvermittlung für die Absolventinnen der Handelsakademie.
(...) Die Handelsakademie wird in ihren Absolventinnen der Frauenbewegung neue Kämpfer für das Recht auf gleiche Bildung, gleichen Beruf und gleiche Entlohnung zuführen.
(Artikel von Olly Schwarz aus: Der Bund, 2. Jg., Nr. 5, 1907, S. 5 - 7)
Dokumente:
- Jahresbericht für das ... Schuljahr ... der Privaten Höheren Handelsschule (Handelsakademie) für Mädchen in Wien mit einjährigem "Abiturientenkurs für Mädchen". Wien II., (etc.) - Wien, Spitz 1909- Schuljahr ... der Privaten Höheren Handelsschule ... f. Mädchen in Wien II. Schuljahr ... der Privaten Höheren Handelsschule ... f. Mädchen in Wien II. ...
Bestand: Jg 2.1908/09, 4.1910/11, 6.1912/13-8.1914/15, 10.1916/17
Signatur: 535.118-B
Letztes Update: 26. Jänner 2007