Die Ausstellung und das Buch behandeln anhand der kostbarsten Objekte der ÖNB die Grundfragen der Menschheit nach dem Paradies, dem Anfang und dem Ende der Welt, nach dem Sinn der Geschichte.
Die Idee der historischen Universalbibliothek, in der an einem konkreten, materiellen Ort alles Wissen der Welt versammelt ist, ist so alt wie die Idee der Geschichte der Schriftkultur. Jede Form der Herrschaft über die Zeit und die Geschichte ist mit der Idee des Archivs und des Buches verbunden, in dem alles Wissen verzeichnet ist.
Die Erfindung und die Verbreitung des Buchdrucks in den kapitalistischen Handelsstädten der europäischen Welt wird zum entscheidenden Antriebsmotor für die kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen in der frühen Neuzeit. Das Ende der Handschriftkultur wird beklagt, gleichzeitig bedeutet die Möglichkeit der Vervielfältigung und schnellen Verbreitung auch ungeahnte Chancen für die Wissenschaft. Der technologische Wandel, der sich heute durch die neuen Technologien abzeichnet, markiert einen neuen Paradigmenwechsel in der Welt des Wissens und der Information.
Aber völlig anders als von den Propheten der virtuellen Gesellschaft prophezeit, erleben "die letzten Dinge", die kostbaren Originale, Handschriften, Bücher, Karten, Musikalien, Papyri und die materiellen Orte, in denen sie verwahrt werden, einen völlig neuen Stellenwert in der Gesellschaft: Im Zeitalter der virtuellen Kommunikation und der Information, die sich augenblicklich vervielfältigt und verändert, wird die Gegenständlichkeit der Bibliothek und ihrer Objekte zu einem unersetzbaren Wert.
Buch und Ausstellung:
Die verschiedensten Vorstellungen vom Ende und Anfang der Welt, vom Paradies und seiner Kehrseite, vom zeitlichen und weltlichen Schicksal des Menschen, von theologischen und geschichtlichen Weltschöpfungsmodellen bis zu den Sinngebungen und Infragestellungen der Weltgeschichte sind die Themen des Buches und der Ausstellung "Alpha und Omega. Geschichten vom Ende und Anfang der Welt".
Nach dem einführenden Kapitel I Schrift & Gedächtnis, das dem Buch und der Universalbibliothek gewidmet ist, bilden die Ikonographie der Johannes-Apokalypse und deren zeitgeschichtliche Interpretationen im Lauf der Geschichte den thematischen Rahmen für die Kapiteln II Offenbarungen und VII Sinngebungen und Zerlegungen. Ein visonärer Text mit dem Anspruch der Endgültigkeit vervielfältigt sich in einer Unzahl von Texten, Bildern und Tönen im Schauraum einer barocken Universalbibliothek. Kapitel III Unort Paradies reiht Ausdrucksformen des utopischen Denkens aneinander, vom Garten Eden bis zu den Sprachutopien des 20. Jahrhunderts, die den Menschen in den Konzentrationslagern einen geistigen Zufluchtsort boten. Kapitel IV Zeitliche Befragungen beginnt sofort außerhalb des Paradiesgartens mit genealogischen Konzepten, in denen der Versuch zum Ausdruck kommt, Herrschaft Über die Zeit zu erlangen. Es endet mit den teils verzweifelten, teils schicksalsergebenen Versuchen des Menschen, den Tod zu bezähmen. Göttliche Erschaffungen in Kapitel V und Menschliche Erfindungen in Kapitel VI stehen einander gegenüber: die Darstellung der Genesis in mittelalterlichen Handschriften bietet ebenso Einblicke in die Weltvorstellungen der Vergangenheit wie die kartographischen Darstellungen der Entdeckungen und die Entstehung eines naturwissenschaftlichen Weltbildes in der frühen Neuzeit.
Die Anordnung der Themen des Buches und der mit seinem Erscheinen verbundenen Ausstellung ist bezogen auf die Raumstruktur des Prunksaals der Österreichischen Nationalbibliothek. Auf den imaginären Wegen, die zu betreten die Lektüre des Buches einlädt, durchwandern Leser und Betrachter einen geschichtlichen Raum, der am Ende angekommen neuerlich auf das anfängliche Thema verweist.