Über die Ausstellung
Die Ausstellung "Emanzipation am Nil" im
Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek
zeigt vom 14. Juli bis zum
18. November 2005 anhand von ausgewählten Papyri,
Pergamenten und Papieren aus dem antiken und spätantiken
Ägypten (4.Jh.v.Chr. – 8.Jh.n.Chr.) die unterschiedlichen
Rollen von Frauen im privaten und öffentlichen
Leben aus verschiedensten Blickwinkeln.
Am Beginn nehmen demographische Aspekte Bezug auf den
weiblichen Bevölkerungsanteil und die Lebenserwartung
von Frauen. Demotische Rezepte und griechische Amulette
für Empfängnisverhütung (2./3.Jh.) und
gegen Gebärmutter-schmerzen (6./7.Jh.) belegen
das fortschrittliche Wissen um die Frauenheilkunde.
Im öffentlichen Leben liegt ein Schwerpunkt der
Ausstellung im Rechtsalltag der Frauen. Die Papyri besitzen
für die Untersuchung der rechtlichen Strukturen,
denen eine Frau unterworfen war, einen besonderen Quellenwert,
denn sie zeigen, dass viele Frauen ein beträchtliches
eigenes Vermögen besaßen und dieses völlig
unabhängig von Männern verwalteten. Frauen
traten vor Gericht auf, denn sie wussten, wie sie ihre
Rechte bestmöglich wahrnehmen konnten – dies
belegt die Beschwerde einer Ehefrau wegen vernachlässigter
Unterhaltszahlungen des Mannes aus dem 3. Jahrhundert
vor Christus.
In der Familie, wo die Frau in der Ehe grundsätzlich
in völliger vermögensrechtlicher Abhängigkeit
von ihrem Mann stand, zeigt sich, dass in Einzelfällen
durch großzügige Mitgiften und strenge güterrechtliche
Bestimmungen in griechischen und koptischen Heiratsverträgen
Frauen ihre Selbständigkeit erhalten konnten. Beispiel
dafür ist ein Vertrag vom 26. November 158 n. Chr.
mit einer umfangreichen Mitgiftliste der Braut, die
von ihrer Mutter verwaltet wird. Neben griechischen,
lateinischen und koptischen Texten sind es vor allem
hebräische Heiratsverträge, die besondere
Beachtung finden, da sie Einblicke in die jüdische
Tradition gewähren.
Eng verbunden mit dem Rechtsleben ist die Rolle der
Frauen als Wirtschaftstreibende. Vor dem Hintergrund
einer multikulturellen Gesellschaft im griechischen,
römischen und byzantinischen Ägypten muss
dabei die Volkszugehörigkeit berücksichtigt
werden. Neben den aktiven Formen der Wirtschaftstätigkeit
der Frauen in der Landwirtschaft oder im Handel werden
auch die passiven Formen im Sinne von Vermögensverwaltung
betrachtet. Zahlreiche Urkunden weisen Frauen als Immobilien-
und Landbesitzerinnen aus. So möchte um 330 n.
Chr. eine gewisse Aurelia Demetria Land in der Umgebung
der Stadt Hermupolis verkaufen.
Nicht nur Recht und Wirtschaft, sondern auch das religiöse
Leben wird entscheidend von Frauen geprägt. Priesterinnen
waren in allen Epochen ägyptischer Geschichte nicht
wegzudenken. Sie standen dabei nicht nur im Dienste
der Götter Toth, Amun und Horus oder Apoll, Herakles
und Poseidon, sondern erfüllten auch Ämter
im Umfeld des Königinnenkultes. Ihr Stand im gesellschaftlichen
und sozialen Lebensbereich war hoch angesehen und spiegelt
sich unter anderem bei religiösen Festen wider,
wo Frauen als Tänzerinnen oder Musikerinnen auftreten,
wie durch Darstellungen auf spätantiken Textilien
sehr gut dokumentiert ist.
Der volkskundliche Beitrag zur Ausstellung umfasst
das Thema "Die ägyptische Frau in den Augen
der Reisenden des 18. und 19. Jahrhunderts", das
mit originalen Gewändern, Gemälden, Fotografien
und Zeichnungen dieser Zeit illustriert wird.
Zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch als Band 11
der Reihe "NILUS".
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