Über die
Ausstellung
Aufbruch und Idylle
Gebrauchsgraphik österreichischer
Künstlerinnen 1900–1945
Fast 250 Exponate – Exlibris, Gelegenheitsgraphiken, Plakate, buchkünstlerische
sowie einige freie Arbeiten – geben in der Ausstellung „Aufbruch
und Idylle“ Einblick in das graphische Schaffen von 59 österreichischen
Künstlerinnen und spannen einen Bogen vom ästhetischen Aufbruch
der österreichischen Kunst zu Beginn des 20. Jh. bis in eine vom
Austrofaschismus favorisierte Heimatkunst. Die mehr als 200 in der Schau
gezeigten Exlibris dokumentieren erstmals das kleingraphische Werk österreichischer
Künstlerinnen und stammen aus dem Bestand der Flugblätter-,
Plakate- und Exlibris-Sammlung der ÖNB.
Die Exlibris-Sammlung, deren Grundstock Bucheignerzeichen aus den Büchern
der Hofbibliothek bildeten, umfasst an die 9.000 Blätter aus dem
Zeitraum von 1500–1850. In den 1970er Jahren verlagerte sich mit
Neuankäufen bzw. Schenkungen der zeitliche Schwerpunkt der Sammlung
auf die erste Hälfte des 20. Jh. Dieser Bestand, der rund 35.000
Blätter aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und osteuropäischen
Ländern beinhaltet, wird seit 1996 systematisch mit Arbeiten österreichischer
Provenienz ergänzt, wobei dem bis dahin unterrepräsentierten
Werk österreichischer Frauen besondere Beachtung geschenkt wird.
Exlibris sind graphisch gestaltete Besitzvermerke, die ursprünglich
auf die Innenseite des Buchdeckels geklebt und ab Beginn des 20. Jh. auch
als kleinformatige Künstlergraphiken gesammelt wurden. Als Auftragsarbeiten
gehören sie wie Plakate, Buchillustrationen, Buchschmuck oder Bucheinbände
dem Bereich der angewandten Künste an und sicherten oft die wirtschaftliche
Existenz von Künstlerinnen und Künstler.
Die meisten in der Ausstellung präsentierten österreichischen
Künstlerinnen verstanden sich als Malerinnen. Sie haben Gemälde,
Aquarelle, Zeichnungen, freie Graphiken und Mappenwerke geschaffen, aber
alle auch gebrauchsgraphisch gearbeitet. Denn das Überleben der Künstlerinnen
in der ersten Hälfte des 20. Jh. war an kreative Vielfalt geknüpft,
da ihnen Künstlerhaus, Secession und Hagenbund die Mitgliedschaft
verwehrten und die Frauen damit sozial und ökonomisch vom etablierten
Kunstbetrieb ausschlossen.
Mit dem Verdikt des Dilettantismus und abschätzigen Urteilen über
weibliche Kreativität konfrontiert, wurde den angehenden Künstlerinnen
lange Zeit eine adäquate Ausbildung verweigert. Erst im Studienjahr
1920/21 öffnete die Akademie der bildenden Künste in Wien ihre
Pforten für Frauen. Bis dahin lernten viele Grundlagen und Techniken
künstlerischen Gestaltens an privaten Mal- und Zeichenschulen bzw.
an drei Wiener Instititionen: Die Kunstgewerbeschule des Museums für
Kunst und Industrie und die 1887 gegründete Kunstschule für
Frauen und Mädchen boten ihnen eine umfassende kunstgewerbliche Ausbildung,
während der Unterricht an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt
auf die Forderungen und Bedürfnisse der graphischen Industrie ausgerichtet
war.
Arbeiten von Absolventinnen dieser drei Wiener Schulen stehen daher im
Mittelpunkt der Ausstellung. Mit Exlibris und Buchkunst von Mizi Friedmann-Otten
(Wien 1884–1955 New York) und Maria Strauss-Likarz (Przemyśl 1893–1971
Rom) wird auf zwei äußerst vielseitige Künstlerinnen hingewiesen,
die beide Schülerinnen der Kunstgewerbeschule waren und später
zu den produktivsten Mitarbeiterinnen der Wiener Werkstätte zählten.
Unter den von Strauss-Likarz gezeigten Graphiken befinden sich auch neun
Originalentwürfe für Exlibris, die erstmals in der Öffentlichkeit
zu sehen sind.
An der Kunstgewerbeschule bzw. an der Kunstschule für Frauen und
Mädchen unterrichteten Secessionisten wie Kolo Moser, Alfred Roller
oder Adolf Böhm und prägten die künstlerische Entwicklung
ihrer Schülerinnen nachhaltig. Sowohl Exlibris von Editha Moser (Wien
1883–1969 Mödling) und Mileva Roller (Innsbruck 1886–1949
Wien), die beide später ihre prominenten Lehrer heirateten, als auch
buchkünstlerische Arbeiten der Kunstschule-Absolventinnen Marianne
Hitschmann-Steinberger (Wien 1887–1919 Wien) und Ella Iranyi (Wien
1888–1942 Deportation nach Izbica) spiegeln mit ihrer Ornamentik,
ihrer Flächigkeit und den Anleihen am japanischen Farbholzschnitt
den ästhetischen Aufbruch der österreichischen Kunst zu Beginn
des Jahrhunderts wider.
Mit Minka Podhajská (Wien 1881–1963 Prag) und Emmy Zweybrück-Prochaska
(Wien 1890–1956 New York) werden darüber hinaus zwei Künstlerinnen
vorgestellt, die neben gebrauchsgraphischen Arbeiten zahlreiche kunstgewerbliche
geschaffen haben. Podhajská, Gründungsmitglied der mit der
Wiener Werkstätte vergleichbaren tschechischen Künstlergenossenschaft
Artĕl, gestaltete Plakate, Exlibris sowie Buchillustrationen und konzentrierte
sich ab den 1920er Jahren auf die Gestaltung von Kinderspielzeug. Zweybrück-Prochaska
gründete 1913 eine kunstgewerbliche Werkstätte, die vorrangig
Spitzen, Stickereien und Holzspielzeug erzeugte und der 1915 die „Kunstgewerbliche
Privatlehranstalt Emmy Zweybrück“ angeschlossen wurde, die
jährlich bis zu 150 SchülerInnen ausbildete. Eine der Lehrerinnen
an Zweybrücks Schule, Hertha Larisch-Ramsauer (Wien 1897–1972
Tulln), leitete nach demTod ihres Mannes Rudolf von Larisch die Werkstätte
für Ornamentale Schrift an der Kunstgewerbeschule und schuf vielfältige
Arten von Schriftgraphik, die in der Ausstellung mit Exlibris, kalligraphischen
Arbeiten und einer nach ihren Entwürfen von Emmy Zweybrück ausgeführten
Tüllstickerei dokumentiert werden.
Auch die Karikaturistinnen Bertha Czegka (Feldkirch 1880–1954 Hall
in Tirol) und Käthe Olshausen-Schönberger (Mödling 1881–1967
Graz) widmeten sich einem Spezialbereich, während Kinderbuchillustrationen
von Ida Bohatta-Morpurgo (Wien 1900–1992 Wien) oder Marianne Frimberger
(Mährisch-Ostrau 1877–1965 Wien) ein traditionell den Frauen
zugeschlagenes Gebiet der Gebrauchsgraphik vorstellen. Buchillustrationen
und Exlibris von Gertraud Reinberger-Brausewetter (Wien 1903–1992
Hinterbrühl) und Sascha Kronburg (Wien 1893–1985 New York)
werfen ein Blitzlicht auf religiöse bzw. von esoterischen Zugängen
geprägte Graphik der Zeit, während Blätter aus Hermine
Heller-Ostersetzers (Wien 1874–1909 Grimmenstein) Zyklus „Das
Leben der Armen ist bittrer als der Reichen Tod“ einen sozialkritischen
Blick auf Österreich zu Beginn des 20. Jh. bieten.
An Arbeiten von Absolventinnen der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt
wird schließlich der kulturpolitische Wandel in den 1930er Jahren
sichtbar. Exlibris, Gelegenheitsgraphiken und Buchillustrationen von Maria
Bauer-Klimbacher (Wien 1911–2000 Nürnberg) oder Rose Reinhold
(Wien 1894–1959 Wien) zeichnen mit christlichen und volkstümlichen
Motiven eine Idylle fern politischer und wirtschaftlicher Realität
und visualisieren die ideologischen Grundsätze des „ständischen“
Österreichs. Während ihre Arbeiten auch nach dem „Anschluss“
Österreichs den aktuellen kulturpolitischen Konzeptionen entsprachen,
wurden Künstlerinnen jüdischer Herkunft mit Berufsverbot belegt,
mussten das Land verlassen oder wurden von den Nazi-Schergen deportiert
und ermordet.
Die in der Ausstellung präsentierten Exlibris waren im Juli 2004
bereits beim XXX. Internationalen Exlibris-Kongress der Fédération
Internationale des Sociétés d’Amateurs d’Exlibris
in Wels zu sehen. In Kooperation mit der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft
ist zu diesem Anlass der Katalog „Aufbruch und Idylle. Exlibris
österreichischer Künstlerinnen 1900–1945“ erschienen.
Nach einem kulturhistorischen Einleitungsessay, der die Wege und vielen
erzwungenen Umwege der Frauen bei ihrem Aufbruch in die Kunst skizziert,
präsentiert das Buch Leben, Werk und Rezeption der Künstlerinnen
und bietet zahlreiche Informationen zu bisher kaum dokumentierten Frauen.
Claudia Karolyi, Alexandra Smetana:
Aufbruch und Idylle.
Exlibris österreichischer Künstlerinnen 1900–1945
Wien: Österreichische Exlibris-Gesellschaft, Österreichischer
Kunst- und Kulturverlag 2004
ISBN 3-85437-262-0
Preis: 29,– €
Das Buch ist an der Kasse des Papyrusmuseums und im Buchhandel erhältlich.
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