Über das Literaturarchiv
Aufgaben
Das Literaturarchiv wurde 1996 als eigenständige Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek eröffnet. Entsprechend seiner Richtlinien sammelt es literarische Nachlässe österreichischer Autorinnen und Autoren vor allem des 20. Jahrhunderts und stellt diese zur wissenschaftlichen Auswertung bereit. Zudem macht das Archiv seine Bestände durch Ausstellungen, Editionen, Lesungen und Tagungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Bestände
Schon in der Aufbauphase, die bis in das offizielle Gründungsjahr 1989 zurückreicht, als die Bestände des Literaturarchivs noch von der damaligen Handschriften-, Autografen- und Nachlasssammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (heute: Sammlung von Handschriften und alten Drucken) verwaltet wurden, konnten einige bedeutende Nachlässe erworben werden. Zu den wichtigsten Ankäufen dieser Zeit zählen umfassende Bestände von Albert Drach, Erich Fried, Peter Hammerschlag, Ödön von Horváth, Theodor Kramer, Ernst Schönwiese, Manès Sperber, Hilde Spiel, Herbert Zand, Dorothea Zeemann und eine kleinere Sammlung zu Jakob Wassermann. Nach der Aufnahme des eigenständigen Betriebes im Jahr 1996 wurde dieser Grundstock systematisch erweitert. Heute bilden den Kernbestand vor allem Nachlässe, Sammlungen und zunehmend auch Vorlässe, die das literarische Leben der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg widerspiegeln. Besonders hervorzuheben sind jene Vor- und Nachlässe von Autoren, die auch als Herausgeber von Literaturzeitschriften fungierten: Ernst Schönwiese - längjähriger Programmdirektor für Literatur, Hörspiel und Wissenschaft beim Österreichischen Rundfunk - als Herausgeber der Zeitschrift "das silberboot", Otto Basil als Gründer der Zeitschrift "Plan", Hermann Hakel als Leiter der Zeitschrift "Lynkeus", Alfred Kolleritsch als Herausgeber der "manuskripte" sowie Gustav Ernst, Josef Haslinger und Peter Henisch als Redaktionskollektiv des "Wespennest".
Viele Autorinnen und Autoren spielten im institutionellen Literaturbetrieb eine bedeutende Rolle. Neben Schönwiese und Spiel hatten György Sebestyén im Österreichischen P.E.N.-Club, Heimrad Bäcker und Ernst Jandl in der Grazer Autorinnen Autorenversammlung sowie Kurt Klinger, Wolfgang Kraus und Herbert Zand in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur wichtige Funktionen inne.
Ein weiterer Schwerpunkt hat sich im Bereich der Exil-Literatur herausgebildet. Neben den bereits genannten Schriftstellerinnen und Schriftstellern Drach, Fried, Kramer, Sperber und Spiel zählen hierzu weiters die Bestände von Alfredo Bauer, Josef Burg, Bruno Frei, Joseph Kalmer, Leo Katz und Alfred Kneucker, um nur einige anzuführen.
Mit dem breit gestreuten Spektrum an Materialien liefert das Literaturarchiv auch einen sehr differenzierten Zugang zu kulturellen, politischen und historischen Prozessen. So geben beispielsweise die Bestände von Günther Anders und Ernst Fischer Einblick in das linksintellektuelle Gedankengut des 20. Jahrhunderts. Dem gegenüber finden sich ebenso Materialien mit austrofaschistischem und / oder nationalsozialistischem Hintergrund wie jene von Hans Brecka, Maria Grengg, Richard Libiger, Hanns Sassmann oder Karl Hans Strobl.
Seit Jahren bemüht sich das Literaturarchiv auch um die Bestände der "Wiener Gruppe". Bislang erworben werden konnten der Vorlass von Oswald Wiener und einige Sammlungen zu Konrad Bayer.
Ganz besonders ist das Archiv um die Erwerbung von Vorlässen von Gegenwartsautorinnen und -autoren bestrebt. Neben den bereits erwähnten Namen Ernst, Haslinger, Henisch und Wiener haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Elfriede Czurda, Peter Handke, Gert Jonke, Walter Kappacher, Robert Menasse, Andreas Okopenko, Gerhard Roth, Michael Scharang, Robert Schindel, Ferdinand Schmatz, Margit Schreiner und Julian Schutting Teile ihrer Materialien dem Archiv anvertraut.
Unter den kleineren Erwerbungen stechen einige Sammlungen zu Heimito von Doderer, Friederike Mayröcker und Alfred Kubin hervor. Zu den bedeutendsten Beständen institutioneller Provenienz gehören die umfangreichen Archive der Grazer Autorinnen Autorenversammlung, des Literaturverlags Droschl, des Paul Zsolnay Verlags und des Milena Verlags, der Zeitschriften "Literatur und Kritik", "protokolle" und "edition neue texte" sowie des Literatur-Magazins "Literaricum".
Auch Nachlassbibliotheken gehören zu den Sammlungen des Archivs, darunter neben den Bücherschätzen von Friedrich Heer, Ernst Jandl, Traugott Krischke, Anita Pichler, Manès Sperber und Hilde Spiel auch die mit rund 10.000 Bänden weitgehend vollständig erhaltene Bibliothek Erich Frieds. Bücher, die mit Widmungen bedeutender Personen oder mit handschriftlichen Vermerken versehen sind, bilden einen eigenen Sammelschwerpunkt.