Einige Hinter- und Abgründe über den wohl bekanntesten (Musical-)Film über Österreich, der ironischerweise hierzulande noch immer weitgehend unbekannt ist.
Autor: Martin Forster
Wie kommt es eigentlich, dass aus einer österreichischen Emigrationsgeschichte ein reichlich kitschiger aber unglaublich erfolgreicher Hollywood-Film entsteht? Nun, dazwischen liegt eine quasi klassische amerikanische Erfolgsstory: Eine arme, eingewanderte Familie schafft es durch Fleiß, Beständigkeit und musikalisches Talent zu Ruhm und Reichtum. Wahrer Kern hin oder her: das Medium Film/Kino verlangt nach zeitlicher Raffung und Dramatisierung – man kann sich dessen bewusst also die Frage stellen, wieviel Wahrheit denn noch in den „True Stories“ steckt – gerade im Fall von „The Sound of Music“, prägt doch der Film das Bild von Österreich im Ausland, besonders in den USA und Asien, nach wie vor wie kein anderer.
Die Geschichte beginnt bei Maria Augusta Kutschera, die am 26. Jänner 1905 in Wien geboren wurde. Ihre Eltern verstarben sehr früh und so wuchs sie größtenteils bei ihrer Großmutter auf. Nach der Schulzeit besuchte sie die Pädagogische Akademie in Salzburg. Diese pädagogische Ausbildung war es auch, die sie 1925 als Hauslehrerin für eine kränkliche Tochter des verwitweten „Barons“ Georg von Trapp in dessen Zuhause führte und ihr Schicksal – sie überlegte eigentlich, Nonne zu werden und lebte in der Benediktinnerinnen-Abtei in Nonnberg – unumkehrbar ändern sollte.
Maria „verliebt“ sich zwar laut eigener Aussage mehr in die Kinder als in den „Baron“, aber selbst ihre Äbtissin ermutigt sie zur Hochzeit mit ihm. Apropos: Adelstitel waren zu dieser Zeit eigentlich bereits abgeschafft, wurden umgangssprachlich aber noch verwendet. Georg von Trapp war auch durchaus kein Unbekannter, sondern im 1. Weltkrieg Kommandant eines U-Bootes und gefeierter, der Monarchie treuer Kriegsheld. Zu seinen Erfolgen im Krieg kann man natürlich in ANNO trefflichst nachlesen, wie etwa in diesem Bericht von der „Heldentat der U5“.
Die Ehe der Trapps wird im Laufe der Jahre durch weitere Kinder gesegnet und die musikalische Maria beginnt noch während der Zeit in Salzburg mit den Kindern zu singen und zu musizieren. Auch öffentliche Auftritte finden bereits statt und wurden teilweise auch im Radio übertragen, wie man z. B. diesem Radioprogramm für den 6. Dezember 1935 entnehmen kann. Die Auftritte sind durchaus eine finanzielle Notwendigkeit, da die Familie in diesem Jahr durch eine Bankenpleite fast ihr gesamtes Vermögen verlor.
Die Lebensumstände der Familie ändern sich mit dem Anschluss an Nazi-Deutschland nochmals dramatisch, da insbesondere der Baron durch seine militärische Vergangenheit besonders österreichtreu ist und seine politische Gesinnung nicht leugnen kann und will. Um einer ernsthaften Bedrohung durch das Regime zuvorzukommen, flieht die Familie in die USA, gemeinsam mit dem Priester und musikalischen Leiter des Trapp-Familienchores, Franz Wasner. Auch dort muss man zunächst finanziell schwierige Zeiten durchtauchen, schlussendlich wird die Familie aber durch mehrere Konzertreisen zur Sensation und kann sich im Bundesstaat Vermont niederlassen. Im Jahre 1948 erhalten Maria und einige Kinder der Trapps sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft, Georg von Trapp verstirbt aber bereits 1947 an Lungenkrebs.
Im Detail nachlesen kann man das in Maria von Trapps Autobiographie „Vom Kloster zum Welterfolg“, die 1952 veröffentlicht wird und den Grundstein für die folgenden Film- u. Musicalproduktionen legt.
Der Weg vom Buch zum Hollywood-Film sollte zwar noch ein paar Jahre dauern, doch bereits 1949 gibt es erste Angebote aus Hollywood, die Namensrechte an der Story zu kaufen – ist sie doch klassisches „American Dream“-Material: nicht nur Tellerwäscher, sondern auch eine singende Familie kann in Amerika durch Fleiß reich werden.
Maria lehnt zunächst aber ab. Einige Jahre später tritt der deutsche Produzent Wolfgang Reinhardt (der Sohn von Max Reinhardt) an sie heran und es gelingt ihm, mit einigen Finten sogar für eine sehr überschaubare Summe, die Filmrechte zu sichern. Als Regisseur der Verfilmung wird – eine Ironie des Schicksals – Wolfgang Liebeneiner verpflichtet, der in den 30er Jahren noch Regie-Liebkind des Nazi-Regimes war, sich in der Zwischenzeit aber mit eher seichten Unterhaltungsfilmen „rehabilitiert“ hatte. „Die Trapp-Familie“ wird 1956 mit den damals beliebten Schauspieler*innen Ruth Leuwerik, Hans Holt und Josef Meinrad verfilmt und zu einem großen Erfolg im deutschsprachigen Raum, 1958 folgt die Fortsetzung „Die Trapp-Familie in Amerika“.
In den USA nimmt man ebenfalls von den Filmen Notiz, und die etablierten Broadway-Schreiber Rodgers und Hammerstein formen daraus das Musical „The Sound of Music“, das 1959 debütiert und zu einem gewaltigen und preisgekrönten Erfolg wird, auf den natürlich Hollywood ebenfalls aufmerksam wird. Robert Wise, zu diesem Zeitpunkt schon gefeierter Regisseur von u. a. „West Side Story“, verfilmt den Stoff mit dem Star Julie Andrews in der Hauptrolle als Maria sowie Christopher Plummer als Georg von Trapp. Ab Mai 1964 wird in Österreich gedreht, mit vielen Drehorten in Salzburg – z. B. im Mirabellgarten, in Schloss Leopoldskron, in der Felsenreitschule – in den Aufnahmen zu Beginn sind aber auch der Fuschlsee, das Schloss Anif, etc. zu sehen. Der bekannte österreichische Fotograf Erich Lessing, der unter anderem das berühmte Foto des Balkons vom Belvedere nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages machte, war am Set zugegen und dokumentierte Teile der Dreharbeiten.
Die Fotos finden Sie in einer digitalen Sammlung zu Erich Lessing in ÖNB Digital bzw. dem Bildarchiv. (Tipp: Digitalisierte historische Ansichtskarten der Drehorte finden sich u. a. auch in unserem Portal AKON!)
Der Film erscheint schließlich 1965 und wird zu einem der meistgesehensten Hollywood-Filme aller Zeiten – ein Oscar-gekrönter, bahnbrechender und globaler Erfolg … also, fast global.
Man kann nur darüber mutmaßen, woran es liegt, dass der Welterfolg „The Sound of Music“ in Österreich ein eher unbekanntes Dasein fristet – schließlich fanden und finden mit Zucker überzogene Musicals und Heimatfilme hier üblicherweise durchaus ihr Publikum. Möglicherweise erschien der Film zeitlich zu nah an den beliebten deutschen Verfilmungen, oder es war doch die Befremdung über die allzu amerikanisierte Verzerrung der wahren Ereignisse? Oder liegt es gar an den kleinen Ungenauigkeiten wie etwa, dass „Schnitzel with Noodles“ auf den Speisekarten der hiesigen Wirtshäuser wohl nicht zu finden sein wird?
Wie dem auch sei, für Österreich, und hier vor allem für die Stadt Salzburg, wurde der Film zur Tourismus-Cash-Cow, auch wenn es vielleicht keine Liebe auf den ersten Blick war. Erst im Jahr 2011 gab es die erste heimische Musicalproduktion im Salzburger Landestheater, mittlerweile werden seitens der Tourismusverbände aber z. B. tägliche „The Sound of Music“-Touren angeboten.
Bei aller Kritik an der amerikanisierten Version der Geschichte kann man davon ausgehen, dass selbst bei der Autobiographie von Maria von Trapp schon viele Ereignisse und Abläufe stark vereinfacht und geschönt wurden. Einem deus-ex-machina gleich eröffnet sich immer im letzten Augenblick eine Möglichkeit zur Rettung, hält der Glaube an die Familie und auch der immer präsente Glaube an Gott alles zusammen. Hollywood setzt dem aber natürlich noch einiges drauf. So gibt es diverse einfach belegbare Unterschiede zur Realität, sei es über die Anzahl der Kinder der Familie, die Rollenverteilung der Eheleute Trapp, die Abreise- bzw. Fluchtroute, etc. etc. – die Figur des Priesters Wasner kommt in „The Sound of Music“ gleich gar nicht mehr vor.
Im Buch liest man aber auch noch von „angemessenen“ Schlägen für die Kinder und dass diese – laut Maria von Trapp – sehr dankbar dafür waren und die Anliegen der Mutter dadurch besser verstanden hätten. Solche Sätze lassen doch einige unerzählte Abgründe vermuten. Ab den 1990er Jahren drangen schließlich auch kritische Stimmen – auch aus der Familie selbst – an die Öffentlichkeit, die das gezeichnete Bild des Familienidylls bröckeln ließen. So sollen die Kinder von Maria und dem Priester Wasner fast militärisch geführt worden sein, und gerade über die Rolle von Wasner gibt es weitere Gerüchte und Mutmaßungen. Diesbezüglich interessierte Leser*innen der Österreichischen Nationalbibliothek können den Artikel „Die Mutter und ihr Gottesmann“ in „Die Zeit“ vom 12. Juli 2012 z. B. über die lizensierte Datenbank Wiso Presse nachlesen.
Wie dem auch sei, für Maria von Trapp gab es in der alten Heimat Österreich nach Kriegsende hohe staatliche Weihen, wie etwa die Verleihung eines Ehrenzeichens im November 1957.
Und vielleicht schafft es der Film zum 60-jährigen Jubiläum ja auch in Österreich zu reüssieren, wir werden sehen …
Über den Autor: Mag. Martin Forster ist Mitarbeiter der Abteilung Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement und Trainer im Center für Informations- und Medienkompetenz der Österreichischen Nationalbibliothek.
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Titelbild: Heinz Janisch beim ersten Familiennachmittag an der Österreichischen Nationalbibliothek am 26. April 2013.
Julia Antopol Hirsch. The Sound of Music: The Making of America’s Favorite Movie. Chicago: Chicago Press Review, 2017.
Maria Augusta Trapp. Die Trapp-Familie. Vom Kloster zum Welterfolg. Wien: Frick, 1952. http://data.onb.ac.at/rec/AC08444978
Caryl Flinn. Film Classics: The Sound of Music. London: Palgrave, 2015.
http://data.onb.ac.at/rec/AC13777016
Ulrike Kammerhofer-Aggermann und Alexander Keul (Hg.). Sound of Music: Zwischen Mythos und Marketing. Salzburger Beiträge zur Volkskunde, Bd. 11. Salzburg, 2000.
http://data.onb.ac.at/rec/AC03164764
https://www.trappfamily.com/about-us.htm
Zugriff: 09.02.2025
The Sound of Music. Regie: Robert Wise. Drehbuch: Ernest Lehmann. USA: 20th Century Fox, 1965. Fassung: DVD, 2004, 174’.
Die Trapp-Familie. Regie: Wolfgang Liebeneiner. Drehbuch: George Hurdalek, Herbert Reinecker. BRD: Divina/Gloria, 1956. Fassung: DVD, 2004, 97’.
Die Trapp-Familie in Amerika. Regie: Wolfgang Liebeneiner. Drehbuch: Herbert Reinecker. BRD: Divina/Gloria, 1958. Fassung: DVD, 2004, 100’.
Titelbild:https://onb.digital/result/10C4E2D7
Maria Augusta von Trapp, 1954. (Österreichische Nationalbibliothek/Rübelt)
Abb. 1:https://onb.digital/result/1176479F
Salzburg - The Sound of Music City, 2010. (Österreichische Nationalbibliothek)
Abb. 2:https://onb.digital/result/10F448F1
Georg von Trapp mit 1. Frau Agathe von Whitehead, 1914. (Österreichische Nationalbibliothek/Harkányi)
Abb. 3:https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vvb&datum=19150504&seite=1&zoom=33
Vorarlberger Volksblatt vom 4. Mai 1915, Titelblatt.
Abb. 4:https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=raw&datum=19351129&seite=24&zoom=33
Radio Wien vom 29. Nov. 1935, Seite 22.
Abb. 5:https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=dwp&datum=19480708&seite=6&zoom=46
Die Weltpresse vom 8. Juli 1938, Seite 6.
Abb. 6:https://onb.digital/result/10B8E617
Die Trapp-Familie besucht Salzburg, 1952. (Österreichische Nationalbibliothek)
Abb. 7:https://onb.digital/result/10C7150D
Julie Andrews mit Kinderdarstellern bei den Dreharbeiten im Salzburger Mirabellgarten, 1964.
(Lessing/Bildarchiv der Österreichische Nationalbibliothek)
Abb. 8:https://onb.digital/result/10C7144E
Robert Wise und Christopher Plummer mit Kinderdarstellern bei den Dreharbeiten, Salzburg, 1964. (Lessing/Bildarchiv der Österreichische Nationalbibliothek)
Abb. 9:https://onb.digital/result/1173347E
Verleihung des Ehrenzeichens an Maria-Auguste Trapp, 1957. (Österreichische Nationalbibliothek/Kofler)
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