Kleidung als Statussymbol eines habsburgischen Gesandten des 16. Jahrhunderts.
Autorin: Dr. Veronika Drescher
„In sollicher Khlaidung bin ich zum Khunig Sigmunden in Polln, und dem Groszfursten in die Mosqua abgefertigt worden. 1517“1 (In dieser Kleidung wurde ich zu König Sigismund in Polen und zum Großfürsten in Moskau entsandt. 1517). Das so beschriftete Bild (Abb. 1) zeigt einen bärtigen Mann mittleren Alters. Er trägt einen prächtig gemusterten, bodenlangen Mantel. Selbst auf dem unkolorierten Holzschnitt ist auf den ersten Blick erkennbar, dass die dargestellte Kleidung aus wertvollen Stoffen besteht.
Bei der abgebildeten Person handelt es sich um Siegmund Freiherr von Herberstein, Diplomat und Gesandter des Hauses Habsburg. Das Portrait stammt aus seiner gedruckten, deutschsprachigen Autobiografie, die noch weitere fünf ganzseitige Bildnisse seiner selbst, jeweils in prachtvoller Gewandung, enthält.
Siegmund erblickte am 28. August 1486 als dritter Sohn auf Schloss Wippach (Vipava) am Karst das Licht der Welt. Sein Vater Leonhard entstammte der jüngeren, Krainer Linie des ursprünglich steirischen Rittergeschlechtes der Herberstein. Mit ungefähr zehn oder elf Jahren sandten ihn seine Eltern nach Wien an die Stadtschule St. Stephan, um ihn auf die Universität vorbereiten zu lassen. Die dreijährige Ausbildung an der Artistenfakultät, an die er noch ein Studium der Rechtswissenschaften anschloss, war zu jener Zeit in Adelskreisen noch eher unüblich und brachte ihm den Spott seiner Standesgenossen ein. Doch hatte er mit seiner humanistisch-juristischen Ausbildung die besten Voraussetzungen für den Dienst am kaiserlichen Hof. Zunächst beteiligte er sich jedoch an den Kriegen gegen Ungarn, Venedig und Frankreich. Der Ritterschlag, den er 1514 von Kaiser Maximilian I. erhielt (Abb. 2), brachte einen Wendepunkt in Herbersteins Karriere. Er wurde nun zunehmend für den diplomatischen Dienst eingesetzt. In den folgenden gut vier Jahrzehnten verhandelte er im Auftrag des Hauses Habsburg mit einigen der wichtigsten Herrscherfamilien (Ost-)Europas. So unternahm er zwischen 1516 und 1518 eine erste Reise nach Polen zu König Sigismund I. und weiter nach Russland zu Großfürst Wassili III. Iwanowitsch. Dieser Reise folgte 1525–1526 eine zweite. Nach dem Ableben Maximilians I. war er Teil der ständischen Abordnung, die zu König Karl, dem späteren Kaiser Karl V. nach Spanien gesandt wurde. 1541 schließlich reiste er nach Ofen ins Feldlager der Osmanen, um mit Sultan Süleyman dem Prächtigen Friedensverhandlungen aufzunehmen. Darüber hinaus bekam er im Laufe der Zeit verschiedenste politische Ämter übertragen.
Mit zunehmendem Alter betätigte sich Siegmund von Herberstein vermehrt auch als Autor und begann, seine Erlebnisse niederzuschreiben. Dies resultierte unter anderem in den 1549 erstmals auf Latein erschienenen „Rerum Moscoviticarum commentarii“, auch bekannt als „Moscovia“; eine kulturhistorische-geographische Beschreibung des Reiches des Moskauer Großfürsten. Das Werk hatte einen großen Erfolg, wurde vielfach neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt und gilt bis heute als wichtige landeskundliche und (kultur-)historische Quelle zum Großfürstentum Moskau. Überdies haben sich von ihm zwei gedruckte Autobiografien in lateinischer und deutscher Sprache erhalten.2
Siegmund von Herberstein lässt die deutsche Version seiner Lebensbeschreibungen erstmals 1558 von Raphael Hofhalten in Wien drucken.3 Das Buch trägt den für heutige Ohren etwas sperrigen Titel „Sigmund Freyherr zů Herberstain Neyperg vnd Guttenhag oberster Erbcamrer vnd oberster Druchsas in Kärnttn. Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstain. Seines thuns dienstn vnnd Raisens mit trewer vermanung sich zu Tugenden und guetem weesn schicken“. Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt ein Exemplar der 1560 ebenfalls bei Hofhalten gedruckten zweiten Auflage des Textes.4 Trotz mehrerer Druckauflagen haben sich nur wenige Kopien des Werkes erhalten, weshalb davon auszugehen ist, dass jeweils nur eine kleine Anzahl Exemplare in Auftrag gegeben worden war.5
Neben einer Einführung und einer kurzen Widmungsvorrede des Propstes des Chorherrenstifts Pöllau, enthält das Werk eine neunseitige Genealogie des Hauses Herberstein, ausgehend von Otto, der 1290 die namensgebende Stammburg der Familie (Schloss Herberstein in Stubenberg in der Steiermark) erwarb sowie daran anschließend die eigentliche Autobiografie Siegmunds. Diese ist chronologisch geordnet und beschreibt mal kürzer, mal ausführlicher die Ereignisse des jeweiligen Jahres. Die Aufzeichnungen erstrecken sich bis ins Jahr 1556, wobei er sich auf seine „dinst und Reisen“6 konzentriert und Familiäres, wie den Tod des Vaters oder die eigene Hochzeit unerwähnt lässt. Die Lebensbeschreibungen schließen mit einem Privileg Kaiser Ferdinands I. aus dem Jahre 1542, in welchem dieser Siegmund mehr oder weniger in den Ruhestand entsendet.
Für die für ihn bedeutsamsten Gesandtschaften7 ließ Herberstein illustrierende Holzschnitte anfertigen. Es handelt sich um die bereits zu Beginn erwähnten sechs ganzseitigen Portraits seiner eigenen Person, die ihn in jener Kleidung zeigen, die er bei Audienzen mit Herrschern getragen und teilweise auch von diesen als Geschenk erhalten hatte. So ist er auf einem der beiden Bilder zu seiner erste Polen- und Russlandreise (1516–1518)8 in einem bodenlangen Mantel mit pelzverbrämten Säumen und einem großen Pelzkragen abgebildet. Dieselbe Kleidung, diesmal mit einer Pelzmütze ergänzt und in einer schrägen statt frontalen Vorderansicht, trägt er auch auf der Abbildung zur zweiten Russlandreise von 1526 (Abb. 3).9 Die Bildüberschriften zu beiden Illustrationen identifizieren das prächtige Gewand als ein Geschenk des Großfürsten Wassili III. an den habsburgischen Gesandten.10 Im Fließtext des Buches wird weder auf die Abbildungen Bezug genommen, noch werden irgendwelche Geschenke genannt. In den handschriftlichen Lebensbeschreibungen erwähnt Siegmund aber zumindest Pelze, die er in Moskau erhalten habe.11 Diese Zobel- und Hermelinfelle, mit denen der Großfürst Herberstein bedachte, finden auch auf einem weiteren Portrait Erwähnung.
Das nicht genauer datierte Bild (Abb. 4) zeigt Herberstein in einem schwarzen, samtenen Mantel, auch dieser mit einem großen Pelzkragen besetzt, vielleicht sogar gefüttert, und die Säume teilweise mit Pelz verbrämt. Der dazugehörige Bildtext gibt an: „Von König Karl, damals erwählter Römischer König und zukünftiger Kaiser den Samt aus Spanien und von Wassili, dem Großfürsten aus Moskau der Zobel.“12 Die ungedruckten Lebensbeschreibungen erwähnen auch tatsächlich das luxuriöse Stoffgeschenk in jenem Abschnitt, der sich mit Siegmunds Spanienreise zum späteren Karl V., nach dem Ableben Maximilians befasst.13
Die abschließenden zwei Portraits zeigen Herberstein in der Gesandtschaftskleidung für seine letzte bedeutende Mission, die Friedensverhandlungen mit Sultan Süleyman. Auf dem zweiten Holzschnitt trägt er wieder einen prächtigen, bodenlangen Mantel, den die Bildbeschriftung als Geschenk des Osmanenherrschers identifiziert.14 Auch hierzu finden sich einige Worte in der handschriftlichen Autobiografie: „Den Zehnten [September] brachte man einem jeden von uns zwei türkische Röcke und fünf kleine Stücke gewöhnliche Seide und […] dazu etliche Stücke Seide von minderer Qualität für jene Leute, die sich in unserem Gefolge befanden, in unsere Hütte.“15
Warum aber illustriert Siegmund von Herberstein seine gedruckten Autobiografien mit sechs Holzschnitten von sich selbst, die ihn in Kleidung zeigen, die sich teilweise zum Verwechseln ähnlich sieht?
Siegmund von Herberstein nennt als Materialen für seine Gesandtschaftskleidung sowohl teure Stoffe wie Samt und Seide, wie auch Zobel- und Hermelinfelle. Im Endbericht, der Finalrelation zur Gesandtschaft ins osmanische Feldlager 1541 beschreibt er außerdem die von Süleyman erhaltenen Mäntel etwas genauer als „zwei goldene Röcke, nach ihrer Sitte gefertigt“16, worunter man möglicherweise Goldstickerei oder Goldapplikationen wird verstehen dürfen.
Diese Darstellung der prunkvollen Kleidung und die Betonung des wertvollen Materials ist auf die wichtige Funktion von Kleidung als Statussymbol, als „Medium der Statusbildung- und stabilisierung“17 zurückzuführen. Kleidung und Schmuck waren wesentliche Erkennungszeichen, um Stand und Status einer Person einordnen zu können. Damit dies auch so blieb, wurden seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert wiederholt Kleiderordnungen erlassen, die genau regelten, wer welche Materialien in welchen Mengen tragen durfte. Luxusstoffe wie Samt oder Seidendamast, wertvolle Pelze wie Marder, Zobel und Hermelin, aber auch Goldstickereien waren dabei stark beschränkt.18 In der am Augsburger Reichstag 1530 verabschiedeten Reichspolizeiordnung (Abb. 6) ist dazu für Grafen und Herren zu lesen: „Deßgleichen mögen Graffen und Herrn alle fůter außgenomme[n] zobeln vnd dergleichen höchste fůter antragen.“19 Selbst Grafen war also das Tragen von Zobel und vergleichbaren wertvollen Pelzen verboten.
Die Selbstdarstellung in nur für den allerhöchsten Adelsstand erlaubter Kleidung, in Verbindung mit der Nennung bedeutsamer Herrscher, die ihm wertvolle Materialen als Geschenke überreichten, betonen die Wichtigkeit seiner Person. Sie unterstützt das Bild, das Siegmund von Herberstein der Nachwelt hinterlassen wollte, das eines erfolgreichen und einflussreichen Diplomaten in habsburgischen Diensten.
Über die Autorin: Dr. Veronika Drescher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sammlung von Handschriften und alten Drucken.
1 Sigmund Freyherr zů Herberstain Neyperg/ vnd Guttenhag/ oberster Erbcamrer vnd oberster Druchsas in Kärnttn … Gedruckt zů Wienn in Osterreich durch Raphaeln Hoffhalter 1560, fol. 11r. ÖNB-Signatur: *48.D.10 ALT PRUNK. Digitalisat: http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ158700100.
2 Zusätzlich gibt es zwei wesentlich ausführlichere, handschriftliche Lebensbeschreibungen sowie ein Familienarchiv, das im Steiermärkischen Landesarchiv aufbewahrt wird. Tersch Harald, Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (1400–1650). Eine Darstellung in Einzelbeiträgen. Wien / Köln / Weimar 1998, S. 193–213, hier 211.
3 Trotz großer Parallelen handelt es sich bei der deutschen Version nicht um eine eins-zu-eins Übersetzung des lateinischen Textes. Sie ist teilweise etwas ungenauer, kann an anderer Stelle aber auch detaillierter sein. Tersch, Österreichische Selbstzeugnisse, S. 196, 211.
4 Sigmund Freyherr zů Herberstain Neyperg/ vnd Guttenhag/ oberster Erbcamrer vnd oberster Druchsas in Kärnttn. Den Gegenwurtign vnd nachkomendn Freyherrn zu Herberstain. Seines thuns dienstn vnnd Raisens mit trewer vermanung sich zu Tugenden und guetem weesn schicken. Gedruckt zů Wienn in Osterreich durch Raphaeln Hoffhalter 1560. ÖNB-Signatur: *48.D.10 ALT PRUNK. Digitalisat: http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ158700100.
5 Tersch, Österreichische Selbstzeugnisse, S. 196.
6 Sigmund Freyherr zů Herberstain, fol. 8v.
7 Erste Polen- und Russlandreise 1517: fol. 11r und 12r. Zweite Russlandreise 1526: fol. 16r. Gesandtschaft zu Sultan Süleyman 1541: fol. 19v und 20r. Sowie ein Portrait ohne Jahresangabe, das ihn in einer seiner typischen Gesandtschaftskleidungen darstellt, die er von Kaiser Karl V. sowie dem Großfürst Wassili erhalten habe: fol. 15r.
8 Sigmund Freyherr zů Herberstain, fol. 12r.
9 Sigmund Freyherr zů Herberstain, fol. 16r.
10 „Khayser Maximilians Potschafft von Moscoviter also geclaidt. Sigmundt von Herberstain Ritter. Rath. 1517.“ und „Sygmund Freyherr zu Herberstain in Moscouitischem verehrtem klaidt. M.D.XXVI. [1526]“.
11 „Belib allso in der Stat Mosqua Ainvnnddreissig wochen. Fertigt mich woll ab mit Zobelln, Härmln, …“ Karajan, Theodor Georg von (Hg.), Johannes Tichtel’s Tagebuch. Sigmunds von Herberstein Selbstbiographie. Johannes Cuspinian’s Tagebuch. Georg Kirchmair’s Denkwürdigkeiten (= Fontes Rerum Austriacarum 1/1). Wien 1855, S. 130.
12 „Von Kunig Carln dazumal Erweltem Rö[mischem] Kunig vnd kunfftigem Kayser den Samat aus Hispanien. Vnd hievor von Basilio Großfurstn aus der Mosqua die Zobl bracht. Sigmund Freyherr zu Herberstain vnd vill potschafftn darin verricht.“ Sigmund Freyherr zů Herberstain, fol. 15.
13 „Zum letzten warden vnns die brief, an die Lannd lauttundt, zw sambt ainem schwartzen Samat, yegelichem zw ainem Rockh, geanntwort.“ Karajan, Selbstbiographie, S. 208.
14 „Sigmundt Freyherr zu Herberstain, Gesanter zu dem Türckhischen Khayser von dem also verehrt. M.D.XLI. [1541]“ Sigmund Freyherr zů Herberstain, fol. 20.
15 „Den Zehennden [10. September 1541] hat man vnns hütten bracht yegelichen zwen Türggisch Rockh vnnd fünff khlaine stückhl gemainer Seiden, vnnd […] darzue etliche stückhl geringer Seiden für vnnsere leuth, so mit vnns gezogen sein.“ Karajan, Selbstbiographie, S. 335.
16 „zwen gulden röck auf iren brauch gemacht“ Leitsch Walter, Sigismund von Herberstein bei Süleymān dem Prächtigen. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 82 (1992), S. 269–287, hier S. 286.
17 Tschopp Silvia Serena, Mode und ‘memoria’. Das Trachtenbuch des Matthäus Schwarz im Kontext der Augsburger Erinnerungskultur des 16. Jahrhunderts. In: Mark Häberlein / Stefan Paulus / Gregor Weber (Hgg.), Geschichte(n) des Wissens: Festschrift für Wolfgang E. J. Weber zum 65. Geburtstag. Augsburg 2015, S. 289–302, hier S. 298.
18 Vgl. Borkopp-Restle Birgitt, Des Heyligen Römischen Reichs Ordnungen, darin enthalten: Kleiderordnung verabschiedet auf dem Reichstag in Augsburg 1530 (Kat.-Nr. 115), In: Minning Martina / Rottau Nadina / Richter Thomas (Hgg), Dressed for Success. Matthäus Schwarz. Ein Modetagebuch des 16. Jahrhunderts. Ausstellungskatalog Herzog Anton Ulrich-Museum und Kunstmuseum des Landes Niedersachsen. 8. Mai bis 4. August 2019. Dresden 2019, S. 188.
19 Des heyligen Römischen Reichs Ordnungen. Die Gülden Bull' sampt aller gehaltner Reichßtäg Abschieden : Besonderlich auch die Artickel vnnd Ordnungen so ja zuzeiten auffgericht das Keyserlich Regiment vnd Chammergericht belangend (etc.). Worms, durch Sebastianus Wagner, 1537, S. 173. ÖNB-Signatur: 459441-C ALT MAG. Digitalisat: data.onb.ac.at/ABO/%2BZ180474500.