Der Hochsommer ist da und mit ihm die Hauptbadesaison angebrochen, weshalb wir zur weiteren Einstimmung auf die Badefreuden im kühlen Nass einen kleinen Streifzug durch die Badegeschichte anhand einiger ausgewählter digitalisierter Quellen wagen – ein Streifzug durch Informationsquellen, der vielleicht zu einem Streifzug durch die wasserreichen Quellen Wiens anregt? Oder anders gefragt: Gemma bodn?
Der Hochsommer ist da und mit ihm die Hauptbadesaison angebrochen, weshalb wir zur weiteren Einstimmung auf die Badefreuden im kühlen Nass einen kleinen Streifzug durch die Badegeschichte anhand einiger ausgewählter digitalisierter Quellen wagen – ein Streifzug durch Informationsquellen, der vielleicht zu einem Streifzug durch die wasserreichen Quellen Wiens anregt? Oder anders gefragt: Gemma bodn?
Wien als Bäderstadt blickt auf eine lange Geschichte zurück. Schwimmen und Baden gehörten damals wie heute zu den beliebtesten Freizeitvergnügen. Dem Mitte der 1970er Jahre entstandenen Werbeslogan „Gemma bodn“ wird also sicher auch in der heurigen Badesaison die/der eine oder andere gerne Folge leisten.
Das Baden hat zwar im Sommer besonders Saison, ist jedoch unabhängig von den Außentemperaturen möglich, erfreulich und auch sinnvoll. Der Duden definiert den Zweck des Badens als zur Erfrischung des Körpers, zur Reinigung und zu Heilzwecken dienliche Betätigung. Eng mit dem Begriff des Badens verbunden ist auch die Kategorie „Schwimmen“, wo allerdings eindeutiger die Bewegung im Vordergrund steht, denn das Schwimmen wird vor allem gern zur körperlichen Ertüchtigung und zu Trainingszwecken ausgeübt. Ob nun baden oder schwimmen – während für sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit dem kühlen (oder auch wohltemperierten) Nass früher Reinigungs- und Hygieneaspekte vordergründig waren, in weiterer Folge auch Körperertüchtigung und Gesundheit, gelten Bäder heute als wesentliche Freizeit- und Erholungsorte.
In der Antike kamen Thermalbäder aufgrund der heilenden Wirkung des Wassers auf. Bei den mittelalterlichen Badestuben dagegen gehörte zum Badeprogramm häufig eine Rundumpflege für Leib und Seele dazu: Kopfpflege (Rasieren und Haareschneiden), medizinische Therapie (Aderlass und Wundversorgung) sowie Bewirtung und Unterhaltung. Das Stubenviertel in Wien, wo sich besonders viele dieser Badeetablissements befanden, soll übrigens so zu seinem Namen gekommen sein.
Mit der Zeit verlagerte sich das Baden von den Stuben ins freie Gewässer, was allerdings wenig goutiert wurde. Zur Zeit Maria Theresias wurde das „unverschämte Baden“, das hauptsächlich im Wienfluss und in den Donauarmen stattfand, verboten.
Was dem Baden zu einem neuerlichen Aufschwung verhalf, war das Aufkommen von Untersuchungen und Hinweisen bezüglich des Nutzens eines – kalten! – Bades für die körperliche Gesundheit. In Wien propagierte der Arzt Pascal Joseph Ritter von Ferro Kaltwasserbehandlungen und veröffentlichte im Jahr 1781 seine Schrift „Vom Gebrauch der kalten Bäder“.
In neun Abschnitten begründet er den Nutzen seiner Methode unter anderem damit, dass
„[a]ngegriffen von der Kälte des Wassers, […] jede Fiber der Haut zusammen[schrumpft]; neues Leben, ungefühlt so lange durch die matte Schlappigkeit, dringt durch den ganzen Körper: Wärme und Munterkeit theilt sich durch alle Theile desselben aus, das Geblüt wird stärker zusammengepreßt, läuft mit mehr Kraft durch die Gefäße, treibt die trägen stockenden Säfte vor sich weg, löset die Verstopfungen auf, die sich hie und da angesetzet haben, und bekömmt so eine natürliche Dichtigkeit, und belebende Wärme wieder, die der Archäus, der Spiritus Rektor des Lebens sind.“ (Ferro: Vom Gebrauch der kalten Bäder, S. 49)
Diesen Ansatz verfolgte auch eine Gruppe von Kältefreunden im 20. Jahrhundert und frönte als Verein „Verkühle dich täglich“ dem Eisbaden. Hier ging die Kaltwassergemeinschaft im Dezember 1927 bei 1 ½ Grad Wassertemperatur ihrem Hobby nach:
Kein Wasser war zu kalt, sogar wenn es gefroren war, wie diese Aufnahme eines Schneebades des Vereins beweist:
„Da hust‘ i drauf“ – das wäre wohl unter den Teilnehmenden der Aktion im wahrsten Sinne des Wortes gewünscht. Der Gedanke hinter diesen Abhärtungsmaßnahmen galt nämlich der Stärkung der Abwehrkräfte im menschlichen Organismus. Diese drohen zu erschlaffen, wenn sie nichts zu tun haben und um sie „bei Kräften zu erhalten, muß sie der Mensch trainieren, wie er seine Muskeln trainiert.“ Während man die Muskeln mit Boxen, Fußball oder – ganz im Trend der 20er Jahre– mit Charlestontanzen fit hält, gelingt das für die Abwehrkräfte mittels Verkühlung: „Verkühle dich oft, erkranke selten, sterbe nie.“
Diejenigen, die sich nicht täglich verkühlen wollten, konnten auf die schon im 19. Jahrhundert errichteten Bäderbauten mit beheizbaren Schwimmhallen ausweichen und mussten dadurch auch im Winter nicht aufs Schwimmen verzichten. Die Wiener Bevölkerung schwamm aber nicht nur gerne, sondern tanzte auch mit großem Vergnügen und nachdem sich der Betrieb einer reinen Schwimmhalle im Winter als nicht so lukrativ erwies, wurde der Badesaal während der Tanzsaison zum Ballsaal umfunktioniert:
Entweder Tanzen oder Schwimmen war je nach Jahreszeit auch im Sophien-Bad-Saal möglich:
Zunehmende Industrialisierung und wachsende Bevölkerung, unzureichende hygienische Bedingungen und schlechte Wohnverhältnisse veranlassten den Wiener Gemeinderat zur Verbesserung der allgemeinen Hygienebedingungen in allen Wiener Bezirken Volksbäder zu errichten. 1887 öffnete das erste Volksbad in der Mondscheingasse . Die damit begründeten städtischen Brausebäder, die aufgrund des mitunter dürftigen Wasserflusses als „Tröpferlbäder“ auch heutzutage noch gut bekannt sind, waren lange Zeit für die Wiener Bevölkerung eine günstige Möglichkeit zur Körperreinigung, wenn auch immer wieder Preiserhöhungen verkraftet werden mussten:
Tröpferlbäder bedienten den Wunsch der körperlichen Hygiene, aber der Wunsch nach einem Bad im freien Gewässer sowie einem Luft- und Sonnenbad in der freien Natur wurde immer stärker. Das Baden war langsam nicht mehr nur zur Körperreinigung da, sondern vermehrt auch für die Freizeitkultur wichtig. Dieser Freiluftbadekultur wollte ein Mann namens Florian Berndl Vorschub leisten und pachtete eine bei einer seiner Wanderungen entdeckte Sandinsel an der Alten Donau, das Gänsehäufel, wo er zum Luft-, Sonnen- und Wasserbaden einlud.
Unter dem als „Naturapostel“ und Exzentriker beschriebenen Berndl war das gemeinsame Baden von Männern und Frauen erlaubt. Allerdings nicht zu Flirt-Zwecken, sondern um sein Konzept einer natürlichen und naturnahen Lebensweise zu verwirklichen, wie der Wiener Kurier 1949 anlässlich des Wiederaufbaus des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gänsehäufels zusammenfasst.
Dennoch kam es zum Konflikt zwischen Naturapostel und Sittsamkeitsaposteln, der Pachtvertrag wurde gekündigt und 1907 übernahm die Gemeinde Wien das Gänsehäufel.
Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde das Badewesen grundlegend im Zuge der Gesundheits- und Sozialpolitik der Stadt Wien gefördert. Mit den großen Gemeindebauten entstanden weitere Volksbäder und Freibäder. Bei großer Hitze wurde die Abkühlung sogar in den Gemeindebau geholt:
Im Roten Wien wurden für die junge Bevölkerung zunehmend Kinderfreibäder errichtet. 1917 wurde das Hütteldorfer Staubecken des Wienflusses geöffnet, wo Kinder umsonst baden durften.
Wie groß der Ansturm in nach dem Ersten Weltkrieg errichteten Kinderfreibädern war, belegen einige Schnappschüsse:
Die Kinder kosteten den Badespaß bedenkenlos aus, während manch ein Erwachsener vor einem Badetag gewisse Vorkehrungen für sein umfassendes Badevergnügen zu treffen hatte. Denn „[l]ästiger Haarwuchs an Armen und Beinen ist imstande, das Badevergnügen sehr zu vermindern.“ Warum die Toilette des Körpers, die Pflege von Haut, Haaren und Nägeln große Aufmerksamkeit verdiente, lag nicht nur an einem potentiellen hitzigen Flirt, sondern auch an der hitzigen Sonnenbestrahlung, die, wovor man damals schon warnte, der Haut Schaden zufügt: „Deshalb muß man in der Sonne der Haut ständig Fett zuführen, wenn auch der Anblick des fettigen Gesichtes nicht schön ist.
Neben den kosmetischen spielten auch modische Überlegungen in Vorbereitung eines Badetages eine Rolle. Die Bademode, die man gegen Ende der Donaumonarchie trug, war äußerst accessoirereich:
Aber schon zu Beginn der 20er Jahre – wie ein Artikel von August vor genau 100 Jahren belegt – befand man, dass „Luftbad und Sonnenbad […] heute mit zum Um und Auf eines Badevergnügens [gehören], und das führt zu jeder erlaubten Kürzung und Schürzung des Badegewandes.“
In diesem Sinne wünschen wir fröhliches Baden und unbeschwertes Sonnen. Apropos unbeschwert – ob zur Entspannung am Liegestuhl ein Alligator beiträgt?
Da empfehlen wir für die Erholung – von Körper UND Seele – lieber ein spannendes Buch im Badegepäck dabeizuhaben:
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