Am 1. Juli 2021 hat Slowenien zum 2. Mal den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Grund genug, um uns mit unseren NachbarInnen genauer auseinanderzusetzen. Dabei sind wir auf eine besondere Graphic Novel gestoßen, die u.a. die Geschichte einiger Slowenen beleuchtet, die bis heute als „Mexikaner“ gelten. Warum das so ist, lesen Sie in diesem Blogbeitrag.
Autor: Daniel Skina
„Mit der Ambition ist’s wie mit dem Luftballon; bis auf eine gewisse Höhe zu steigen ist interessant und schön und man gewinnt einen klaren, weiten Ueberblick; strebt man höher hinan, so schwindelt der Kopf, die Fernsicht wird umnebelt und verworren und die Luft wird zu fein, zuletzt stürzt man aber gar leicht und bricht sich das Genick.“
Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, Kaiser von Mexiko, am 14. April 1861 (S.228)
Ambitionen hatte Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich große, als er mit einem Freiwilligenkorps, das aus zahlreichen Slowenen und Männern aus den umliegenden Regionen bestand, nach Übersee Richtung Mexiko aufbrach. Dass er sich am Ende zwar nicht das Genick brach, aber dennoch den Tod fand, ist hinlänglich bekannt. Die Autoren und Grafiker Zoran Smiljanić und Marijan Pušavec illustrieren in fünf Bänden seine Geschichte als Graphic Novel.
Wer gedacht hat, dass Comics infantile Bilderbücher wären, die vorwiegend für Kinder und Jugendliche verfasst würden, irrt. Die Graphic Novel Die Mexikaner (Smiljanić & Pušavec, 2018-2021) illustriert den Wissenstand der Geschichtsforschung über die Reisen und die Machtübernahme von Erzherzog Ferdinand Maximilian I. in Mexiko. Neben der faktenbasierten Erzählung rund um den Habsburger wird die Entwicklung des gescheiterten Studenten Anton Brus geschildert. Brus, ein fiktiver Charakter, meldet sich freiwillig für die kaiserliche Armee und folgt Maximilian nach Mexiko. Die Mexikaner ist eine fünf Bände umfassende Graphic Novel des slowenischen Autorenduos Zoran Smiljanić und Marijan Pušavec, die ihre LeserInnen auf eine Reise zu den titelgebenden Orten Miramare, Laibach (slown. Ljubljana), Mexiko, Sierra Madre und Querétaro führen. Die Originalausgaben erschienen zwischen den Jahren 2006 und 2016 mit dem Titel Meksikajnarji im Verlag Umco (Ljubljana) in der Reihe Zbirka Dos Pesos. Einzelne Szenen des ersten Bandes wurden bereits vorab im Zeitraum von Juli 2005 bis Februar 2006 sowie weitere Teile der Folgebände im Wochenblatt Mladina veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung der Bände durch Erwin Köstler erschien zwischen 2018 und 2021 beim Wiener Verlag bahoe books.
Der erste Band der epochalen Erzählung mit dem Titel Miramare geht zurück auf das Jahr 1861. Die LeserInnen erfahren in informativen Einblenden, dass der Kaiser von Österreich Franz Josef I. seinen Bruder Ferdinand Maximilian 1857 als Generalgouverneur von Lombardei-Venetien einsetzt. Beides sind Landschaftsgebiete, die zum Hoheitsgebiet der Habsburger zählen. Maximilian tritt an die Stelle des Feldmarschalls Radetzky und herrscht im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit weniger strenger Hand. Das auf Miramare lebende, romantisch verklärte Paar Ferdinand Maximilian und Charlotte von Belgien, später Carlota von Mexiko, werden von Napoleon III. und dessen Frau Eugénie de Montijo aufgesucht (Anders 1974, S. 87). In der Illustration wird dieser Moment freudig von Charlotte mit den Worten „Maxi! Gute Neuigkeiten!“ angekündigt.
Der französische Kaiser Napoleon III. verbindet mit seinem Besuch eigene Absichten. Will er doch in Mexiko ein Reich begründen, das militärisch und wirtschaftlich Frankreich ähnelt. Seit 1861 interveniert er bereits mit Militärtruppen vor Ort, da Mexiko unter seinem Präsidenten Benito Juarez weder den spanischen Gesandten noch den päpstlichen Legaten des Landes akzeptiert. Juarez hatte darüber hinaus Zahlungen in Millionenhöhe, die von europäischer Seite eingefordert wurden, eingestellt. Napoleon III. wirbt nun erfolgreich um den zunächst skeptischen Maximilian, der sich doch der Region annehmen und die Macht ergreifen solle.
Maximilian entscheidet sich, gegen den Willen der Familie Habsburg nach Mexiko zu gehen, da er der irrigen Annahme unterliegt, dass sich das mexikanische Volk einen Habsburger als Führer wünsche, denn eine Gruppe von Klerikalen und Gegnern des Präsidenten Juarez überbrachte ihm zuvor einen manipulierten Volksentscheid, der Maximilian legitimeren sollte.
Maximilian muss in Folge auf Druck seines Bruders auf die Thronfolge sowie Erbansprüche in Österreich verzichten. Franz Joseph I. stellt ihm auch keine militärischen Truppen zur Verfügung, einzig die Rekrutierung von 6.000 Freiwilligen wird Maximilian für seine Reise genehmigt.
Enttäuscht, aber dennoch optimistisch, hofft Maximilian, in Mexiko einen modernen und liberalen Staat etablieren zu können.
Am 14. April 1864 nehmen Maximilian und Charlotte, das „mexikanische Kaiserpaar“, wie sie bereits genannt werden, schließlich Abschied von Miramare.
Der zweite Band mit dem Titel Laibach thematisiert die Rekrutierung freiwilliger Soldaten in Ljubljana, denen sich auch der fiktive Charakter Anton Brus anschließt.
Die Rekrutierung der Soldaten fand ständeübergreifend statt. Dennoch mussten einige Kriterien erfüllt werden. Darunter fielen: ein christliches Bekenntnis, ledig oder Witwer, keine Kinder, nicht älter als 40 Jahre und die Mindestgröße betrug 59 Zoll (das sind übrigens lediglich 1,50 Meter). Diese Voraussetzungen wurden in zahlreichen Zeitungen publiziert, unter anderem im Amtsblatt zur Laibacher Zeitung am 17. Juni 1864, aber auch in Kmetjiske in rokodélske novice einer slowenischen Zeitung, die im Zeitraum 1843 bis 1902 erschienen ist und in der Graphic Novel illustriert wird.
Zahlreiche Freiwillige aus unterschiedlichsten Regionen, denen versprochen wurde, in der Fremde ihr Glück zu finden, strömen in die slowenische Stadt. Ein Teil davon kommt direkt aus Ljubljana. Darüber hinaus wird propagiert, dass nach einer sechsjährigen Ableistung des Dienstes den Freiwilligen nicht nur Land in Mexiko zustünde, auch die Rückfahrt und eine finanzielle Entschädigung sollen als Motivatoren fungieren. Das Rekrutieren von Soldaten war ein ereignisreicher Moment, der den SlowenInnen noch lange in Erinnerung bleiben sollte. Bis heute hat sich der Begriff Die Mexikaner, der in Slowenien rekrutierte Freiwillige meint und titelgebend für die Graphic Novel-Reihe ist, erhalten.
Der dritte Teil mit dem Titel Mexiko schildert eine abrupte Desillusionierung. Neben der offiziellen Feierlichkeit, die im Bildvergleich zu sehen ist, werden weder Maximilian noch seine Truppen von der Bevölkerung freudig erwartet, sein Amtsantritt als neuer Kaiser von Mexiko scheint nicht vom Volk gewünscht zu sein. Nichtsdestotrotz erscheinen Propaganda-Bilder, die vermeintlich das Gegenteil bezeugen sollen (Siehe Abb.10). Der Habsburger muss sogleich feststellen, dass alle amerikanischen Staaten die Franzosen und Französinnen unterstützen, die den mexikanischen Präsidenten Juarez absetzten. Maximilian wird als eine unerwünschte europäische Einmischung wahrgenommen. Um seine Machtbasis auszubauen adoptieren Maximilian und Charlotte den Enkel des früheren Kaisers Agustín de Iturbide. In seiner Verzweiflung, nicht ausreichend anerkannt zu werden, verabschiedete Maximilian sogar ein Gesetz, wonach die republikanischen Anhänger*innen von Juarez ohne jedwedes Gerichtsurteil getötet werden dürfen.
Der vierte Teil der Reihe widmet sich verstärkt der fiktiven Figur Anton Brus, der sich aus der Gewalt von RebellInnen befreien kann. Maximilians Tragödie zeichnet sich fort und die Ereignisse spitzen sich im finalen fünften Band zu.
„Maximilians Reich schrumpfte wie brennendes Papier. Seine Armee fiel auseinander, die Französischen Einheiten waren kurz davor, Mexiko zu verlassen, der kaiserlichen Jurisdiktion unterstanden nur mehr die Städte Ciudad de Mexico, Puebla, Orizaba, Morelia, Vera Cruz und Querétaro“ (Smiljanić & Pušavec, 2021, S.6)
Die republikanischen Armeen greifen fortlaufend die kaiserlichen Truppen an. In einer der letzten Schlachten verliert Maximilian erneut zahlreiche Kämpfer. Mit seinen letzten Truppen und seinen Getreuen versteckt er sich in der Stadt Querétaro. Die letzte Schlacht beobachtet Maximilian vom Turm des Klosters Cruz aus, der mehrere Wochen belagert wird, schlussendlich fällt und zu Maximilians Verhaftung führt. Bereits im Gefängnis erhält er sein von einem Kriegsgericht ausgestelltes Urteil, das seinen Tod durch Erschießen besiegelt.
Die Hinrichtung wird in der Graphic Novel dargestellt. Ein Blick auf die Details zeigt auch hier, dass sich historisch belegte Fakten durch die Illustrationen aller fünf Bände zieht – ob es sich nun um Waffen, Architektur, Kleidung oder Uniformen handelt.
Die epochale Graphic Novel endet damit, dass Maximilian nach seiner Erschießung in das Kapuzinerkloster von Querétaro gebracht und einbalsamiert wird.
Die Mexikaner erzählt historisch fundiert die Ereignisse rund um den Habsburger Maximilian, der nach kolonialer Machterweiterung suchte und schlussendlich daran scheiterte.
Die fünfbände Graphic Novel illustriert in aufwändiger Maltechnik (Tempera, Aquarell, Tusche und Farbstift) detailreich die Zusammenhänge, die auf einer intensiven Recherche des Autorenduos basieren. Die prägenden sozialen Bedingungen der Rekruten und die höfischen Zwänge der HabsburgerInnen sind eindrücklich dargestellt.
Die Ambition, wie Maximilian eingangs zitiert wird, führte hier nicht zum künstlerischen Genickbruch. Vielmehr geben Zoran Smiljanić und Marijan Pušavec einen sehr überzeugenden historischen Überblick und schaffen ein Gesamtkunstwerk, das faktenbasierte Geschichtsvermittlung mit den ästhetischen Kniffen von Comics verbindet.
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Über den Autor: Mag. Daniel Skina ist Leiter der Abteilung Bereitstellungsservices und Magazine.
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Verweise
Zoran Smiljanić und Marijan Pušavec: Die Mexikaner, 5 Bde., bahoe books, Wien 2018-2021.
Einzelnachweise: Die Mexikaner
Bd. 1: Die Mexikaner. Miramare (September 2018)
Bd. 2: Die Mexikaner. Laibach (Februar 2019)
Bd. 3: Die Mexikaner. Mexiko! (Oktober 2019)
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