"Als hätten sich Kafka, Beckett und Thomas Bernhard zusammengetan" – dieser Satz wurde zum Label für die Bücher László Krasznahorkais. 2015 mit dem "Man Booker International Prize" und 2021 mit dem "Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur" ausgezeichnet, hat das Werk dieses Ausnahmeschriftstellers international größte Beachtung gefunden. Krasznahorkai gilt seit Jahren als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.
"Mit dem Vorlass von László Krasznahorkai übernimmt die Österreichische Nationalbibliothek den Bestand eines Autors von Weltrang", so Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger.
Die Bücher Krasznahorkais, der heuer im Jänner seinen 70. Geburtstag feierte, wurden mittlerweile in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Verfilmungen auf Basis seiner Romane, wie z. B. der 1994 von Regisseur Béla Tarr (Ehrenpreis der European Film Academy 2023) verfilmte Roman "Satanstango", besitzen Kultstatus.
Der nun von der Österreichischen Nationalbibliothek übernommene Vorlass spiegelt die internationale Ausrichtung von Leben und Werk László Krasznahorkais wider. Er beinhaltet eine außerordentlich umfassende Korrespondenz mit über 700 Briefpartner*innen aus 23 Nationen seit den 1980er-Jahren. Werkmanuskripte dokumentieren die komplette literarische Produktion, darunter auch bisher unveröffentlichte Texte. Es befinden sich Vorstufen, Skizzen, Korrekturfassungen, Druckfahnen und Umschlagentwürfe seiner Romane und Erzählungen darin, ebenso wie verschiedene Fassungen der Drehbücher seiner verfilmten Werke und Materialien, die die enge Zusammenarbeit mit seinen Übersetzer*innen festhalten.
Eine reichhaltige Überlieferung von Lebensdokumenten und Sammelstücken umfasst Recherchematerialien, Reiseunterlagen, Kalender, Tagebücher, Audio- und Videomaterialien sowie Fotografien. Dieser Bestand zeigt in seiner Breite und internationalen Ausstrahlung den Werdegang eines großen europäischen Autors.
1954 in Gyula (Ungarn) als Sohn eines Anwalts geboren, studierte Krasznahorkai zunächst Jura in Szeged, später Hungaristik und Philosophie in Budapest. Unter Ausübung der verschiedensten Berufe verbrachte er einige Jahre in der ungarischen Provinz, bevor er ausgedehnte Reisen nach Südamerika, in die Mongolei, nach China und Japan unternahm. Lesereisen und Lehraufträge führten ihn in die USA. 1987–1988 war er Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst), ab 2007 verbrachte er dann wieder mehrere Jahre in der deutschen Hauptstadt. Mittlerweile lebt er den größten Teil des Jahres in Wien und Triest. In seinem Werk sieht Krasznahorkai die wichtigsten Einflüsse in der österreichischen Literatur und nennt neben Robert Musil und Franz Kafka vor allem den geistesverwandten Thomas Bernhard, aber auch Ingeborg Bachmann und Heimito von Doderer.
Mit seinem Debütroman "Satanstango" gelang Krasznahorkai 1985 der literarische Durchbruch. Angesiedelt in einem heruntergekommenen Dorf in Südostungarn thematisiert er darin in Form einer Parabel den Teufelskreis, den die Untertanen eines übermächtigen staatssozialistischen Systems durchlaufen. Apokalyptische Themen mit tragisch-komischer Ironie durchziehen sein Werk, so auch im 1988 erschienenen Erzählband "Gnadenverhältnisse" und im Roman "Krieg und Krieg" von 1999. Susan Sontag bezeichnete den Autor daher als "Meister der Apokalypse".
1989, im Jahr der Wende, verfasste Krasznahorkai den Roman "Melancholie des Widerstands", eine apokalyptische Farce über den Bankrott politischer und sozialer Werte. Ausgelöst wird die Katastrophe im Buch von der unerwarteten Ankunft eines ausgestopften Riesenwals.
Krasznahorkais Expeditionen in verschiedene Weltgegenden fanden u. a. Niederschlag im 1993 erschienenen Reisebericht "Der Gefangene von Urga", der in China spielt. In Japan ist der Roman "Im Norden ein Berg, im Westen Wege, im Osten ein Fluss" (2005) angesiedelt. Die 17 Erzählungen des Bandes "Seiobo auf Erden" (2010) führen auf verschiedene Kontinente in unterschiedlichen Epochen. Die titelgebende Hauptfigur des Romans "Baron Wenckheims Rückkehr" (2018) kehrt aus Argentinien in seine ungarische Heimat zurück. Im 2021 erschienenen Roman "Herscht 07769" geht Krasznahorkai dem Milieu ostdeutscher Neonazis in einer fiktiven thüringischen Kleinstadt auf den Grund. Dieser Roman ist in einem einzigen großen Satz komponiert, die Musik Johann Sebastian Bachs spielt eine entscheidende Rolle. Sein zuletzt erschienener Band mit Erzählungen "Im Wahn der Anderen" (2023) handelt etwa von einem besessenen New Yorker Bibliothekar.
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