Die chronikalen Aufzeichnungen der Jesuiten, die in einem vorangehenden Blogbeitrag vorgestellt wurden, sind nicht nur eine wichtige ordensgeschichtliche Quelle, sondern geben auch Einblick in bedeutende und aufsehenerregende zeitgenössische Ereignisse1.
Autorin: Katharina Kaska
Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis für das wissenschaftliche Interesse an unvorhergesehenen Himmelserscheinungen sind zwei Blätter, die in die Chronik der Ordensniederlassung in Lwiw für die Jahre 1584 bis 1773 eingefügt wurden (Cod. 11988, fol. 169 und 170). Sie beschreiben das Erscheinen eines Kometen über Osteuropa im Jahr 1682. In einer aufwendigen, wenn auch nicht sehr realistischen, Farbzeichnung mit lateinischer Beschriftung und beigefügter polnischer Übersetzung werden die Farbschattierungen des Kometen und seine Ausrichtung detailliert wiedergegeben.
Eine Tintenzeichnung zeigt den Kometen vor den Konstellationen auf seinem Weg durch das Sternbild „Haar der Berenike“. In der Beischrift berichtet der unbekannte Autor und Zeichner von seinen eigenen Beobachtungen des Kometen und stellt Überlegungen zu seiner Deutung an.
Denselben Kometen stellt der Danziger Astronom Johannes Hevel (1611-1687) in seinem Werk Annus climactericus realistischer und ausführlicher vor (S. 120). In seiner Darstellung lassen sich Strömungslinien im oberen Teil des Schweifs feststellen.
Heute wissen wir, dass es sich bei der Erscheinung von 1682 um den Halleyschen Kometen, den wohl berühmtesten „Haarstern“, handelte (κόμη = kómē, griechisch Haar). Er wurde seit der Antike immer wieder beobachtet und kehrt alle 74 bis 79 Jahre in die Nähe der Erde zurück. Zuletzt war er 1986 zu sehen und wird wieder 2061 erwartet. Sein Namensgeber, der britische Gelehrte Edmond Halley (1656-1742), beschäftigte sich Ende des 17. Jahrhunderts intensiv mit Kometen und stand im Austausch mit Isaac Newton zu Fragen von Gravitationsanziehung zwischen Himmelskörpern.
Halley berechnete die Bahnen von 24 historischen Kometen unter Berücksichtigung der 1687 veröffentlichten Gravitationstheorie. Dabei erkannte er große Ähnlichkeiten in den Bahnen der Kometen von 1531, 1607 und 1682 um die Sonne und schloss daraus, dass es sich um dasselbe Objekt handle, das periodisch wiederkehrte. Die unregelmäßigen Intervalle erklärte er (korrekt) durch den Einfluss der Planetengravitation und nahm eine Wiederkunft des Kometen im Jahr 1758 an.
Tatsächlich kam es Ende 1758 zu den ersten Beobachtungen des Kometen, die sich bis Juni 1759 fortsetzten. Zum ersten Mal war damit Ende des 17. Jahrhunderts das Erscheinen eines Kometen mit naturwissenschaftlichen Methoden vorhergesagt worden.
1682 markiert damit auch das Ende einer „Kometenmanie“ während der „Krise des 17. Jahrhunderts“ in Europa, die von klimatischen Veränderungen („kleine Eiszeit“) und dem dreißigjährigen Krieg und seinen Folgen geprägt war. Kometen galten seit jeher als schlechtes Omen und wurden mit Kriegen, Pandemien und Hungersnöten in Verbindung gebracht. Mehrere in dieser Zeitspanne beobachtete besonders helle Kometen brachten daher eine Unzahl an Kleinpublikationen und Flugschriften zum Thema hervor, die von rationalen Erklärungsversuchen bis zu religiösen Mahnschriften reichten.
Die Bandbreite der Rezeption zeigt ein Wiener Flugblatt, das den besonders hellen und damit mit freiem Auge auch von Laien deutlich erkennbaren Kometen im Winter 1680/1 thematisiert. Der Text unter dem aufwendig gestalteten Himmelspanorama beschreibt die Beobachtungen zwischen 26. und 30. Dezember 1680 sowie die sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen des Aussehens. Die Gelehrten konnten mit Teleskopen den kleinen Kopf und großen Schweif beobachten, während die „Leichtglaubigen“ verschiedenes „Bedrohungs-Zeug vnd Rach-Instrumenta“ wie Schwert, Säbel und Sichel hineininterpretierten und so in Furcht gerieten.
Die Erscheinung wird in Anlehnung an eine Theorie von Aristoteles als Verdickung der Ausgasungen der Sterne interpretiert, die „gantz natürliche Liechter an dem Himmel anzuenden“, und damit als ein natürliches Phänomen. Trotzdem bleibt ein religiös-abergläubisches Element, indem der Komet als Vorbote Gottes für eine „Bestraffung oder denckwürdige Veraenderung“ ausgewiesen und zum Gebet aufgerufen wird, da er „gleich wie er den Gottlosen nichts Gutes, also denen Frommen nichts Uebels vorbedeute“.
Die Furcht vor dem Unbekannten lässt sich noch beim Erscheinen des Halleyschen Kometen im Jahr 1910 beobachten. Nun war es nicht mehr eine mögliche Strafe Gottes, sondern missverstandene wissenschaftliche Erkenntnisse, die Aufregung verursachten. Für den 18. Mai 1910 wurde der Durchgang der Erde durch den Schweif des Kometen vorausgesagt. Zusammen mit früheren Untersuchungen über die Zusammensetzung von Kometenschweifen, bei denen auch Zyan festgestellt wurde, kam es in der Presse zu Spekulationen über die Anreicherung der Erdatmosphäre mit Giftgas. Trotz gegenteiliger Versicherung der Forschungsgemeinschaft, schien manchen daher der Weltuntergang nah.
Satirisch titelt z.B. am 18. Mai das Illustrierte Wiener Extrablatt „Weltuntergang! Heute letzter Tag“ und verspricht für den 19. Mai „ausführliche Berichte über den Weltuntergang“, die das Titelblatt des Folgetags auch liefert.
Die zugehörigen Leitartikel und Berichte erläutern jedoch nüchtern die geringe Dichte des Kometen(schweifs), die trotz des Zusammentreffens mit der Erde jede Gefahr für die Erdatmosphäre und die Menschheit bannte. Eindringlich wird zu Vernunft und Vertrauen in die Wissenschaft und zur Abkehr vom Aberglauben aufgefordert. Als letzter Rest der „Kometenfurcht“ bleibt heute noch die Angst vor einem statistisch sehr unwahrscheinlichen Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde, die schon Johann Nestroy thematisierte:
Es is kein Ordnung mehr jetzt in die Stern,
D’ Kometen müßten sonst verboten wer’n:
Ein Komet reist ohne Unterlaß
Um am Firmament, und hat kein Paß
Und jetzt richt a so a Vagabund
Uns die Welt bei Butz und Stingel z’Grund;
Aber lass’n ma das wie’s oben steht,
Auch unt sieht man, daß ’s auf ’n Ruin los geht.
Johann Nestroy, Kometenlied aus „Der böse Geist Lumpacivagabundus…“, 1833/Druck 1835 (4010-A ALT MAG)
Über die Autorin: Dr. Katharina Kaska ist Direktorin der Sammlung von Handschriften und alten Drucken der Österreichischen Nationalbibliothek.
G. A. Tammann – Philippe Véraon, Halleys Komet (Basel 1985)
Christoph Meinel, Kometenschriften des 17. Jahrhunderts in der Marienbibliothek zu Halle, in: Auf einer anderen Erde und unter einem anderen Himmel: Zu den Kalendern, Praktiken, Prognostiken und Kometenschriften aus der Frühen Neuzeit in der Marienbibliothek zu Halle an der Saale, hrsg. von Jutta Eckle (Halle 2016), S. 65-84
Christoph Meinel, Grenzgänger zwischen Himmel und Erde : Kometen in der frühen Neuzeit (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 1, Regensburg 2009)
1 Dieser Blogbeitrag entstand im Rahmen des Projekts „Geschichte in Bild und Text. Digitalisierung, Erschließung und Vermittlung von zwei herausragenden Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek (2023-2024)“; Förderung durch „Kulturerbe digital“ des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Sektion für Kunst und Kultur.
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