„Wie Sie sehen, war Ihre Anregung, Esperanto zu lernen, nicht vergebens“

Forschung

13.01.2017
Plansprachen

Der 1864 in Wien geborenen Alfred Hermann Fried war bereits ein international angesehener Pazifist als er sich um die Jahrhundertwende auch intensiv mit Esperanto-Bewegung zu beschäftigen begann und für eine enge Verbindung dieser beiden Ideen eintrat.

Autor: Bernhard Tuider

Alfred Hermann Fried, Friedensnobelpreisträger des Jahres 1911, gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu den bedeutendsten Protagonisten innerhalb der internationalen Friedensbewegung. Inspiriert durch Bertha von Suttner, mit der er bis 1914 intensiv zusammenarbeitete, widmete er sich ab 1891 vor allem als Schriftsteller und Journalist dem Pazifismus. 1892 war er Mitbegründer der Deutschen Friedensgesellschaft und ab 1895 Teilnehmer zahlreicher Weltfriedenskongresse. Nach der Gründung der Zeitschrift Die Friedens-Warte (1899), begann er eine systematische und wissenschaftliche Theorie zu entwerfen – den „revolutionären bzw. organisatorischen Pazifismus“, der vor dem Ersten Weltkrieg insbesondere von Völkerrechtswissenschaftlern rezipiert wurde.

Abb. 1: Alfred Hermann Fried, um 1910

Um 1900, als Alfred Fried sein pazifistisches Konzept ausarbeitete, befasste er sich auch eingehender mit Esperanto. Ein Brief von Fried aus dem Jahr 1901 deutet darauf hin, das ihn Gaston Moch auf die damals noch neue Sprache aufmerksam machte. Fried und Moch korrespondierten ab dem Jahr 1895 – auch in Esperanto – und trafen einander vor dem Ersten Weltkrieg bei mehreren Weltfriedenskongressen.

Offenbar lernte Alfred Fried im Jahre 1901 Esperanto, denn am 6. Dezember dieses Jahres schrieb er seinen ersten Brief in Esperanto an Gaston Moch:

„Wie Sie sehen, war Ihre Anregung, Esperanto zu lernen, nicht vergebens. Ich habe diese Sprache mit großem Fleiß gelernt und mich zum Propagandisten dieser Sprache in Deutschland gemacht. Ich habe ein kleines Werk zur Aufklärung verfasst, das in einigen Wochen im größten wöchentlichen Organ Deutschlands herauskommen wird, Die Woche, das in 400.000 Exemplaren erscheint und von mehr als 2.000.000 Personen gelesen wird. Empfangen Sie meine aufrichtigen Grüße. Alfred Fried.“[1]

Gaston Moch war sehr erfreut über diese Nachricht und antwortete:

„Ich freue mich, dass es mir glückte, Sie zu einem Anhänger der internationalen Sprache zu machen: Ihr Artikel in der Woche wird sehr nützlich sein für diese Sache und ich werde ihn mit großem Interesse lesen. Aber stellen Sie den Pflug nicht vor die Rinder! Die Sprache ist einfach, viel einfacher als irgendeine andere, aber sie muss gelernt werden! Zuerst also, strengen Sie sich an, sie perfekt zu lernen […]. Sie müssen die sehr guten Werke von de Beaufront lesen, wenn Sie mit der Sprache in Berührung kommen wollen, und die Zeitschrift l‘Esperantiste abonnieren.“[2]

Auch in den folgenden Briefen ermutigte Gaston Moch Alfred Fried, seine Sprachkenntnisse in Esperanto zu vertiefen, und er gab noch im Dezember 1901 weitere Ratschläge:

„[…] Ich weiß, dass keine sehr guten Lehrbücher und Wörterbücher für deutschsprechende Personen existieren. Deswegen hat Herr Beaufront beschlossen, seine hervorragende Grammatik und seine für Franzosen verfassten Wörterbücher zu übersetzen, die nun bald herausgegeben werden. Sie müssen seine Grammaire und seinen Commentaire sur la langue internationale kaufen, welche Ihnen sehr nützlich sein werden, während Sie auf die Bücher in deutscher Sprache warten. Und Sie müssen auch das ‚Universalwörterbuch‘ haben, das Zamenhof selbst 1894 herausgegeben hat. […] Ich empfehle Ihnen auch sich der Gesellschaft für die Verbreitung des Esperanto anzuschließen. […].“[3]

Alfred Fried befasste sich eingehend mit Esperanto und die Vielzahl an Briefen, die er in dieser Sprache schrieb und erhielt zeigt, dass er innerhalb von nur wenigen Monaten ein gutes Niveau erlangte.[4]

Während sich Esperanto im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Russland, Frankreich und Skandinavien relativ rasch verbreitet hatte, war es im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn weniger bekannt. Aus diesem Grund hatte Alfred Fried die Absicht, auch in Mitteleuropa Aufmerksamkeit für die Sprache zu wecken. Im Jahre 1902 plante er deshalb, sowohl ein Esperanto-Lehrbuch für Deutsch sprechende Personen herauszugeben, als auch eine deutsche Esperanto-Gesellschaft zu gründen.[5] Wegen seiner Übersiedlung nach Wien realisierte er nur das Lehrbuch, das im März 1903 publiziert wurde.[6] Bereits während seiner Arbeit daran korrespondierte er mit vielen bedeutenden Esperanto-Sprechern, u. a. mit Louis Couturat, Louis de Beaufront, Théophile Cart, Carlo Bourlet und Ludwik Zamenhof. Fried widmete das Buch auch Ludwik Zamenhof, der erfreut reagierte:

„Ihr Lehrbuch habe ich mit wahrem Vergnügen erhalten und danke Ihnen herzlichst. Das Buch macht einen sehr guten Eindruck und ich wünsche ihm den besten Erfolg, der ganz gewiss auch nicht ausbleiben wird.“[7]

Im März 1903 gründete Alfred Fried eine Esperanto-Gruppe, die mehrmals in seiner Wohnung in Berlin zusammenkam. Fried hat diese Information in einem Brief an seine Frau Therese notiert, in dem er auch erwähnte, dass er eine Novelle von Gerhart Hauptmann ins Esperanto übersetzt habe.[8] Fried hatte die Absicht, mehrere Bücher in bzw. über Esperanto zu verfassen, u. a. auch ein Buch über „Handelskorrespondenzen“; es blieb ihm aber nicht genügend Zeit, diese Arbeiten weiter zu verfolgen, weil er primär als pazifistischer Schriftsteller arbeitete.[9]

Abb. 2: Alfred Hermann Fried: La problemo de l' malarmo. Paris 1907

Dennoch verfasste Fried mehrere Artikel über Esperanto für verschiedene Zeitungen bzw. Zeitschriften (vgl. Fried 1902, 28.07.1904, 12.08.1905). Darin präsentierte er vor allem Idee, Grammatik und Struktur der Sprache und er notierte auch seine Gedanken über Esperanto – in der Zeitung Pester Lloyd schrieb er u. a.:

„[…] Um die Sprache vollwertig zu machen, bedarf sie natürlich der offiziellen Einführung in die Schulen. […] Natürlich wird die allgemeine Einführung zunächst auf Hindernisse stoßen. Welche große Erfindung stieß nicht auf Hindernisse? Die Stenographie konnte in den sechziger Jahren in preußische Schulen noch nicht eingeführt werden, weil ein Gymnasialdirektor das Gutachten abgab, sie sei eine Spitzbubenschrift. Man kennt die Hindernisse, die dem Turnen, den Fröbel’schen Kindergärten etc. gemacht wurden. Man wird auch dem Esperanto diese Schwierigkeiten bereiten. Aber wenn es gut ist, wird es sich Bahn brechen. Und ich glaube, es ist gut.“ (Fried 12.08.1905: 2)

Regelmäßig berichtete Alfred Fried (vgl. 1903b, 1904, 1905, 1907; Arnhold 1910) in der Friedens-Warte über Esperanto bzw. Esperanto-Konferenzen und 1905 nahm er am ersten Esperanto-Weltkongress in Boulogne-sur-Mer teil.

Abb. 3: Foto: 1. Esperanto-Weltkongress, Boulogne-sur-Mer 1905. Gruppenfoto einiger Teilnehmer. Hinter dem Ehepaar Zamenhof stehend, v.l.n.r.: Gaston Moch, Otto Simon, Alfred Hermann Fried, 3 Herren aus Calais, Auguste Capé-Montrosier.

Bereits ab dem Jahr 1904 hatte Alfred Fried Kontakt mit dem Esperanto-Klubo Vieno (Wien) und am 14. Dezember 1906 trat er ihm bei. Der Verein hatte zu diesem Zeitpunkt nur 55 Mitglieder, was bedeutet, dass Alfred Fried zu den ersten gehörte. Fried bekam regelmäßig die Vereinszeitschrift Informaj Raportoj, und er nahm auch an einigen Treffen teil.[10]

Seine wohl deutlichste Stellungnahme über Esperanto gab Alfred Fried in der Festschrift für den 8. Deutschen Esperanto-Kongress ab. Anlässlich dieses Ereignisses in Stuttgart im August 1913, machte Gottfried Paul Christaller eine Meinungsumfrage.

Abb. 4: Gottfried Paul Christaller (Hrsg.): Das Esperanto ein Kulturfaktor 3. Leipzig: Deutscher Esperanto-Bund 1913 (= Festschrift anlässlich des 8. Deutschen Esperanto-Kongresses)

Christaller (1913: 4) stellte in dieser Umfrage mehr als 100 prominenten Zeitgenossen folgende zwei Fragen: „Was halten Sie von der Idee einer internationalen Hilfssprache?“ und „Wie stellen Sie sich zur Esperanto-Sprache?“. Alfred Fried, der zu diesem Zeitpunkt bereits Nobelpreisträger und Ehrendoktor der Universität Leiden war, antwortete auf die Fragen wie folgt (Christaller 1913: 18-19):

„Die erste Frage scheint mir bereits unzeitgemäss. Das Urteil über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer internationalen Sprache ist für jeden modernen Menschen abgeschlossen. Man müsste mit der Gegenfrage antworten: was sollte man von einem Menschen halten, der von der Idee einer internationalen Hilfssprache nichts hält? Ich bin seit 12 Jahren der unerschütterlichen Überzeugung, dass durch die Esperantosprache das Problem der internationalen Hilfssprache vollständig gelöst ist. [...] Würden die geistigen Fortschritte so leicht erfasst werden, wie dies bei den technischen der Fall ist, so wäre diese Rundfrage überflüssig. Zeppelin hat man solange für einen Narren gehalten, bis man seine Erfindung greifbar, sichtbar, unbestreitbar wirklich vor sich hatte. An die Erfindung Zamenhofs will man noch immer nicht glauben; einfach aus dem Grunde, weil man sie nicht so bequem vor sich hat, wie das vorbeifliegende Luftschiff. Man muss sich von ihr überzeugen, sie nachprüfen, ihre Leistungen studieren. Das tut die Masse aber nicht. Täte sie es, so würde sie sehen, dass die Erfindung Zamenhofs nicht weniger genial ist als die des schwäbischen Grafen, dass sie nicht weniger verwendbar ist als diese; ja vielleicht noch verwendbarer, und dass sie bereits in überraschender Weise auf dem ganzen Erdball zur Verwendung gelangt. Das wird alles nur noch nicht in dem Umfange erkannt, der für die volle Ausnützung dieser wundervollen Tat erforderlich wäre. Die Kriegsministerien, diese modernen Mäcene der technischen Entwicklung haben eben kein Interesse für solch ein Werkzeug der internationalen Verständigung. Aus diesem Grunde sollte es eine Ehrenpflicht der Intelligenz sein, der internationalen Hilfssprache Zamenhofs zum Siege zu verhelfen.“

Literaturverzeichnis:

Arnhold, Heinrich (1910): VI. Internationaler Esperanto-Kongreß zu Washington 1910, in: Die Friedens-Warte, Jg. 12, Nr. 10, S. 192-193.

Christaller, Gottfried Paul (Hrsg.) (1913): Das Esperanto ein Kulturfaktor 3. (= Festschrift anlässlich des 8. Deutschen Esperanto-Kongresses), Leipzig: Deutscher Esperanto-Bund.

Fried, Alfred Hermann (1902): Eine internationale Hilfssprache, in: Die Woche (Berlin), Jg. 4, Nr. 26, S. 1197-1199.

Fried, Alfred Hermann (1903a): Lehrbuch der Internationalen Hilfssprache „Esperanto“. Mit Wörterbuch in Esperanto-Deutsch und Deutsch-Esperanto, Berlin: Esperanto-Verlag.

Fried, Alfred Hermann (1903b): Ein neues Verkehrsmittel, in: Die Friedens-Warte, Jg. 5, Nr. 4, S. 27-29.

Fried, Alfred Hermann (1904): Zur Weltsprache-Bewegung, in: Die Friedens-Warte, Jg. 6, Nr. 2, S. 38-39.

Fried, Alfred Hermann (28.07.1904): Der gegenwärtige Stand des Weltspracheproblems, in: Illustrierte Zeitung, Nr. 3187, S. 1.

Fried, Alfred Hermann (12.08.1905): Esperanto, in: Pester Lloyd, S. 2.

Fried, Alfred Hermann (1905): „Esperanto“ vor dem Forum der Wissenschaft, in: Die Friedens-Warte, Jg. 7, Nr. 9, S. 180-181.

Fried, Alfred Hermann (1907): III. Internationaler Esperantokongress in Cambridge, in: Die Friedens-Warte, Jg. 9, Nr. 9, S. 179.

 

[1] Alfred H. Fried (06.12.1901): Brief an Gaston Moch. League of Nations Archive Geneva (LON), International Peace Movements (IPM), Fried Papers, Box 39. Originaltext: „Kiel vi vidas, via incito je lerni Esperanton ne estis vana. Mi lernis kun granda diligento tiun lingvon, kaj mi faris min propagandisto de tiu lingvo en Germanujo. Mi skribis verketon propagandan, kiu eliros post kelkaj semajnoj en la plej granda organo semajna de Germanujo, la ‚Woche‘, eldonata po 400 000 ekzempleroj kun pli ol 2 000 000 legantoj. Ricevu miajn salutojn sincerajn. Alfred Fried.“

[2] Gaston Moch (10.12.1901): Brief an Alfred H. Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 39. Originaltext: „Mi ĝojas, ke mi sukcesis aligi vin al la lingvo internacia: via artikolo en la Woche estos tre utila por tiu afero, kaj mi legos ĝin kun granda intereso. Sed ne metu la plugilon antaŭ la bovoj! La lingvo estas facila, pli facila ol iu alia, sed ĝi devas esti lernata! Unue, do, penadu por lerni ĝin perfekte […]. Vi devus legi la tre bonajn verkojn de de Beaufront, tuŝante la lingvon, kaj aboni l’Esperantiste.“

[3] Gaston Moch (18.12.1901): Brief an Alfred H. Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 39. Originaltext: „[…] Mi scias, ke ne ekzistas tre bonaj lernolibroj kaj vortaroj por Germanoj. Tial s-ro Beaufront decidis tradukigi sian bonegan Grammaire kaj la vortarojn por Francoj, kiuj estas ĵus eldonotaj. Vi devus aĉeti lian Grammaire, kaj lian Commentaire sur la langue internationale, kiuj estus tre utilaj al vi, atendante la librojn germanajn. Kaj vi devus ankaŭ havi la ‚Universala vortaro‘, kiun Zamenhof mem eldonis, je 1894. […] Mi ankaŭ konsilas vin aligi vin al la societo por la propagando de esperanto. […].“

[4] Alfred H. Fried korrespondierte u. a. mit folgenden Personen und Institutionen in bzw. über Esperanto: Georg Arnhold, Heinrich Arnhold, Émile Boirac, Jean Borel, Theodor Čejka, Esperanto-Gesellschaft Dijon, Esperanto-Gesellschaft Hamburg, Esperanto-Gesellschaft Königsberg, Esperanto-Gesellschaft Krentaja, Esperanto-Gesellschaft Kristiania, Esperanto-Gesellschaft Paris, Esperanto-Gesellschaft Stuttgart, Esperanto-Gesellschaft Wien, Esperanto-Gesellschaft London, Richard Feldhaus, Carl Fries, Paul Fructier, Theodor Fuchs, Julius Hanauer, Leopold Katscher, René Lemaire, Heinrich Molenaar, Felix Stone Moscheles, Adolf Richter, Adolf Schmidt, Bertha von Suttner, Anna Zipernowsky.

[5] Im Mai 1902 schrieb Fried in einem Brief: „Gleichzeitig möchte ich auch daran gehen, eine deutsche Esperanto-Gesellschaft, wenigstens in ihrem Kern, zu gründen, und ich rechne darauf, dass Sie den Vorsitz übernehmen werden.“ Alfred H. Fried (07.05.1902): Brief an Adolf Schmidt. LON, IPM, Fried Papers, Box 42.

[6] Fried, Alfred Hermann (1903a)

[7] Ludwik Zamenhof (16.03.1903): Brief an Alfred H. Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 44.

[8] Vgl. Alfred H. Fried (13.03.1903 und 16.03.1903): Brief an Therese Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 92.

[9] Vgl. Alfred H. Fried (10.09.1902): Brief an Adolf Schmidt. LON, IPM, Fried Papers, Box 42.

[10] Vgl. Theodor Heft (23.05.1904): Brief an Alfred H. Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 57. Karl Friedrich Ahlgrimm (15.12.1906): Postkarte an Alfred H. Fried. LON, IPM, Fried Papers, Box 57.

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