Es darf auf eine Neuerwerbung anlässlich 200 Jahre Österreich : Brasilien hingewiesen werden:
"Mes Resolutions", "Meine Entschlüsse", sind Lebensregeln, geschrieben von der Habsburger Prinzessin Carolina Josepha Leopoldina vor 200 Jahren, bevor sie im Mai 1817 per procuram in Wien heiratete und nach Rio de Janeiro übersiedelte.
Autorin: Prof. Gloria Kaiser
Zwischen der europäischen Großmacht Österreich und Südamerika sollte 1817 eine politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Achse gelegt werden. Der König von Portugal, Dom João VI. hatte 1807, um dem Zugriff Napoleons zu entkommen, den Regierungssitz nach Rio de Janeiro verlegt, und er suchte die Allianz zu einer europäischen Großmacht. Deshalb wurde die Habsburger Prinzessin Carolina Josepha Leopoldina mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro von Bragança verheiratet.
Die Verheiratung von Leopoldina löste auch die Brasilien Expedition 1817 aus, der Naturwissenschaftler und Maler aus Österreich, Bayern und Florenz angehörten. Es sollte endlich die Neue Welt erforscht werden.
Leopoldina freute sich auf Pedro, den eleganten jungen Mann, den sie zwar nur vom Porträt kannte, und sie freute sich auf Brasilien, auf die Tropen; sie bereitete sich akribisch auf ihren neuen Lebensabschnitt vor.
Am 5. November 1817, vor 200 Jahren kam sie nach einer abenteuerlichen Segelschifffahrt von fast drei Monaten in Rio de Janeiro an, und sie galt im Kolonialland Brasilien als Symbol für Neubeginn.
Dona Leopoldina lebte nicht ganz 10 Jahre in Rio de Janeiro und die Wellenbewegungen ihres kurzen Lebens hoben sie zu höchsten Glücksgefühlen und warfen sie auch in tiefe Melancholie. Sie erlebte einige Wochen Leidenschaft in ihrer Ehe, bald Freude über die Geburt der ersten Tochter. Politische Unruhen zwangen sie 1822 zur Flucht vor den portugiesischen Soldaten, in deren Konsequenz der elf Monate alte Sohn João Carlos starb. Sie brachte noch weitere drei Töchter zur Welt und endlich, 1825, den Thronerben Pedro II.
Die politische Situation im Kolonialland Brasilien war instabil. Dona Leopoldina unterstützte ihren politisch unerfahrenen Ehemann, es drohte Revolution, es drohte der territoriale Zerfall des riesigen Landes in kleine Regionen. Als Brasilien wieder vollkommen in den Kolonialstatus zurück versetzt werden sollte, reiste Dom Pedro im August 1822 nach São Paulo, um die Menschen dieser wirtschaftlich wichtigen Region von der Monarchie zu überzeugen. Und für Zeit seiner Abwesenheit wurde Dona Leopoldina zur Prinzregentin ernannt.
Am 2. September 1822 landeten neuerlich portugiesische Soldaten im Hafen von Rio de Janeiro. Da gab es für Dona Leopoldina nichts mehr zu verhandeln; sie berief den Staatsrat ein und unter ihrem Vorsitz wurde einstimmig der Staatsratsbeschluss zur Unabhängigkeit Brasiliens gefasst und von Dona Leopoldina, a Principe Regente, unterzeichnet.
Das Schicksal kontrapunktierte diesen beruflichen Höhepunkt sehr hart, denn genau in jenen Septembertagen 1822 lernte Dom Pedro jene Frau kennen, Domitila Castro, die bald die Mätresse von Dom Pedro wurde und in den folgenden 4 Jahren das Familienleben von Dona Leopoldina sukzessive zerstörte.
Dona Leopoldina starb am 11. Dezember 1826 in Rio de Janeiro.
Betrachtet man das Leben von Dona Leopoldina, so drängt sich die Frage auf: aus welcher Quelle schöpfte sie Kraft und Energie, dass sie in allen zehn Brasilienjahren nicht ein einziges Mal von ihrem Weg, von ihren Grundsätzen abwich.
Eine Antwort ist ganz sicher im Büchlein mit den Lebensregeln zu finden, welche Dona Leoplodina in Wien vor 200 Jahren schrieb und dann zehn Jahre lang in Brasilien lebte.
„Mes Resolutions“ – mit diesem Büchlein kam Leopoldina am 5. November 1817 in Rio de Janeiro an.
Diese Lebensregeln spiegeln Erziehung und Lebensgrundsätze von Leopoldina. Sie lebte in Brasilien in neuer Familie, im fernen Kontinent, obwohl von Beratern umgeben, fast auf sich allein gestellt. Auf Post musste sie drei, vier Monate warten, und trotzdem bewältigte sie das Leben ohne eine Öffentlichkeit zuzuziehen (heutzutage würde man sagen: ohne sich zu outen.)
Mit dem Lesen ihrer „Entschlüsse“ brachte sie sich immer wieder in ihre eigene Spur, und es gibt kein weiteres Dokument aus dem Dona Leopoldina näher und vertraulicher zu uns spricht.
Das Büchlein „Mes Resolutions“ wurde nach ihrem Tod von der Familie Bragança, Dom Pedro Carlos de Orleans e Bragança als Kleinod gehütet und aufbewahrt. Nach intensiver Korrespondenz mit der Familie Bragança und einem persönlichen Besuch im Archiv des Museu Imperial von Petrópolis wurde mir das Büchlein in elektronischer Form anvertraut und ich durfte es der Österreichischen Nationalbibliothek übergeben.
Transkription der handgeschriebenen Seite:
Von dem 13ten May meinem Vermählungstage an nehme ich mir vor:
Zur Autorin: Gloria Kaiser ist Autorin historischer Romane (u. a. Dona Leopoldina, Christina von Schweden, Die Jesuiten in Brasilien).
Aufgrund einer Veranstaltung wird der Prunksaal am Donnerstag, 14. November bereits um 18 Uhr geschlossen.