Matteo Ricci (1552–1610) war nicht nur ein Pionier der Jesuitenmission in China, sondern leistete Hervorragendes als Kulturhistoriker und Kartograph. Ricci schuf insgesamt vier Weltkarten in chinesischer Schrift. Die große Planisphärenkarte von 1602 basierte auf den Erdkarten von Abraham Ortelius, Gerard Mercator, Petrus Plancius und für Ostasien auf chinesischen Quellen. Ricci wählte die Position des Nullmeridians so, dass China im Zentrum der Karte zu liegen kam, links davon Europa und Afrika, rechts Amerika. Die Karte trägt zahlreiche von Ricci und chinesischen Gelehrten verfasste Inschriften, die Datierung wurde nach der chinesischen Chronologie vorgenommen.
Von dieser Weltkarte sind vier komplette Exemplare erhalten, eine Karte (in der Royal Geographical Society) zeigt Überarbeitungen nach der Machtübernahme durch die Mandschu-Dynastie (Ch’ing) 1644. Die Ricci-Karte der Österreichischen Nationalbibliothek wurde erst vor wenigen Jahrzehnten in ihrer Bedeutung erkannt. Sie wurde bis dahin dem Jesuiten Prospero Intorcetta zugeschrieben, der sie jedoch nur Kaiser Leopold I. 1672 überreicht hatte.
Unsere Planisphäre dürfte keiner bekannten Version problemlos zuzuordnen sein. Sie scheint den Karten von 1602 weitgehend zu entsprechen, weist aber einige Abweichungen auf.
Wie bei dem Exemplar von 1644 wurde Ming in Ch’ing – jedoch nicht konsequent – umbenannt und es finden sich auch dieselben Fehler in der Liste der mathematischen Grundlagen. Dies könnte bedeuten, dass es sich um den einzig bekannten Abzug eines Geheimdrucks handelt, von welchem Ricci berichtete.
Die Karte vermittelte in China neben dem (geozentrischen) Weltbild der Renaissance auch kartographische Grundlagen wie Kugelgestalt der Erde oder geographische Koordinaten und erweiterte in Europa die Kenntnis über Ostasien beträchtlich.
Aufgrund einer Veranstaltung wird der Prunksaal am Donnerstag, 14. November bereits um 18 Uhr geschlossen.