Das Herzverzeichnis

Forschung

27.01.2017
Handschriften und alte Drucke

Im Rahmen des FWF-Projekts zu Ludwig Tiecks Bibliothek wird an der Universität Wien in Kooperation mit der ÖNB nach Erwerbungen aus der Auktion von 1849/50 gesucht. Größte Hilfestellung an der ÖNB ist das Geschenk eines Studenten aus 1905.

Autorin: Katharina Gratz

Das vom FWF geförderte Projekt „Ludwig Tiecks Bibliothek. Anatomie einer romantisch-komparatistischen Büchersammlung“ beschäftigt sich unter der Leitung von Achim Hölter (Universität Wien) mit der Rekonstruktion der umfangreichen Bibliothek des Schriftstellers Ludwig Tieck (1773-1853), die im Winter 1849/50 in Berlin von Adolf Asher und Co. versteigert wurde. Der begleitende Auktionskatalog (Asher: 1849, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 13746-B.Alt) listet etwas mehr als 10.000 Bände, die in ungleichen Teilen an Bibliotheken nach Berlin, München, London, Krakau und Wien, aber auch an private Sammler verkauft wurden. In diesem Projekt arbeiten MitarbeiterInnen der Vergleichenden Literaturwissenschaft der Universität Wien eng mit der Österreichischen Nationalbibliothek zusammen, um sowohl möglichst alle Werke aus Tiecks Bibliothek zu identifizieren und als solche auszuweisen, als auch nach unerschlossenen Quellen und neuen Spuren des Tieckschen Nachlasses zu suchen.[1]

Auktionskatalog Asher 1849 (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 13746-B.Alt) 

Die Suche nach dem Verbleib der Bände der Tieckschen Auktion findet an mehreren Orten gleichzeitig und unter Zuhilfenahme der unterschiedlichsten Quellen statt. Naheliegend ist die Suche nach Archivakten, Ankaufslisten, Korrespondenzen und Nachlässen, oder Lesespuren und Besitzvermerken in einzelnen Exemplaren.

Beispiel für einen eigenhändigen Besitzvermerk L. Tiecks in „Les nouvelles recreations et joyeux devis“ (1558, Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 24758-B)

Auch die Suche an der Österreichischen Nationalbibliothek hat in den Akten des Hausarchivs begonnen, wo sich der damalige Präfekt der Hofbibliothek Eligius Freiherr von Münch-Bellinghausen[2] und der erste Skriptor Ferdinand Joseph Wolf[3], der nach Berlin zur Auktion entsandt wurde, über Ankäufe, Preise und den generellen Ablauf der Auktion ausgetauscht hatten (Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, HB 249/1849). Basierend auf der Durchsicht der Akten und dem Abgleich mit dem Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek kam die Recherche zu dem Ergebnis, dass die Unterlagen nicht vollständig sind, gefolgt von der Einsicht, dass keine offizielle, umfassende Ankaufsliste vorhanden ist. Die Arbeitskopien wurden wohl nach Eingliederung in den Bestand entsorgt und die Privatkäufe des Präfekten weder verlistet, noch komplett der Bibliothek vermacht. Es gibt noch einige Anhaltspunkte hier und da, wie zum Beispiel den Büchernachlass Ferdinand Wolfs, welcher der Hofbibliothek von dessen Sohn Adolf 1866 angeboten wurde (vgl. Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, HB 92/1866); aber auch diese verschaffen noch kein komplettes Bild.

Die Grundlage der Recherche des aktuellen Projekts und auch die einzig annähernd vollständige Liste ist durch ein Geschenk im Jahr 1905 an die Österreichische Nationalbibliothek gekommen und befindet sich heute sowohl physisch als auch als Digitalisat, in der Handschriftensammlung: das „Verzeichnis von Büchern aus der Bibliothek Ludwig Tiecks, die nach Randbemerkungen in einem Exemplar des Auctionscataloges von der k. k. Hofbibliothek in Wien angekauft worden sind“ (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. n. 4300).

Das Herzverzeichnis (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. n. 4300)

Durch einen Lese- oder Abschreibfehler war die Provenienz dieser Handschrift lange unklar: Cand. phil. Max Herz wurde Jahrzehnte lang unter dem falschen Namen Wilhelm Herz im Katalog geführt und es war die falsche Nummer des korrespondierenden Berichts in den Hausakten am Titelblatt vermerkt. Nun konnte der Akt im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek (HB 1256/1905) identifiziert und die Herkunft dadurch geklärt werden: Im Jahr 1905 wandte sich der Berliner Student Max Herz an die Hofbibliothek, da er zu Tiecks englischen Studien forschte und sich gerne einige Bücher, die mit Marginalien Ludwig Tiecks versehen waren, zusenden lassen wollte. Das war damals natürlich so nicht möglich – dafür waren die gewünschten Werke auch zu wertvoll – es konnte aber eine Einigung erzielt werden, denn wie Herz meint „[a]uf Wunsch der k. k. Hofbibliothek wäre ich selbstverständlich gerne bereit sämtliche nach meinem Catalog nach Wien gelangte Werke anzugeben, ihre Zahl beträgt etwa 320“ (Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, HB 1256/1905). Die Hofbibliothek übersandte handschriftliche (und überraschend ausführliche) Exzerpte der gewünschten Werke in Bezug auf Marginalien, Beschaffenheit und Inhalt und bekam im Gegenzug das 333 Nummern zählende sogenannte „Herzverzeichnis“.

Herz schloss laut den Immatrikulationsbüchern der Berliner Universität seine Studien nie ab. Seine Recherchen und sein Exemplar der „Bibliotheca Tieckiana“ haben der Österreichischen Nationalbibliothek und vor allem dem Projekt einen unvergleichbaren Dienst erwiesen und die Suche nach den Tieckschen Exemplaren maßgeblich verkürzt. Diese sind mittlerweile im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek mit der korrespondierenden Katalognummer ausgewiesen. Auch das Herzverzeichnis selbst steht als Digitalisat im Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek zur Verfügung.

 

Literatur:

Asher, Adolf (1849): Catalogue de la bibliothèque célèbre de M. Ludwig Tieck qui sera vendue à Berlin le 10. décembre 1849 et jours suivants par MM. A. Asher & Comp., Berlin, Asher & Comp.

Finanzierung

FWF-Projekt P 26814

Laufzeit

01.10.2014-30.09.2017

Projektleitung

Univ.-Prof. Dr. Achim Hölter, M.A, Universität Wien

Projektpartner

-Prof. Dr. Walter Schmitz, Tieck-Arbeitsstelle TU Dresden

-Prof. Dr. Thomas Köhler, Medienzentrum TU Dresden

-Österreichische Nationalbibliothek

Projektteam

Mag. Paul Ferstl

Constanze Prašek, B.A.

Theresa Schmidt, B.A.

Mag. Katharina Gratz (in Kooperation mit der Österreichischen Nationalbibliothek)

 

[1] Mehr Informationen zu dem Projekt finden Sie auf der Projektwebsite oder in dem 2015 erschienenen Biblos-Artikel (Biblos 64.2015,1)

[2] (1806-1871) Pseudonym:  Friedrich Halm, Dichter, Dramatiker

[3] (1796-1866) Romanist, später 3. Kustos und Vorsteher der Handschriftensammlung

Abbildungen:

Das Herzverzeichnis (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. n. 4300)

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