Vor genau 100 Jahren kam das Burgenland als jüngstes Bundesland zur Republik Österreich. Diesen historischen Meilenstein besiegelte das Bundesgesetzblatt vom 25.1.1921, in dem die rechtliche Stellung des Burgenlands als „selbständiges Land im Bund“ festgehalten wurde.
Autorin: Daniela Köck
Vor genau 100 Jahren kam das Burgenland als jüngstes Bundesland zur Republik Österreich. Diesen historischen Meilenstein besiegelte das Bundesgesetzblatt vom 25.1.1921, in dem die rechtliche Stellung des Burgenlands als „selbständiges Land im Bund“ festgehalten wurde.
Das Burgenland, das als „Westungarn“ lange Zeit zum Königreich Ungarn gehörte, durchlebte eine wechselvolle Geschichte, bis es schlussendlich der Republik Österreich eingegliedert wurde. Der Proklamation im Bundesgesetzblatt als eigenständiges Bundesland gingen jedoch dreijährige intensive Verhandlungen voraus. Denn mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der Habsburger-Monarchie rückte die „Burgenlandfrage“ vermehrt in den Fokus.
In den westungarischen Gebieten lebten unterschiedliche Konfessionen und Ethnien, darunter Kroaten, Roma, Juden, Protestanten und Katholiken. (Vgl. Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.14). Aufgrund der langjährigen historischen Verflechtung mit dem deutschen Kaiserreich und der Habsburger-Monarchie kam es zur Ansiedelung einer deutschsprachigen Mehrheit. (Vgl. Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.23 S.14). Die Frage nach der Zugehörigkeit und Identität dieses Gebiets wurde nach Ende des Ersten Weltkrieges virulent.
Bereits in der Staatserklärung vom 22. November 1918 machte Dr. Karl Renner den Anspruch auf die westungarischen Gebiete deutlich. „Die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete der Komitate Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg gehören wirtschaftlich und national zu Deutschösterreich, stehen seit Jahrhunderten in innigster wirtschaftlicher und geistiger Gemeinschaft mit Deutschösterreich und sind insbesondere der Stadt Wien zur Lebensmittelversorgung unentbehrlich geworden.“ (Staatserklärung 22. November 1918, StGBl. Nr. 41/1918; zit. n.: Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.23, S.12)
Den wirtschaftlichen Stellenwert der westungarischen Gebiete für Österreich unterstrich Dr. Ernst Beer in seinem Artikel für die Zeitung Die Börse. Aufgrund dessen, so Beer, spiele die „Burgenlandfrage“ eine wichtige Rolle in den Friedensverhandlungen. (» Vgl. Die Börse, 20.1.1921, S.11)
Die Friedensverhandlungen endeten für Österreich mit der Unterzeichnung des Vertrags von Saint Germain (10. September 1919), in dem Österreich die westungarischen Gebiete zugesprochen wurden, aber erst mit der Ratifizierung des Vertrags von Trianon (26. Juli 1921) wurde Ungarn verpflichtet, diese Gebiete an Österreich abzutreten. Einher gingen damit zahlreiche Verhandlungen der beiden Länder, die dieses Gebiet für sich beanspruchten.
Auf ungarischer Seite empfand man den „erzwungen Anschluss an Österreich in den unterschiedlichen Gemeinden Westungarns ausnahmslos als ein schweres Unglück“. (zit. n.: Pester Lloyd 4.Dezember 1921, S.2)
Österreich versuchte, die völkerrechtlich zugesprochenen Rechte auf das Burgenland durchzusetzen, und begann am 28. August 1921 mit der „Besitznahme“. (Vgl. Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.23). In Ungarn wurde dies heftig bekämpft, Auseinandersetzungen waren die Folge.
Der „Übergang des Burgenlandes unter die Souveränität der Republik Österreich" (zit.n.: Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.23) scheiterte im ersten Anlauf. Schlussendlich wurde in der Botschafterkonferenz in Italien das weitere Vorgehen vereinbart. Im Protokoll von Venedig wurde die Inbesitznahme des Burgenlandes durch Österreich sowie eine Volksabstimmung in Sopron (Ödenburg) und der umliegenden Gebiete beschlossen. (Vgl. Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. In: Grenzfall Burgenland 1921-1999, S.29).
Fast vereitelt wurde diese Vereinbarung durch die zweite „Rückkehr“ des (Ex)-Königs Karl. Dessen erster Besuch in Ungarn im März 1921 sorgte schon für große Aufruhr in den Nachbarländern. Die deutschsprachige Zeitung in Ungarn, Pester Lloyd, berichtete wie folgt über den Besuch:
„Der Monarch dieses verkleinerten Staates, dessen Staatsbürger er ist, kehrt unerwartet in ungarisches Gebiet zurück. Darauf erheben sich die Vertreter der kleinen Nachbarstaaten, die ihre Existenz ganz und gar dem Frieden von Trianon verdanken und drohen mit Krieg, wenn Ungarn den König Karl nicht außer Landes bringt.“ (zit. n.: Pester Lloyd 7.April 1921, S. 1)
Auch die Neue Freie Presse titelte „Exkaiser Karl in Ungarn. Vorsprache in der königlichen Burg.“ (zit.n.: Neue Freie Presse 30. März 1921, S.3)
Währenddessen liefen die Vorbereitungen zur Volksabstimmung in Ödenburg/Sopron. Um jede Stimme wurde gerungen. Dies zeigen auch die folgenden Plakate:
Die deutschsprachige Tageszeitung Pester Lloyd aus Ungarn urteilte hingegen, dass die Bürger*innen von Sopron und der umliegenden Gemeinden „zwischen ihrem tausendjährigen ungarischen Vaterland und dem von Revolten und Revolutionen gequälten, schwerkrank darniederliegenden Österreich zu wählen“ hätten. (zit.n.: Pester Lloyd 4. Dezember 1921, S. 2)
Darüber hinaus könne die Bevölkerung nun selbst über ihr Schicksal entscheiden und werde nicht wie „eine Herde Schafe aus einem Land ins andere verschoben“ – so die Zeitung. (zit. n.: Pester Lloyd 3.Dezember 1921, S.2)
Der österreichische Bundeskanzler Johannes Schober äußerte sich in der Zeitung „Arbeitswille“ hoffnungsfroh, dass „das Burgenland in sehr kurzer Zeit dem österreichischen Bundesstaate eingegliedert“ werde. (zit. n.: Arbeiterwille, 15. November 1921, S.10) Diese Hoffnung des Bundeskanzlers erfüllte sich nur zum Teil.
Denn die Bevölkerung Ödenburg/Sopron und der umliegenden Gemeinden votierte in der Volksabstimmung im Dezember 1921 für einen Verbleib bei Ungarn. Das Neue Wiener Tagblatt meldete zur Abstimmung in Ödenburg/Sopron am 18. Dezember 1921: „Die Ödenburger Abstimmungskomödie“ (zit. n.: Neues Wiener Tagblatt 18. Dezember 1921, S.1)
Die ungarische Seite hingegen feierte den Verbleib bei Ungarn. Die Zeitung Pester Lloyd schrieb anlässlich dieses Ereignisses, dass „ein Teil des von Ungarn durch den Frieden von Trianon abgerissenen Gebietes durch den Spruch seiner Bewohner zum alten Vaterland zurückgekehrt“ sei. (zit.n.: Pester Lloyd 18. Dezember 1921, S.2)
Damit ging die im §1 des Bundesgesetzblattes vom 25.1.1921 vorgesehene Landeshauptstadt Ödenburg/Sopron für das Burgenland verloren. 1925 wurde Eisenstadt die Landeshauptstadt des jüngsten Bundeslandes der Republik.
Die endgültige Grenzziehung dauerte jedoch weitere Jahre, dennoch wurden im Jahr 1921 wegweisende Meilensteine in der Geschichte des Landes geschaffen.
Wir gratulieren unserem „Jüngsten“ zum 100. Jubiläum!
Deinhofer, Elisabeth und Traude Horvath (Hg.): Grenzfall Burgenland 1921-1991, Veliki Borištof / Großwarasdorf 1991.
Fertl, Evelyn und Münzer, Rita: Burgenland : Menschen, Leben, Fotografie, Eisenstadt 2011.
Gruber, Christiane: Von Deutschwestungarn zum Burgenland. Die Entstehungsgeschichte eines österreichischen Bundeslandes. In: Deinhofer, Elisabeth und Traude Horvath (Hg.): Grenzfall Burgenland 1921-1991, Veliki Borištof / Großwarasdorf 1991, S.11-41.
Kurz Cornelia: Deutschsprachige Propaganda und Agitation während des Anschlußkampfes des Burgenlandes an Österreich 1918 – 1921, Diss. Universität Wien 1983.
Schlag, Gerald: Aus Trümmern geboren… Burgenland 1918-1921, Eisenstadt 2001.
Schlag, Gerald: Die Angliederung des Burgenlandes an Österreich. In: Institut für Österreichkunde (Hrsg.): Österreich in Geschichte und Literatur, Wien 1971, S. 433-453.
http://burgenland100.at/
https://www.wirsind100.at/
Über die Autorin: Daniela Köck ist Mitarbeiterin der Abteilung Kundenservices, Leserberatung und Schulungsmanagement in der Hauptabteilung Benützung und Information.
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