Maria Teresa von Braganza

Forschung

23.08.2023
Handschriften und alte Drucke
Altes Porträt einer Frau in dunklem Kleid und Zylinder.

Der umfangreiche Nachlass der Stiefmutter Franz Ferdinands in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken wurde vollständig erschlossen.

Autor: Viktor Glatz

Als eine der letzten „Grandes Dames“ des Österreichischen Kaiserhauses hinterließ Erzherzogin Maria Teresa von Braganza (1855-1944) einen umfangreichen persönlichen Nachlass, der die historisch ausgesprochen turbulente Zeit um die Jahrhundertwende und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Objekte und Schriftstücke darstellt. Das Konvolut ist vollständig erschlossen worden und steht nun über den Onlinekatalog "Quicksearch" allen Interessierten zur Verfügung.1

Als dritte Ehefrau Carl Ludwigs (1833-1896), dem jüngeren Bruder Kaiser Franz Josephs I. (1830-1916), betrat sie 1873 mit nur 17 Jahren die kaiserliche Bühne in Wien. Aus der exilierten Seite der portugiesischen Königsfamilie entstammend, nimmt sie schließlich eine besondere Rolle am Wiener Hof ein, welche sie vor allem nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth zur „Ersten Dame des Reiches“ machen sollte.2
 

Porträt der jungen Maria Teresa. Cod. Ser. n. 62524.

Der Bestand (Cod. Ser. n. 62199-62528, Cod. Ser. n. 55268 & Autogr. 1941/1 – Autogr. 1955/5) enthält neben Maria Teresas Nachlass auch vier weitere kleinere Nachlässe, sogenannte Kryptonachlässe: Jener ihrer Tochter Maria Annunziata (1876-1961) sowie von drei Angestellten des Hauses (Kammerfrauen Anna Wilka3, Bertha Jahn4 und Rittmeister Franz Zachar-Radiwil5). Eine sehr umfangreiche Fotosammlung von und mit Maria Teresa und ihrer Familie befindet sich im Bildarchiv und Grafiksammlung der ÖNB. 


Familiengeschichtlich betrachtet bieten diese Nachlässe sehr persönliche Einblicke in die Tragödien des Hauses Habsburg rund um Maria Teresa. Als 1896 ihr Ehemann Carl Ludwig verstirbt und Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet wird, nimmt Maria Teresa mehr und mehr eine repräsentative Rolle als Erste Frau des Reiches neben Kaiser Franz Joseph ein. Weitere Schicksalsschläge waren der Tod des Thronfolgers Kronprinz Rudolf (1858-1889), auch als Tragödie von Mayerling bekannt, und das Attentat auf Maria Teresas Stiefsohn, den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo 1914. Maria Teresa schrieb ihre persönlichen Gedanken zu den Geschehnissen in Mayerling nieder und verfasste auch eine eigenhändige Biografie über Franz Ferdinands Leben. Unter den vielen eingelangten Kondolenztelegrammen zu Franz Ferdinands Tod befand sich auch ein Bericht des Fahrers von Franz Ferdinand, der am 28. Juni 1914 Augenzeuge des Attentats auf das österreichische Thronfolgerehepaar wurde.
 

Abbildung: Telegramm über den Verlauf des Attentates. Autogr. 1947/10(1-2).


Abseits der Tragödien zeigte sich Maria Teresa als eine sehr liebevolle und einfühlsame Frau, die sogar mehrmals persönlich bei Kaiser Franz Joseph zugunsten ihrer Stiefkinder und Stiefenkelkinder intervenierte und auf diesem Wege die nicht standesgemäßen Eheschließungen von Franz Ferdinand und Sophie Chotek, von Ferdinand Karl und Berta Czuber, aber auch die Ehe des letzten Kaiser Karls mit Zita möglich machte. Ferdinand Karl (1868–1915) musste aufgrund der Eheschließung schließlich alle Namen und Ämter aufgeben, die ihn mit dem Hof verbanden.Seine im Nachlass enthaltenen Briefe und Postkarten geben einen interessanten Einblick in diese Vorgänge. Ebenso von großer Bedeutung für Maria Teresa ist der letzte Kaiser Karl (1887-1922). Sie bewahrte Unterlagen zur Vorbereitung der Seligsprechung ihres Stiefenkels ebenso wie eine Vielzahl an Erinnerungsstücken auf. 

Abbildung: Devotionalien. Cod. Ser. n. 62526.

Auf europäischer Ebene erweist sich Maria Teresa als gut informiert über die politischen Entwicklungen in Portugal, die in ihrer Korrespondenz mit Eltern und Geschwistern immer wieder thematisiert werden. Der vielsprachige Briefwechsel auf Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch ist besonders mit ihrer Mutter sehr rege.

Abbildung: Briefe von Maria Teresa an ihre Mutter Adelheid von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Cod. Ser. n. 62522.
Abbildung: Porträt des jungen Erzherzogs Otto, 1895. Cod. Ser. n. 62369.


Mit dem Ersten Weltkrieg ändern sich auch die im Nachlass abgebildeten Themenfelder. Maria Teresa war während des Krieges als „Schwester Michaela“ als Krankenschwester tätig, was ein Ereignisbericht, sowie mehrere Bilder von Feldspitälern und ihrer Arbeit während medizinischen Behandlungen an Verwundeten bezeugen. Die Kriegsnot veranlasste sie auch zur Vorbereitung eines Patents über eine „Vorrichtung zum stossfreien Transport von Verwundeten, bezhw. von Personen im allgemeinen auf Fahrzeugen auf Geleisen und auf anderen Transportwägen“. 

Abbildung: Maria Teresa als Krankenschwester. Cod. Ser. n. 62523.

Nach dem Krieg und dem Ende der Monarchie lebte Maria Teresa in der Favoritenstraße in Wien und in ihrem Jagdschloss bei Admont-Hall in der Steiermark. Um Steuernachweise, Besitz und Vermögen zu belegen, legte sie als ehemaliges Mitglied der Herrscherfamilie umfangreiche Rechnungsbücher, Inventare und Verzeichnisse an, die Aufschluss über Schmuck, Möbelstücke oder Lebensmittelvorräte geben. Besondere Aufmerksamkeit erregte der missglückte Verkauf eines Colliers aus Familienbesitz, das zum Zentrum eines internationalen Skandals wurde und von den Zeitungen mit „Halsband-Affäre“ betitelt wurde.

Abbildung: Ein Gemäldeinventar aus der Favoritenstraße. Cod. Ser. n. 62262.

Im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste auch eine ehemalige Erzherzogin eine Ahnen-Nachweis für sich und ihren bereits verstorbenen Mann Carl Ludwig erbringen, die beide in ihrem Nachlass erhalten sind. Bis zu ihrem Lebensende 1944 lebte Maria Teresa zunehmend zurückgezogen mit ihrer Tochter Maria Annunziata vor allem in ihrem Jagdschloss bei Admont-Hall.

Abbildung: Eine Auswahl der Kondolenzschreiben an Maria Annunziata anlässlich des Todes ihrer Mutter Maria Teresa. Autogr. 1954/23(1-19).

Neben der Vielzahl an bereits erwähnten Lebensdokumenten bietet die Sammlung auch einige Kuriositäten, wie ein beinahe leeres Gästebuch, dessen einzige zwei Eintragungen von Karl May und Mark Twain stammen,

Abbildung: Zwei Eintragungen des Gästebuches. Cod. Ser. n. 62528.
Abbildung: Zwei Eintragungen des Gästebuches. Cod. Ser. n. 62528.

und ein belgischer Bulldog-Revolver.

Abbildung: Ein belgischer Revolver. Cod. Ser. n. 55266.

Autor: Viktor Glatz BA ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sammlung von Handschriften und alten Drucken.

1 Eine der für die Erschließungsarbeiten wichtige Vorarbeit wurde im Rahmen einer Masterarbeit bereits getätigt. Siehe: Judith Huber-Stocker, Ordnung des Nachlasses der Erzherzogin Maria Teresa. (ungedr. Masterarbeit Universitätslehrgang Library and Information Studies Wien 2001). 
2 Helmut Andics, Die Frauen der Habsburger (5Wien 1997) 312. 
3 Cod. Ser. n. 62361 - Cod. Ser. n. 62362.
4 Cod. Ser. n. 62363
5 Cod. Ser. n. 62354 - Cod. Ser. n. 62360.
6 geschichtewiki.wien, Ferdinand Burg. In: Wien Geschichte Wiki (Wien 2021), online unter https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/index.php?title=Spezial:Zitierhilfe&page=Ferdinand_Burg&id=452951&wpFormIdentifier=titleform  (24.05.2023). vgl. Katharina Ziegler, Burg, Ferdinand. In: Austria Forum (2017), online unter https://austria-forum.org/af/AEIOU/Burg%2C_Ferdinand_seit_1911_Name_von_Erzherzog_Ferdinand_Karl  (24.05.2023).

 

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