Frida Kern verbrachte als freischaffende Komponistin fast ihr gesamtes Leben in Oberösterreich. Unter Nutzung der musikalischen Mittel der Spätromantik verlieh sie ihrer künstlerischen Persönlichkeit, ihrer „persönlichen Note“, wie sie es nannte, Ausdruck. Die Werke Kerns erschienen in allen ihren Schaffensphasen auch im Druck, wurden aufgeführt und rezensiert. Ihr Karrierehöhepunkt fiel mit der Zeit der NS-Herrschaft zusammen. Das war kein Zufall: Frida Kern lehnte atonale Musik entschieden ab. Künstlerisch waren ihre Ziele daher mit der Kulturdoktrin der Nationalsozialisten gut in Einklang zu bringen. Nach 1945 wurde es stiller um sie, sie blieb aber eine bekannte Größe im österreichischen Musikleben.
Frida Kern wurde 1891 als Friederike Seitz in Wien in eine bürgerliche Beamtenfamilie geboren, die, noch als Frida ein Vorschulkind war, nach Linz zog. Die Stellung der Familie erlaubte ihr eine solide musikalische Ausbildung, unter anderem bei dem Pianisten und Liszt-Schüler August Göllerich. Mit 18 Jahren heiratete sie den angehenden Bankbeamten Max Kern.
Nach der Eheschließung ließ sie ihre musikalische Ausbildung ruhen, fand aber in der längeren Rekonvaleszenzzeit nach einer Typhuserkrankung zum Komponieren zurück. In einem Zug verfasste sie die vieraktige Oper „Die Rote Rose“ auf ein eigenes Libretto.
Frida Kerns Lust am Komponieren fand in ihrem Vater einen ernsthaften Unterstützer. Er schickte das Manuskript der Oper an einen befreundeten Kapellmeister und bat ihn um seine Einschätzung. Nach dem sehr positiven Urteil legte er ihr nahe, sich an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien – zunächst als außerordentliche Hörerin – einzuschreiben. Von 1923 bis 1927 studierte sie dort unter anderem bei dem bedeutenden spätromantischen Organisten und Komponisten Franz Schmidt Komposition sowie bei Robert Heger, zu der Zeit Kapellmeister an der Staatsoper, Dirigieren.
Nach ihrem Studienabschluss kam es zu regelmäßigen Aufführungen von Werken Kerns. Sie begann zudem mit einer von ihr gegründeten Damenkapelle, die hauptsächlich Unterhaltungsmusik für Kurorchester brachte, international zu touren. Die Reisen führten sie bis nach Nordafrika. Vor dem Hintergrund ihrer kinderlos gebliebenen Ehe werden diese Aktivitäten von Kerns Biografinnen auch als emanzipatorischer Schritt verstanden. Ihre künstlerischen Selbstdarstellungen stellten ihre Arbeit als Komponistin ernster Musik in den Mittelpunkt. Die Aktivitäten rund um die Damenkapelle fanden keine Erwähnung. Als schaffende Künstlerin gelang ihr, obwohl sie immer wieder aufgeführt wurde, bis zur Zeit des Nationalsozialismus jedoch kein Durchbruch.
Kern hatte sich, wie sie im Rückblick berichtet, selbst immer als unpolitisch verstanden. Und doch setzte sie ab 1933 Hoffnung in die in Deutschland in die Machtzentren vorgedrungene NS-Bewegung. Ihre Kunstauffassung war mit der NS-Kulturdoktrin gut in Einklang zu bringen – „moderne Musik“ befürwortete sie zwar, gegen atonale Musik hatte sie jedoch Aversionen.
Ihr spätromantisch geprägter Stil kam umgekehrt der Kulturpolitik der Machthaber entgegen. Das ermöglichte ihr in ihrer Heimatstadt Linz größere Präsenz und auch Ehrungen. Ihre schon in den frühen 30er Jahren entstandene Sinfonische Musik für großes Orchester, op. 20, „Der innere Mensch“ wurde 1942 in Linz im Rahmen eines Konzerts zur Pflege lokaler Zeitgenoss*innen aufgeführt. Im selben Jahr erhielt sie für ihr Chorwerk „Die Briefe der Gefallenen“ den 2. Kultur-Preis des Gaues Oberdonau.
Auch in Deutschland kam es in verschiedenen Städten zu Aufführungen ihrer Werke. Diese wurden durch Initiative der ReichsGEDOK vermittelt.
Die GEDOK wurde 1926 als „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen“ von Ida Dehmel, einer deutschen Kunstförderin und Frauenrechtlerin, gegründet. Sie verschrieb sich als Vereinigung der Förderung von Künstlerinnen aller Sparten. In der NS-Zeit wurde die Organisation in ReichsGEDOK umbenannt und regimetreu geführt.
In Österreich bestand ab 1932/33 auch die GEDOK-Wien als einzelne Fachgruppe. Im Jahr 1955 wurde sie als Sektion Österreich neu gegründet und 30 Jahre lang von der Altistin Isolde Riehl geleitet. Diese war eine Schülerin Tona Hermanns, der Schwester Johanna Müller-Hermanns. Riehl war für die Anliegen der Künstlerinnen unermüdlich eingetreten und organisierte zahlreiche Konzerte. Über diese gibt ihr mehrbändiges Konzerttagebuch genauso Auskunft wie ihre umfangreiche Korrespondenz mit Komponistinnen, darunter mit Frida Kern. Das Engagement der GEDOK steht beispielhaft für die vielen Organisationen, die ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Stärkung der Rechte und professionellen Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen entstanden.
Auch die universitäre Lehre öffnete sich für Kern. Die Episode ihrer Lehrtätigkeit am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien ist für die Rolle von Frauen im Hochschulbetrieb der Zeit bezeichnend: Sie wurde im Jahr 1943 ausdrücklich nur „bis zur Bestellung einer geeigneten männlichen Lehrkraft“ eingestellt. Gut zwei Jahre, bis zum Ende der Nazizeit, unterrichtete sie die praktischen Fächer wie Harmonielehre, Kontrapunkt und Gehörbildung und war Lehrerin von Karl Schiske und Friedrich Cerha.
Nach dem Krieg lebte Frida Kern als freischaffende Komponistin. Mit Ende des NS-Regimes verlor sie an Möglichkeiten. Größere Orchesterwerke blieben die Ausnahme. Sie blieb aber weiterhin eine Größe im österreichischen Musikleben und komponierte Kammer- und Klaviermusik wie etwa die Fünf Bagatellen, op. 53 (1949).
Kern starb 1988 in Linz. Ihre Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus wurde von der Linzer Straßennamenkommission wissenschaftlich aufgearbeitet. Das Bild bleibt unklar. Sie wollte schon im Frühjahr 1933 der NSDAP beitreten, was aufgrund des Verbots der Partei in Österreich nicht mehr gelang. Sie gilt weder als Ideologin noch als Täterin, setzte aber offensichtlich frühe Hoffnungen in das Dritte Reich. Auch konnte sie daraus künstlerische Perspektiven für sich entwickeln – ein Geschehen, von dem sie sich am Ende ihres Lebens distanzierte.
Frida Kerns Stil orientierte sich einerseits an ihrem Lehrer Franz Schmidt. Kritiken der Zeit betonen ihre gemäßigte Fortschrittlichkeit genauso wie ihr auffallend starkes formales Können. Andererseits nahm sie wiederholt auch volkstümliche Elemente auf. Dabei wandte sie sich allen Gattungen des klassischen Kanons zu, komponierte fünf Streichquartette und Solosonaten für Cello und Klavier, aber auch groß besetzte Werke, darunter drei Symphonien sowie Konzerte für Cello, Klavier, Violine und Trompete. Auch Vokalmusik hat ihren Ort, sowohl in Chorwerken wie der „Auferstehungskantate“, op. 31 als auch in einer Reihe von Liedern. Die Oper „Die rote Rose“, die am Beginn ihrer musikalischen Laufbahn stand, blieb singulär.
Nachlass F92.Kern: data.onb.ac.at/rec/AC13811436
Margarete Engelhardt-Krajanek: Frida Kern. „Politik war mir verhasst, Musik meine Lebenskraft“, in: Annäherung VII an 7 Komponistinnen, Kassel, 1996, S. 67–84. http://data.onb.ac.at/rec/AC04070401
Helga Riemann: „Das Schicksal einer Komponistin. Frida Kern zum 100. Geburtstag“, in: Blickpunkte: Kulturzeitschrift Oberösterreich, 1991, Nr. 2, S. 46–49. http://data.onb.ac.at/rec/AC00440365
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