Eine Fotografie vom Festbankett auf dem Großen Parterre vor Schloss Schönbrunn vom 18. Juni 1857

Forschung

17.12.2020
Bilder und Grafiken
Alte Schwarzweiß-Aufnahme mit Gelbstich von Schloss Schönbrunn, Gartenansicht
100 Jahre Militär-Maria-Theresien-Orden

Autor: Christian Maryška

In den Jahren 1759/1760 entstand die berühmte Ansicht von Schloss und Großem Parterre in Schönbrunn, das sich heute im Kunsthistorischen Museum befindet. Von einem erhöhten Standpunkt oberhalb des späteren Neptunbrunnens, der erst 1780 fertiggestellt wurde, malte der Venezianer Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (1722–1780) mit unglaublicher Detailfülle das kaiserliche Schloss mit zahllosen Staffagefiguren, die die große Freifläche bevölkern.


Abb. 1: Bernardo Bellotto, gen. Canaletto: Das kaiserliche Lustschloss Schönbrunn, Gartenseite, 1759/1760 ©KHM-Museumsverband

Das Parterre wird durch die breite und dominante Mittelachse in zwei Teile geteilt und durch vier Queralleen strukturiert. Auf zwei Parterrefelder findet sich jeweils ein Boulingrin, eine vertiefte Rasenfläche. Auf einem sieht man einen Gärtner bei der Arbeit knien. Die Kompartimente sind großteils mit Rasen bedeckt, mit Ornamenten aus Kiesflächen bestückt und an den Rändern mit Blumenrabatten und Buchs eingefasst. Diesen Stil nannte man „parterres à l’anglaise“. Auf den Kieswegen stehen Formbäumchen, wobei der untere Teil als Töpfe beschnitten ist. Ein Gärtner arbeitet gerade am Formschnitt. Am Kreuzpunkt der Mittelachse mit der Finsteren Allee steht das Sternbassin, das später ins Zentrum des westlichen Alleensterns versetzt wurde. Im 19. Jahrhundert verschwanden diese typischen spätbarocken Gestaltungselemente nach und nach. Unter der Ägide des Hofgärtners Heinrich Schott zwischen 1845 und 1865 wurde der barocke Lustgarten mit seinen Parterrefeldern „dem Stil der Zeit entsprechend vereinfacht."[1]


Abb. 2: Das Schlossparterre von Schönbrunn am 18. Juni 1857, Fotografie Salzpapierabzug, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Pk 289, 1 

Eine frühe Fotografie
Fast genau hundert Jahre nach Canalettos Gemälde entstand eine weitere Ansicht aus einem ähnlichen Blickwinkel. Diesmal allerdings mit Hilfe eines damals noch sehr jungen Mediums, der Fotografie. Die Erfindung war noch kaum 30 Jahre alt, die Entwicklung des Negativ-Positiv-Verfahrens erst rund 20 Jahre.

Vom Schlossparterre in Schönbrunn ist bislang keine ältere fotografische Ansicht bekannt als diese jüngst entdeckte aus dem Jahre 1857. Allerdings gibt es einige fotografische Ansichten vom Ehrenhof des Schlosses und der Gloriette, die der Fotograf Paul Pretsch bereits 1850 angefertigt hatte.[2] Beim anonymen Foto von 1857 handelt sich um einen großformatigen Salzpapierabzug im Format von 34 x 55 cm, der damals qualitativ hochwertigsten Möglichkeit der Herstellung von Fotopositiven und das Urverfahren der späteren Analogfotografie. Der Abzug – in gelblich-braunen Sepia-Tönen gehalten – gibt den Blick frei auf zahllose interessante Details, zeigt aber gleichzeitig, dass die Technik damals noch lange nicht ausgereift war. Die Objektive waren lichtschwach, die Entwicklerpapiere hatten eine mangelnde Empfindlichkeit und die Belichtungszeit war sehr lange. Letzteres lässt sich sehr leicht an den teilweise schemenhaften Figuren erkennen, etwa an den drei Personen rechts unten nahe der Einfassung des Neptunbrunnens.

An dieser fotografischen Totalen des Gartenparterres kann man – ebenso wie bei Canalettos Bild – mit einigem Kennerblick erahnen, dass hier ein „Fehler im System“ des barocken Gartens zu bemerken ist: Die Heckenwände laufen nicht auf die Seitenachsen des Schlossgebäudes zu, sondern auf die Mittelportale der Seitenrisalite. Dadurch ist ein kleiner Teil des Gebäudes verdeckt. Eigentlich sollte das Parterre die Breite der gesamten Gartenfassade haben.[3] Der Grund dafür liegt wohl darin, dass der Garten vor Baubeginn des Gebäudes 1695 angelegt und die Fassadenbreite des Schlosses nachträglich verlängert wurde.[4]

Hof- und Staatsdruckerei
In den 1850er Jahren sind zahlreiche Fotografien in vergleichbarer Größe in Wien entstanden, die sich heute in verschiedenen Sammlungen befinden. So gibt es etwa Aufnahmen, die vom Südturm des Stephansdoms aus gemacht wurden und die einen panoramatischen Blick auf die Stadt bieten, Lichtbilder vom Abbruch der Basteien nach dem Handschreiben von Kaiser Franz Joseph im Dezember 1857[5] oder vom Bau des Arsenals und der Votivkirche. Neben der Fotografie vom Parterre in Schönbrunn entstanden im Jahr 1857 auch Lichtbilder von Tieren aus der Schönbrunner Menagerie.[6] Fast alle diese Ansichten sind im Auftrag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei und seines visionären Direktors Alois Auer (ab 1860 Ritter von Welsbach) entstanden, einer zentralen Person der frühen österreichischen Fotogeschichte.[7] Seine Einschätzung des neuen Mediums Fotografie aus dem Jahr 1854 war geradezu prophetisch:

„man liefere nach und nach die ganze Welt in Bildern, – dies wird Tausenden von Fotografen Beschäftigung und Millionen von Käufern Gelegenheit bieten, dieselbe, soweit man sie braucht, in einem kleinen Raume in seinem Zimmer zu haben. […] Denken wir uns die Lage eines Reisenden. Wie gerne würde Jeder von uns, wenn wir Städte und Gegenden unseres Vaterlandes oder eines fremden Staates durchfliegen, all‘ die Ansichten, all‘ die merkwürdigen uns vor Augen geführten Gegenstände mitnehmen, wenn sie uns käuflich zu einem Preise zugänglich wären, der nicht die Kräfte eines Minderbemittelten übersteigt.“[8]

Bereits 1851 wurden im Glaspalast von Joseph Paxton anlässlich der ersten Weltausstellung in London insgesamt 28 Fotografien aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei  präsentiert.[9] Ein Indiz der Provenienz aus diesem damals neuen Kompetenzzentrum für Fotografie  ist, dass sich diese Ansicht  aus der Fideikommissbibliothek gemeinsam mit Lichtbildern der kaiserlichen Donaudampfyacht „Adler“ vom September 1857 in einem Konvolut befanden, deren Herkunft aus dem Fotoatelier der staatlichen Druckerei durch den Aufdruck auf der historischen Fotomappe belegt ist.[10] Sicherheit brachte schließlich die Betrachtung in der Zoom-Ansicht der digitalisierten Fotografie. Hier ist unten mittig der Prägestempel der kaiserlichen Offizin deutlich zu erkennen: „VON DER k. k. HOF & STAATSDRUCKEREI IN WIEN“. Belegt ist auch, dass die Hof- und Staatsdruckerei Fotoabzüge an die Hofbibliothek geliefert hat.[11] An dieser quasi-staatlichen „Foto-Kampagne“ der 1850er Jahre, wie es die Fotohistorikerinnen Monika Faber und Maren Gröning bezeichnen, waren eine Reihe von Fotografen beteiligt. Dokumentiert sind die Lichtbildner Paul Pretsch, Leopold Weiß, Georg J. Hackel, Joseph Puchberger, Andreas Groll sowie C. Matuschka.


Abb. 3: Prägestempel auf der Fotografie

Der unbekannte Fotograf hat keinen beliebigen Zeitpunkt für dieses Motiv ausgewählt, etwa weil es dafür günstige Wetterbedingungen gab. An jenem Tag, einem Donnerstag, den 18. Juni 1857 am frühen Nachmittag fand hier ein lang geplantes Jubiläum statt. So wie das kaiserliche Schloss eng verbunden ist mit der Person von Kaiserin Maria Theresia, war auch die allerhöchste militärische Auszeichnung der Habsburgermonarchie mit der Regentin verknüpft, nicht zuletzt durch ihren Namen. Wenige Tage nach der erfolgreichen Schlacht von Kolin unter Feldmarschall Leopold Joseph von Daun gegen Preußen im Siebenjährigen Krieg, stiftete die Kaiserin am 22. Juni 1757 einen neuen hohen militärischen Verdienstorden.

Der höchste Militärorden
Die erste Verleihung des neuen Militär-Maria-Theresien-Ordens fand dann am 7. März 1758 statt. Ausgezeichnet wurde dabei Karl Alexander von Lothringen, der Bruder des Kaisers Franz I. Stephan, der gleichzeitig der erste Ordensgroßmeister war. Die Verleihkriterien waren streng geregelt, wie man in den Ordenssatzungen lesen konnte: Verliehen wurde er „für aus eigener Initiative unternommene, erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten, die ein Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können“[12] Die häufig erzählte Geschichte, dass man den Orden auch erhielt, wenn man dezidiert gegen Befehle gehandelt hatte und so einen militärischen Erfolg erzielte, ist ein Ammenmärchen, eine urban legend wie man heute sagen würde. Der Orden durfte mit keinem anderen Orden gemeinsam getragen werden mit Ausnahme des Ordens vom Goldenen Vlies. Mit der Ordensverleihung war auch eine Erhebung in den Adelsstand verbunden. Der Orden war allein Offizieren vorbehalten, Soldaten und Unteroffiziere blieb die Auszeichnung verwehrt.

In den folgenden zehn Jahren nach der Jubiläumsfeier 1857 wurde die Anzahl der Ordensritter durch vier kriegerische Konflikte stark vergrößert, bevor die Friedensperiode von 1867 bis 1914 begann: im Zweiten und Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg (1859 und 1866), im Deutsch-Dänischen Krieg (1864) und im Krieg mit Preußen (1866).

Das Festprogramm und die Feier in Schönbrunn
Die Feierlichkeiten anlässlich der 100 Jahr-Feier des Ordens waren mit einem umfangreichen Festprogramm verbunden. Bereits am Vortag begannen die Festlichkeiten mit einem großen Zapfenstreich, der vom Inneren Burgplatz zur Wohnung von Erzherzog Johann am Michaelerplatz und weiter über die Herrengasse zur Freyung führte. Am Morgen des 18. Juni gab es eine große Truppenparade mit Feldmesse am Josefstädter Glacis. Und als Abschluss am Abend nach der Jubiläumsfeier in Schönbrunn eine von Direktor Heinrich Laube inszenierte Festvorstellung im k. k. Hofoperntheater am Kärntnertor.

Die Presse berichtete ausführlich über die Veranstaltung. Patriotisch wies man darauf hin, dass es wohl keinen bedeutenderen Orden gäbe: „Man kann wol mit Recht behaupten, daß dieser Orden der bemerkenswertheste unter allen Orden der Welt ist.“[13] In der Großen Galerie von Schloss Schönbrunn tafelten ab drei Uhr nachmittags der Kaiser, die Erzherzöge, die Minister, die Generalität und die anwesenden Theresienritter unter dem Beisein des 84jährigen Ordenskanzlers Fürst Metternich, der 1851 aus dem Londoner Exil nach Wien zurückgekehrt war. Neben Kaiserin Elisabeth – ihre zweijährige Tochter Sophie war am 29. Mai verstorben – fehlte eine bedeutende Person, die bereits seit 1810 Kommandeur des Ordens war und 1848 den höchsten Rang, das Großkreuz verliehen bekam: „Schmerzlich empfand man die Abwesenheit des greisen Feldmarschalls Radetzky, der inzwischen von seinem Krankenzimmer in Verona aus durch den Telegraphen dem Erzherzog Johann (1782–1859) Grüße an seine Kriegsgefährten übersandte.“[14] Der technische Fortschritt erleichterte also bereits um die Mittel des 19. Jahrhunderts die Kommunikation. Erst im Februar 1857 war Radetzky als Generalgouverneur von Lombardo-Venetien in den Ruhestand versetzt worden und starb schließlich ein guten halbes Jahr später im Jänner 1858 in der Villa Reale in Mailand. Neben den hohen Gästen nahmen die anderen im Gartenparterre an den aufgebauten weißgedeckten Tafeln Platz. Eingeladen waren Ritter anderer Orden, Offiziere der Armee aus allen Kronländern, Unteroffiziere und „Gemeine von allen Regimentern.“ Ein Toast des Kaisers aus Anlass der Säkularfeier, wie man sie nannte, gehörte zum Hofzeremoniell:

,,Mit gerechter Zuversicht begrüße ich den Tag, der ein Jahrhundert des Ruhmes und kriegerischer Ehren für mein Heer abschließt als den Wiederbeginn eines neuen Jahrhunderts von Ruhm und kriegerischen Ehren für Oesterreich und seine Kriegsmacht.
Ich genüge dem Bedürfnisse meines Herzens, indem ich die Feier dieses Tages benutze, um den Rittern meines Maria-Theresien-Ordens den Dank ihres Monarchen, meinem tapferen Heere die freudige Anerkennung seines Kaisers und Kriegsherrn auszusprechen.
Mit warmer Theilnahme gedenke ich der Abwesenden, in tiefer Rührung der Dahingeschiedenen! Dem Andenken der erhabenen Stifterin des Ordens, der Kaiserin Maria Theresia! – Den Rittern meines Maria-Theresia-Ordens! meiner tapferen Armee und ihren Führern!“[15]


Abb. 4: Jubelfeier des Maria-Theresien-Ordens: Das Bankett zu Schönbrunn am 18. Juni. Druckgrafik in der Illustrirten Zeitung, 18. Juli 1857 

Die illustrierte Presse
In der auflagenstärksten und beliebtesten Wochenillustrierten des deutschsprachigen Raums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Leipziger Illustrirten Zeitung, wurde zusätzlich zum Bericht über die Veranstaltung ein doppelseitiger Stich eines anonymen Künstlers abgebildet. Darauf zu sehen ist das Bankett im Freien und der Kaiser mit seiner Entourage auf dem großen Balkon, dem die Gäste an den langen, gedeckten Tafeln zujubeln. Dabei handelt es sich um die exakte Gegenposition zur erhaltenen Fotografie. Wäre es ein Film könnte man von einem „Gegenschuss“ sprechen. Mit etwas Fantasie kann man den Standpunkt des Fotografen erkennen. Er stand mit Kamera und Stativ vor der Baumkulisse an der Rückwand des Neptunbrunnens zur linken Hand der Figurengruppe zwischen zwei Brüstungsvasen.


Abb. 5: Der Standort des Fotografen von 1857

Die Fotografie selbst verrät uns viele Einzelheiten, die bei genauer Betrachtung zu sehen sind. Zunächst einmal über die prinzipielle Gestaltung des Gartenparterres in jenen Jahren. Heute zeigt es sich wie zu den Zeiten Maria Theresias in seiner barocken Anmutung. Es wurden die Broderiebeete rekonstruiert wie sie in der Blütezeit des Barocks üblich waren und nach dem stilprägenden Vorbild des Parterre du Midi in Versailles vom Gartenkünstler André Le Notre errichtet wurden. Niedrig geschnittene Strauchhecken und Ornamente aus farbigem Kies, die Stickereimustern ähneln. Vor 160 Jahren war das Parterre wesentlich schlichter gestaltet, wie man auf dem Foto erkennen kann. Nur einfache, im Juni bemerkenswerterweise noch unbepflanzte, erhöhte Beete sind auf den Rasenflächen erkennbar. Mit dieser Festveranstaltung wird auch indirekt bestätigt, was Gartenhistorikerinnen meinen, nämlich dass das Gartenparterre die Erweiterung der Großen Galerie in den Freiraum sei.


Abb. 6: Die Fotografie von 1857 und eine vom November 2020

Vor den beiden Beeten nächst dem Neptunbrunnen wurde von der Burgwache eine Absperrung errichtet, hinter der sich eine Menschenmenge ansammelte und das Geschehen des Festaktes verfolgte. Viele Frauen sind mit einem Sonnenschirm ausgestattet. Manche Schaulustige haben auch am Rande des linken Beetes am Rasen Platz genommen. Der Park war also für das „gemeine“ Publikum geöffnet. In der Presse hieß es über die Zaungäste: „Auch zu dieser Festlichkeit hatte sich in den frei gebliebenen Theilen des Gartens, welche theilweise durch Burgwachen und Infanterieposten besetzt waren, Zuschauer aus allen Ständen massenhaft eingefunden.“[16]

Um die Tafeln herum herrscht heftiges Treiben. Die Festgäste werden bedient. Vereinzelt stehen Personen der Burgwache herum und beobachten das Geschehen. Einer, ganz im Vordergrund nahe der Neptunbrunneneinfassung scheint den Fotografen bei der Arbeit zu verfolgen. Die Türen der Großen Galerie zum Balkon sind noch geschlossen, der Kaiser wird wohl erst danach den Balkon und die Treppe betreten haben, so wie es auf dem Stich der Illustrirten Zeitung zu sehen ist.

Während des gesamten 19. Jahrhunderts und in den Jahren der Monarchie im 20. Jahrhundert bis 1918 ist keine weitere Veranstaltung dokumentiert, bei der es ein gesetztes Essen am Schlossparterre gegeben hätte.[17] 1932 gab es dann ein Fest des Rotary Clubs mit Tischen am Parterre.

Die Gartenskulpturen
Noch ein Detail kann man erkennen, das um das Jahr 2003 für heftige Diskussionen gesorgt hatte. Damals waren die Gartenskulpturen komplett von den Hecken zugewachsen und aus einer Fluchtlinie heraus nicht mehr erkennbar. Der damalige Leiter der Abteilung für historische Gartenanlagen des Bundesdenkmalamtes, Géza Hajós, hatte in Abstimmung mit den Bundesgärten und in heftigen Diskussionen mit der Schönbrunn Betriebsgesellschaft nach Konsultierung von historischen Plänen und Ansichten entschieden, den Originalzustand nach Aufstellung der Skulpturen wiederherzustellen. Die Hainbuchen wurden teilweise abgetragen bzw. radikal zurückgeschnitten und neue bereits fünf Meter hohe ersatzgepflanzt. Nun stehen die Skulpturen wieder vor den Heckenwänden, wie man es auch auf dem 160 Jahre alten Foto gut erkennen kann. Heute ist diese gartenrestauratorische Intervention unbestritten. Die Schönbrunner Statuen aus Sterzinger Marmor mit Themen aus der antiken Mythologie wurden zwischen 1773 und 1780 aufgestellt. Sie stammten fast alle aus dem Atelier des Bildhauers Johann Wilhelm Beyer (1723–1796).[18]


Abb. 7: Die vier Bände der Festschrift, Exemplar aus der Privatbibliothek von Kaiser Franz Joseph

Die Festschrift – Ein Gedenkbuch
Rechtzeitig zur Jubiläumsfeier in Schönbrunn erschien eine aufwendig gestaltete, umfassende, fast 2000 Seiten starke Monografie über den Orden. Der österreichische Militärschriftsteller Jaromir Hirtenfeld verfasste das voluminöse vierbändige Werk nach „authentischen Quellen“. Darin wird, nach einem Vorwort von Fürst Metternich, jeder einzelne Ritter und seine Tat, die zur Ordensverleihung führte, ausführlich gewürdigt.[19] Auftraggeber des Prachtwerkes war Ordenskanzler Metternich. Bei der Feier bekamen alle in- und ausländischen Ordensmitglieder ein Exemplar geschenkt, wie man auch in der zeitgenössischen Presse lesen konnte. Offen bleibt, wie sie das Werk mit nach Hause nahmen, wogen doch die vier Bände im Folio-Format (40 x 30 cm) rund zehn Kilogramm.[20]


Abb. 8: Der Prunkeinband, Exemplar aus der Privatbibliothek von Kaiser Franz Joseph 

Die Exemplare der Privatbibliothek von Kaiser Franz Joseph sind besonders exquisit ausgestattet. Sie verfügen über einen Maroquinleder-Einband mit einem geprägten Goldornamentmuster und einer Messing-Applikation in Form des Bruststerns des Großkreuzes.[21] Das Vorsatzpapier ist mit edlem Leinen überzogen und der Buchblock ist mit einer dreiseitigen Goldschnittverzierung ausgestattet. Nicht ganz so erlesen ist das Exemplar für die Hofbibliothek, das sich heute im Prunksaal der Nationalbibliothek befindet. Es ist zwar ebenso in Leder gebunden, es fehlt allerdings die Goldprägung am Buchdeckel, die Ordensapplikation und der Goldschnitt. Gedruckt wurde das Werk natürlich in der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei in der Singerstraße 26, wo sich auch die Dunkelkammer befand, in der wohl unsere fotografische Ansicht des Schlossparterres entwickelt wurde.

Schließlich erschien bald nach dieser großen Ordensjubiläumsfeier eine weitere schmale Publikation über die Veranstaltung.[22] Der Gendarmerie-Beamte Johann Zajaczkowski hielt in einem dünnen Bändchen Rückschau auf die Feierlichkeiten und verlegte das Buch selbst.


Abb. 9: Das Billardzimmer im Schloss Schönbrunn ©Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, Fotograf: Alexander Eugen Koller 

Das Billardzimmer
War die Fotografie von 1857 bislang unbekannt, so ist die Veranstaltung aus Anlass des 100 Jahr-Jubiläums stets präsent geblieben. Gibt es doch im Billardzimmer von Schloss Schönbrunn zwei großformatige Gemälde, auf denen die Feierlichkeiten verewigt sind.

Das Billardzimmer nächst den Audienz- und Privaträumen von Kaiser Franz Joseph wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts umgestaltet. Gegenüber den Fenstern zum Innenhof hängt ein älteres großformatiges Gemälde von Martin van Meytens (1695–1770), dass die erstmalige Ordensverleihung  durch Maria Theresia im Jahre 1758 darstellt. An den Stirnseiten links und rechts davon hängen zwei ebenfalls großformatige Gemälde über die Säkularfeier des Jahres 1857 von Fritz L’Allemand (1812–1866),[23] einem Lieblingsmaler des Kaisers, die vom Hof beauftragt und in den Jahren 1861 und 1865 fertiggestellt wurden. L’Allemand stammte aus einer Künstlerfamilie, studierte an der Wiener Akademie und spezialisierte sich auf historisierende Schlachten- und Genremalerei.


Abb. 10: Fritz L’Allemand, Festbankett in der Großen Galerie, 1861 ©Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Fotograf: Edgar Knaack, Sammlung Bundesmobilienverwaltung, Standort Schloß Schönbrunn 

Das eine Gemälde zeigt das Bankett in der Großen Galerie, wohl bei der Ansprache des Kaisers, wobei der Maler vermutlich an der Stirnseite den greisen Feldmarschall Radetzky in Rückenansicht und in rotem Uniformrock mit den Händen auf die Festtafel gestützt ins Bild gerückt hat, obwohl er tatsächlich gar nicht anwesend war.


Abb. 11: Fritz L’Allemand, Kaiser Franz Joseph auf der Gartenstiege anlässlich der 100-Jahrfeier des Maria-Theresien-Ordens, 1865 ©Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Fotograf: Edgar Knaack, Sammlung Bundesmobilienverwaltung, Standort Schloß Schönbrunn 

Das zweite Gemälde zeigt den Kaiser und seine Gefolgschaft die große Treppe herabsteigend und gibt den Blick frei auf das Gartenparterre mit den festlich weiß gedeckten Tafeln und den Festgästen, die von dort dem Kaiser zujubeln. Die Presse lobte die Fokussierung des Blicks: „Die Hauptsache, die auf dem Parterre hinter dem Schlosse aufgestellten Tafeln mit ihren bunten, charakteristischen Soldatengruppen, hatte zur Nebensache gemacht und in die Perspective verwiesen werden müssen, während den Vordergrund der Aufgang einnimt, auf welchem der Kaiser mit glänzendem Gefolge zur Begrüßung seiner Gäste in den Garten hinabsteigt.“[24] Dieses Bild konnte Fritz L’Allemand 1865 noch vollenden bevor er im Jahr darauf wie fast 6000 andere Wienerinnen und Wien ein Opfer der Cholera Epidemie wurde. Dem Schlachtenmaler wurde eine Schlacht zum Verhängnis. Man nimmt allgemein an, dass die preußische Armee nach der Schlacht bei Königgrätz für die Verbreitung der Seuche verantwortlich war, wenn man dem damaligen contact tracing Glauben schenken darf. Erst in jüngster Zeit konnte die Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft die beiden Entwürfe für die großformatigen Gemälde aus Privatbesitz erwerben.


Abb. 12: 200-Jahr-Feier des Maria-Theresien-Orden am Maria-Theresien-Platz mit dem damaligen Verteidigungsminister Ferdinand Graf am 18. Juni 1957 

Postskriptum
Der Orden ist natürlich längst Geschichte. Die letzte Sitzung des Ordenskapitels fand, lange nach Ende der Donaumonarchie, im Jahr 1931 statt. Die letzte militärische Aktion und gleichzeitig die höchstgelegene Kampfhandlung der k. u. k. Armee während des Ersten Weltkriegs für die der Orden verliehen wurde, war die bereits sinnlose Rückeroberung der Punta San Matteo (3678m) südlich des Ortler-Massivs am 3. September 1918 durch Kaiserschützen, als der Krieg so gut wie verloren war.[25] Noch in der Zweiten Republik erhielten die letzten Ritter eine Ehrenpension auf Lebenszeit. Der Orden wurde seit 1757 1243-mal verliehen. Die 200-Jahr-Feier fand dann am 18. Juli 1957 vor dem Maria-Theresien-Denkmal mit den letzten noch lebenden Ordensrittern statt. Mit Gottfried von Banfield starb 1986 der letzte Maria-Theresien-Ordensritter.

Über den Autor: Mag. Christian Maryška ist wissenschaftliche Mitarbeiter von Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.

[1] Beatrix Hajós: Die Schönbrunner Schloßgärten. Eine topographische Kulturgeschichte. Wien-Köln-Weimar 1995, S. 38
[2] Monika Faber, Maren Gröning: Stadtpanoramen. Fotografien der k. k. Hof- und Staatsdruckerei 1850–1860. Wien 2005, S. 44–47
[3] Vgl. Hajós S. 79.
[4] Ebd. S. 79f.
[5] Vgl. Blogeintrag von Michaela Pfundner: Das Wien der Basteien (24.08.2018) » https://www.onb.ac.at/forschung/forschungsblog/artikel/das-wien-der-basteien
[6] Faber/Gröning, S. 27.
[7] Ebd. S. 7ff.
[8] Alois Auer: Der poligrafische Apparat oder die verschiedenen Kunstfächer der k. k. Hof- und Staatsdrucker zu Wien. Vorgetragen in der kaiserlichen Akademie. In: Faust. Poligrafisch-illustrirte Zeitschrift. Wien 1854, Jg. 1, Nr. 18, S. 139.
[9] Alle Fotografien mit Ausnahme einer, vermutlich eine Panoramaaufnahme der Hofburg, befinden sich heute in der Fotosammlung der Albertina.
[10] Auf die Mappe ist folgender Text geprägt: „SEINER MAJESTÄT DONAU-DAMPFYACHT - FOTOGRAFIEN DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI SEPTEMBER 1857. Ansicht einer Fotografie der Yacht im online-Zugriff: » https://digital.onb.ac.at/rep/osd/?111350B9
[11] Österreichisches Staatsarchiv, ÖSTA 1863/707/5. Zitiert nach Faber/Gröning, S. 27. Allerdings darf die k. k. Hofbibliothek des 19. Jahrhunderts nicht mit der Familien-Fideikommissbibliothek der Habsburger verwechselt werden.
[12] Vgl. Statuten des Maria-Theresien-Ordens von 1811: » https://www.bsb-muenchen-digital.de//~web/web1032/bsb10329186/images/index.html?digID=bsb10329186&pimage=7&v=100&nav=0&l=de
[13] Das Maria-Theresien-Ordensfest. In: Leipziger Illustrirte Zeitung, 18. Juli 1857, S. 7.
[14] Ebd.
[15] Wiener Zeitung, 19. Juni 1857, S. 1779.
[16] Wiener Zeitung, 19. Juni 1857, S. 1779.
[17] Auskunft von Martin Mutschlechner von der Abteilung Forschung und Dokumentation der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, Email vom 18. Februar 2019.
[18] Wilhelm Beyer: Statuen und Wasserspiele in dem kaiserlich königlichen Lustgarten zu Schönbrunn aus Marmor gehauen. I. und II. Abteilung: Statues dans le jardin imperial et royal de Schönbrunn. Wien 1778.
[19] Jaromir Hirtenfeld: Der Militär-Maria-Theresien-Orden und seine Mitglieder nach authentischen Quellen zur ersten Säcularfeier 1857. Wien: K. k. Hof- u. Staatsdruckerei 1857.
[20] Die beiden ersten Bände sind als Magazinsexemplare online verfügbar:
Band 1: » https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ13682790X
Band 2: » https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ222504608
[21] Das Großkreuz war in der dreistufigen Ordenshierarchie die höchste Stufe. 1857 gab es fünf Träger des Großkreuzes: Kaiser Franz Joseph, Erzherzog Johann, Albrecht von Österreich-Teschen, Feldmarschall Radetzky und Eugen Wratislaw von Mitrowitz.
[22] Johann Zajaczkowski (Hg.): Gedenkbuch an die hundertjährige Stiftungsfeier des hohen militärischen Maria Theresien-Ordens zu Wien am 18. Juni 1857. Wien 1857.
Online: » https://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ224385805
[23] Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien 1954ff. » https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_L/Lallemand_Friedrich_1812_1866.xml
[24] Leipziger Illustrirte Zeitung, 27. Oktober 1866, S. 12.
[25] Die Verleihung für Oberleutnant Wilhelm Lička fand allerdings erst 1929 statt: » https://digi.landesbibliothek.at/viewer/image/AC12008362/208/#topDocAnchor

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