Von der großen Reiseleidenschaft Kaiserin Elisabeths zeugen dreizehn Reisealben, die sich in ihrem Nachlass in Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek befinden.
AutorInnen: Marlies Dornig
Etwa ab 1860 reiste Kaiserin Elisabeth vorwiegend durch Europa, besuchte aber auch Nordafrika und Kleinasien. Dreizehn Reisealben aus dem Nachlass der Kaiserin dokumentieren ihre Reisen zwischen 1890 und 1893. Sie stammen aus der erzherzöglichen Bibliothek Schloss Wallsee und befinden sich heute in Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Insgesamt handelt es sich um 1057 Fotografien und sieben Aquarelle von unterschiedlichen KünstlerInnen und FotografInnen.
Alle Fotografien haben eines gemein: Die Kaiserin sucht man vergebens darauf. Das mag einerseits daran liegen, dass Elisabeth sich zu jener Zeit nicht mehr fotografieren ließ, andererseits aber auch daran, dass ein Erinnerungsalbum mit den schönsten Motiven der bereisten Orte zusammengestellt werden sollte. Es handelt sich daher um touristische Fotomotive, die im 19. Jahrhundert beliebt waren und massenweise von kommerziellen Fotoateliers vertrieben wurden. Aus diesem Grund stellen die Alben eher eine Zusammenschau der bereisten Orte dar, als eine Bilddokumentation der tatsächlich unternommenen Reisen. In die Alben aufgenommen wurden Landschaften, Denkmäler, Genre-Aufnahmen oder touristische Highlights, wie etwa die Besteigung der Pyramiden in Ägypten.
Bereits 1869 hatte Kaiser Franz Joseph I. – anlässlich seiner Reise zur Eröffnung des Sueskanals – Elisabeth in Briefen seinen Ausflug auf die Cheops-Pyramide ausführlich beschrieben. Und auch Kronprinz Rudolf ließ es sich 1881 nicht nehmen, auf der Cheops-Pyramide nach Schakalen zu jagen. Wenig verwunderlich, dass dieses Motiv in das Kairo-Album aufgenommen wurde.
Von den dreizehn Alben beschäftigen sich jeweils zwei mit Ansichten aus der Schweiz und Ägypten, eines zeigt Bilder aus Südfrankreich, der Rest Reisen nach Italien. Kairo, Neapel und Florenz wurden in je zwei Alben behandelt, wovon das erste jeweils Stadtansichten und Landschaftsaufnahmen beinhaltet. Das zweite Kairo-Album hingegen zeigt Genreszenen und Porträts ("Typen"), im Falle von Neapel und Florenz sind es Ausstellungsansichten und Kunstwerke in diversen Museen.
Die Reihung der Alben in der Sammlung des Bildarchivs erfolgt nicht chronologisch, sondern beginnt mit einer Reise in die Schweiz – Genf, Territet, Montreux – im Jahr 1893. In Genf hatte Kaiserin Elisabeth einige Tage gemeinsam mit dem Kaiser verbracht – eine seltene Angelegenheit. Fünf Jahre später, am 10. September 1898, wurde eben hier das tödliche Attentat auf die Kaiserin verübt.
Auf einer Fotografie ist ganz links das Hotel Beau-Rivage in Genf zu sehen, in dem Kaiserin Elisabeth übernachtete, sowie die Seepromenade Quai Mont Blanc. Gemeinsam mit ihrer Hofdame wollte die Kaiserin vom Hotel über den Quai Mont Blanc zur Schiffsanlegestelle gehen. Auf der Seepromenade stürzte sich der Italiener Luigi Lucheni auf die Kaiserin und versetzte ihr einen tödlichen Messerstich ins Herz.
Der Genfer Fotograf Jean Lacroix (1880er und 90er Jahre aktiv in Genf) hielt den Trauerzug mit dem Leichenwagen Kaiserin Elisabeths vom Hotel Beau-Rivage entlang der Promenade fest. Die Bestattung fand schließlich am 17. September in der Kaisergruft in Wien statt.
Ein Teil der Fotografien ist bezeichnet und wurde von bekannten FotografInnen und Studios jener Zeit angefertigt. Der Großteil der Kairo-Fotografien etwa stammt von den berühmten Zangaki-Brüdern (Georgios und Constantinos, 1860-1890 aktiv in Ägypten und Algerien) und Gabriel Lekegian (1870 - 1890 in Ägypten tätig). Zwei Aufnahmen können jedoch Otto Schoefft (1833 - um 1900), einem der wenigen FotografInnen der österreichisch-ungarischen Monarchie in Ägypten, zugeordnet werden.
Sie finden sich im Album "Le Caire pittoresque"1, das Schoefft 1875 herausgab und welches im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek ist. Da einige davon bei der Wiener Weltausstellung gezeigt wurden, müssen diese bereits vor 1873 entstanden sein. Der in Pest geborene Schoefft führte spätestens ab 1865 gemeinsam mit dem Wiener Anton Schier (aktiv in Wien und Ägypten in den 1860er und 1870er Jahren) ein Fotostudio in Alexandrien, ab 1868 dann eines in Kairo. Dieses wurde im Baedeker von 1877 als erste Adresse in Kairo genannt und seine Aufnahmen fanden großen Anklang bei den TouristInnen vor Ort2. Auch Kaiser Franz Joseph I. ließ sich auf seiner Orientreise 1869 gemeinsam mit seiner Reisegesellschaft von ihm ablichten.3
Auffallend ist, dass ein großer Teil der Italien-Fotografien von Giorgio Sommer (1834-1914) angefertigt wurden. Teilweise sind die Fotos bezeichnet, andere lassen sich aufgrund derselben Beschriftungs- und Nummerierungsweise beziehungsweise durch Vergleiche mit Fotografien Sommers aus diversen Archiven und Ausstellungen zuordnen. So etwa die Aufnahmen der Cascata di Caserta in Neapel um 1865 sowie einige von den antiken Ausgrabungsstätten bei Pompei.4
Der aus Frankfurt am Main stammende Giorgio Sommer war hauptsächlich in Neapel tätig und etablierte sich dort zu einem der führenden europäischen Architektur-, Landschafts- und KunstfotografInnen. Berühmt wurde er für seine Aufnahmen von antiken Kunstwerken und Ausgrabungen sowie der Herstellung und dem Vertrieb von Kopien diverser archäologischer Gegenstände. Auf mehreren Rundreisen durch Italien dokumentierte er zahlreiche Kunstschätze und archäologische Ausgrabungsstätten des Landes. Eine Besonderheit stellen seine Aufnahmen des Ausbruchs des Vesuvs im April 1872 dar.
Auch wenn Sommer zahlreiche Fotografien der 1882 eröffneten Gotthardbahn und der Gegend rund um Lugano anfertigte, so stammen die Fotografien des Albums "Reise 1893. Gotthardbahn, Lugano, Mailand" fast ausschließlich von Carlo Bosetti (1872 bis 1890 aktiv rund um Como). Nur einige wenige Mailandaufnahmen von P. Salviati (vorwiegend in Venedig aktiv) wurden hinzugefügt.
Das Album "Reise 1893. Genua, Portofino" wurde gänzlich mit Bildern von Alfredo Noack (1833-1865, aktiv in Genua) bestückt. Weitere Italienaufnahmen stammen von Giuseppe Incorpora (aktiv in Palermo), Giovanni Crupi (1859-1925, aktiv in Taormina und Ägypten), Enico Van Lint (1808-1884, aktiv in Pisa) und Eugenio Interguglielmi (1850-1911, aktiv in Palermo).
Unklar ist, ob die Kaiserin die Alben selbst in Auftrag gab oder ob diese zu Lebzeiten beziehungsweise erst nach ihrem Ableben ohne ihr Wissen entstanden. Mraz und Fischer-Westhauser gehen davon aus, dass Elisabeth von Motiven, die ihr gefielen, bereits während ihrer Reisen Fotografien ankaufen ließ5. Für eine Auftraggeberschaft spricht die bekannte Foto-Sammelleidenschaft der Kaiserin. Bereits 1860 begann sie damit ein "Familienalbum" anzulegen und 1862 bat sie ihren Schwager Erzherzog Ludwig Viktor, Fotografien für ein "Schönheiten-Album" zu sammeln: "Was du für hübsche Gesichter auftreiben kannst beim Angerer und anderen Photographen, bitte ich Dich, mir zu schicken."6. Darüber hinaus wurden die österreichischen BotschafterInnen damit beauftragt, Porträts schöner Frauen aus den Hauptstädten Europas nach Wien zu senden. Einem Brief an die Botschaft von Konstantinopel zufolge wünschte sich die Kaiserin auch "nebst derlei Porträten orientalischer Schönheiten, Photographien schöner Frauen aus der türkischen Haremswelt"7. Zu jener Zeit war dies ein äußerst schwieriges Unterfangen, da sich türkische Frauen nicht fotografieren ließen. Nichtsdestotrotz erhielt sie einige Fotos für ihr Album und drei Jahrzehnte später sind ganz selbstverständlich ägyptische und – auch barbusige – algerische Frauen in ihren Reisealben zu finden.
Die Provenienz kann bis zur erzherzöglichen Bibliothek des Schlosses Wallsee zurückverfolgt werden. Ab 1895 wohnte hier Elisabeths Tochter Marie Valerie und noch heute ist es in Familienbesitz. 1982 kamen die Alben dann durch einen Ankauf vom Dorotheum Wien an ihren heutigen Standort. Neben den 13 Alben im Bildarchiv befinden sich zwei weitere Alben aus dem Konvolut im Archiv von IMAGNO brandstätter images. Eines zeigt Ansichten, Genreszenen und Porträts aus Tanger, Oran, Algier und das zweite vorwiegend Ansichten von Alexandrien und vom Nil. Laut Auskunft von Dr. Helmut Brandstätter kamen damals insgesamt 23 Alben zur Versteigerung. Wo sich diese heute befinden, konnte bis dato nicht eruiert werden.
Über die Autorin: Dr. Marlies Dornig, MA ist Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in Bildarchiv und Grafiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.
Corti, Egon Caesar Conte (1934): Elisabeth. Die seltsame Frau, Salzburg: Pustet
Mraz, Gerda / Fischer-Westhauser, Ulla (1998): Elisabeth : Prinzessin in Bayern, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn ; Wunschbilder oder die Kunst der Retouche Wien: Brandstätter
Sommer, Giorgio (1985): Photographien aus Italien, Neue Galerie der Stadt Linz, Linz
Thürlemann, Felix (2016): Das Haremsfenster. Zur fotografischen Eroberung Ägyptens im 19. Jahrhundert, Paderborn: Wilhelm Fink
1 Bildarchiv und Grafiksammlung FKB *2886, 15 „Musiciens ambulants“ und BAG FKB *2886, 23 „École“
2 Ausführliche Informationen dazu in: Felix Thürlemann, Das Haremsfenster. Zur fotografischen Eroberung Ägyptens im 19. Jahrhundert, München 2016, Kapitel 4.
3 Abbildung im Bildarchiv: Bildarchiv und Grafiksammlung RV 2723 F
4 Cascata di Caserta: Ausstellungskatalog Giorgio Sommer (1834-1914). Photographien aus Italien, Neue Galerie Linz, Linz 1985, S. 14 und 15. Pompei: Zum Abgleich wurden zwei Konvolute an Fotografien von Giorgio Sommer aus dem Bildarchiv herangezogen: Bildarchiv und Grafiksammlung Pk 4521 und Pk 5827. Weitere größere Bestände finden sich vor allem in diversen Archiven in der Schweiz, wie dem Schweizerischen Nationalmuseum oder der Auer Photo Foundation.
5 Mraz/Fischer-Westhauser, 1998: 122.
6 In: Corti 1934: 111.
7 Ebda.
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