Didaktische Einrichtungsgegenstände: Die frühesten Leuchtgloben waren Lampenschirme für Petroleumlampen.
Autor: Jan Mokre
Von innen beleuchtbare Erdgloben aus Acrylglas sind die in unserer Zeit am häufigsten verkauften Globen. Vor dem Kunststoffzeitalter wurden die Kugeln für Leuchtgloben aus Glas hergestellt. Die ersten derartigen Objekte kamen in den 1920er Jahren auf dem Markt. Als Lichtquelle diente eine im Inneren der transparenten, an der äußeren Oberfläche mit einem Kartenbild beklebten Globuskugel befindliche Glühlampe.
Kaum bekannt ist jedoch, dass dies nicht die ersten Leuchtgloben waren. Vor den elektrisch von innen beleuchtbaren Globen gab es Petroleumlampen mit durchscheinenden, kugelförmigen Lampenschirmen, die mit Kartenbildern für Erd- und Himmelsgloben bedruckt waren. Eines dieser heute seltenen Objekte befindet sich im Globenmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek.1
Am 21. November 1882 meldete die Wiener Zeitung, dass die Firma Stelzig, Kittel u. Co. ein Privilegium für „Globus-Lampen Kugeln“ angemeldet hat.2
Nach dem zweiten Privilegiengesetz vom 15. August 1852 konnte im Kaiserthum Österreich (ab 1867: Österreich-Ungarische Monarchie) sowohl von In- als auch von Ausländern um ein „ausschließendes Privilegium“ (Erfindungsschutz) auf ein neues Erzeugnis der Industrie, oder ein neues Erzeugungsmittel, oder eine neue Erzeugungsmethode angesucht werden.3
Das Gesuch war bei den Statthaltereien oder politischen Kreisbehörden einzubringen. Diese leiteten es an das Ministerium für Handel und Gewerbe weiter, wo es geprüft wurde. Lagen keine Mängel vor, wurde das Privilegium erteilt.4 1899 gelangten die Dokumente aus dem k.k. Privilegienarchiv des Ministeriums in die Verwahrung des neu gegründeten Österreichischen Patentamtes.5
Das Original des vom in Wien ansässigen, international tätigen Patentbüros Michalecki & Cie bei der k. k. Niederösterreichischen Statthalterei eingereichten Gesuchs bezüglich der „Globus-Lampen Kugeln“ hat sich in der Privilegiensammlung des Österreichischen Patentamts erhalten.6
Die Firma Stelzig, Kittel & Co. war eines von zahlreichen Glas veredelnden Unternehmen in der kleinen nordböhmischen Ortschaft Steinschönau (Kamenický Šenov) am Südhang des Lausitzer Gebirges (Lužické hory). Der Ort hatte eine bis in das 17. Jahrhundert zurückreichende Tradition in der Glasbearbeitung. Stelzig, Kittel & Co. produzierte und vertrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine breite Palette von Glasartikeln.7 Die Idee, Lampenschirme für Petroleumlampen herzustellen, die mit Kartenbildern für Erd- und Himmelsgloben bedruckt waren, wird dem im Ort ansässigen, selbständig tätigen Glasmaler Franz Horn (1840-1907) zugeschrieben.8
Aus dem Text des Patentgesuchs geht – kurz zusammengefasst – hervor, dass zunächst das Kartenbild eines Erdglobus in Form von achtzehn lithographisch bedruckten Papiersegmenten9 im Flachdruckverfahren von einem Lithographiestein auf einen Bogen Papier gedruckt wurde. Die Segmente mussten in einem zweiten Schritt ausgeschnitten und – nach einer speziellen Behandlung mit chemischen Essenzen – einzeln auf die ebenfalls mit Chemikalien vorbereitete Glasoberfläche geklebt werden. Auf diese Weise erfolgte die Übertragung des Kartenbildes auf die Lampenkugel. Nach dem Ablösen der Papiersegmente wurde das mit schwarzer Farbe auf den Glaskörper aufgebrachte Kartenbild (Linien, Kartenzeichen, Buchstaben und Zahlen) in einem Muffelofen fixiert (eingebrannt). Anschließend erfolgte eine Kolorierung von Hand und in einem letzten Schritt eine Fixierung dieser Farben – wiederum durch Hitzeeinwirkung.
Die Lampenkugeln von Stelzig, Kittel & Co. wurden im Durchmesser von etwa 18 cm und sowohl mit weißer als auch mit transparent blauer Oberfläche hergestellt. Die wenigen überlieferten Objekte belegen, dass beim Aufbringen der Kolorierung mit geringer Sorgfalt und Genauigkeit gearbeitet wurde.
Es haben sich nicht nur Lampenschirme mit dem Kartenbild von Erdgloben sondern auch mit jenem von Himmelsgloben erhalten.10
Die mit dem Kartenbild eines Erd- oder eines Himmelsglobus bedruckten Glaskörper waren in den Polbereichen (unten und oben) mit runden Aussparungen versehen; es handelte sich also nicht um Kugeln, sondern um kugelähnliche Objekte. Sie wurden über den transparenten Glaszylinder der Petroleumlampe gestülpt, durch welchen die heißen Abgase des Licht erzeugenden, brennenden Dochtes nach oben abgeführt wurden.
Bei den Globus-Lampenkugeln handelte es sich um eine neu entwickelte wissenschaftsbasierte kartographische Ausdrucksform. Hervorzuheben ist, dass im Text des Ansuchens um das Privilegium dezidiert darauf Bezug genommen wurde, dass es sich bei diesem Produkt um eine Kombination aus Gebrauchsgegenstand und Lehrmittel handeln würde. Damit reagierte die Firma Stelzig, Kittel & Co. auf eine zeitgeistige Strömung. Über kostengünstige Industrieerzeugnisse gelangten im ausgehenden 19. Jahrhundert didaktisch gestaltete Einrichtungsgegenstände sowie didaktische Spiele und Spielzeuge als Lehrmittel in bürgerliche Familien und prägten die Lebenskultur – auch des Kleinbürgertums. Sie zu besitzen war ein Zeichen für das Interesse an Allgemeinbildung, so wie etwa auch der Besitz eines Lexikons.
Das Privilegium „auf Globus-Lampenkugeln“ wurde der Firma Stelzig, Kittel & Co. am 18. Jänner 1883 – zunächst für die Dauer eines Jahres – erteilt.11 Es blieb durch regelmäßige „Taxanuitäts-Zahlungen“ zehn Jahre lang aufrecht und erlosch 1892 „durch Zeitablauf“.12
Die Lampenschirme der Firma Stelzig, Kittel & Co. wurden an unterschiedliche Produzenten von Petroleumlampen verkauft. Daher unterscheiden sich die im Antiquitätenhandel und im Rahmen von Auktionen angeboten Objekte voneinander. Petroleumlampen mit Globus-Lampenkugeln sind im Vergleich zu den aus derselben Zeit stammenden, üblichen Karten- und Reliefgloben sehr selten.
Über den Autor: Herr Mag. Jan Mokre ist Direktor der Kartensammlung und des Globenmuseums der Österreichischen Nationalbibliothek.
1 Österreichische Nationalbibliothek, Kartensammlung und Globenmuseum: Gl. 647.
2 Wiener Zeitung, Nr. 243, 21. Oktober 1882, S. 6.
3 Maria Rabl: Die Privilegiensammlung des Österreichischen Patentamtes. Ein Beitrag zum UNESCO-Weltdokumentenerbe (nicht veröffentlichte Master-Thesis, Universität Wien, 2008) 29.
4 Ebenda, S. 31.
5 Ebenda, S. 42.
6 Österreichisches Patentamt. Bibliothek, Privilegiensammlung. Die Privilegiensammlung beinhaltet mehr als 95000 Erfindungsbeschreibungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
7 Carolus Hartmann: Das Glas im Raum Haida und Steinschönau (Bad Bayersoien [2004]) 309f.
8 Sklářské muzeum Kamenický Šenov (Glasmuseum Steinschönau), Objektdatenblatt H 820. Freundliche Auskunft der Direktorin des Glasmuseums, Frau Helena Braunová. Siehe auch: Helena Braunová: Malíři skla z rodiny Ahne [Ausstellungskatalog] (Kamenický Šenov 2019) S. 18.
9 Es handelt sich dabei um in den Polbereichen beschnittene sphärische Zweiecke. Die Polbereiche konnten nicht übertragen werden, da die Lampenkugeln oben und unten mit Aussparungen versehen waren.
10 Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Mathematisch-Physikalischer Salon: Inv.-Nr. E II. 14.
11 Amtsblatt zur Wiener Zeitung, Nr. 13, 18. Jänner 1883, S. 112.
12 Amtsblatt zur Wiener Zeitung, Nr. 169, 24. Juli 1892, S. 123.
Aufgrund von Veranstaltungen wird der Prunksaal am Donnerstag, 24. Oktober bereits um 18 Uhr, am Freitag, 1. November bereits um 16 Uhr und am Donnerstag, 14. November bereits um 18 Uhr geschlossen.
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