Cambridge – „the next big step in philosophy“ - Österreichische Nationalbibliothek

Handgeschriebener Brief auf vergilbtem Papier — ÖNB (» Autogr. 1276/9-1); Brief der Mutter an Ludwig vom 16.09.1913 „Mein guter, lieber Ludwig, ich bin Dir für Deine Bravheit im Nachrichtgeben mehr als dankbar und über die Versicherung daß es Dir in Oestesoe so gut gefällt und Du Dich so wohl dort fühlst unendlich glücklich. Hoffentlich wird Dir dieser Aufenthalt die etwas aufgepeitschten Nerven zur Ruhe bringen. Gönne nur zu diesem Zweck der Nacht ihr Recht. Gelesen ist bald was, nämlich die guten Lehren, aber die kommen gegen Anderes nicht auf, nicht wahr?

Cambridge – „the next big step in philosophy“*

Durch die Befassung mit mathematischen Grundlagenproblemen kam Wittgenstein bereits in Manchester mit Russell und seiner Veröffentlichung Principia Mathematica und Gottlob Freges Grundlagen der Arithmetik in Kontakt und so verwundert es nicht, dass er sich, vielleicht auf Anraten Freges, für ein Philosophiestudium in Cambridge entschied und sich Anfang 1912 als Studienanfänger im Trinity College immatrikulierte. Dass er zunächst aber noch hin- und hergerissen war zwischen der Logik einerseits und der Aeronautik andererseits, belegt folgendes Zitat aus einem Brief seines Lehrers, Mentors und späteren Freunds Bertrand Russells: „Mein Deutscher schwankt zwischen Philosophie und Flugzeugbau. […] Ich bat ihn, mir etwas Schriftliches zu zeigen, um besser urteilen können. Er ist vermögend und interessiert sich leidenschaftlich für Philosophie, meint aber, er solle ihr nicht sein Leben widmen, wenn er nicht dafür tauge.“**

Russell erkannte Wittgensteins Begabung und bestärkte ihn in seiner Entscheidung für die Philosophie. Langsam in Cambridge Fuß fassend, befasste sich Wittgenstein nicht nur mit Logik und Mathematik, sondern führte Versuche zur Wahrnehmung von Rhythmus in Sprache und Musik im Bereich der Experimentalpsychologie durch. Versuchsperson war dabei unter anderem David Pinsent, sein erster und einziger Freund, wie Wittgenstein ihn selbst später beschrieb, der ihn auch auf seinen Urlaubsreisen nach Island (1912) und Norwegen (1913) begleitete.

*„We expect the next big step in philosophy to be taken by your brother“ – Bertrand Russell über Ludwig Wittgenstein in einem Gespräch mit Hermine Wittgenstein. Zitiert nach: Rush Rhees: Ludwig Wittgenstein. Porträts und Gespräche Frankfurt a. M. 1987, S. 24.

1) Wittgenstein in Berlin 2) Wechsel auf die Insel – das Studium in Manchester 3) Wittgensteins technische Experimente 4) Der Blattspitzenantrieb – Wittgensteins Patent 5) Cambridge – „the next big step in philosophy“

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