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Gegen eine autoritäre BRD. Im Bann der RAF

Ich wusste, dass Erich, der Andreas Baader verabscheute, gleichwohl mit Ulrike Meinhof befreundet war und ihre journalistische Arbeit vor der Gründung der RAF bewunderte.

(Kurz 61) 

Die Anfrage 

Mit Verleumdung und Unterdrückung 
und Kommunistenverbot 
und Todesschüssen in Notwehr 
auf unbewaffnete Linke 
gelang es den Herrschenden 
eine Handvoll empörter Empörer 
Ulrike Meinhof 
Horst Mahler 
und einige mehr 
so weit zu treiben 
daß sie den Sinn verloren 
für das was in dieser Gesellschaft 
verwirklichbar ist 

Was weiter geschah 
war eigentlich zu erwarten: 
Wieder Menschenjagd 
Wieder Todesschüsse in Notwehr 
die bekannten Justizmethoden 
die bekannten Zeitungsartikel 
und die Urteile gegen Horst Mahler 
und gegen Ulrike Meinhof 

Aber Anfrage an die Justiz 
betreffend die Länge der Strafen: 
Wieviel Tausend Juden 
muß ein Nazi ermordet haben 
um heute verurteilt zu werden 
zu so langer Haft? 


(1977, GW 2, 260) 

Eine von mehreren Fassungen des Gedichts "Die Anfrage", das in einer ersten Version bereits 1974 unter dem Titel "Gegengewalt" erschienen war (Quelle: NL Fried).

„Die Anfrage“ ist eines von mehreren Gedichten, die Erich Fried nicht nur eine immer größere Zahl an (politisch linksstehenden) LeserInnen einbrachte, sondern zum Teil auch sehr harte Kritik seitens der Politik. Er setzte sich von Beginn an für einen differenzierten Blick auf den Terrorismus der Roten Armee Fraktion ein. Auch die „Gegenseite“ mahnte er, Maß zu halten und die BRD nicht in einen autoritären Staat umzubauen. Seine Gegner warfen ihm eine zu große Nähe zu den TerroristInnen vor. Tatsächlich verbanden ihn freundschaftliche Gefühle mit Ulrike Meinhof, die er in den 1960er-Jahren kennengelernt hatte, als er für „Konkret“ schrieb. Meinhof war Redakteurin des Magazins, ehe sie sich 1970 der Gruppe um Andreas Baader anschloss, aus der die RAF hervorging. Fried distanzierte sich von den Taten der RAF, äußerte aber bis zuletzt Zweifel am Selbstmord Ulrike Meinhofs 1976 in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. 1977, mitten im „Deutschen Herbst“, erschien Frieds Gedicht „Die Anfrage“. Deutschland erlebte in diesen Monaten mehrere Attentate der RAF, die Entführung (und spätere Ermordung) des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“. Als das Gedicht „Die Anfrage“ in einer Bremer Schule im Deutschunterricht im Rahmen von „Literatur gegen Gewalt“ besprochen wurde, kam das dem Bremer Fraktionsvorsitzenden der CDU zu Ohren. In einer Sitzung der Bremer Stadtbürgerschaft ließ sich Bernd Neumann zu der Äußerung hinreißen: „Ja, […], so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen einmal ganz eindeutig sagen!“ (Brand 105) Fried sah sich in diesen Jahren immer wieder mit Versuchen konfrontiert, seine Gedichte aus Schulbüchern zu verbannen und ihn als Terrorsympathisanten zu diskreditieren.


1) Gegen Faschismus. Ein jüdisches Schicksal   2) Gegen Stalinismus und Kalten Krieg. Als Kommentator in der BBC   3) Gegen den Vietnamkrieg. Ein Krieg in Asien strahlt nach Europa aus   4) Gegen Unterdrückung im Nahen Osten. Als „jüdischer Anti-Zionist“ im Visier   5) Gegen eine autoritäre BRD. Im Bann der RAF   6) Gegen Nazis. Jeder Mensch hat eine Geschichte   7) Gegen Heuchelei. Preise als Lohn für harte Arbeit 

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