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Pressemeldung


13. Juni 2019

In vino veritas.

Wein im alten Ägypten


14. Juni 2019 – 12. Jänner 2020

Wein war schon immer ein Getränk für Götter und Menschen. Auch im Land am Nil wurde er bereits früh professionell erzeugt und großzügig genossen. Unter dem Titel „In vino veritas. Wein im alten Ägypten“ präsentiert das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek über 70 faszinierende, bis zu 3.000 Jahre alte Exponate zum Weinbau und Weingenuss. Im Zentrum der Ausstellung stehen Papyri der spätantiken Epoche mit vielen Details zur Weinkultur, doch spannt sich der zeitliche Bogen von der pharaonischen bis in die arabische Zeit. 

Pacht- und Kaufverträge gewähren einen Einblick in den Alltag von Winzern und Weinhändlern, Briefe dokumentieren die Bedeutung des Weins für die Verpflegung von Soldaten, Lorbeerwein oder Fischbrühe vermengt mit Wein entführen in die damaligen Ess- und Trinkgewohnheiten, und nicht zuletzt belegen farbenprächtige Zierstücke an Textilien die zentrale Rolle von Wein in der Alltagskultur und in der Religion: Das edle Getränk war ebenso wie heute ein wichtiges Wirtschaftsgut und Genussmittel und besaß zudem eine große religiöse und kultische Bedeutung.

Getränk für Götter und Herrscher

„In vino veritas“ („Im Wein liegt die Wahrheit“) ist ein in Latein überlieferter Spruch, der auf den frühgriechischen Lyriker Alkaios zurückgehen soll, welcher um 600 v. Chr. für einige Jahre auch in Ägypten gelebt hat. Doch schon lange davor waren im Land am Nil der Genuss von Wein und der gezielte Anbau von Reben bekannt: Bildliche Darstellungen, Texte oder archäologische Funde belegen die Verwendung von Wein in der gesamten pharaonischen Zeit Ägyptens (ab ca. 3000 v. Chr.) und in den Jahrhunderten, in denen Griechen (ab 332 v.) und Römer (ab 30 v. Chr.) über das Land herrschten. 

Nachdem die Kultivierung und Verarbeitung der Reben nur mit besonderem Fachwissen und unter günstigen klimatischen Bedingungen möglich war, stand der Wein zunächst vor allem einer ökonomisch besser gestellten Schicht zur Verfügung: Er galt im alten Ägypten – anders als Bier, das im häuslichen Umfeld für den Eigengebrauch hergestellt werden konnte – als Getränk für Götter, Herrscher und die Oberschicht. In der Regel waren Weingüter daher Teil einer übergeordneten Wirtschaftseinheit, Königs- oder Tempeldomänen legten die Weingärten in den Oasen und vor allem im ertragreichen Nildelta an. Es sind aber auch private Weingärten hochgestellter Persönlichkeiten belegt. 

Grabmalereien mit Winzerszenen lassen vermuten, dass Rotwein in der Gunst der alten Ägypter höher stand als Weißwein, aber dies mag auch künstlerischen Konventionen entsprungen sein. Neben diesen Darstellungen und der Nennung als Opfergaben wurden in vielen Gräbern auch Reste von Wein sowie mitunter Weintrauben bzw. Rosinen gefunden. Eindeutig nachgewiesen ist der Beweggrund für die Malereien und Beigaben: Durch sie sollten die Verstorbenen auch im Jenseits jederzeit ihren Durst stillen können.

Im Alltag kamen die „kleinen Leute“ zu dieser Zeit nur dann in den Genuss von Wein, wenn er ihnen bei Festen oder als Bonuszahlungen in Naturalien übergeben wurde. Im alten Ägypten erlebten die Menschen den Wein als Teil kultischer Traditionen, als Rausch- und Genussmittel, aber auch als Bestandteil medizinischer Rezepturen. Das Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten ähnelt damit stark jenem, das auch heute noch existiert.

Zwei Weinkulturen treffen aufeinander

Im Zuge der Hellenisierung wurden Produktion und Konsum von Wein stark ausgebaut: Wein wurde zunehmend zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Mit den Feldzügen Alexanders des Großen kam ab 332/331 v. Chr. zusätzlich die jahrhundertealte griechische Weinkultur nach Ägypten, technische Fortschritte im Anbau und der Weingenuss selbst etablierten sich dadurch in weiteren Bevölkerungsschichten. Wein fungierte nun häufig als beliebtes Zahlungsmittel. Ob Bauarbeiter, Handwerker, Händler oder städtischer Amtsträger – sie alle erhielten für ihre Leistungen mehr oder weniger edle Tropfen. Das Archiv des Grundverwalters Apollonios vom Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. enthält über 50 Geschäftsbriefe, Abrechnungen und Zahlungsaufträge, die beweisen, dass diese Praxis alltäglich war; seine Zahlungsanweisung für den Wein zu einem Geburtstagsfest ist eines der Highlights der Ausstellung. 

Ebenso üblich war die Bezahlung der Pacht in der flüssigen Naturalie, wie eine spätantike Vertragsurkunde zwischen dem Weinbauern Aurelios Abraamios und dem Grundherrn Flavios Demetrios zeigt. Neben einigen anderen landwirtschaftlichen Produkten und einem Ferkel bedingt sich Demetrios für die Überlassung der Anbaufläche den halben Ertrag des Weingartens aus. 

Das Traubenlesen und das Keltern sind körperlich anstrengende Arbeiten. Um den Arbeitskräften durch Vorgabe eines Rhythmus ihre beschwerlichen Tätigkeiten zu erleichtern und sie bei Laune zu halten, bediente man sich schon damals der Musik. Offenbar musste man die geeigneten Musiker rechtzeitig buchen, denn der in der Ausstellung gezeigte Arbeitsvertrag mit einem Flötenspieler wurde bereits ein halbes Jahr vor der Weinlese geschlossen. 

Die Sorge um den Wein

Auf einem Papyrus aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. hält Aurelios Apollos fest, von Flavius Pseei den Kaufpreis für 2.500 Dipla Wein im Voraus erhalten zu haben; das entspricht mehr als 8.000 Litern und war auch damals schon eine beeindruckende Menge. Wofür Flavius Pseei so viel Wein benötigte, wissen wir nicht; aber auch bei geringerem Weinbedarf war man generell gut beraten, sich diesen rechtzeitig zu sichern – zumindest legen dies die Papyri nahe. 

Gerne kaufte man in der Spätantike seinen Wein, noch bevor dieser überhaupt produziert worden war. Man bezahlte ihn im Vorhinein, die Auslieferung erfolgte dann nach der nächsten Ernte. Ein solches Geschäft benötigt natürlich Zuversicht, aber da Vertrauen nicht alles ist, sind die Details solcher Käufe penibel geregelt und auf Papyrus erhalten.

Pünktlich zur Ernte mussten Gefäße in ausreichender Menge vorhanden sein, denn bei einem Engpass konnte der Wein nicht abgefüllt werden und drohte zu verderben. Diese Befürchtung hat auch ein Schreiber in einem Papyrus zum Ausdruck gebracht, wo es heißt: „Wir haben keine Gefäße, wir verlieren den Wein!“

Auch für kleinere und größere Weinlieferungen waren natürlich Transport- und Lagerbehältnisse vonnöten. Dennoch konnte der Wein jederzeit kippen, wie die Kritik des Händlers Yazīd an Abū’Alī zeigt, in dessen Auftrag er unterwegs ist, um Wein auszuliefern und zu verkaufen. In diesem in Koptisch verfassten Brief aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. heißt es: „Und wirklich, ich wundere mich über Dich, denn ich habe 40 mit Siegel versehene (Krüge) Wein, der zu Essig wurde, gefunden“. Yazīd schickt diese daher kurzerhand an Abū’Alī zurück. 

Auch nach der arabischen Eroberung Ägyptens im 7. Jahrhundert wurde weiterhin Wein produziert und konsumiert, etwa in koptischen Klöstern. Der in der Ausstellung gezeigte arabische Papyrusbrief eines Mannes aus dem 9./10. Jahrhundert und die Antwort seines Vaters, in denen es um die Inspektion des mütterlichen Weingartens geht, zeigt, dass Wein unter der Herrschaft der Kalifen keineswegs aus dem Alltagsleben verschwunden war. 

 

Höhepunkte der Ausstellung

Pachtvertrag eines Weingartens
Griechisch – Ägypten, 28. Aug. 624. n. Chr. – Papyrus

In diesem eindrucksvollen Beispiel einer spätantiken Vertragsurkunde pachtet der Weinbauer Aurelios Abraamios vom Ratsherrn Flavios Demetrios drei Aruren (ca. ein Hektar) Weinland aus dem Grundbesitz des Demetrios in der Nähe der Stadt Hermupolis, in der beide Vertragsparteien ihren Wohnsitz haben. Das Pachtverhältnis wird für drei Jahre geschlossen, wobei der Pächter ausdrücklich auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Teil des Vertrages sind neben dem Weinland auch die auf dem Grundstück befindlichen Zwischenpflanzen (darunter Dattelpalmen) und das zum Weingarten gehörende Zubehör: Bewässerungseinrichtungen, Kelteranlage und ein Turm. Anstelle eines festen Pachtzinses schuldet der Pächter dem Verpächter den halben Ertrag des produzierten Weins sowie diverse, in Pachtverträgen übliche Sondergaben wie ein Ferkel, Käse, Brot und Rettichöl.

Textiles Medaillon mit Kelterszene
Textilbild – Ägypten, 4.–5. Jh. n. Chr. – Bastfaser (Leinen?); Wolle

Das kleine Medaillon (Orbiculus) ist ein Unikat sowohl hinsichtlich seiner Qualität in der technischen Ausführung als auch in der Ikonografie und zeigt den hohen Stand der Textilkunst. Zu sehen sind oben drei Männer, von denen einer die Weinmaische stampft und zwei andere die Gefäße für den Wein heranbringen. Im unteren Bildteil melkt eine weibliche Figur eine Ziege. Das kleine Format, aber auch die kunsthandwerkliche Gestaltung sprechen für die Verwendung als Zierstück, das an Schulter- oder Kniehöhe eines sorgfältig ausgeführten Gewandes angebracht war. Die Wirkerei wurde erst nach der Fertigstellung auf ein separat hergestelltes Grundgewebe aufgenäht. Verwendet wurde sehr fein gesponnenes Garn, verschiedene Farbtöne verschaffen den Figuren Plastizität. 

Arbeitsvertrag mit einem Flötenspieler zur Unterhaltung bei der Weinlese
Griechisch – Hermupolis, 20. Dez. 321 n. Chr. – Papyrus 
Der aus mehreren Papyri bekannte Aurelios Adelphios, Mitglied der städtischen Elite von Hermupolis, der als Grundbesitzer auch Weinbau betreibt, schließt in diesem Text einen Arbeitsvertrag mit einem Unterhaltungskünstler: Der Flötenspieler verpflichtet sich, bei der kommenden Weinlese die Kelterer und andere Erntearbeiter mit seinem Flötenspiel zu unterhalten und dies verlässlich bis zum Ende der Ernte zu tun. Die Untermalung der Weinlese durch Musik sowie die Taktvorgabe für die Traubentreter durch einen Musikanten begegnen uns in zahlreichen antiken Darstellungen.

Weinlieferungskauf über mehr als 8.000 Liter Wein 
Griechisch – Herakleopolites, 11. September 546 oder 561 n. Chr. – Papyrus

Dieser Papyrus ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele für einen Weinlieferungskauf aus dem Bezirk Herakleopolites. Aurelius Apollos bestätigt darin Flavius Pseei den Erhalt des Kaufpreises für die Lieferung von 2.500 Dipla Wein (rd. 8.190 Liter). Dies ist mit Abstand die größte in spätantiken Lieferungskäufen bezeugte Weinmenge überhaupt! Wofür so viel Wein benötigt wurde, ist leider nicht angeführt. Die einzelnen Bezirke verwendeten standardisierte, aber unterschiedliche Vertragsbedingungen. Die Garantiedauer im Herakleopolites ist etwa neun Monate, also drei Monate länger als in anderen Landesteilen. Auch muss der Käufer im Herakleopolites explizit neue Weingefäße stellen und dem Käufer wird der Zugriff auf das gesamte Vermögen des Verkäufers eingeräumt. Wegen der hohen Weinmenge wurde anscheinend besonders viel Wert auf die Absicherung des Käuferinteresses gelegt.

Geschäft mit zwei Winzerinnen
Griechisch – Arsinoiton Polis, 6. Jh. n. Chr. – Papyrus

Die Schwestern Anna und Tgothis bestätigen an einem 15. oder 16. Februar einer dritten Person, dass sie im kommenden Juli/August wohlschmeckenden Weinmost im richtigen Maße übergeben werden. Sollte der Wein bis Dezember/ Jänner aber zu Essig geworden sein, werden sie ihn ersetzen. Im griechischen Text fehlt das Wort für Preis. Daher ist unklar, ob es sich um ein Weindarlehen oder einen Weinlieferungskauf handelt; die erhaltene Garantieklausel spricht jedoch eher für den Kauf. 

Verzeichnis von Ausgaben an Wein 
Griechisch – Ägypten, 21. April 321 n. Chr. – Papyrus

Das Doppelblatt aus dem Rechnungsbuch eines großen Haushaltes ist ein sehr frühes Beispiel für die neue Buchform Codex, die ab dem 4. Jahrhundert die damals übliche Buchrolle ablöste. Generell sind Papyrus-Codices selten und wenn sie verwendet wurden, dann vor allem in der Buchführung. Die Empfänger der Weinzahlungen in diesem Papyrus sind z. B. ein Schriftsteller, Köche, Schauspieler oder Officiales aus dem Büro des Statthalters. Zwei Zahlungsposten springen besonders ins Auge: der Arzt Achilleus erhielt „am Fest des Asklepiades“ 6 Knidien Wein (ca. 12–24 Liter) und etwas später sogar 20 Knidien (ca. 40–80 Liter) „am Fest der Homer-Verehrer“. Die Feier eines Homer-Festes verweist auf die kulturellen Aktivitäten der wohlhabenden Elite in den Metropolen Ägyptens, die demonstrativ ihre hellenische Bildung zur Schau stellten.

Wein für ein Geburtstagsfest
Griechisch – Pesla oder Hermupolis, Anf. 4. Jh. n. Chr. – Papyrus

Obwohl nur ein Bruchstück dieser Zahlungsanweisung erhalten ist, gibt sie einige interessante Informationen preis. Der Text stammt aus dem Archiv des Apollonios, einem Verwalter im Dienste eines höher gestellten Mannes namens Hyperechios. Apollonios wird in diesem Text ausnahmsweise mit zwei Titeln, nämlich als Weinverwalter und Gutsverwalter im Dorfe Pesla, angesprochen, und der Empfänger der Wein-Zahlung trägt die in Ägypten höchst selten belegte Bezeichnung „silentiarius“. Mit diesem Terminus können Haussklaven charakterisiert werden, in der Regel begegnen Silentiarii allerdings am Hofe spätantiker Kaiser, wo sie für den geordneten Ablauf der Audienzen zu sorgen hatten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein kaiserlicher Silentiarius in Hermupolis als Empfänger einer Weinzahlung auftritt, daher dürfte der Silentiarius hier einem privaten Haushalt angehören. Bemerkenswert ist ferner der Zahlungsgrund: Der Wein soll für das Geburtstagsfest des Hyperechios ausgefolgt werden. 

Einzige vollständig erhaltene Anweisung für die Auszahlung der „annona militaris“
Latein – Ägypten, 19. März 399 n. Chr. – Papyrus

Dies ist die einzige vollständige Anweisung zur Auszahlung der „annona militaris“ (reguläre Steuerleistung für die Heeresversorgung). Sie stammt aus der spätrömischen Militärverwaltung und ist daher in lateinischer Sprache. Die hier angegebenen Wein- und Fleischrationen sind für Soldaten der legio V Macedonica bestimmt, die zu dieser Zeit in Memphis stationiert war. Kommandant der Truppe ist Tribunus Flavius Gaiolus, der noch aus anderen Texten bekannt ist. Die Eintragungen für Wein (Zeile 1–3 mit 835 Tagesrationen) und Fleisch (Zeile 4–6) sind deutlich voneinander abgesetzt und beanspruchen durch die kleine Schrift nur wenig Platz auf dem Papyrus. Zwei große Kreise am Beginn der Zeilen dürften Bearbeitungsvermerke sein. Beide Eintragungen sind mit einem exakten Tagesdatum nach dem römischen Kalender und dem Konsulsjahr versehen, wie es bei Urkunden aus der Militärverwaltung zu erwarten ist. 

Liste mit Lorbeerwein und Fischbrühe gemischt mit Wein 
Koptisch (Sahidisch) – Ägypten, 7. Jh. n. Chr. – Papyrus

Weinsorten sind in koptisch dokumentarischen Quellen eher selten erwähnt. Diese Liste ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme, da sie Lorbeerwein und ein Gefäß Fischbrühe gemischt mit Wein nennt. Weiters sind Kohl, Gemüse, Mehl, Fischbrühe in Pfeffer, Fischbrühe in Öl, Kuchen und Wurst verzeichnet. Lorbeerwein ist ein Gewürzwein; dabei wird Lorbeer zerkleinert und in Rotwein aufgekocht.

Eingekochter Most für den Emir  
Griechisch – Hermopolites, 6. April 644 n. Chr. – Papyrus

Dieser knappen, sprachlich keineswegs glatten Mitteilung ist noch die große Eile anzumerken, die den Schreiber zur Abfassung dieser Bitte um augenblickliche Sendung von Most (hepsema) veranlasst hat. Das Schriftstück gehört zu einem umfangreichen Archiv von griechischen und koptischen Texten, die in den Jahren unmittelbar nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber verfasst wurden und deshalb von herausragender historischer Bedeutung sind. Ein guter Teil des Archives besteht aus der Korrespondenz zwischen Senuthios und Athanasios, zwei hochrangigen Verwaltungsbeamten im Bezirk Hermopolites. Nahezu der gesamte administrative Apparat dieser Jahre bestand noch aus den Griechisch oder Koptisch sprechenden Amtsträgern der byzantinischen Herrschaft, musste sich nun aber vordringlich um die Versorgung der in Ägypten stationierten arabischen Truppen kümmern. Der Brief reiht sich in eine Serie ähnlicher Schreiben ein, die unter großem Zeitdruck versuchen, den Forderungen der arabischen Militärs nach Verpflegungsgütern zu entsprechen. Beim vorliegenden Text geht es um eingekochten, verdickten Most, der für drei Kanzleibeamte (notarii) des arabischen Oberkommandanten, des Emirs, beschafft werden soll. Dieser speziell zubereitete Most wurde vor allem von Arabern konsumiert. Der Absender unterstreicht die Dringlichkeit der Forderung dadurch, dass er dem üblichen Tagesdatum auch die Stunde der Absendung hinzufügt. 

Korrespondenz zwischen Vater und Sohn über die Inspektion eines Weingartens der Mutter
Arabisch – Herakleopolites, 9./10. Jh. n. Chr. – Papyrus

Auf der Vorderseite dieses Briefes berichtet ‘Utmân b. Sa‘d seinem Vater Sa‘d b. Muzaffar vom Besuch auf einem Weingut, dessen Eigentümerin Sa‘ads Ehefrau und ‘Utmâns Mutter ist. Die Antwort des Vaters steht auf der Rückseite. 

Brief des ‘Utmân b. Sa‘d an seinen Vater:
Er berichtet, wie er im Dorfe Qalahâ nahe dem Weingut eingetroffen ist und ein mitgebrachtes Schreiben des Vaters einem gewissen Abû Ishaq, wohl dem Verwalter, zur Kenntnis gebracht hat. Sofort wird er mit Beschwerden der örtlichen Winzer konfrontiert, die im laufenden Jahr noch keinen Lohn erhalten haben. Er bittet den Vater, die Entlohnung möglichst bald vorzunehmen, da die Winzer ansonsten keine Arbeiten im Weingarten verrichten werden. 

Antwort des Sa‘d b. Muzaffar: 
Zunächst bestätigt der Vater den Erhalt des unversehrten (und ungelesenen) Briefes. Es folgen die geschäftlichen Instruktionen: Zuerst müsse die Bodensteuer entrichtet werden, danach könne man die Winzer entlohnen. Um die Zahlungen leisten zu können, will Sa‘ad den Wein bei sich verkaufen. ’Utmân soll eilig ein Boot mieten und den Wein zu ihm transportieren. Eine besondere Rolle spielt der Tagelöhner Ibrâhîm, der gesondert entlohnt werden soll und vielleicht als Vorarbeiter oder Aufseher diente. Aufgrund seines Namens ist er Muslim, während die Winzer möglicherweise Kopten waren. Abschließend wird auch die Bewässerung des Weingutes angesprochen und der Sohn nochmals zur Eile ermahnt. 

Diese Korrespondenz ist eines der seltenen Zeugnisse für die Weinproduktion im arabischen Ägypten und für Weinland im Besitz muslimischer Eigentümer. Die beiden Schreiben erwähnen die Ernte, den Verkauf des Weines, die Lohnarbeit im Weingarten und die Besteuerung, die dem Vater so viele Sorgen bereitet, dass er die Winzer erst bezahlen will, wenn die Steuer beglichen ist und klar wird, wie viel Erlös aus dem Verkauf des Weines noch übrig ist.

Pressekontakt:
Mag. Thomas Zauner
Kommunikation und Marketing
Josefsplatz 1
1015 Wien
Tel.: +43 1 534 10-270
thomas.zauner@onb.ac.at

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