Pressemeldung
18. Mai 2017
Handschriften und Papyri: Wege des Wissens
19. Mai 2017 – 14. Jänner 2018
Vor Gutenbergs epochaler Erfindung des Buchdrucks war die Vermittlung von Wissen ein schwieriges Unterfangen. Dennoch wurden viele antike Texte über sprachliche und religiöse Grenzen hinweg abgeschrieben und weitergereicht und so für uns aufbewahrt. „Handschriften und Papyri“, die neue Sonderausstellung im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek, bietet spannende Einblicke in diese oftmals verwinkelten Wege des Wissens. Über 50 Exponate – von einem der ältesten erhaltenen lateinischen Privatbriefe auf Papyrus bis zum kostbaren Pergamentcodex des Mittelalters – illustrieren eindrucksvoll die Gestaltung und Bewahrung von Texten in Zeiten, als „copy and paste“ noch mühevolle Handarbeit war.
Im Focus stehen die Klassiker des Altertums von Homer bis Vergil, aber auch Texte des römischen Rechts. Originale Briefe verdeutlichen zudem die Besonderheiten des privaten Wissenstransfers und machen so den Alltag der Antike lebendig. Die gezeigten Objekte stammen alle aus den Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek und dokumentieren die vielfältigen Bemühungen der Menschen um den Zugang zu Bildung und Literatur, illustrieren aber auch die Verbreitung von Nachrichten über die oftmals weit gespannten Netze der Kommunikation. Fast alles, was wir heute an schriftlichem Kulturgut des Altertums besitzen, ist uns über diese „Wege des Wissens“ überliefert worden.
Wissen ist Macht
Der heute viel verwendete Begriff der „Wissensgesellschaft“ ist relativ jung. Erst in den späten 1960er-Jahren von amerikanischen Soziologen und Wirtschaftstheoretikern geprägt, hat er uns für jenes kostbare Gut sensibilisiert, das nicht nur in den Wissenschaften, sondern längst auch in der Wirtschaft zum entscheidenden Erfolgsfaktor geworden ist. Der Zugang zum Wissen und die Weitergabe von Information haben aber natürlich auch schon davor in allen gesellschaftlichen Bereichen eine entscheidende Rolle gespielt.
Vor der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert musste jedoch jede Art der Publikation mühevoll von Hand kopiert werden. Die Medien dieser Vermittlung und des Austausches waren in der antiken Welt die Papyri, im Mittelalter die Handschriften und Urkunden auf Pergament. Sie alle waren Handarbeit und damit kostbare Unikate mit entsprechend kleinen „Auflagen“.
Reisen des Wissens
Abgesehen von der aufwändigen Produktion war auch der Versand ein heikles und riskantes Unterfangen. Während die römischen Kaiser über einen wohlorganisierten Depeschendienst und die mittelalterlichen Herrscher über bewaffnete Kuriere verfügten, waren alle anderen Menschen auf private Boten angewiesen. Bisweilen lassen uns Besitzervermerke die Reisen der Bücher nachvollziehen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Werk des berühmten römischen Geschichtsschreibers Titus Livius, der um die Zeitenwende lebte. Die ausgestellte Livius-Handschrift stammt aus dem 5. Jahrhundert und setzt sich aus 193 feinen Pergamentblättern zusammen. Aufgrund der Vermerke erscheint es am wahrscheinlichsten, dass der Codex von einem angelsächsischen Missionar im Zuge einer Romreise über die Alpen gebracht wurde und auf diesem Weg in das niederländische Handelszentrum Duurstede gelangte. Im 16. Jahrhundert wurde der Codex, der mittlerweile Bestandteil der Bibliothek des Klosters Lorsch geworden war, in schlechtem Zustand wiederentdeckt; nach weiteren Stationen erwarb Erzherzog Ferdinand II. das Werk, aus der Büchersammlung auf Schloss Ambras wurde die Handschrift schließlich im Jahr 1665 von der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien erworben.
So wie wertvolle Handschriften wurde auch die persönliche Korrespondenz durch Boten transportiert. Mit etwas Glück wurde der Brief über den konkreten Anlassfall hinaus aufbewahrt und ist so heute eine wichtige Quelle für das Alltagsleben in der Antike. Ein besonderes Beispiel dafür sind die sogenannten „Drei Briefe an Macedo“, die ältesten im Original erhaltenen Zeugnisse lateinischer Briefkultur. Die Papyrusbriefe aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. haben viele Eigenschaften, die uns auch heute noch vertraut sind: Absender, Empfänger und Gruß stehen in den ersten Zeilen; der lateinische Abschiedsgruß „Vale“ und ein Datum bilden den Abschluss.
Netzwerk des Wissens
Um die neueste Nachricht zu erfahren oder an ein bestimmtes Buch zu gelangen, musste man über weit gespannte Kontakte und ein entsprechendes Netzwerk verfügen. Besonders engmaschig war dieses Netz zwischen Bibliotheken und Gelehrten im Mittelalter, die für einen Großteil der Wissensvermittlung verantwortlich zeichneten. Die Exponate der Schau thematisieren die komplexen Prozesse bei der Überlieferung der lateinischen und griechischen Autoren und zeigen die vielfältigen Formen der Rezeption: Kopien, Übersetzungen, Kommentare. Ein besonders schönes Beispiel ist die eher luxuriöse Handschrift aus dem 13. Jahrhundert mit Basistexten zur Rhetorik: Neben mehreren Abschriften des antiken „Klassikers“ Cicero fand der Schreiber auf dem wertvollen Beschreibstoff Pergament noch Platz für ein passendes Lehrgedichtes aus dem 11. Jahrhundert. Der Inhalt des Codex wurde immer wieder studiert und schließlich im 14./15. Jahrhundert noch durch eine bemerkenswerte Sammlung von Rhetorik-Zitaten aus dem 13. Jahrhundert angereichert.
Lücken in der Wissensweitergabe
Eine beträchtliche Anzahl von Werken berühmter Literaten, Philosophen und Historiker des Altertums ging für immer verloren. Ein wesentlicher Grund dafür war sicher der Wechsel des Beschreibmaterials: Der Übergang von der brüchigen Papyrusrolle zum beständigeren Pergamentcodex war im 5. Jahrhundert im Wesentlichen abgeschlossen. Alles, was beim Kopieren von Rolle auf Codex nicht berücksichtigt wurde, wurde auch später nicht mehr kopiert und ging dadurch in den allermeisten Fällen für immer verloren.
Auch Feuersbrünste, Raubzüge und Kriege waren wichtige Gründe für die lückenhafte Überlieferung. Die größte Bedrohung war jedoch der „Zeitgeist“. Die Entscheidung darüber, welche Bücher es wert waren, wieder abgeschrieben zu werden, war von den Interessen einzelner Personen und dem Geschmack der jeweiligen Zeit geprägt. So bewirkten die politischen Umbrüche von der Antike zum Mittelalter einen folgenreichen Selektionsprozess in der Überlieferung älteren Schrifttums. Verstärkt wurden diese Umbrüche durch die zeitgleiche Verschiebung der Werte und Weltanschauungen vom heidnischen Rom hin zum christlichen Abendland, zumal die Handschriften dann fast ausschließlich in Klöstern abgeschrieben wurden. Dennoch verdanken wir nahezu alles, was von den klassischen Autoren der Griechen und Römer erhalten geblieben ist, der fleißigen und sorgfältigen Schreibarbeit der Mönche und ihrer Begeisterung für die Literatur der Antike.
Wie verschlungen die Wege des Wissens und der Wissensweitergabe sein können, lässt sich auch gut an der „Naturgeschichte“ von Plinius dem Älteren zeigen: Seine „Naturalis historia“, eine bemerkenswerte Enzyklopädie der Naturgeschichte aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., galt irgendwann als überflüssig; die Spannbreite an Themen, die in ihr behandelt werden, ging weit über das hinaus, was für grundlegende religiöse oder administrative Tätigkeiten benötigt wurde. Zum Wegwerfen war die Pergamenthandschrift anscheinend dennoch zu schade und wurde daher recycelt. Teile davon wurden in einem Papyruscodex wiederentdeckt, nämlich in der Abschrift „De trinitate“ („Über die Dreifaltigkeit“) des bedeutenden lateinischen Kirchenschriftstellers Hilarius von Poitiers. „Naturalis historia“ wurde zerschnitten und mitgebunden, um „De trinitate“ zu verstärken, damit die durch die Blätter gezogenen Heftfäden die Papyrusblätter nicht zerschneiden – ähnlich wie Verstärkungsringe für Papier in modernen Ringmappen. Auch diese Sonderform der Wissensweitergabe ist also in der Ausstellung „Handschriften und Papyri“ durch außergewöhnliche Objekte dokumentiert.
Höhepunkte antiken und mittelalterlichen Wissenstransfers
Drei Briefe an Macedo
Latein – Ägypten, 5–2 v. Chr. – Papyrus
Diese Privatbriefe stellen die ältesten im Original erhaltenen Zeugnisse lateinischer Briefkultur sowie das früheste sicher datierbare Beispiel für die römische Dokumentenschrift dar. Sie sind an einen Römer namens Macedo adressiert, der vom Absender vor übler Nachrede gewarnt wird: „Diaconus grüßt seinen Macedo. Ich kann es nicht vermeiden, Dir zu schreiben, dass Du kräftig angeschwärzt wirst bei Iucundus und Dido vom Freigelassenen des Domitius. Deshalb, mein Kamerad, gib Dir Mühe, Dich bei ihnen zu rechtfertigen. Er hat auch dem Nireus, seinem Mitfreigelassenen, viele üble Dinge über Dich geschrieben; er hat ihm, wie ich annehme, geglaubt, und er lästert über Dich nicht wenig. Meine Kameraden grüßen Dich. Grüße Du die Deinigen, bitte. Liebe uns, wie Du es immer getan hast. Lebe wohl! Am 14. Tag vor den Kalenden des August, am 27. Epeiph (= 19. Juli).“
Homer, 6. Buch der „Ilias“, und Flächenberechnungen
Griechisch – Soknopaiu Nesos (Fayum), 1.–2. Jh. – Papyrus
Diese Rolle, von der noch ein ansehnliches Stück erhalten geblieben ist, dürfte ihrem Inhalt nach für den Schulgebrauch hergestellt worden sein. Auf der ausgestellten Vorderseite finden sich Verse aus dem 6. Buch der „Ilias“ und fünf mathematische Aufgaben, die auch durch Zeichnungen veranschaulicht werden. Der hier aufgezeichnete Passus beinhaltet eine der berühmtesten Szenen aus der „Ilias“: Hektor sucht seine Gattin Andromache und als er sie nicht im Gemach findet, erkundigt er sich bei den Mägden, wo sie sei. Er eilt ihr entgegen und trifft am Skäischen Tor auf sie. Dort kommt es zu einer berührenden Begegnung der liebenden Eheleute und ihres kleinen Sohnes Astyanax, der vor dem flatternden Helmbusch des Vaters erschrickt.
Glossar zum 15. Buch der „Ilias“
Griechisch – Ägypten, 2. Jh. – Papyrus
Als der buchhalterische Text der Vorderseite, eine Aufstellung über Restbeträge in Drachmen, obsolet geworden war, hat man die leere Rückseite der Rolle genützt, um in sorgfältiger Handschrift eine Wörterliste zu homerischen Begriffen zusammenzustellen. Wie bei einem Vokabelheft stehen links die originalen Wörter des Homer-Textes, rechts die Entsprechungen im gesprochenen Griechisch der hellenistischen und römischen Zeit. Die homerischen Wörter stammen aus dem 15. Buch der „Ilias“ und erscheinen in derselben Reihenfolge, in der sie im Homer-Text vorkommen. Dieses Glossar sollte demnach die Lektüre des Epos begleiten und erleichtern.
Kondolenzbrief des Eudaimon an Hermodoros
Griechisch – Hermupolis?, 3.–4. Jh. – Papyrus
Dieses fast vollständige Schreiben enthält den Ausdruck des Beileids, den der Offizier Eudaimon seinem (vielleicht leiblichen) Bruder (oder Schwager) Hermodoros zum Tode der Tochter übermittelt. Eudaimon umschreibt den Tod mit der Phrase „etwas Menschliches“ erleiden; Wörter wie „Tod“ oder „sterben“ werden vermieden. Auch der Gedanke, dass einem früh Verstorbenen das bittere Schicksal des Erdenlebens erspart bleibt, gehört zum üblichen Repertoire des schriftlichen Trostes. „Eudaimon grüßt seinen Herrn Bruder Hermodoros. Bei Deiner Gesundheit! Wenn nicht die mir jetzt obliegenden Aufträge solche wären und so wichtige, dass sie unvermeidlich wären, hätte ich alles zurückgelassen und wäre selbst zu Euch gekommen, um Euch die Ehre zu erweisen und über das Menschliche zu sprechen, das Eurer Tochter widerfahren ist, am meisten der Schwester gegenüber. Denn ich weiß, dass Du ein Mensch bist und durch Prüfungen in vielem (so) geworden bist und Dich zu beherrschen imstande sein wirst. Ich bitte Dich aber, auch mit Deiner Schwester das Nötige wegen dieser Angelegenheit zu besprechen. Denn keiner der einfach Gezeugten ist unsterblich. Jene (Anm.: die Verstorbene) ist glückselig, dem elenden und jammervollen Leben entflohen zu sein, bevor Unheil sich einstellte, diese (Anm.: die Schwester) aber muss, obwohl sie sich auf diese Weise in einem schlechten Zustand befindet, dennoch [ – ] Ich bitte Dich, Herr, wenn Du jemals denen in der Not nützlich warst, jetzt [ – ]“.
Cicero, „In Catilinam“
Latein und Griechisch – Arsinoites?, 4. Jh. – Papyrus
Das vorliegende Bruchstück ist das beidseitig beschriebenes inneres Doppelblatt eines Codex, der eine zweisprachige Ausgabe von Ciceros erster Rede gegen Catilina enthielt. Jede Seite zeigte zwei Kolumnen, wobei die linke Kolumne den lateinischen Text enthielt, dem in der rechten Kolumne ein griechischer Text gegenübergestellt war, der allerdings keine wortwörtliche Übersetzung bot, sondern eine Paraphrase. Diese sollte dem griechischsprachigen Benützer das Verständnis des lateinischen Originaltextes erleichtern. Um die Betonung beim (lauten) Lesen zu erleichtern, wurden Akzente über den Text gesetzt.
C. Sallustius Crispus, „Historiae“
Latein – Arsinoites?, 4.–5. Jh. – Pergament
Das Pergamentfragment bewahrt den Teil eines Doppelblattes aus einem Pergament-Codex, der die „Historiae“ des bekannten römischen Historiographen und Politikers Caius Sallustius Crispus (86–35 v. Chr.) enthielt. Diesem Fragment mit der eleganten Buchschrift vom Typus der Capitalis rustica kommt außergewöhnliche Bedeutung zu, weil es einen Passus aus dem verlorenen ersten Buch von Sallusts „Historiae“ enthält. Die auffällige „durchlöcherte“ Erscheinung des Blattes wurde durch eine chemische Reaktion hervorgerufen: Die metallhaltige Tinte hat sich durch das Pergament gefressen, sodass die Buchstaben wie ausgestochen erscheinen.
C. Plinius Secundus, „Naturalis historia“
Latein – (Süd?-) Italien, 1. Hälfte 5. Jh. – Pergament
Diese Pergamenthandschrift wurde einst in 27 Streifen geschnitten und in einem Papyruscodex des 6. Jahrhunderts entdeckt (Hilarius von Poitiers „Über die Dreifaltigkeit“), dessen Lagen er verstärken sollte. Die Streifen überliefern Textstellen aus dem 33. und 34. Buch der „Naturgeschichte“ von Plinius dem Älteren (23–79). Erhalten sind heute die unterschiedlichen Reste von sieben Blättern, die in zwei Spalten auf beiden Seiten ohne Worttrennung und Interpunktion beschrieben sind.
Theologische Sammelhandschrift mit Nikodemus-Evangelium (Faksimile)
Latein – Norditalien? und Neuweiler im Elsass, 5., 8. & 11.–12. Jh. – Pergament (Palimpsest)
Dieser Codex beinhaltet 172 Blätter mehrerer Handschriften unterschiedlicher Herkunft aus über vier Jahrhunderten. Bei einem Teil der Handschrift handelt es sich um palimpsestierte Blätter aus Italien. Palimpsest bezeichnet Textseiten, die beschrieben, dann aus unterschiedlichsten Gründen vom Text gereinigt und danach neu beschrieben wurden. Der rekonstruierbare Untertext dieses Palimpsests überliefert u. a. umfangreiche Fragmente des Nikodemus-Apokryphen, einem der populärsten neutestamentlichen Evangelien, die nicht in die Bibel aufgenommen wurden. Die sprachgetreue lateinische Übersetzung ist von großer Bedeutung, weil sie ihrer griechischen Vorlage, die selbst nach 425 verfasst worden sein muss, zeitlich offenbar sehr nahestand.
Testamentum Salomonis
Griechisch – Ägypten, 5.–6. Jh. – Papyrus
König Salomon hat der biblischen Erzählung nach Dämonen gezähmt und gezwungen, ihm beim Bau des Tempels in Jerusalem zu helfen. Das bis ins hohe Mittelalter benutzte literarische Werk mit dem Titel „Testament des Salomon“ gibt vor, das magische Wissen Salomons zu vermitteln; es ist sozusagen eine Lehre, um mit Dämonen fertig zu werden. Der erhaltene Passus auf dieser Papyrusrolle zählt die Namen und Bedeutungen von sieben Sternbildern und den ihnen zugeordneten Dämonen auf. Als der einzigen noch aus der Antike stammenden Abschrift kommt diesem Papyrusfragment besondere Bedeutung zu.
Hilarius von Poitiers, „De trinitate“
Latein – Süditalien?, 6. Jh. – Papyrus
Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt den einzigen nahezu vollständigen Papyruscodex Österreichs. Dieses besondere Objekt enthält die Abschrift des Werkes „De trinitate“ („Über die Dreifaltigkeit“) des Hilarius von Poitiers, einem der bedeutendsten lateinischen Kirchenschriftsteller des 4. Jahrhunderts. Das Werk ist eine theologische Streitschrift gegen den Arianismus. Diese Lehre behauptete, dass der Vater allein Gott ist, während Jesus und der Heilige Geist eine unterschiedliche göttliche Natur hätten. Damit stand diese christliche Bewegung im Widerspruch zur Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes, die sich schließlich durchsetzte und noch heute gültiges Dogma der christlichen Kirchen ist. Weil Hilarius gegen den Arianismus argumentierte, war seine Schrift ein viel gelesener Schlüsseltext in der Kontroverse und wurde aus diesem Grund im 6. Jahrhundert in Süditalien erneut kopiert. Später entfernte man einige Blätter aus dem Buch, zerschnitt sie und gab sie als eigenhändige Werke des berühmten Kirchenvaters Augustinus (354–430) aus. Diese Bruchstücke wurden daher wie Reliquien behandelt. Im 18. Jahrhundert war die Handschrift im Besitz der adeligen Familie Colloredo, die sie schließlich der kaiserlichen Hofbibliothek schenkte.
Sammelhandschrift rhetorischer Werke
Latein – Ober- oder Mittelitalien, Anfang 13. Jh. – Pergament
Die luxuriöse Handschrift enthält eine Reihe von Basistexten zur Rhetorik: u. a. Ciceros „De inventione“. Sehr bald wurde noch eine Abschrift des leoninischen Lehrgedichtes „De ornamentis verborum“ (um 1080) von Marbodus von Rennes auf leerem Platz hinzugefügt. Der Inhalt des Codex wurde immer wieder studiert und schließlich, im 14./15. Jahrhundert, auch durch eine bemerkenswerte Sammlung von die Rhetorik betreffenden Zitaten aus Werken des Raimund Lull angereichert.
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