Robert Menasse, geboren am 21. 6. 1954 in Wien, studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Wien, Salzburg und Messina. Lebt und arbeitet heute als freier Schriftsteller hauptsächlich in Wien.
Bereits als Achtzehnjähriger veröffentlichte Robert Menasse seine erste Erzählung "Nägelbeißen" (1973) in der Zeitschrift "Neue Wege" und arbeitete danach - mit Unterbrechungen - von 1975 bis 1980 an einem Roman mit dem Titel "Kopfwehmut". Das fragmentarische Werk, das ein Wien-Panorama der 1970er-Jahre nach dem Vorbild der Gesellschaftsromane von Dostojewski bis Doderer entwerfen sollte, blieb unveröffentlicht. Nach der Promotion mit einer Arbeit zum Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb kehrte Menasse Österreich den Rücken und lehrte als Lektor und Gastdozent von 1981 bis 1988 am Institut für Literaturtheorie der Universität Sao Paulo. In Brasilien begann er auch sein literarisches Großprojekt, "Trilogie der Entgeisterung", das die Romane "Sinnliche Gewißheit" (1988), "Selige Zeiten, brüchige Welt" (1991) und "Schubumkehr" (1995) sowie die Nachschrift "Phänomenologie der Entgeisterung" (1995) umfaßt. Die sich zwischen Avantgarde und Realismus bewegende Erzählweise, deren Unterhaltsamkeit und witzig-ironische Gebrochenheit weitgehendes Kritikerlob evozierte, haben den Ruf Menasses als poeta doctus begründet. In den Texten besticht nicht nur seine Fabulierkunst, sondern im besonderen seine angewandte Technik der Zitat-Montage und die spielerische Anlehnung an eine an Hegel geschulte Dialektik.
Neben Menasses erzählerischem Werk sind es seine Essays und kulturtheoretischen Schriften, die ihn bekannt gemacht haben und oft polarisierende Wirkung zeigten. "Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik" (1990) ist eine politische Literaturgeschichte der Zweiten Republik, in der Menasse die nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte "Sozialpartnerschaft" Österreichs, also den Zusammenschluß von Regierung und Interessenverbänden zur gesellschaftlichen Konfliktvermeidung, in ihren 'literar-ästhetischen' Auswirkungen analysiert und aufs Korn nimmt. Insbesondere "Das Land ohne Eigenschaften" (1992), das die österreichische Identität als ein in sich logisches Gebilde von Widersprüchen und Absurditäten erscheinen läßt, brachte dem Schriftsteller den Ruf eines "Nestbeschmutzers", zugleich aber auch den eines der geistreichsten Essayisten des Landes ein. Der dem österreichischen Leben innewohnenden Dialektik von Schein und Sein sind auch die Essays in den Bänden "Hysterien und andere historische Irrtümer" (1996), "Dummheit ist machbar" (1999), "Erklär mir Österreich" (2000) und "Das war Österreich" (2005) gewidmet. Scharfe Kritik erfuhr Menasse, als er im Mai 2005 in den Frankfurter Poetik-Vorlesungen mit "Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung" den Terror des 11. September 2001 als "unsere Rettung im dialektischen Sinne" und die Terroristen selbst als "Ideal einer individuellen Entfaltung" bezeichnete. Auch wenn Menasses radikale Gedankenspiele zuweilen als intellektuelle Zumutungen kritisiert werden, führen sie nichtsdestotrotz souverän den Kampf um die Interpretation überlieferter Begriffe und Allgemeinplätze vor. Künstlerische Entfaltung erfährt diese Haltung auch im Roman "Die Vertreibung aus der Hölle" (2001), dessen zentrales Thema die Frage ist, ob Geschichte in einem objektiven Sinn überhaupt existiert, wobei stärker als zuvor an die jüdischen Wurzeln des Autors angeknüpft wird. Weitere Werke von Robert Menasse sind u.a. "Don Juan de la Mancha oder die Erziehung der Lust" (2007), "Ich kann jeder sagen" (2009), "Der Europäische Landbote" (2012), "Heimat ist die schönste Utopie. Reden (wir) über Europa" (2014), "Was ist Literatur. Ein Miniatur-Bildungsroman" (2015), "Die Hauptstadt" (2017).
Für sein Schaffen wurde der Schriftsteller und Essayist bisher mit einer Vielzahl an Preisen und Auszeichnungen geehrt, beispielsweise mit dem Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur (1987 und 1991), dem Heimito-von-Doderer-Preis (1990), dem Literaturpreis der Stadt Marburg/Lahn (1994), dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik (1998), dem Hölderlin-Literaturpreis der Stadt Bad Homburg (2002), dem Erich-Fried-Preis (2003) und dem Niederländischen Buchpreis (2003). 2006 wurde er zum Ritter des französischen Ordens der Arts et Lettres ernannt. 2010 wurde ihm das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen. 2012 erhielt Menasse den Österreichischen Kunstpreis, 2013 den Heinrich-Mann-Preis, 2014 den Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich. Für "Der Europäische Landbote" wurde ihm 2015 der Prix du Livre Europeen überreicht. 2017 erhielt Menasse den Deutschen Buchpreis, 2019 die Carl-Zuckmayer-Medaille.