Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Adelheid Dworak wurde als jüngstes Kind einer Arbeiterin und eines Webers 1869 in Inzersdorf bei Wien geboren. Von ihren vierzehn Geschwistern überlebten nur vier. Nach drei Jahren Volksschule musste Adelheid Popp diese abbrechen und begann zu arbeiten – erst als Heimarbeiterin und Dienstmädchen, dann mit vierzehn Jahren in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse und später in einer Korkfabrik. Die ihr aufgrund des frühen Schulabbruchs fehlende Bildung eignete sie sich im Laufe ihrer Politisierung selbst an. Später unterstützte sie Emma Adler diesbezüglich und lehrte sie Deutsch und Englisch. 1893 heiratete sie Julius Popp. Er war ebenfalls Sozialdemokrat, starb allerdings, ebenso wie die beiden gemeinsamen Söhne, bald.
Als Jugendliche kam sie über einen Freund und die Lektüre der Zeitung „Gleichheit“ (später „Arbeiterzeitung“) mit der Sozialdemokratie in Kontakt. Sie begann politische Versammlungen zu besuchen. Seit 1891 war sie Mitglied des Arbeiterinnen-Bildungsvereins, in dessen Vorstand sie später gewählt wurde. Im selben Jahr ergriff sie erstmals bei einer Veranstaltung das Wort am RednerInnenpult. Popp sprach über die Lage der Arbeiterinnen und machte das zum Thema, was sie zuvor in den Zeitungen und Reden der Sozialdemokratie vermisst hatte. Seit Anfang der 1890er Jahre war sie eine vielgefragte und weitgereiste Rednerin und Agitatorin. Dabei war sie als Frau aufgrund ihres Geschlechts verschiedensten Diskriminierungen ausgesetzt. Sie war zu einer „öffentlichen Frau“ geworden, sehr bekannt – auch bei Polizei und Obrigkeit.
1891 forderten sozialdemokratische Frauen von der Parteileitung die Herausgabe einer Frauenzeitung. Der Parteitag war anfangs dagegen, stimmte dem Projekt aber letztlich zu. Popp wurde 1893 zur Redakteurin der "Arbeiterinnen-Zeitung" ernannt und blieb es bis 1934. Die Themen reichten von (Frauen)Bildung, Frauenwahlrecht über Sozialgesetzgebung und Eherecht, der Forderung nach einem Nachtarbeitsverbot usw. Das führte auch zu Konflikten mit dem Gesetz, 1895 wurde Popp wegen der "Herabwürdigung der Ehe und Familie" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Adelheid Popp war nicht nur Redakteurin und ab 1919 Herausgeberin der „Arbeiterinnen-Zeitung“, sondern veröffentliche auch zahlreiche Artikel in dieser und anderen Zeitungen, Bücher und politische Broschüren. 1912 gab sie das „Gedenkbuch 20 Jahre österreichische Arbeiterinnenbewegung“ und 1929 „Der Weg zur Höhe“, der sich Aufbau, Aufstieg und Zielen der sozialdemokratischen Frauenbewegung widmete, heraus. Diese Bücher stellten bereits erste Historisierungen der eigenen Geschichte - der Geschichte der Arbeiterinnenbewegung und sozialdemokratischen Frauenbewegung – dar.
Lange Zeit wurden die frauenpolitischen Aktivitäten von der Partei nicht unterstützt: Frauen wie Popp und andere Sozialdemokratinnen übten beständig Kritik und forderten eine Quotenregelung auf den Parteitagen. Die Gründung des Frauenzentralkomitees 1898 war deshalb ein wesentlicher Schritt zur autonomen Organisierung und Mobilisierung der Frauen. Adelheid Popp war von Anfang an Mitglied des Frauenzentralkomitees und blieb es bis 1933. Sie hatte lange Zeit eine zentrale Stellung in der sozialdemokratischen Frauenorganisation und nimmt eine wichtige Stellung in der Rezeption ein.
Popp war auch in weiteren Frauenvereinen aktiv. Sie begründete 1893 den Lese- und Diskutierklub Libertas mit. 1902 wurde Popp in den Vorstand des Vereins der Heimarbeiterinnen von Wien-Ottakring gewählt und gründete im selben Jahr, gemeinsam mit Anna Boschek, Amalie Seidel, Gabriele Proft und Therese Schlesinger den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen und übernahm 1916 den Vorsitz des Internationalen Sozialdemokratischen Frauenkomitees.
Während des Ersten Weltkriegs gehörte sie zu denjenigen innerhalb der Sozialdemokratie, die gegen eine offensive Friedenspolitik waren und sich gegen die Publikation von kritischen Artikeln von SozialdemokratInnen in der „Arbeiterinnen-Zeitung“ stellten. In den Parteivorstand wurde Adelheid Popp 1918 gewählt. Sie hatte sich als ausgesprochen loyale Parteifrau erwiesen und verteidigte die Partei auch dann, wenn andere Frauen diese kritisierten. 1919 war sie Mitglied der konstituierenden Nationalversammlung und zog 1920 als eine von sieben Sozialdemokratinnen in den Nationalrat ein. Sie war die allererste Frau, die eine Rede im Hohen Haus hielt. Bei Gesetzesvorlagen zur Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen, wie gleicher Lohn, eine Reform des Eherechts, usw., war sie entscheidend beteiligt.
1933 zog Popp sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Kurz danach wurden im Zuge der Ausschaltung der Demokratie und der Etablierung des austrofaschistischen Ständestaates alle sozialdemokratischen Vereine und Organisationen verboten. Popp verstarb am 7. März 1939 an einem Schlaganfall. 1949 wurde ein Gemeindebau in Wien nach ihr benannt - der Adelheid-Popp-Hof. Ferner gibt es den Adelheid-Popp-Park, im 17. Bezirk im Bereich Geblergasse, und im 22. Bezirk, im Bereich Erzherzog-Karl-Straße/Stadlauer Straße, die Adelheid-Popp-Gasse.
das rote wien
Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus, 290-293
Köpl: Adelheid Popp. – In: "Die Partei hat mich nie enttäuscht …", 5-43
Lexikon
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen
Popp, Adelheid, geb. Dworak
Frauenrechtlerin
11.2.1869 (Inzersdorf b. Wien) - 7.3.1939 (Wien)
Schon mit zehn Jahren musste P. die Schule verlassen, um als Dienstmädchen und später als Fabrikarbeiterin zum Familienunterhalt beizutragen. Ihr Vater, ein Weber, war Alkoholiker, die Mutter war nach der Geburt von 15 Kindern früh gealtert. In den 1880er Jahren schloss sich P. der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) an und hielt 17-jährig auf einer Parteiversammlung ihre erste flammende Rede über die unerträgliche Situation der Arbeiterinnen. 1892-1934 war sie Redakteurin der Wiener "Arbeiterinnenzeitung", die sie mitbegründet hatte. 1902 gründete sie außerdem den "Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen". 1918 wurde sie in den Parteivorstand der SPÖ und in den Wiener Gemeinderat gewählt, 1919-34 war sie Mitglied des österreichischen Parlaments. Zeit ihres Lebens kämpfte P. für die Rechte der Frauen, für eine Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen und Dienstmädchen, für Wahlrecht sowie für Gleichberechtigung in der Ehe. Mit der anonymen Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen "Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin" (1909) motivierte sie viele Arbeiterfrauen, sich der Sozialdemokratie anzuschließen. Schon im Erscheinungsjahr wurde das Buch dreimal aufgelegt, es folgten zahlreiche weitere Auflagen und Übersetzungen in viele europäische Sprachen. Zu P.s weiteren Veröffentlichungen zählen "Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft" (1922) und "Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs" (1929). Verheiratet war sie seit 1893 mit dem Parteifunktionär Julius P., mit dem sie zwei Kinder hatte.
Lexikon deutscher Frauen der Feder
Popp, Frau Adelheid, geb. Dworak, Wien XVII, Dornerplatz 13, geboren 1869 als Tochter eines Webers, der, als sie sechs Jahre alt war, starb. Mit 10 Jahren musste sie die Schule verlassen, und arbeiten. Sie häkelte Schafwolltücher und musste verschiedene andere Erwerbe suchen. Mit 14 Jahren kam sie in eine Fabrik, mit 17 Jahren wurde sie durch das Lesen der "Gleichheit", jetzige Arbeiterzeitung, Sozialdemokratin. Mit 21 Jahren sprach sie das erste Mal in einer öffentlichen Versammlung und zwar gänzlich unvorbereitet, aber enthusiasmiert durch den Vortragenden. Von nun an sprach sie jeden Sonntag in Wien und Umgebung. Bis zum Jahre 1893 arbeitete sie in einer Korkfabrik, dann wurde ihr im Oktober desselben Jahres die Redaktion der Arbeiterinnen-Zeitung übertragen, die sie noch immer führt. Sie schrieb die Broschüre: "Die Arbeiterin im Kampf ums Dasein", die in einer Auflage von 12000 Exemplaren verbreitet wurde. Ferner schrieb sie eine Reihe von Aufsätzen für verschiedene sozialdemokratische Blätter. Im Jahre 1895 wurde sie wegen eines Artikels in der "Arbeiterinnen-Zeitung" über die "Frau und das Eigentum" von den Geschworenen einstimmig wegen Herabwürdigung der Ehe zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Darüber erschien die Broschüre: "Freie Liebe und bürgerliche Ehe" mit einem Vorwort über den Prozess. Die Broschüre wurde in erster Auflage in 20000, in zweiter Auflage in 10000 Exemplaren verkauft. A. P. hatte nur drei Klassen Volksschule in einem Dorfe besucht. Was sie weiter lernte, ist das Resultat ihrer "Abend- und Sonntagsruhe". 1894 schloss sie eine Civilehe mit dem Eigentümer der Arbeiter-Zeitung, Herrn Popp.
Gürtler, Schmid-Bortenschlager: Eigensinn und Widerstand
Adelheid Popp (geb. Dworzak), geboren 1869 als 15. Tochter einer Weberfamilie in Inzersdorf bei Wien, gestorben 1939 in Wien, mußte bereits als Kind arbeiten, wurde 1892 Mitbegründerin und verantwortliche Redakteurin der "Arbeiterinnen-Zeitung", war seither als Publizistin und Agitatorin der sozialdemokratischen Frauenbewegung aktiv, 1909 erschien anonym ihre "Jugendgeschichte einer Arbeiterin", die in elf Sprachen übersetzt wurde, seit 1919 war sie Mitglied des Nationalrats, sie publizierte einige Erinnerungsbücher und Artikel zur Frauenfrage.
Österreichisches biographisches Lexikon
Popp Adelheid, geb. Dwořak, Politikerin. * Wien-Inzersdorf, 11. 2. 1869; † Wien, 7. 3. 1939. Tochter eines Webers; ab 1894 Gattin des Politikers Julius P. (s. d.), Schwägerin des Theaterdir. und Schauspielers Wilhelm P. (s. d.); besuchte 1876–79 die Volksschule, arbeitete jedoch bereits ab ihrem achten Lebensjahr, ab 1883 in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse, dann in einer Korkfabrik. P. begann schon damals mit aktiver Propaganda für die sozialdemokrat. Ideen. 1889 wurde sie Mitgl. des Wr. Arbeiterinnen-Bildungsver. Führende Sozialisten begannen sich für sie zu interessieren, u. a. Reumann, Engels, Bebel und V. Adler (s. d.), dessen Frau ihr Sprach- und Rechtschreibunterricht gab und großen Einfluß auf sie ausübte. Ab 1890 sprach P. auf vielen Versmlg. in allen Tle. der Monarchie und genoß den Ruf einer energ., begabten und sehr beliebten Agitatorin. 1893–1934 war P., die auch schriftsteller. tätig war, verantwortlicher Red. der 1892 gegründeten „Arbeiterinnen-Zeitung“. 1893 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Lese- und Diskutierklubs Libertas, zum Vorstand des Bildungsver. von Wien-Meidling sowie etwas später des Arbeiter-Bildungsver. von Wien-Rudolfsheim und organisierte in Wien mit Glas-Pohl und Ryba-Seidl die erste sozialdemokrat. Frauenversmlg. für die Erringung der polit. Rechte der Frauen. 1898 wurde P. Mitgl. des sozialdemokrat. Frauenreichskomitees, 1901 war sie im Vorstand des Ver. der Heimarbeiterinnen von Wien-Ottakring, 1918–23 Mitgl. des Wr. Gemeinderates, 1919–34 Abg. zum Nationalrat, wo sie bes. auf dem Gebiet des Familienrechtes und des Strafgesetzes aktiv war. Sie erreichte die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Dienstboten (Hausgehilfinnengesetz, Abschaffung der Dienstbotenordnung von 1808) und versuchte durch Gesetzvorlage die §§ 144 bis 148 (Abtreibungsgesetze) des Strafgesetzes zu mildern. Nach dem Ersten Weltkrieg forderte P. die Wiederbelebung der sozialist. Fraueninternationale. 1926 wurde sie Vertreterin der Frauen in der Exekutive der sozialist. Arbeiterinternationale. 1933 schied P. aus gesundheitlichen Gründen aus dem Sozialdemokrat. Parteivorstand aus, dem sie 30 Jahre lang angehört hatte. Ab 1934 lebte sie kränkelnd und zurückgezogen in Wien.
Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Korrespondenz zwischen Emma Adler und Adelheid Popp - In: VGA Wien, Adler-Archiv, Mappe 145
- Briefe von Adelheid Popp, Leopoldine Glöckel, Käthe Leichter, Therese Schlesinger, Frieda Nödl, Maria Emhart, Hella Postranecky an Rosa Jochmann - In: VGA Wien, Nachlass Rosa Jochmann
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-039647
- Emma Adler : Lebensbild einer seltenen Frau / Manuskript von Adelheid Popp - In: VGA Wien, Personennachlass Gabriele Proft, Karton 2, Mappe 4/4
- VGA Wien, Personenarchiv Adelheid Popp, Lade 22, Mappe 68