Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Auguste Fickert, die Tochter eines norddeutschen Vaters und einer Wiener Mutter, absolviert in Wien die St. Anna-Lehrerinnenbildungsanstalt, die sie 1876 abschließt. Danach unterrichtet sie bis zu ihrem Tod als Lehrerin an öffentlichen Volksschulen.
Auguste Fickert gilt als eine Repräsentantin und Pionierin des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung in Österreich sowie als „Sozialreformerin“ und „Frauenrechtlerin“. Sie setzt sich über Jahrzehnte für das Frauenwahlrecht, für eine Reform des Ehe- und Familienrechtes, für die Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium und für Frauen- und Mädchenbildung ein. Von der Lehrerin, die sich gegen die Diskriminierung des weiblichen Lehrpersonals wendet, entwickelt sie sich zur Aktivistin und Kämpferin für politische und soziale Rechte von Frauen. Äußerst engagiert und komromisslos wird Auguste Fickert beschrieben. Sie spricht bei Behörden vor, reicht Beschwerden und Petitionen ein, beruft Versammlungen ein, trägt vor, publiziert …. ZeitgenossInnen schreiben ihr die Position einer „Begründerin“ und „Führerin“ der österreichischen Frauenbewegung zu. Sie ist Identifikationsfigur für ihre AnhängerInnen, autoritäre Persönlichkeit ihren Mitarbeiterinnen gegenüber, bewundert und gefürchtet, nicht unumstritten.
In den 1880er Jahren, vermutlich 1872 tritt sie dem Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen Österreichs, der 1870 gegründet worden war, bei. Fickerts Name findet sich in der Presse seit Anfang der 1890er Jahre in Zusammenhang mit der Forderung nach dem Frauenstimmrecht. Als den steuerzahlenden Frauen Niederösterreichs im Zuge der Eingemeindung von Vorstädten in Wien das Wahlrecht entzogen werden soll, ruft Fickert 1889 zusammen mit Marie Schwarz und Marie Musill zum Protest auf. Die Bekanntgabe dieses Beschlusses war Anlass für die Mobilisierung von Frauen im Kampf um ihre politischen Rechte. In Folge kommt es 1893 zur Gründung des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins (AÖFV), der den radikalen Flügel der österreichischen Frauenbewegung repräsentiert, und Auguste Fickert wird dessen Präsidentin. Von anderen Frauenvereinen unterscheidet sich der AÖFV durch seine politischen Zielsetzungen.
Zusammen mit Rosa Mayreder und Marie Lang gründet sie 1899 die Zeitschrift „Dokumente der Frauen“, das Vereinsorgan des AÖFV, die politische, juristische und psychoanalytische Fragen der Frauenbewegung diskutiert. Nach einem Zerwürfnis mit Marie Lang und der Einstellung der "Dokumente der Frauen" gibt sie zwischen 1902 und 1910 die Zeitschrift "Neues Frauenleben" allein heraus.
Zu Auguste Fickerts Zielen gehören Schulreformen wie die Unentgeltlichkeit des Unterrichts und die Aufhebung des Zölibats für Lehrerinnen sowie die Bildung weiblicher Berufsvertretungen. Auguste Fickert spricht sich in ihren Artikeln kritisch gegen die ‚reaktionäre‘ Schulpolitik der Christlichsozialen aus. Damit kommt sie ins Visier ihrer Vorgesetzten. Die Schulbehörde führt gegen sie Disziplinarverfahren wegen ihrer Kritik am Schulsystem durch. Zusätzlich wird sie angefeindet wegen ihrer Konfessionslosigkeit. Sie tritt aus der Kirche aus, ein Skandal für eine Lehrerin zu dieser Zeit.
Auguste Fickert arbeitet fallweise mit Sozialdemokratinnen zusammen, obwohl sie großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legt. Sie ist auch im Umfeld der Volksbildung um die Durchsetzung von Frauenrechten bemüht und engagiert sich im Wiener Volksbildungsverein. Sie beschäftigt sich mit aktuellen sozialen Fragen wie Dienstboten- und Hausgehilfinnen-Rechten und fordert einen Mutterschutz.
Auf Initiative von Auguste Fickert wird auf genossenschaftlicher Basis der Heimhof für alleinstehende, berufstätige Frauen in der Peter-Jordan-Straße 32-34 im 19. Bezirk errichtet und 1911 – kurz nach Auguste Fickerts Tod - eröffnet. Idee dieses sogenannten Einküchenhauses ist die Vergenossenschaftlichung der Hausarbeit. Innerhalb der Wohnanlagen des Roten Wien ist der Heimhof eine Besonderheit, weil er auf der Initiative einer bürgerlich-liberalen Frau beruht.
Mit ihrem Tod hinterlässt Fickert ein Vakuum im AÖFV. Die Präsidentinnenschaft bleibt vorerst unbesetzt. Die Nachfolge ist nicht geregelt und es kommt zu Spannungen zwischen Ida Baumann und AÖFV-Aktivistinnen um die Weiterführung der Vereinsspitze sowie die HerausgeberInnenschaft der Zeitschrift.
Ida Baumann, ebenfalls Lehrerin, wird, obwohl sie die jahrzehntelange Lebensgefährtin von Auguste Fickert ist, in keinem der Nachrufe auch nur erwähnt. Mit der zehn Jahre älteren Baumann, die Fickert in der Lehrerinnenbildungsanstalt kennenlernt, verbindet sie eine konfliktreiche Beziehung. Die Lebensgemeinschaft von zwei unverheirateten, finanziell unabhängigen Frauen repräsentiert innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung ein neues Ideal eines unabhängigen und freien Lebens als Pionierinnen der Emanzipation. Lesbische Beziehungen sind zur damaligen Zeit kein Thema. Während Fickert zu einer prominenten Frauenrechtsaktivistin wird, steht Baumann zunehmend im Schatten.
Auguste Fickerts Grab ist am Friedhof Neustift am Walde in 1180 Wien zu finden. Vom Bildhauer und Sozialdemokraten Franz Seifert wird 1929 ein Denkmal im Türkenschanzpark in Wien Währing zum Andenken an sie errichtet. Seit 1926 ist in Wien Döbling die Fickertgasse nach ihr benannt.
Flich: Auguste Fickert. - In: Die Revolutionierung des Alltags, 43-55
Hacker: Wer gewinnt? Wer verliert? Wer tritt aus dem Schatten? - In: L homme 7 (1996) 1, 97-106
das rote wien
Lexikon
biografiA
Fickert Auguste; Frauenrechtsaktivistin, Sozialreformerin, Publizistin und Lehrerin
Geb. Wien, 25. 5. 1855
Gest. Wien, 9. 6. 1910
Laufbahn: A. F. bemühte sich vor allem um das Wahlrecht für Frauen, die Bildung weiblicher Berufsvertretungen und die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium. Von Beruf städtische Lehrerin, trat sie 1889 gegen den Entzug des den steuerpflichtigen Frauen Niederösterreichs bis dahin zustehenden Landtags- und Gemeindewahlrechtes auf und setzte sich von da an für das Frauenstimmrecht im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts ein. 1893 gründete sie den „Allgemeinen österreichischen Frauenverein“, der den linken Flügel der österreichischen Frauenbewegung repräsentierte, mit dem Ziel, staatsbürgerlich denkende Frauen für den sozialen Fortschritt einzusetzen und so eine sittliche Regeneration der Gesellschaft herbeizuführen. Der Verein, das eigentliche Lebenswerk A. F.s, die ab 1897 auch dessen Präsidentin war, hat mit seinen Stellungnahmen zu den aktuellen sozialen Themen wie Dienstbotenfrage, Mutterschutz, Prostitution etc. wesentlich zur Bewusstseinsbildung damaliger Frauen und oft zur Anregung der öffentlichen Diskussion beigetragen. 1895 errichtete A. F. die erste Rechtsschutzstelle für unbemittelte Frauen in Österreich. Sie arbeitete organisatorisch an Enqueten über Frauenarbeit mit und unternahm 1899 die schwierige Organisation der Frauen im Staatsdienst. Zusammen mit Marie Lang und Rosa Mayreder gründete sie 1899 die demokratisch-fortschrittliche Monatsschrift „Dokumente der Frauen“. Ihr letztes Werk war die Errichtung eines Einküchenhauses, zunächst für berufstätige Frauen, auf genossenschaftlicher Basis („Heimhof“, Wien XIX, eröffnet 1911).
Ausz.: Verkehrsflächenbenennung: Fickertgasse, 1190 Wien, seit 1926, 1929 Enthüllung des vom Bildhauer Franz Seifert geschaffenen Denkmals im Türkenschanzpark in Wien-Währing.
W.: „Zur Geschichte einer Petition gegen Errichtung öffentlicher Häuser in Wien“ (o. J.), Vorträge und Aufsätze in: Dokumente der Frauen 1899–1903, fortgesetzt als: Neues Frauenleben, hg. v. A. F., R. Mayreder u. M. Lang 1903 ff.
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen
Fickert, Auguste
Frauenrechtlerin
25.5.1855 (Wien) - 9.6.1910 (ebd.)
1889 protestierte die ausgebildete Volksschullehrerin mit zahlreichen Kolleginnen gegen die Aufhebung des Landtags- und Gemeindewahlrechts, das steuerpflichtigen Frauen in Niederösterreich, Böhmen und der Steiermark seit der Verfassung von 1861 gewährt wurde. 1893 gründete sie mit M. Lang den zum radikalen Flügel der österreichischen Frauenbewegung gehörenden "Allgemeinen Österreichischen Frauenverein", dessen Präsidentin sie wurde. F. engagierte sich für die Rechte erwerbstätiger Frauen und gründete 1895 die erste österreichische Rechtsschutzstelle für Frauen, die kein oder nur ein geringes Einkommen hatten. 1893-98 arbeitete sie als Redakteurin für das Beiblatt der Zeitschrift "Volksstimme", "Das Recht der Frau", und ab 1899 war sie Mitherausgeberin der Monatsschrift "Dokumente der Frauen".
Österreichisches biographisches Lexikon
Fickert Auguste, Sozialreformerin. * Wien, 25. 5. 1855; + Wien, 9. 6. 1910. Von Beruf städt. Lehrerin, trat sie 1889 gegen den Entzug des den steuerpflichtigen Frauen Niederösterr.s bis dahin zustehenden Landtags- und Gemeindewahlrechtes auf und entfaltete von da an die erste Propaganda für das Frauenstimmrecht im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechtes. 1893 gründete sie den "Allgemeinen österr. Frauenverein", der den linken Flügel der österr. Frauenbewegung darstellte, mit dem Ziele, dem allgemeinen sozialen Fortschritt die Mitarbeit staatsbürgerlich denkender Frauen zuzuführen, von welchere man sich damals vielfach eine sittliche Regeneration der Gesellschaft erhoffte. Der Verein, das eigentliche Lebenswerk A. F.s, hat mit seiner lebendigen Stellungnahme zu den aktuellen sozialen Fragen (Dienstbotenfrage, Mutterschutz, Prostitution etc.) wesentlich zur staatsbürgerlichen Erweckung der Frauen und oft zur Anregung der öffentl. Diskussion beigetragen. 1895 errichtete A. F. die erste Rechtsschutzstelle für unbemittelte Frauen in Österreich. Sie arbeitete organisatorisch an Enquêten über Frauenarbeit mit und unternahm 1899 die schwierige Organisation der Frauen im Staatsdienst. Zusammen mit Rosa Mayreder und Marie Lang gründete sie 1899 die demokratisch-fortschrittliche Monatsschrift "Dokumente der Frauen". Ihr letztes Werk war die Errichtung eines Einküchenhauses, zunächst für berufstätige Frauen, auf genossenschaftlicher Basis ("Heimhof", Wien XIX., eröffnet 1911).
Deutsch-österreichisches Künstler- und Schriftsteller-Lexikon
FICKERT Auguste, städtische Lehrerin, XVIII. Schulgasse 41, geb. Wien, 1845, wurde theils im Institute der englischen Fräulein zu Burghausen, theils zu Hause privat ausgebildet, absolvirte vier Jahre die Lehrerinnen-Bildungsanstalt St. Anna in Wien, erwarb sich gediegene Kenntnisse der englischen und französischen Sprache, schreibt für in- und ausländische Zeitschriften Artikel über die Frauenfrage.