Biografie
Emma Braun stammt aus einer ungarischen jüdischen Familie. Sie ist wohlgebildet und mehrsprachig und das einzige Mädchen neben ihren fünf Brüdern, darunter Heinrich und Adolf Braun, beide bekannte sozialdemokratische Journalisten und Politiker. 1878 heiratet sie einen Arzt aus großbürgerlichem Haus: Viktor Adler, Gründer der sozialdemokratischen Partei Österreichs.
Sie engagiert sich ab 1886 verstärkt in der ArbeiterInnenbewegung, ohne jemals in den Vordergrund zu treten. So erteilt sie Sprachunterricht in ArbeiterInnenbildungsvereinen, redigiert zwischen 1909 und 1917 die Jugendbeilage der Arbeiterinnen-Zeitung und schreibt Kinder- und Jugendbücher für die proletarische Jugend. Daneben betätigt sie sich als Übersetzerin und veröffentlicht 1906 ihr Hauptwerk "Die berühmten Frauen der französischen Revolution", 1907 erscheint ihre Biographie über "Jane Welsh Carlyle", die wenig bekannte Ehefrau des englischen Historikers und Philosophen Thomas Carlyle.
1918 stirbt Viktor Adler und Emma zieht zu ihrem Sohn Friedrich Adler nach Zürich, wo sie sich an die Arbeit an einer Biographie ihres Mannes macht, deren Publikation sie jedoch nicht mehr erlebt.
Verwendete Literatur:
Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der tausend Frauen
Lexikon
Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert
Adler, Emma - Übersetzerin, Schriftstellerin, Sozialistin
20. 5. 1858, Debreczin - 23. 2. 1935, Zürich
Emma Adler, geb. Braun, steht bis heute im Schatten ihrer Brüder Heinrich und Adolf Braun, Sozialist und Begründer der "Neuen Zeit" der eine, Redakteur des Berliner "Vorwärts" und der Wiener "Arbeiter-Zeitung" der andere, sowie ihres Mannes Victor Adler, 188/89 Gründer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Als einziges Mädchen wird Emma Adler von ihren fünf Brüdern umsorgt und verwöhnt. Ihr ältester Bruder Heinrich fühlt sich selbst für die Wahl eines geeigneten Ehemanns für die heiratsfähige Schwester verantwortlich. Seine Favoriten heißen Friedrich Nietzsche und Victor Adler. Tatsächlich heiratet Emma 1878 den jungen Arzt aus großbürgerlichem Haus und zieht mit ihm in das Palais seines Vaters. Durch ihre Brüder und den Ehemann lernt Emma Adler sozialistische Ideen kennen, von denen sie schließlich so überzeugt ist, daß sie sich ab 1886 verstärkt für die sozialdemokratische Bewegung einsetzt. 1887 erscheint ihre erste Veröffentlichung, allerdings noch eine Reminiszenz an Goethe, ihre lebenslange Liebe. Victor Adlers publizistische Tätigkeit sowie das engagierte Eintreten des Ehepaars für politisch Verfolgte endet in finanziellen Streitigkeiten mit der Familie. Emma und Victor Adler sind gezwungen, innerhalb kürzester Zeit in eine kleine Wohnung im vierten Stock einer Wiener Mietskaserne zu ziehen. Diese Situation sowie den zunehmenden politischen Druck, der in Hausdurchsuchungen und in der Verhaftung ihres Mannes gipfelt, verkraftet Emma Adler nicht. Sie erleidet nach 1889 einen psychischen Zusammenbruch, von dem sie sich erst nach dreijähriger Krankheit erholt. Es folgt eine Phase intensiver Tätigkeit. Sie übersetzt aus vier Sprachen, darunter "Germinie Lacerteux", einen Dienstmädchenroman aus dem Französischen, aus dem Russischen das "Gnadenbrot" von Nikolai Turgenew (1897). Im Arbeiterbildungsverein gibt sie Sprachunterricht und richtet den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Bildung der Arbeiterjugend (u.a. redigiert sie von 1909 bis 1917 die Jugendbeilage der "Arbeiterinnen-Zeitung"). Ihr Hauptwerk, "Die berühmten Frauen der französischen Revolution", erscheint 1906. Den Tod ihres Mannes 1918 bewältigt sie nur langsam. Ihr letztes Werk, eine Biographie Victor Adlers, kann jedoch nicht wie geplant zu dessen 15. Todestag 1933, sondern erst 1968, 33 Jahre nach dem Tod von Emma Adler, erscheinen.
Österreichisches biographisches Lexikon
Adler, Emma; geb. Braun; Pseudonym Marion Lorm (1858–1935), Schriftstellerin und Übersetzerin
Adler Emma, geb. Braun, Ps. Marion Lorm, Schriftstellerin und Übersetzerin. Geb. Debreczin (Debrecen, H), 20. 5. 1858; gest. Zürich (CH), 23. 2. 1935; mos. Tochter eines Eisenbahningenieurs, der mit seiner Familie Anfang der 1860er-Jahre nach Wien zog; Schwester der Sozialdemokraten Heinrich Braun und Adolf Braun, seit 1878 mit →Viktor Adler verheiratet, Mutter von Friedrich Adler. – A. wurde mit ihren fünf Brüdern von einem Hauslehrer erzogen. Von den sozialdemokratischen Ideen ihres Mannes begeistert, engagierte sie sich in der Arbeiterbewegung und erteilte in Abendkursen im Arbeiterbildungsverein Gumpendorf Unterricht in Englisch und Französisch. A.s erste eigene Publikation befasste sich mit „Goethe und Frau von Stein“ (1887). Ihr Interesse für die Erziehungsarbeit schlug sich in drei weiteren Publikationen nieder: 1895 war sie Herausgeberin des „Buches der Jugend für die Kinder des Proletariats“, 1902 erschien „Feierabend: ein Buch für die Jugend“ und 1912 ihr „Neues Buch der Jugend“. 1909–17 redigierte sie die Jugendbeilage der „Arbeiterinnen-Zeitung“. Auch als Übersetzerin tätig, übertrug A. 1896 den sozialhistorischen Roman „Germinie Lacerteux“ der Brüder Edmond und Jules de Goncourt und 1897 (unter dem Pseudonym Marion Lorm) Turgenjews „Gnadenbrot“ ins Deutsche sowie Artikel aus dem Englischen und Italienischen. Politisches schrieb sie kaum – ein sozialkritischer Beitrag zum „Bauerndasein“ im Arbeiterkalender 1898 bildet die Ausnahme. A.s literarisches Hauptwerk stammte aus dem Jahr 1906, „Die berühmten Frauen der französischen Revolution“, 1907 folgte „Jane Welsh Carlyle. Eine Biographie“ über die Ehefrau des Goethe-Forschers Thomas Carlyle (Neuaufl. 1996). Als versierte Köchin verfasste sie 1915 auch eine „Kochschule“. Immer wieder verfiel A. in schwere Depressionen: Die bedrohliche finanzielle Lage, in die die junge Familie geraten war, sowie die Hausdurchsuchungen und die Verhaftungen Viktor Adlers führten 1890 zu einem Zusammenbruch, von dem A. sich nur langsam erholte. 1897 erkrankte ihre Tochter Marie, die gegen den Willen A.s in die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof gebracht wurde, wo sie 1931 verstarb; 1916 tötete ihr Sohn Friedrich den Ministerpräsidenten →Karl Gf. Stürgkh, wurde zuerst zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt, 1918 jedoch amnestiert. Nach dem Tod Viktor Adlers 1918 verhinderte Friedrich Adler zwei Selbstmordversuche seiner Mutter. 1925 folgte A. ihrem Sohn nach Zürich, wo sie im Alter von 73 Jahren wieder sehr aktiv wurde: Sie übernahm Übersetzungsarbeiten, lernte Maschinschreiben, verfasste ihre – bislang unveröffentlichten – Lebenserinnerungen und stellte den Band „Victor Adler im Spiegel seiner Zeitgenossen“ zusammen, der erst posthum 1968 erschien.
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der tausend Frauen
Adler, Emma, geb. Braun
Schriftstellerin
20.5.1858 (Debreczin/Ungarn) - 23.2.1935 (Zürich)
Mit sozialistischem Gedankengut wurde A. schon früh durch ihre Brüder vertraut gemacht - Heinrich B. war Gründer der "Neuen Zeit", Adolf B. Redakteur des "Vorwärts" und der "Wiener Arbeiter-Zeitung". Über sie lernte A. den Arzt Victor A. kennen, den sie 1878 heiratete. Als ihr Mann wegen seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) verfolgt und verhaftet wurde, erlitt A. einen Nervenzusammenbruch, dessen Überwindung mehrere Jahre dauerte. Später veröffentlichte sie u.a. Bildungsschriften für die Arbeiterjugend wie "Buch der Jugend. Für die Kinder des Proletariats" (1895). Ihre literarischen Hauptwerke sind "Die berühmten Frauen der Französischen Revolution 1789-1795" (1902) und, in Erinnerung an ihren 1918 verstorbenen Mann, "Viktor Adler im Spiegel seiner Zeitgenossen" (erst 1968, anstatt wie geplant 1933, erschienen).
Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Emma Adlers Typoskript der Biographie Viktor Adlers - In: VGA Wien, Adler-Archiv, Mappe 29
- Korrespondenz zwischen Emma Adler und Adelheid Popp - In: VGA Wien, Adler-Archiv, Mappe 145
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-000549
- VGA Wien, Personenarchiv Emma Adler, Lade 19, Mappe 5
- VGA Wien, Teilnachlass Emma Adler