Francisco Tanzer (eigentl. Franz Herbert Leopold Tänzer), geboren am 12. 9. 1921 in Wien, gestorben am 25. 10. 2003 in Düsseldorf. Tanzer emigrierte 1938 über die Tschechoslowakei nach Paris (dort Besuch des Lycée; erste Gedichte), danach Portugal (1941-1942), New York und Kalifornien (1942-1945). Er gehörte von 1942-1945 der US Army, von 1945-1947 der US Army in Deutschland an, wo er 1947 als Press Control Officer arbeitete. Sein "Journal" über die Jahre 1942-1945 wurde 1947 als Privatdruck von Eugen Kogon herausgegeben. Von 1947 bis 1954 lebte er in New York; dort Studium am Hunter College (B.A.) und der Columbia University im Fach Germanistik.
Erste Arbeiten zu der Novelle "Das Ehepaar" und dem bisher unveröffentlichten Roman "Die Befreiung" entstanden in der unmittelbaren Nachkriegszeit. 1954 ging Tanzer nach Deutschland, zunächst nach Wiesbaden und München, ab 1955 in Düsseldorf. 1955 schrieb er die nach 'modernen' Erzählprinzipien gestaltete Novelle "Agnus dei", "eine mystische Liebesgeschichte zwischen einer jungen Französin und einem deutschen Offizier im besetzten Paris" (Ulrike Gondorf). Zur gleichen Zeit verfaßte er Buchbesprechungen für den Westdeutschen Rundfunk. Der WDR brachte 1958 eine Hörspielfassung von "Agnus dei", die Prosafassung erschien 1978 in der österreichischen Literaturzeitschrift "Literatur und Kritik", 1983 im Verlag Hermansen.
Ab 1959 sicherte sich Tanzer seine Existenz als Repräsentant eines französischen Hochofenwerkes (bis Ende der achtziger Jahre). Seit 1964 arbeitete er an verschiedenen Film- und Fernsehprojekten und legte erst 1979 sein Buch "Stimmen. Tagebuch, Novellen, Gedichte" vor, das Theodor Sapper 1979 in "Literatur und Kritik" rezensierte und dabei von der "originären Dichterpersönlichkeit" Tanzers sprach (Nr. 130). Die "Stimmen" regten zahlreiche internationale und renommierte Komponisten wie Edison Denissow, Sofia Gubaidulina, Alfred Schnittke und John Cage zu Vertonungen an (zuletzt 1998 Denissow-Requiem für Chor und großes Orchester in Tokio). Die Texte "Agnus dei" und "Das Ehepaar" wurden als radiophone Collagen für den WDR umgeschrieben; aus "Agnus dei" entstand 1979 ein Ballett (Musik: Klaus Ager, Aufführungen: Werkstattbühne Bonn und Mozarteum Salzburg). Als Drama kam 1993 "Das Ehepaar" an der Studiobühne Münster zur Aufführung. Francisco Tanzer trat als Textautor für die Musikverlage Sikorski (Hamburg) und Doblinger (Wien) auf. 1999 erschien eine Auswahl seiner Verse mit Zeichnungen von Max Uhlig in Dresden unter dem Titel "Zeichen und Zeilen". Eine der mehrfachen Adaptationen seiner Prosa auf Theater- und Musikbühnen wurde 2001 durch das Ulmer Theater realisiert: Herbert Lauermanns Oper "Die Befreiung" nach dem gleichnamigen, noch unveröffentlichten Roman Tanzers. Eine zusammenfassende Gedichtauswahl erschien im Frühjahr 2001. Am 27. 9. 2002 erhielt Tanzer ehrenhalber den Professoren-Titel durch das Österreichische Bundeskanzleramt. Vier Jahre später gab Daniela Strigl heraus: Francisco Tanzer: Der Österreicher in mir. Leben und Werk. Wien: Edition Atelier 2006.
Der Vorlaß von Francisco Tanzer an der Österreichischen Nationalbibliothek ist separiert in einen literarischen und einen musikalischen Teil. Letzterer befindet sich an der Musiksammlung der ÖNB.