Pressemeldung
21. Juni 2017
300 Jahre Freimaurer: Das wahre Geheimnis
23. Juni 2017 – 7. Jänner 2018
1717 wird der Überlieferung nach die Großloge von England gegründet: Damit beginnt die Geschichte der modernen Freimaurerei, die seitdem aus der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. In der Ausstellung » 300 Jahre Freimaurer. Das wahre Geheimnis präsentiert die Österreichische Nationalbibliothek einen Blick hinter die Kulissen dieser ebenso bekannten wie geheimnisvollen Bruderschaft. Über 150 einzigartige Objekte und zahlreiche Installationen und Medienstationen lassen im Prunksaal ihre Geschichte, ihre oft kontroverse öffentliche Wahrnehmung und so bekannte Freimaurer wie Wolfgang Amadeus Mozart oder Helmut Zilk Revue passieren. Die Exponate der Ausstellung stammen aus den Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek, den Archiven der Großloge von Österreich, dem Museum der Großloge von England sowie weiteren in- und ausländischen Sammlungen.
Die Anfänge in England
England hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine lange Zeit der Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten und Machtkämpfe zwischen König und Parlament hinter sich. Zum Abbau der Feindseligkeiten trug eine neue Geselligkeitskultur bei, an der Bürger und liberale Adelige gleichermaßen teilhatten. Einer der neuen Begegnungsorte war durch besonders strenge Aufnahmeregeln gekennzeichnet: die Loge der Freimaurer. Diese Abgrenzung nach außen ermöglichte es ihnen, sich innerhalb der Loge trotz aller Standesunterschiede auf Augenhöhe zu begegnen – für die damalige Zeit eine Sensation.
Der Überlieferung nach gründeten vier dieser Logen am 24. Juni 1717 ihre erste Dachorganisation: die Großloge von England. Damit begann die Geschichte der modernen Freimaurerei, einer Bewegung, die schon seit ihrer Frühzeit die Fantasie ihrer Gegner durch ihre strengen Aufnahmebedingungen sowie durch ihre Rituale und Symbole beflügelte. Eine Bewegung, die aber auch nicht frei von Widersprüchen war und ist: Freimaurer verstehen sich als Vorkämpfer für Freiheit und Gleichheit und doch „zelebrieren“ den Großlogen angegliederte Gruppen in sogenannten Hochgradsystemen geradezu die Ungleichheit ihrer Mitglieder. Auch schließt die weltweit dominierende Spielart der Freimaurerei englischer Tradition bis heute Frauen von ihrer rituellen Arbeit aus. Die Freimaurerei zieht politisch engagierte Menschen an, ist aber keine politische Bewegung. Ihre Mitglieder haben oft aufgrund ihrer bürgerlichen Berufe Einfluss, aber als Freimaurer üben sie – allen Verschwörungstheorien zum Trotz – keine politische Macht aus. Sie befassen sich mit spirituellen Inhalten, sind aber keine Religionsgemeinschaft. Vernunft und Redlichkeit sind ihnen wichtig, gleichzeitig haben sie eine große Vorliebe für Symbole und pflegen mitunter ein esoterisches Geschichtsbewusstsein: Die Logenbrüder sehen sich symbolisch als Nachfolger der mittelalterlichen Steinmetze (Masons) und ihre Logen als neue Form jener alten Bauhütten (Lodges), die einst die Kathedralen errichtet hatten; sie zählen aber auch die Priester im alten Ägypten, die Anhänger des Pythagoras, die Tempelritter der Kreuzzüge und die ersten wissenschaftlichen Gesellschaften wie die Royal Society zu ihren Vorläufern.
Eine Idee breitet sich aus
In den 1730er-Jahren breitete sich die Freimaurerei auf dem europäischen Kontinent aus. Auch Franz Stephan von Lothringen, der zukünftige Gemahl von Maria Theresia und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, gehörte den Freimaurern an. Er wurde 1731 in Den Haag aufgenommen und bald darauf in England zum Meister erhoben. Mehr weiß man nicht von seiner Laufbahn als Freimaurer, aber die Engländer konnten nun einen mächtigen Thronanwärter zu ihren „Brüdern“ zählen.
Im Lauf des 18. Jahrhunderts erweiterte sich das soziale Spektrum. Immer häufiger bestimmten Beamte, Offiziere, Unternehmer und Künstler das Logengeschehen. Manche von ihnen sahen in den Logen einen Ersatz für wissenschaftliche Akademien, für andere zählten Geselligkeit oder spirituelle Erfahrungen in einem Zeitalter, das sich so explizit der Vernunft verschrieben hatte.
Mit der Gründung der Loge „Zur wahren Eintracht“ im Jahr 1781 begann in Österreich eine Blütezeit der Freimaurerei, deren Ideen unter Kaiser Joseph II. so etwas wie allerhöchste politische Anerkennung erlangten. Zu den prominentesten politischen Vertretern in dieser Zeit zählten die Reformer Ignaz von Born und Joseph von Sonnenfels, der die treibende Kraft hinter der Abschaffung von Folter und Todesstrafe war. Der prominenteste Freimaurer der Loge war aber mit Sicherheit Wolfgang Amadeus Mozart.
Mozart, Soliman und die „wahre Eintracht“
Wolfgang Amadeus Mozart trat 1784 der Loge „Zur Wohltätigkeit“ bei, besuchte aber auch regelmäßig die Loge „Zur wahren Eintracht“. Er war von den Freimaurern derart überzeugt, dass er seinen Vater Leopold und Joseph Haydn zum Eintritt in den Bund veranlasste. Mozart widmete den Freimaurern sogar eine Reihe seiner Werke: etwa „Die Maurerfreude“ zu Ehren Ignaz von Borns und die„Gesellenreise“, komponiert wahrscheinlich aus Anlass der eigenen Beförderung. Seine wohl berühmteste Oper, „Die Zauberflöte“, gehörte nicht dazu, wurde aber gerne im Zusammenhang mit der Freimaurerei interpretiert. Die in der Ausstellung gezeigten Kupferstiche aus dem Jahr 1794 sind die ältesten Szenenbilder der „Zauberflöte“, die sich erhalten haben. Sie geben vermutlich eine Inszenierung in Brünn wieder. Im 18. Auftritt des ersten Aktes fährt Sarastro auf einem von Löwen gezogenen Triumphwagen auf die Bühne und wird von einem Chor feierlich begrüßt. Im 19. Jahrhundert entstand die Legende, dass Mozart in der Gestalt des Sarastro dem von ihm tief verehrten Ignaz von Born ein Denkmal setzen wollte.
Ein weiterer prominenter Freimaurer dieser Zeit war Angelo Soliman. Nachdem Soliman im 18. Jahrhundert als Kind in Afrika versklavt und nach Europa verschleppt wurde, hatte er in mehreren Fürstenfamilien die Funktion des Dieners inne. Aufgrund seiner umfangreichen Sprachkenntnisse stieg er sogar zum Prinzenerzieher auf. Im Alter von 60 Jahren fand Soliman Aufnahme in die Wiener Loge „Zur wahren Eintracht“ und wurde innerhalb von nur vier Wochen in den Meistergrad erhoben. Seinem Dienstgeber Fürst Wenzel von Liechtenstein konnte er innerhalb der Loge als Bruder im Sinne zeremonieller Gleichheit begegnen, außerhalb der Loge galten jedoch weiterhin die strengen Standesunterschiede: Soliman ging stets zu Fuß hinter jener Kutsche, die den Fürsten zurück zum Palast brachte, in dem beide wohnten.
Arbeit im Verborgenen
Das rasche Wachstum der Freimaurerei endete 1785 durch eine Verordnung Josephs II.: Um den Wildwuchs an Alchemisten und Mystikern einzubremsen, wurden Freimaurer-Logen unter staatliche Kontrolle gestellt, andere „Geheimgruppen“ grundsätzlich verboten. Die Französische Revolution 1789 machte ihre Lage nicht besser, denn manche hielten die Freimaurer für die Drahtzieher hinter der Revolution. In den 1790er Jahren wird die Freimaurerei in Österreich unter Kaiser Franz II. de facto eingestellt. In Folge wurden rituelle Objekte versteckt und viele Brüder wendeten sich von der Freimaurerei ab. Manche wirkten im Verborgenen, gründeten harmlos anmutende Rittervereine oder legten in Gartenanlagen freimaurerische Tempel und Grotten an. In der Euphorie des Revolutionsjahres 1848 wurde zwar für kurze Zeit wieder eine Loge gegründet, doch die Hoffnung auf eine neue Ära der Toleranz erfüllte sich nicht: Nach der Niederschlagung der bürgerlichen Revolution blieb die Freimaurerei in den österreichischen Kronländern verboten. Ungarn aber erhielt nach dem „Ausgleich“ von 1867 ein liberaleres Vereinsrecht, wodurch die Behörde keine Kontrollorgane zu Vereinssitzungen entsenden durfte. Deshalb gründeten österreichische Freimaurer jenseits der Grenze, in Sopron und Bratislava, Logen, während sie in Wien weiterhin nur „unpolitische Vereine“ betrieben.
Neuer Aufbruch in der Zwischenkriegszeit
Als mit dem Untergang des Habsburgerreiches in Österreich wieder Logen gegründet werden durften, vervielfachte sich die Zahl der Mitglieder. Obwohl die Sozialdemokratie den Freimaurern durchaus skeptisch gegenüber stand, schlossen sich nach 1918 einige Vertreter des „Roten Wien“ der Bewegung an. Julius Tandler etwa sah in den Projekten der Sozialdemokratie die Umsetzung alter Ideen des Freimaurerbundes. Ferdinand Hanusch war Bruder und Meister vom Stuhl der Loge „Lessing zu den Drei Ringen“ und ab 1922 Großbeamter der Großloge von Österreich.
Auch unter den Konservativen gab es bedeutende Freimaurer wie etwa den langjährigen Generaldirektor der Nationalbibliothek, Josef Bick. In seiner Person vereinigten sich jedoch zahlreiche Widersprüche jener Zeit: So machte er sich in den 1920er-Jahren zwar um die internationale Ausrichtung der Bibliothek verdient (unter ihm wurde etwa das Esperantomuseum eröffnet), er war aber auch Mitglied in der antimasonischen und antisemitischen „Deutschen Gemeinschaft“. 1921 wurde er in die Wiener Loge „Fortschritt“ aufgenommen, angeblich, um einigen Brüdern zu helfen, diese „judenrein“ zu machen.
Die Gegner werden stärker
Gegner der Freimaurer machten die „jüdisch unterwanderten“ Logen für alle möglichen Katastrophen verantwortlich – von der Oktoberrevolution über den Zusammenbruch der Monarchien bis zur Wirtschaftskrise. Auch am Ausbruch des Ersten Weltkrieges sollen die Freimaurer Schuld tragen, zumindest sah das Friedrich Wichtl so, ein Jurist und Abgeordneter der österreichischen Nationalversammlung. In seinem Pamphlet „Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik“ (1919), das auch in der Schau zu besichtigen ist, bezichtigte er die französische Freimaurerei, Schuld am Ausbruch des Kriegs zu tragen. Sie sollen hinter der Ermordung von Franz Ferdinand in Sarajevo stecken und auch davor beim Selbstmord von Kronprinz Rudolf ihre Hand im Spiel gehabt haben. Auf dem Titelbild sind unter anderem zu sehen: der britische Premier Lloyd George (links), der tschechoslowakische Ministerpräsident Karel Kramář (Mitte), US-Präsident Woodrow Wilson, der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau und der deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann (zweite Reihe).
„Der Mordprozeß gegen den Juden Bauer“
In der Zwischenkriegszeit kam es zu einem aufsehenerregenden Prozess gegen den „Juden Bauer“, wie der Kaufmann Gustav Bauer am ausgestellen Plakat genannt wird. Im Frühjahr 1931 wurde ihm vorgeworfen, einige Jahre zuvor seine Geliebte im Lainzer Tiergarten ermordet zu haben. Trotz zahlreicher Indizien für seine Schuld konnte kein endgültiger Beweis erbracht werden, weshalb er freigesprochen wurde. In klerikalen und völkischen Zeitungen wurde behauptet, der Freispruch habe vor allem damit zu tun, dass es unter den Geschworenen Verbindungen zu Freimaurern gebe. Der ebenfalls auf dem Plakat als Redner genannte Walter Riehl war eine Schlüsselfigur des frühen österreichischen Nationalsozialismus: Beim Schattendorf-Prozess war er Verteidiger jener Angeklagten, die bei einer Demonstration des sozialdemokratischen Schutzbundes 1927 zwei Menschen erschossen hatten. Alle diese politischen Spannungen mündeten schließlich im „Anschluss“ 1938: Die Nationalsozialisten verfolgten ab nun alle Freimaurer, deportiert und ermordet wurden jüdische und deklariert regimekritische Mitglieder.
Freimaurerei nach 1945
Das Kulturleben Österreichs war in der Nachkriegszeit von den Folgen des Nationalsozialismus und einem konservativen Katholizismus geprägt. In diesem schwierigen Umfeld erlebte die Freimaurerei eine neue Blütephase. Viele Kreative schlossen sich dem Bund an, um einander in den Logen jenseits von Parteiendünkel und Ideologien begegnen zu können. Besonders viele waren im neuen Medium Fernsehen tätig, beispielsweise Ernst Hagen (Erfinder des „Seniorenclubs“), Kuno Knöbl (Erfinder des „Club 2“), Herbert Prikopa (Moderator der Kindersendung „Auch Spaß muss sein“) und Arminio Rothstein, besser bekannt als Clown Habakuk. Für ihn, der während des Krieges gezwungen war, sich mit seinem jüdischen Vater in einem Keller vor den Nationalsozialisten zu verstecken, bot die Freimaurerei einen wichtigen sozialen und spirituellen Anker.
Ein weiterer bekannter Freimaurer war Helmut Zilk, Mitglied der Wiener Loge „Libertas“, ab 1967 Fernsehdirektor des ORF, danach Unterrichtsminister und schließlich bis 1994 Bürgermeister von Wien. Alexander Giese, der am ausgestellten Bild durch Schärpe, Bijoux, Schurz, weiße Handschuhe und den zweiköpfigen Hammer als Freimaurer erkennbar ist, war von 1975 bis 1987 Großmeister der Großloge von Österreich und stand bis zu seiner Pensionierung 1983 der Wissenschafts- und Bildungsabteilung des ORF-Fernsehens vor, wo er u. a. die Kulturberichterstattung forcierte.
Freimaurerei heute
Heute ist die Bruderschaft fast weltweit vertreten, aber in verschiedene Systeme und Gruppierungen gespalten. In Österreich gibt es aktuell 78 Logen mit etwa 3.500 Mitgliedern. So wie die Logen steht auch ihre Dachorganisation, die Großloge von Österreich, im Vereinsregister, letztere kann über ihre Website » freimaurerei.at kontaktiert werden.
Zu ihren bekanntesten Symbolen gehören Zirkel und Winkelmaß. Der Zirkel steht für den Kreislauf des Lebens und zugleich für die Unendlichkeit, da ein Kreis weder Anfang noch Ende hat. Der rechte Winkel steht für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, für eine redliche und vernünftige Handlungsweise, die in der österreichischen Freimaurerei ihre spezifische Ausformung im „Baustück“, einem kurzen Vortrag, in jeder Logenarbeit findet.
Freimaurer zählen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität zu ihren Grundsätzen. Mit dem Beitritt zu einer Loge verpflichtet sich jeder Bruder, diese Werte nach bestem Wissen und Gewissen zu leben. Freimaurer streben außerdem nach Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Selbstveredelung, denn in ihren Augen kann die Welt nur dann menschlicher werden, wenn jeder an seiner eigenen Humanität arbeitet und das wahre Geheimnis zu ergründen versucht: den Menschen.
Pressekontakt:
Mag. Thomas Zauner
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