Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Ilse Arlt wächst als Tochter eines österreichischen Augenarztes, Ferdinand von Arlt, und einer Mutter jüdischer Herkunft auf. Sie interessiert sich schon früh für soziale Fragen. Im Alter von 16 Jahren übersiedelt sie mit ihrer Familie nach Graz. Vier Jahre später legt sie die Lehramtsprüfung für englische Sprache ab, für die sie sich ausschließlich alleine vorbereitet hatte. Aufgrund einer Erkrankung kann sie eine Stelle als Erzieherin nicht antreten. Sie betreibt als außerordentliche Höhrerin Studien in Nationalökonomie und Sozialwissenschaften.
1901 kommt sie im Zusammenhang mit der Gründung eines "Sozialen Bildungsvereins" mit den führenden Sozialpolitikern Philippovich in Wien und Mischler in Graz in Berührung und besucht deren Vorlesungen. Zusätzlich sucht sie auch Fabriken, Vororte und Elendsquartiere auf und sammelt praktische Unterlagen. Im Alter von 25 Jahren wird Ilse Arlt als erste Gewerbeinspektorin vorgeschlagen, kann diese Stellung aber aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen. Sie übersiedelt zurück nach Wien und erwirbt weiter praktisches Wissen über die soziale Lage der Bevölkerung durch den Besuch von Betrieben, Arbeiterversammlungen und Wohnungen.
Anlässlich des im Jahre 1910 abgehaltenen Internationalen Kongresses für öffentliche Armenpflege und private Wohltätigkeit in Kopenhagen schlägt Arlt vor, den Beruf einer Wohlfahrtspflegerin zu schaffen und für eine umfassende Schulung zu sorgen. 1912 gründet sie in Wien 8, Albertgasse 38, die erste Fürsorgerinnenschule unter dem Namen Vereinigte Fachkurse für Volkspflege.
Diese von einem sozial- und bildungsreformerischen Geist geprägte Ausbildungseinrichtung dient zugleich als Forschungsstätte, in welcher Arlt gemeinsam mit ihren Schülerinnen an wissenschaftlichen und empirischen Grundlagen für professionelle Fürsorge- und Wohlfahrtspflege arbeitet. Sie versteht die Schule auch als Forschungseinrichtung, welche die Aufgabe hat Grundlagenforschung für die Sozialpolitik zu betreiben. Arlt ist überzeugt, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen analysiert werden müssen, um soziale Not beseitigen zu können. Sie trägt Lehrmittel zusammen und schreibt die ersten österreichischen Lehrbücher - 1921 “Die Grundlagen der Fürsorge“ und 1923 “Die Gestaltung der Hilfe“.
Ilse Arlt engagiert sich bereits früh in Publikationen und Vorträgen für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen und stand der Frauenbewegung nahe. So war sie u.a. auch Vereinsmitglied der für die Verbesserung der Lage der Frauen so wichtigen Auskunftsstelle für Wohlfahrtseinrichtungen in Wien
1955 wird ihr für ihre Verdienste der Dr. Karl-Renner-Preis verliehen. Anlässlich des 100jährigen Gründungsjubiläums der Vereinigten Fachkurse für Volkspflege wird 2012 in Wien in der Albertgasse 38 eine Gedenktafel für Ise Arlt errichtet. In 1220 Wien, im Bereich der Seestadt Aspern, wird eine Ilse-Arlt-Straße geschaffen.
Ilse Arlt : Pionierin der wissenschaftlich begründeten Sozialarbeit
Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung
Lexikon
biografiA
Arlt Ilse von; Fürsorgerin und Sozialwissenschafterin
Geb. Wien, 1. 5. 1876
Gest. Wien, 25. 12. 1960
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Ferdinand von Arlt (1849–1917), Augenarzt, Universitätsprofessor, Reformer der Augenheilkunde; Mutter: Maria Elisabeth Amalia, geb. von Hönigsberg (1849 –1923); 3 Brüder: Ferdinand von Arlt (1873–1946), Patentanwalt; Benno von Arlt (* 1874), Primar; Walter von Arlt (1878–1950), Bankleiter.
Ausbildungen: Privatunterricht durch die Mutter, ergänzt durch Latein und Englisch außer
Haus; besuchte als Autodidaktin ohne Matura Vorlesungen an der Universität Graz (Nationalökonomie, Medizin, Pädagogik); 1901 Beginn des Studiums der Nationalökonomie und Sozialwissenschaften an der Universität Wien.
Laufbahn: I. A. war zunächst Mitarbeiterin des Sozialwissenschaftlichen Bildungsvereins (Zweigstelle Uni Graz) und begann gleichzeitig ihre wissenschaftliche Tätigkeit. Sie arbeitete später als wissenschaftliche Hilfskraft am Steiermärkischen Statistischen Landesamt. 1912 gründete sie in Wien die „Vereinigten Fachkurse für Volkspflege“, eine reformerische Fürsorgerinnenschule, die für die sozialarbeiterisch ausgerichteten Aktivitäten der „bürgerlichen“ Frauenbewegung wesentliche Funktionen erfüllte. Die Fachkurse sollten für den neuen Beruf der Wohlfahrtspflegerin eine umfassende Schulung und die Professionalisierung dieser Tätigkeit auf wissenschaftlicher Basis bieten sowie als Forschungseinrichtung Grundlagenforschung zu zentralen Fragen der Sozialpolitik betreiben. Die Fachkurse, die I. A. selbst leitete, erhielten später den Titel „Fürsorgeschule“ und wurden 1938 aufgelöst. I. A. erhielt aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer Mutter Schreib- und Berufsverbot. 1945–48 nahm sie die Forschungs- und Unterrichtstätigkeit in den Vereinigten Fachkursen wieder auf, die jedoch 1948 aufgrund finanzieller Probleme geschlossen wurden. I. A. schuf die geistige Grundlage für die Fürsorgeschule der Gemeinde Wien. Ihre Schriften waren in der Ersten Republik sehr bekannt, sind später aber in Vergessenheit geraten.
Ausz., Mitglsch.: 1954 Renner-Preis; Mitglied des Vereines „Auskunftsstelle für Wohlfahrtseinrichtungen“. Heute gibt es ein „Ilse Arlt Institut für soziale Inklusionsforschung“ an der FHS St.Pölten; Verkehrsflächenbenennung: Ilse-Arlt-Straße 1220 Wien, Beschluss von 2012.
Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-001330