Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Marianne Perger wurde in Baden bei Wien in eine großbürgerliche Fabrikantenfamilie geboren. Die Familie besaß eine Baumwollspinnerei. Mit ihren fünf Geschwistern wurde sie von ihrer Mutter und von Hauslehrern unterrichtet. Achtzehnjährig heiratete sie den Industriellen Michael Hainisch, mit dem sie zwei Kinder hatte. Ihr Sohn Michael war von 1920 bis 1928 Bundespräsident der Republik Österreich.
Bei der Generalversammlung des Wiener Frauenerwerbvereins 1870 hielt Marianne Hainisch eine Rede „Zur Frage des Frauenunterrichts“, in der sie den Zugang für Mädchen zum gymnasialen Unterricht forderte. Sie berichtete wiederholt, dass die Erfahrung fehlender Erwerbsmöglichkeiten für bürgerliche Frauen, sie dazu brachte, sich für Frauenbildung einzusetzen. Für Frauen, die nicht mehr durch einen Ehemann oder ihre Familie versorgt waren, wurde es durch veränderte ökonomische Bedingungen zunehmend notwendig, selbst berufstätig werden zu können. Die Erweiterung der Bildungsmöglichkeiten für Frauen sollte diesen den Zugang zu Erwerbsmöglichkeiten eröffnen. Dieser Rede wird von den Chronistinnen eine initialisierende Wirkung für die Frauenbewegung zugeschrieben.
Marianne Hainisch begann zur Bildungsfrage zahlreiche Schriften sowie Artikel in der Frauenpresse zu publizieren. Außerdem wurde sie in einer Reihe von weiteren Frauenvereinen aktiv und baute sich so ein Netzwerk innerhalb der Frauenvereinslandschaft auf.
1899 entsandten verschiedene Frauenorganisationen sie als gemeinsame Delegierte zur Generalversammlung des Internationalen Frauenrates (International Council of Women, ICW) nach London. Im Anschluss daran wurde von ihr 1902 die Gründung einer Dachorganisation liberal-bürgerlicher Frauenvereine, des Bundes Österreichischer Frauenvereine (BÖFV), initiiert. Sie war bis 1918 Präsidentin des BÖFV und auf internationaler Ebene von 1909 bis 1914 Vizepräsidentin des Internationalen Frauenrates.
Das Frauenwahlrecht gehörte nicht zu Hainischs frühen Zielen. Sie stand diesem ambivalent gegenüber. Nach 1900 beteiligte sie sich jedoch am Kampf für das Frauenwahlrecht unter anderem im Frauenstimmrechtskomitee (dem späteren Österreichischen Staatsbürgerinnenverband). 1919 - nach der Erringung des Frauenstimmrechts - kandidierte sie, wie eine Reihe anderer bürgerlicher Frauen ohne Erfolg für die Bürgerlich-Demokratische Partei. Die Marginalisierung von Frauen in den politischen Parteien und im parlamentarischen System veranlasste sie 1929 sich an der Gründung der Österreichischen Frauenpartei zu beteiligen, deren Präsidentin sie bis 1932 war.
Marianne Hainisch starb in sehr hohem Alter. Bereits zu ihren Lebzeiten setzten Würdigungen ein. So wurde zum Beispiel anlässlich ihres 90. Geburtstags 1929 die Marianne-Hainisch-Stiftung initiiert. Sie wurde zwar als „Frauenrechtlerin“ aber - im Gegensatz zu Auguste Fickert - nicht als „radikal“ beschrieben. Ihre Ziele waren pragmatisch: mehr Rechte für Frauen in der Ehe, im sozialen und politischen Leben. Durch nachfolgende Aktivistinnen und in Publikationen wurde und wird ihr die Position einer „Wegbereiterin“, „Begründerin“ und „Schöpferin“ der Frauenbewegung zugeschrieben und sie wird als zentrale und identitätsstiftende Figur der historischen Frauenbewegung konstruiert.
Zu ihrer Erinnerung wurde in den Jahren 1927/28 der Marianne-Hainisch-Hof in Wien-Landstraße, Petrusgasse 15, errichtet. Seit 2002 erinnert auch die Marianne-Hainisch-Gasse in Wien-Landstraße an sie.
Bader-Zaar: Hainisch, Marianne (1839-1936)
Das Frauenstimmrecht, 14
Marianne Hainisch. - In: 60 Jahre Bund österreichischer Frauenvereine, 7-10
Niederkofler: "Die Begründerin der Frauenbewegung in Österreich". - In: Ariadne (2006) 50, 32-37
Lexikon
biografiA
Hainisch Marianne, geb. Perger, Pergerist; Frauenrechtsaktivistin und Vereinsfunktionärin
Geb. Baden bei Wien, NÖ, 25. 3. 1839
Gest. Wien, 5. 5. 1936
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Josef Perger, Kaufmann.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1857 Heirat mit Michael Hainisch, Fabrikant; Kinder: Wolfgang, Marie, Michael (1858–1940), Sozial- und Wirtschaftspolitiker, Bundespräsident.
Ausbildungen: Häuslicher Unterricht, 1852–1855 Institut Betty Fröhlich Wien.
Laufbahn: Unmittelbar veranlasst durch die Notlage, in die einzelne Familien von Baumwollspinnern durch den nordamerikanischen Bürgerkrieg (1861–65) und durch das Ausbleiben der Baumwolle auf den europäischen Märkten geraten waren, aber auch vom Standpunkt des Menschenrechtes, stellte M. H. 1870 den für das weibliche Bildungswesen epochemachenden Antrag, „der weiblichen Intelligenz aus allen Ständen“ eine allgemeine Mittelschule zunächst durch Errichtung eines Realgymnasiums zu vermitteln, um den Mädchen dadurch bessere Erwerbsmöglichkeiten zu erschließen. Sie legte diese Forderung nach realgymnasialem Mädchenunterricht dem Wiener Frauenerwerbverein zur Beschlussfassung vor. Seitdem war sie in allen Frauenbestrebungen um Bildung (vollwertiges Mittel- und Hochschulstudium, Zulassung zu den Gewerbeschulen) tätig. 1888 beteiligte sie sich an der Gründung des Vereins für erweiterte Frauenbildung und initiierte zahlreiche Petitionen zur Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium. Sie war österreichische Delegierte am International Council of Women-Kongress in London 1899 und beteiligte sich 1901 an der Gründung der Wiener Niederlassung. 1902 gründete sie den Bund Österr. Frauenvereine (dieser umfasste 1914 90 Vereine), den sie 1904 dem International Council of Women anschloss. Von 1902 bis 1918 war sie Vorsitzende, bis 1936 Ehrenpräsidentin des BÖFV. Nach 1918 befasste sie sich vor allem mit Problemen der sozialen Fürsorge und mit friedenspolitischen Anliegen, nachdem sie bereits 1914, nach dem Tod Bertha v. Suttners, die Leitung der Friedenskommission im BÖFV übernommen hatte. Sie führte 1926 den Muttertag in Österreich ein. 1929 war sie Mitbegründerin der Österreichischen Frauenpartei. Die meisten Frauen, die zwischen 1870 und 1938 in den verschiedenen Projekten, Organisationen und Flügeln der Frauenbewegung aktiv waren, hatten Kontakt mit M. H., zu nennen sind: Johanna Meynert, Marie von Najmajer, Karoline Gronemann, Ernestine von Fürth, Hertha Sprung, Marie Hoheisel, Ottilie Bondy, Rosa Mayreder, Marie Lang, Helene Granitsch, Marie Eugenie delle Grazie, Alma Motzko, aus der deutschen Frauenbewegung Helene Lange und Gertrud Bäumer. M. H. gilt als Begründerin der österreichischen Frauenbewegung.
Ausz., Mitglsch.: 1937 erhielt sie eine Gedenktafel am Haus 1030 Wien, Rochusgasse 7. Sie gehörte dem Zentralausschuss des Vereins „Ottakringer Settlement“ an.
W.: „Zur Frage des Frauen-Unterrichtes. Vortrag, gehalten bei der dritten General-Versammlung des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins“ (1870), „Die Brotfrage der Frau“ (1875), „Ein Mutterwort über die Frauenfrage. Vortrag“ (1893), „Seherinnen, Hexen und Wahnvorstellungen über das Weib im 19. Jahrhundert“ (1896), „Die Mutter. (Aus der eigenen Werkstatt. Vortragszyklus im Wiener Volksbildungsverein“ (1903), „Aufwand und Erfolg der Mittelschule vom Standpunkt der Mutter. Vortrag, gehalten am 25. 1. 1904“ (1904), „Frauenarbeit. (Aus der eigenen Werkstatt)“ (1911), „Aus meinen Erinnerungen. In: Frauenbewegung, Frauenbildung, Frauenarbeit“ (1930)
Österreichisches biographisches Lexikon
Hainisch Marianne, geb. Perger, Begründerin der österr. Frauenbewegung. * Baden b. Wien (N.Ö.), 25. 3. 1839; + Wien, 5. 5. 1936. Mutter von Michael Hainisch, Staatsmann, Sozial- und Wirtschaftspolitiker. Seit 1857 mit dem Fabrikanten Michael H. verheiratet. Unmittelbar veranlaßt durch die Notlage, in die einzelne Familien von Baumwollspinnern durch den nordamerikan. Bürgerkrieg (1861-65) und durch das Ausbleiben der Baumwolle auf den europ. Märkten geraten waren, aber auch vom Standpunkt des Menschenrechtes, stellte sie 1870 öffentlich den für das weibliche Bildungswesen epochemachenden Antrag, "der weiblichen Intelligenz aus allen Ständen" eine allgemeine Mittelschulbildung, zunächst durch Errichtung eines Realgymn., zu vermitteln, im besonderen, um den Mädchen dadurch bessere Erwerbsmöglichkeiten zu erschließen. Seitdem war sie als hervorragende Praktikerin und Organisatorin in allen Frauenbestrebungen um Bildung (vollwertiges Mittel- und Hochschulstud., Zulassung zu den Gewerbeschulen), Erwerbsmöglichkeiten, Rechtsfortschritt und höhere Sittlichkeit, führend tätig, und zwar stets in maßvoller Weise, den Familiengedanken hochhaltend, selbst vorbildliche Gattin und Mutter. 1902 gründete H. den Bund österr. Frauenver. (der 1914 90 Ver. umfaßte), den sie 1904 dem International Council of Women anschloß und dessen Vorsitz sie bis 1918 führte. Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sie sich besonders den doppelt dringlich gewordenen Fürsorgeaufgaben und der Friedenspropaganda, nachdem sie bereits 1914, nach dem Tode Berta v. Suttners, die Leitung der Friedenskomm. im Bund österr. Frauenver. übernommen hatte. Auf ihre Initiative geht die Einführung des Muttertages in Österr. zurück.
Lexikon der Frau
Hainisch, Marianne, geb. Perger, Pionierin der österr. Frauenbewegung, *Baden b. Wien 25.3.1839, +ebda 5.5.1936. Die Notlage der Frauen durch den Stillstand der Fabriken usw. liess sie den Mangel an Erwerbsmöglichkeiten der bürgerl. Frauen inforlge fehlender Schulbildung erkennen. 1870 forderte sie die Schaffung eines Realgymnasiums für Mädchen; war in den folgenden Jahrzehnten bemüht, den Frauen immer weitere Schulen u. Berufe zu erschliessen. Gründete 1899 [sic!] den Bund österr. Frauenvereine; kämpfte um polit. Gleichberechtigung; nahm Anteil an der Friedensbewegung, dem Kampf gegen den Alkoholismus u. die Reglementierung der Unzucht. Der Muttertag wurde auf ihre Anregung in Österreich eingeführt. Ehrenpräs. des Bundes österr. Frauenvereine; Vizepräs. des Internat. Frauenrates.
Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft
Hainisch, Marianne, Präsidentin des Bundes der österreichischen Frauenvereine. Die Mutter des früheren Bundespräsidenten, die auf ein Menschenalter sozialer Arbeit zurückblickt, war zeitlebens eine unermüdliche Vorkämpferin für die Gleichberechtiung der Frauen im öffentlichen Leben. Auf dem Gebiete des weiblichen Unterrichtswesens in Österreich waren ihre Anregungen richtunggebend. Sie ist 1870 als erste Frau in Österreich in einer Versammlung als Rednerin für die gleichberechtigung der Frauen im Unterricht und vor dem Gesetze aufgetreten und hat damals die Errichtung von Realgymnasien für Mädchen beantragt. Sie beteiligte sich auch an der Gründung des ersten Mädchengymnasiums in Wien und trat mit Publikationen, wie "Die Brotfrage der Frau", "Der Wiener Goethe-Verein", "Aufwand und Erfolg der Mittelschulen vom Standpunkt der Mütter", in die Öffentlichkeit. - M. H. wurde am 6. Juni 1839 in Baden bei Wien als Tochter des Fabrikanten Josef Perger geboren und heiratete 1857 den Fabrikbesitzer Michael Hainisch. Sie war ihren Kindern eine vorbildliche Mutter, und Bundespräsident M. H. weiß oft von ihrem für seine Entwicklung so bedeutsamen Erziehungswerk zu berichten. - Sie ist schon seit Jahren Witwe und hat eine Tochter, Marianne, und einen Sohn Michael, den ersten Präsidenten der Republik Österreich. - Wohnung: III., Rochusg. 7. - Tel. U-13-7-26.
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen
Hainisch, Marianne, geb. Perger
Politikerin
25.3.1839 (Baden b. Wien) - 5.5.1936 (Wien)
H. stammte aus einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie und heiratete 18-jährig den Fabrikanten Michael H., mit dem sie zwei Kinder hatte. Als Mitglied des 1866 von I. Laube und A. Littrow-Bischoff gegründeten "Frauen-Erwerbsvereins" forderte sie als erste die Berechtigung der Frau zu jedem Beruf und verlangte 1870 in ihrer Schrift "Zur Frage des Frauenunterrichtes" die Einrichtung von Mädchenrealgymnasien und die Zulassung von Frauen zum Studium. 1899 begründete sie den "Bund Österreichischer Frauenvereine", mit dem sie sich 1904 dem "International Council of Women" anschloss und den sie bis 1924 leitete. Im Herbst 1918 trat H. der Bürgerlich-Demokratischen Partei bei, elf Jahre später war sie Mitgründerin der Österreichischen Frauenpartei. Mit auf ihre Initiative hin wurde in Österreich der "Muttertag" eingeführt. Ihr Sohn Michael H. war 1920-28 österreichischer Bundespräsident.
Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- WBR/HS, Teilnachlass Marianne Hainisch H.I.N. 122.400-122.420, H.I.N. 122.567-122.620, H.I.N. 122.771-122.880, H.I.N. 122.894-122.990, H.I.N. 122.993-123.220, H.I.N. 123.226-123.322, H.I.N. 123.421-123.436, H.I.N. 123.621-123.790, H.I.N. 127.104-127.127
- ÖNB/HAN, Teilnachlass Marianne Hainisch Cod. Ser. n. 35652 bis 35664
- BÖFV, Nachlass Marianne Hainisch
- ÖNB/HAN, Teilnachlass Marianne Hainisch, Tagebücher, Cod. Ser. n. 35654 - 35660