Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Anna Boschek wurde 1874 als drittes von acht Kindern einer ehemaligen Landarbeiterin und eines Eisenbahnschlossers in Wien geboren. Schon als Kind musste sie zum Erhalt der Familie beitragen, anfangs als Heimarbeiterin, später – 1891 – fand sie Arbeit in der Textilindustrie.
Im selben Jahr trat sie dem sozialdemokratischen Arbeiterinnen-Bildungsverein bei, bald darauf der Gewerkschaft der Textilarbeiter. Sie war eine der ersten weiblichen Delegierten am Gewerkschaftskongress 1893 und setzte sich für die Organisierung der Frauen in der Gewerkschaftsbewegung ein. 1894 wurde sie als erste Frau bei der Gewerkschaftskommission, dem leitenden Gremium der Freien Gewerkschaften, angestellt. Darüber hinaus war sie Vorsitzende des Verbandes Einigkeit, der sich für Hausgehilfinnen, Erzieherinnen, Heim- und Hausarbeiterinnen einsetzte. Deren Situation und Probleme waren Boschek aufgrund ihrer eigenen Biographie bekannt.
Bald begann ihre sozialdemokratische frauenspezifische Organisierung. Als 1898 das Frauenreichskomitee gegründet wurde, war Boschek Mitbegründerin und blieb bis in die 1930er Jahre Mitglied. 1907 nahm sie an der ersten sozialistischen Frauenkonferenz in Stuttgart teil. Gemeinsam mit Therese Schlesinger und Adelheid Popp prägte Anna Boschek lange Zeit die frauenpolitischen Aktivitäten der Sozialdemokratischen Partei. 1919 wurde sie als eine von sieben Sozialdemokratinnen ins Parlament gewählt und blieb bis zur Ausschaltung der Demokratie 1933/34 durch Engelbert Dollfuss und die Vaterländische Front im Nationalrat vertreten. Dort arbeitete sie unter anderem gemeinsam mit Ferdinand Hanusch an einer sozialen Gesetzgebung. Diese beinhaltete Kollektivverträge, Mindestlohn, Kinderarbeitsverbot und Karenzzeit. Sie hatte maßgeblichen Anteil am Hausgehilfinnengesetz und beim Nachtarbeitsverbot für Frauen. Ihre Schwerpunkte blieben also auch im Parlament die Rechte und der Schutz arbeitender Menschen und Frauenrechte. Diese vertrat sie auch auf internationalen Konferenzen des Arbeitsamtes in Genf.
1928 fand erstmals ein Gewerkschaftskongress zum Thema Frauenarbeit statt. Gemeinsam mit anderen war Anna Boschek der Ansicht, dass die Schaffung einer eigenen Frauensektion innerhalb der Gewerkschaften notwendig sei. Im selben Jahr kam es dann auch zur Gründung der Frauensektion der Freien Gewerkschaften, deren erste Vorsitzende sie wurde. Zu ihren wichtigsten Weggefährtinnen zählte dabei Käthe Leichter.
Anna Boschek publizierte zahlreiche Artikel und war auch Herausgeberin mehrerer sozialdemokratischer Frauenzeitschriften. Auch an der Produktion eines Filmes war sie beteiligt – 1931 entstand in Zusammenarbeit von Gewerkschaft und Arbeiterkammer der Stummfilm "Frauenleben - Frauenlos".
Im Austrofaschismus wurde Anna Boschek 1934 einige Wochen inhaftiert. Über ihr Leben zur Zeit des Nationalsozialismus ist wenig bekannt. Nach 1945 trat sie aus gesundheitlichen Gründen von ihren Funktionen zurück. 1960 wurde in Erinnerung an sie das Anna-Boschek-Lehrmädchenheim im 4. Wiener Bezirk Ecke Plößlgasse Prinz-Eugen-Straße eröffnet, das inzwischen abgerissen wurde.
biografiA
Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus, 246-249
Popp: Der Weg zur Höhe, 20
das rote Wien
Lexikon
ÖBL
Boschek, Anna, Gewerkschafterin. Geb. Wien, 14. 5. 1874; gest. ebd., 19. 11. 1957.
Tochter des Schlossers und Gepäcksträgers Thomas Boschek und der Landarbeiterin und Blumenbinderin Katharina Boschek, geb. Böhm. – Nach dem frühen Tod des Vaters (1883) musste B. mit Heim- und Botenarbeit zum Familienerhalt beitragen. Später arbeitete sie in einer Galvanisierungswerkstätte und in einer Mundharmonikafabrik und trat mit 14 Jahren als Lehrmädchen in eine Chinasilberfabrik ein, wo sie sich ein Augenleiden zuzog, das sie ihr gesamtes weiteres Leben schwer behindern sollte. 1891 fand B. Arbeit in der Kneippschen Trikotfabrik in Wien-Ottakring. Über die Bekanntschaft mit der Buchbinderin und Gewerkschafterin Marie Krasa kam sie 1891 in den sozialdemokratischen Wiener Arbeiterbildungsverein, wo sie sich autodidaktisch weiterbildete und von einer Ordnerin zur Bibliothekarin und später zur Rednerin aufstieg. Ebenfalls 1891 trat B. dem Verein der Posamentiergehilfen bei. Beim Gewerkschaftskongress 1893 war B. neben →Adelheid Popp und Marie Krasa eine der ersten weiblichen Delegierten und trat für die Forderungen der Frauen und deren breite Organisierung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung ein. 1894 wurde sie über Vermittlung →Anton Huebers, der nach dem Tod des Vaters ihr Vormund war, von der neugegründeten Gewerkschaftskommission angestellt, wobei ihr Tätigkeitsbereich u. a. auch Agitationsreisen umfasste. Ebenfalls 1894 war sie erstmals Delegierte auf dem sozialdemokratischen Parteitag. 1896 arbeitete B. an einer Gewerbeenquete über die Arbeitsbedingungen von Arbeiterinnen mit. 1898 war sie Mitbegründerin des gewerkschaftlichen Frauenreichskomitees, als dessen Geschäftsführerin sie in der Folge fungierte. 1907 nahm B. an der ersten sozialistischen Frauenkonferenz in Stuttgart teil. Im 1. Weltkrieg engagierte sie sich in der Fürsorge und bei der Frauenhilfsaktion. 1918 wurde sie in die Kommission für Frauenarbeit beim Ministerium für soziale Verwaltung delegiert und war Mitglied des sich im Dezember 1918 konstituierenden Wiener Gemeinderats (bis 1920), 1919 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920–34 Abgeordnete zum Nationalrat. In enger Zusammenarbeit mit Staatssekretär →Ferdinand Hanusch und →Käthe Leichter, die ihre parlamentarische Mitarbeiterin wurde, arbeitete B. an einer Reihe von sozial- und frauenpolitischen Gesetzen mit. Ihr stärkstes Engagement galt den Hausgehilfinnen. Eine Reihe ihrer diesbezüglichen Initiativen, wie das Hausgehilfinnengesetz 1920, erlangten Gesetzeskraft und sie war auch wesentlich an der Entwicklung des sozialdemokratischen Hausgehilfinnenvereins „Einigkeit“ beteiligt. 1928 wurde B. erste Vorsitzende der neugegründeten Frauensektion im Bund der Freien Gewerkschaften. Gemeinsam mit Wilhemine Moik und Käthe Leichter war sie 1930 an der Produktion des Stummfilms „Frauenleben – Frauenlos“ beteiligt. Zur Zeit des autoritären „Ständestaats“ wurde B., die ferner ständiges Mitglied der Frauenkommission des internationalen Arbeitsamts war, 1934 sieben Wochen im Wiener Polizeigefangenenhaus festgehalten, zog sich danach ins Privatleben zurück, blieb jedoch auch nach dem „Anschluss“ 1938 unter Polizeiaufsicht. Ihre angegriffene Gesundheit und ihr fortgeschrittenes Alter hinderten sie daran, sich nach 1945 beim Aufbau der neuen Gewerkschaftsbewegung aktiv einzubringen. Dennoch nahm sie bis zuletzt an jeder Tagung, in der es um gewerkschaftliche oder um Frauenfragen ging, teil. 1959 wurde ein nach ihr benanntes Wohnheim der Kammer für Arbeiter und Angestellte eröffnet.
Tausend Frauen
Boschek, Anna
Politikerin
14.5.1874 - 18.11.1957 (ebd.)
1891 wurde B., die als Spulerin in einer Textilfabrik arbeitete, Mitglied des "Arbeiterinnenbildungsvereins". Seit 1894 war sie für die Gewerkschaftskommission tätig und unterstützte 1896 eine Gewerbe-Enquete zur Verbesserung der Lage der Arbeiterinnen. Als erste Frau wurde sie Mitglied des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und 1919 als erste weibliche Abgeordnete für die SPÖ Mitglied des Nationalrats. 1934 verlor sie ihr Amt, als das Parlament von der Regierung aufgelöst wurde.
Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- WBR/HS, Teilnachlass Anna Boschek, ZPH 1241
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-005082
- VGA Wien, Personennachlass Anna Boschek
- VGA Wien, Personenarchiv Anna Boschek, Lade 19, Mappe 56
- Manuskripte über Aline Furtmüller, Luise Kautsky, Käthe Leichter, Anna Kethly, Anna Altmann, Anna Boschek - In: VGA Wien, Personennachlass Gabriele Proft, Karton 2, Mappe 4/5