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Aus dem Archiv: Eine digitale Schau zum Nobelpreis für Peter Handke


Automatenfotos, Signatur: ÖLA SPH/LW/S81

Der Nobelpreis für Literatur 2019 ging an Peter Handke – „für ein einflussreiches Werk, das mit sprachlicher Genialität die Peripherie und die Spezifität der menschlichen Erfahrung erforscht“, so die Begründung der Schwedischen Akademie. Mit mehreren Beständen und einer großen Bandbreite an Materialien verzeichnet das » Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek die umfangreichste und vielfältigste Sammlung zum Leben und Werk des österreichischen Schriftstellers.

Anlässlich der Verleihung präsentiert das Literaturarchiv eine kleine digitale Ausstellung aus diesem reichhaltigen Fundus. In 18 Stationen, die Text-, Bild-, Audio- und Videomaterial umfassen, macht die Schau Handkes Werdegang von seinen ersten, aufsehenerregenden Veröffentlichungen 1966 bis zum Nobelpreis nachvollziehbar. Sie bietet Einblicke ins Archiv und in das » Literaturmuseum, wo ausgewählte Exponate im Original zu besichtigen sind. Zwischen 2011 und 2015 dienten diese Bestände als Ausgangsmaterial für die „Forschungsplattform Peter Handke“ am Literaturarchiv und ihre umfangreiche Website » Handkeonline.

Archive und Bibliotheken weisen in die Vergangenheit und in die Zukunft. Mit dieser Perspektive bilden sie auch eine notwendige Ergänzung zur aktuellen Medienberichterstattung. Sie zeigen Zusammenhänge und Entstehungsgeschichten auf und ermöglichen einen differenzierten Blick auf die teils heftig geführten Debatten, die Handke nicht erst seit dem Nobelpreis begleiten.

Handkes Poetik ist nicht zu trennen von seinen öffentlichen Positionen und seinem Werdegang als Schriftsteller. Sein Werk eignet sich wie kaum ein anderes, über die Beziehungen zwischen Werk, Person und Öffentlichkeit, über Literatur, Politik und Engagement nachzudenken. Im besten Falle geht es auch darum, was Literatur kann und soll.

Mit dieser digitalen Ausstellung laden wir Sie ein: Schauen Sie! Lesen Sie! Und besuchen Sie uns im » Archiv, im » Literaturmuseum und auf unserer » Online-Forschungsplattform!

    

Der feinerschlossene und in speziellen säurefreien Mappen und Boxen abgelegte Vorlass von Peter Handke am Literaturarchiv.
Fotos: ÖNB / Michael Hansel

    

Neben Manuskripten, Typoskripten und Notizbüchern finden sich auch unerwartete Objekte in den Beständen Handkes, wie z. B. seine Wanderschuhe, seine E-Gitarre oder Gemälde.
Regal zur Aufbewahrung von Gemälden am Literaturarchiv, Foto: ÖNB / Katharina Manojlovic
Handkes Wanderschuhe im Literaturmuseum, Signatur: ÖLA SPH/LW/S290-D, Foto: ÖNB / Katharina Manojlovic

    

Im März 1966 erschien mit „Die Hornissen“ Peter Handkes erster Roman. Er ist der Versuch, die Entstehung eines Romans zu beschreiben. Obwohl das Buch zunächst kaum wahrgenommen wurde, machten ihn sein Auftritt bei der Tagung der Gruppe 47 an der amerikanischen Universität Princeton im April und sein im Juni uraufgeführtes Stück „Publikumsbeschimpfung“ schlagartig zu einem der bekanntesten Autoren seiner Generation.
„Die Hornissen“, Buchcover, Suhrkamp 1966

    

Mit seinem ersten Theaterstück „Publikumsbeschimpfung“ stellte Peter Handke den konventionellen Theaterbetrieb radikal in Frage. Bei dem Sprechstück sind die SchauspielerInnen gleichsam die BeobachterInnen und das Publikum das Thema. Diesen Videoausschnitt können Sie in voller Länge im Literaturmuseum sehen.
Videoausschnitt: „Publikumsbeschimpfung“, Uraufführung im Frankfurter Theater am Turm, 8. Juni 1966, Inszenierung: Claus Peymann, © Suhrkamp Verlag 1968 / Hessischer Rundfunk 1966 / Städtische Bühnen Frankfurt

    

Peter Handkes Erzählung „Wunschloses Unglück“ ist die literarische Erinnerung an seine Mutter, die im November 1971 Selbstmord beging, und zugleich das Porträt eines Frauenlebens im Kärnten der Nachkriegszeit. Diesen Audioausschnitt einer Lesung von Peter Handke in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien am 10.11.1972 können Sie im Literaturmuseum zur Gänze hören.
Audioausschnitt: Lesung „Wunschloses Unglück“, Österreichische Mediathek, © Suhrkamp Verlag 1972
Foto: Peter Handke mit seiner Mutter Maria Handke, ohne Datum, Signatur: ÖLA SPH/LW/S59/3

    

Peter Handkes Schreibprojekt „Ins tiefe Österreich“ umfasst acht Notizbücher. Das abgebildete Spiralheft im DIN A6-Format enthält u. a. Beschreibungen der Landschaft und Darstellungen dörflichen Lebens in Kärnten aus der Zeit vom August und September 1976. Diese Aufzeichnungen ließ Handke später in seine Tetralogie „Langsame Heimkehr“ einfließen, die die Erzählungen „Langsame Heimkehr“ (1979), „Die Lehre der Sainte-Victoire“ (1980) und „Kindergeschichte“ (1981) sowie das Theaterstück „Über die Dörfer“ (1981) umfasst.
„Ins tiefe Österreich“, Spiralheft, 1976, Signatur: ÖLA SPH/LW/W12

    

Das Gehen und das Schreiben sind in Handkes Alltag und in seinen Werken auf fast untrennbare Weise verbunden. Die eingravierten Ortsbezeichnungen auf einem seiner Wanderstöcke reichen vom Kärntner Gailtal über den slowenischen Karst bis nahe Triest. In Handkes Erzählung „Die Wiederholung“ (1986) nimmt der junge Filip Kobal aus Rinkenberg (Kärnten) auf der Suche nach seinem im Zweiten Weltkrieg verschollenen Bruder genau diesen Weg.
Peter Handkes Wanderstock, ausgestellt im Literaturmuseum, Signatur: ÖLA SPH/LW/S279-D, Foto: ÖNB / Katharina Manojlovic

    

Peter Handke in den 1970er- und 1980er-Jahren, Leihgabe Hans Widrich
Polaroids, Signatur: ÖLA SPH/LW/S1

    

Ende 1979 begann Peter Handke gemeinsam mit Helga Mračnikar Florjan Lipuš‘ Roman "Zmote dijaka Tjaža" vom Slowenischen ins Deutsche zu übersetzen. Dabei fertigte er sechs slowenisch-deutsche Vokabelhefte an, die inhaltlich dem Romantext folgen. Handke setzte sich bei dieser Arbeit intensiv und ganz bewusst mit der Sprache seiner Vorfahren auseinander. Die Übersetzung erschien 1981 unter dem deutschen Titel "Der Zögling Tjaž". Eines der Vokabelhefte ist im Literaturmuseum zu sehen.
Vokabelheft, Signatur: ÖLA SPH/LW/W129

    

Das tägliche Notieren ist für Peter Handkes Arbeitsweise zentral. „Die Geschichte des Bleistifts“ umfasst seine Aufzeichnungen aus den Jahren 1976 bis 1980. Mehrere Einträge thematisieren seine Liebe zum Bleistift als Schreibutensil.
„Die Geschichte des Bleistifts“, Buchcover, Residenz Verlag 1982

    

In der Sammlung René Char findet sich ein einzigartiges Objekt: ein auf Birkenrinde geschriebener Brief Handkes an den französischen Dichter. 1984 übertrug er Gedichte von Char ins Deutsche. Handke übersetzte aber nicht nur aus dem Französischen, sondern auch aus dem Altgriechischen, Englischen, Slowenischen und Serbokroatischen. Darunter Texte von Jean Genet, Sophokles, Euripides, Walker Percy, Gustav Januš und Patrick Modiano, dem Literaturnobelpreisträger 2014.

Transkription (dt. Übersetzung):
Am 24. Dezember 1986
Lieber René Char, ich bin in einer Bar in Salzburg, die « Le Monte Carlo » heißt, ich habe die Stadt durchquert, verlassen unter dem Schnee, wo die Flocken beim Herabfallen aneinanderstoßen, und ich denke an Sie, nachdem ich einem Baum (Birke?) seine Haut genommen habe, auf die ich diesen ein wenig würdelosen Brief schreibe. Aber da ich weiß, dass Sie den Winter lieben … Peter Handke

Peter Handke an René Char, Brief auf Birkenrinde, 1986, Signatur: ÖLA 348/B5

    

Jukeboxen tauchen in Handkes Werken immer wieder auf. Sein Buch „Versuch über die Jukebox“ (1990) ist ein Loblied auf diesen Musikautomaten. Es gehört neben dem „Versuch über die Müdigkeit“ (1989), „Versuch über den geglückten Tag“ (1991), „Versuch über den Stillen Ort“ (2012) und dem „Versuch über den Pilznarren“ (2013) zu jenen fünf „Versuchen“, in denen Handke Autobiografisches, Erzählerisches und Essayistisches in Einklang bringt.
„Versuch über die Jukebox“, Buchcover, Suhrkamp 1990
Foto: Peter Handke an einer Jukebox, 1980er Jahre, Signatur: SPH/LW/S23

    

540 Blatt umfasst das Bleistift-Manuskript von Handkes Roman „Mein Jahr in der Niemandsbucht“. Einen großen Teil des Textes hat Handke im Freien geschrieben an einem kleinen See in der Umgebung seines Wohnortes in Chaville bei Paris. Diesen Schreibort nannte er „Namenloser Weiher“. Am Rand des Manuskripts tauchen auf einigen Seiten Zeichnungen von Rattenköpfen auf. In einem Gespräch mit dem Journalisten Sven Michaelsen erklärte Handke: „An dem Seeufer gibt es Ratten. Immer wenn eine zu meinen Füßen auftauchte, habe ich eine kleine Zeichnung von ihr gemacht.“ (Stern 52, 1994).
„Mein Jahr in der Niemandsbucht“, Bleistift-Manuskript, 1994, Signatur: ÖLA 326/W7

    

1996 veröffentlichte Handke „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Sawe, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“. Seine Betrachtung der Kriege im Jugoslawien der 1990er-Jahre sorgte für heftige, kontroverse Debatten, die bis heute anhalten.
„Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Sawe, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“, Typoskript, 1995, Signatur: ÖLA 326/W10

    

„Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg“ bezeichnete Elfriede Jelinek als „Schlüsselstück über das ehemalige Jugoslawien“ (Der Standard, 30.5.2006). Handke übersetzt darin seine Kritik an der Politik des Westens gegenüber Jugoslawien und an der aus seiner Sicht eindimensionalen Medienberichterstattung in eine friedliche mythische Zukunft. Die Uraufführung fand am 9. Juni 1999 im Wiener Burgtheater statt.
„Die Fahrt im Einbaum“, Manuskript, 1997/1998, Signatur: ÖLA 326/W56
Foto: Handke an der Donau in Zemun bei Belgrad in einem „Einbaum“, 1999, Signatur: LIT 498/19, Foto: Zlatko Bocokić

    

Wann sind Texte endgültig fertig? Handkes Produktionsweise ist nicht nur durch eine intensive Konzeptionsphase gekennzeichnet, sondern auch bis zum Ende hin äußerst akribisch. Den Schlussteil etwa der 2008 erschienenen Erzählung „Die Morawische Nacht“ veränderte Handke noch in der Druckfahne.
„Die Morawische Nacht“, Fahnenkorrektur, 2007, Signatur: ÖLA 326/W52b

    

Neben Gesamtfaksimiles ausgewählter Werke und umfangreichem Bildmaterial dokumentiert die Forschungsplattform Handkeonline die besondere Arbeitsweise Peter Handkes. Vorhandene Archivmaterialien, wie Notizbücher, verschiedene Textfassungen oder Recherchematerialien, machen die Entwicklung seiner Schreibprojekte vom ersten Notieren bis zur fertigen Buchpublikation sichtbar. Im Online-Forschungsmagazin werden die Ergebnisse der internationalen Handke-Forschung gesammelt und frei zugänglich gemacht.
Foto: Screenshot Handkeonline, 2019, handkeonline.onb.ac.at

    

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