Bernhard Seuffert ist in der Germanistik als Herausgeber von Neudrucken, als Wielandforscher und Zeitschriftengründer bekannt. Seine Publikationstätigkeit konzentrierte sich – im Gegensatz zu der von August Sauer – beinahe ganz auf das wissenschaftliche Feld. Trotz seiner wichtigen Leistungen, vor allem auf dem Gebiet der Edition, wurde Seuffert bislang durch die wissenschaftsgeschichtliche Forschung wenig gewürdigt.
Seuffert wurde am 23. Mai 1853 in Würzburg (D) geboren, wo er Klassische Philologie, Geschichte und Germanistik studierte. Nach einem Forschungsaufenthalt bei Wilhelm Scherer in Straßburg (1875/76) wurde er 1876 bei Erich Schmidt in Würzburg mit einer Studie über Maler Müller promoviert. 1877 habilitierte er sich dort im Fach Deutsche Sprache und Literatur. Während seiner Lehrtätigkeit als Privatdozent in Würzburg gründete er 1881 die Reihe Deutsche Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts in Neudrucken (DLD), in der bis 1890 unter seiner Herausgeberschaft 38 Bände erschienen. 1891 übergab er die Reihe an August Sauer.
Nach fast neunjähriger Tätigkeit als Privatdozent in Würzburg trat Seuffert 1886 die Nachfolge Sauers als Extraordinarius für Neuere deutsche Sprache und Literatur in Graz an, wo er 1892 eine ordentliche Professur erhielt und bis 1927 lehrte. Die im Jahr 1913 an ihn ergangenen Rufe an die Universitäten Berlin und Wien lehnte er ab.
1886 war Seuffert kurzzeitig als Generalkorrektor, danach als Mitglied im Redaktionskollegium der Weimarer Goethe-Ausgabe tätig, die von 1887 bis 1919 im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen in vier Abteilungen mit insgesamt 143 Bänden erschien. Während er anfangs noch großen Respekt vor dieser schwierigen editionswissenschaftlichen Aufgabe hatte, sah er das Projekt später zunehmend kritisch. Seine eigene editorische Leistung bei der Erstellung des wissenschaftlichen Apparats zu den Leiden des jungen Werther (1899) gilt jedoch heute noch als eines der Glanzstücke der Ausgabe.
Seufferts Forschungsschwerpunkt lag bei dem deutschen Dichter Christoph Martin Wieland. Seuffert veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze zu Leben und Werk Wielands, seine geplante Wieland-Biographie konnte er jedoch nicht realisieren. 1903 wurde Seuffert von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin mit der Planung und Leitung zu einer kritischen Gesamtausgabe von Wielands Werken und Briefen beauftragt. Die Wieland-Ausgabe steht in der Tradition der großen nationalpolitischen Editionsprojekte zu Lessing, Goethe, Herder, Schiller und Hölderlin. Von 1904 bis zu seinem Tode erarbeitete Seuffert neun Teile Prolegomena zu einer Wielandausgabe (gedruckt 1904–1941), welche die Grundlagen der Edition beschreiben. Die umfangreichen Verzeichnisse der Drucke und Briefe Wielands, die in die Prolegomena einflossen, hatte Seuffert seit Beginn der 1880er Jahre auf ausgedehnten Archivreisen in Deutschland und der Schweiz zusammengetragen. Aufgrund finanzieller, methodischer und zeithistorischer Schwierigkeiten wurde die Wieland-Ausgabe der Preußischen Akademie, die ab 1948 in der DDR und ab 1989 in der neuen Bundesrepublik weitergeführt wurde, niemals abgeschlossen und im Jahr 2003 endgültig abgebrochen.
Neben der akademischen Lehre setzte sich Seuffert dafür ein, die wissenschaftliche Forschung der fachlichen Gemeinschaft zugänglich zu machen. 1888 gründete er die Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte, eine der ersten neugermanistischen Fachzeitschriften, die Forschungsarbeiten aus verschiedenen Ländern publizierte. Obwohl die Zeitschrift aufgrund finanzieller Schwierigkeiten schon 1893, nach nur sechs Jahrgängen, eingestellt werden musste, ebnete sie den Weg für August Sauers moderneres Nachfolgeunternehmen, den Euphorion. Seufferts Hauptinteresse galt der literaturhistorischen und editorischen Erschließung von Autoren und Werken des 17. bis 19. Jahrhunderts. In kleinerem Umfang, vor allem in mehreren Aufsätzen mit Beobachtungen zur dichterischen Komposition (1909–1911), widmete er sich auch literaturtheoretischen Problemen.
Seuffert bildete an der Universität Graz zahlreiche Doktoranden aus. 1913/14 amtierte er als Rektor der Universität Graz, die ihm 1927 die Ehrendoktorwürde verlieh. Seit 1914 war er korrespondierendes Mitglied sowohl der Wiener wie der Berliner Akademie der Wissenschaften. Die Wiener Akademie wählte ihn 1921 zum wirklichen Mitglied. Seuffert, der seit 1886 mit Anna Rothenhöfer verheiratet war, starb am 15. Mai 1938 in Graz.