Brief von August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg am 20. Oktober 1881. Donnerstag

  • < chronologisch >

Lemberg 20/10 81.
Ulica Kotlarska

Lieber Herr College,

Noch nie ist es mir so schwer geworden, ein Man. abzuschicken, als diesmal. Heute muß es aber geschehen, sonst halten Sie mich für einen Zauderer und Trödler, der ich nicht bin.
 Wir müßen die Lessing’sche Ausgabe abdrucken laßen; wenigstens wage ich es nicht die Einzeldrucke wiederzugeben. 1. habe ich nicht alle und vielleicht auch nicht immer die echten Drucke; 2) wüßte ich nicht, nach welchem Druck die anderen, nicht einzeln er[s]chienenen Lieder wiederzugeben wären; Der Schlachtgesang bei Eröffnung des Feldzuges 1757 scheint in der Bibl. der Wiss. zuerst gedruckt zu sein;

<p>Lemberg 20/10 81.<lb/>Ulica Kotlarska</p><p>Lieber Herr College,<lb/><lb/>Noch nie ist es mir so schwer geworden, ein Man. abzuschicken, als diesmal. Heute muß es aber geschehen, sonst halten Sie mich für einen Zauderer und Trödler, der ich nicht bin.<lb/> Wir müßen die Lessing’sche Ausgabe abdrucken laßen; wenigstens wage <hi rend="underlined">ich</hi> es nicht die Einzeldrucke wiederzugeben. 1. habe ich nicht alle und vielleicht auch nicht immer die echten Drucke; 2) wüßte ich nicht, nach welchem Druck die anderen, nicht einzeln er<damage agent="punchHole"><supplied>[s]</supplied></damage>chienenen Lieder wiederzugeben wären; Der Schlachtgesang bei Eröffnung des Feldzuges 1757 scheint in der Bibl. der Wiss. <hi rend="underlined">zuerst</hi> gedruckt zu sein;
eine Einheit ließe sich kaum herstellen; damit nun die wenigen abweichenden Lesarten der Flugblätter nicht verloren gehen, so habe ich sie zusammengestellt u[n]d reihe sie der Vorrede ein, ebenso die handschriftl. Lesarten, die mir zu Gebote stehen, so daß wir eine kritische Ausgabe in nuce und doch den intacten Neudruck beisammen haben. Wenn Sie einen Blick auf meine (nur für mich gemachten Notizen) unter dem Striche werfen wollen, so können Sie sich über mein critisches Material selbst eine Meinung bilden. Interpunction und Orthogr. berücksichtige ich aber bei meiner
<pb/>eine Einheit ließe sich kaum herstellen; damit nun die wenigen abweichenden Lesarten der Flugblätter nicht verloren gehen, so habe ich sie zusammengestellt u<damage agent="punchHole"><supplied>[n]</supplied></damage>d reihe sie der Vorrede ein, ebenso die handschriftl. Lesarten, die mir zu Gebote stehen, so daß wir eine kritische Ausgabe in nuce und doch den intacten Neudruck beisammen haben. Wenn Sie einen Blick auf meine (nur für mich gemachten Notizen) unter dem Striche werfen wollen, so können Sie sich über mein critisches Material selbst eine Meinung bilden. Interpunction und Orthogr. berücksichtige ich aber bei meiner
Zusammenstellung in der Vorrede nicht. Diese wird also 1.) eine allgemeine Würdigung der KL.  2) die bibliogr. Beschreib. der zu Grunde gelegten [A]usgaben   3) die Varianten der Einzeldrucke & Man. und 4) einige Beiträge zur Erklärung im Einzelnen an der Hand mehrerer ungedruckter Briefstellen bringen; ich vermeide die Form des Kommentars, ohne die Sache selbst aufzugeben. Ein wenig Zeit müßen Sie mir aber zu dieser Einleitung noch geben; ich denke, daß der Druck des Textes, wenn er gleich in Angriff gewonnen wird, doch mindestens 14 [Ta]ge dauert; bis dahin soll das Man. bereits von Ihnen durchgearbeitet sein. Denn es ist selbstverständlich, daß Sie mir ganz unbe-
<pb/>Zusammenstellung in der Vorrede nicht. Diese wird also 1.) eine allgemeine Würdigung der KL.  2) die bibliogr. Beschreib. der zu Grunde gelegten <damage agent="punchHole"><supplied>[A]</supplied></damage>usgaben   3) die Varianten der Einzeldrucke &amp; Man. und 4) einige Beiträge zur Erklärung im Einzelnen an der Hand mehrerer ungedruckter Briefstellen bringen; ich <hi rend="underlined">vermeide</hi> die Form des Kommentars, ohne die Sache selbst aufzugeben. Ein wenig Zeit müßen Sie mir aber zu dieser Einleitung noch geben; ich denke, daß der Druck des Textes, wenn er gleich in Angriff gewonnen wird, doch mindestens 14 <damage agent="punchHole"><supplied>[Ta]</supplied></damage>ge dauert; bis dahin soll das Man. bereits von Ihnen durchgearbeitet sein. Denn es ist selbstverständlich, daß Sie mir ganz unbe-
schränkt Ihre Bemerkungen, Änderungsvorschläge etc. mitteilen. Ich glaube mit 1 ½ Bogen auszukommen.
 Lachen Sie nicht über die komische Art, mit der ich den Titel der KL wiederzugeben suchte; ich bin aber in allen ‚zeichnenden Künsten‘ schlecht bewandert. Im Orig. hat jedes Lied ein Schmutzblatt mit dem Titel vor sich, wie Sie aus der Zählung sehen werden. Ich glaube, daß es genügt, wenn wir nur bei jedem Liede eine neue Seite beginnen.
 Und nun besten Dank für Brief, Karte, Buch und Re[cen]s. Die letztere hat mich sehr gefreut. Sie ist der schönste Lohn für meine
<pb/>schränkt Ihre Bemerkungen, Änderungsvorschläge etc. mitteilen. Ich glaube mit 1 ½ Bogen auszukommen.<lb/> Lachen Sie nicht über die komische Art, mit der ich den Titel der KL wiederzugeben suchte; ich bin aber in allen ‚zeichnenden Künsten‘ schlecht bewandert. Im Orig. hat jedes Lied ein Schmutzblatt mit dem Titel vor sich, wie Sie aus der Zählung sehen werden. Ich glaube, daß es genügt, wenn wir nur bei jedem Liede eine neue <hi rend="underlined">Seite</hi> beginnen.<lb/> Und nun besten Dank für Brief, Karte, Buch und Re<damage agent="punchHole"><supplied>[cen]</supplied></damage>s. Die letztere hat mich sehr gefreut. Sie ist der schönste Lohn für meine
Mühe, den ich mir vorstellen kann. Ich danke Ihnen herzlichst dafür. Sie hat mir aber auch viele Anregung gegeben. Bes. ist die Bemerkung [da]ß Ramler & Körte doch Kleistsche Lesarten in den gemeinsamen Versen benutzt hätten, nicht abzuweisen. Ohne neue gründl. Prüfung könnte ich freilich ein Urtheil nicht fällen. Daß ich Kleist zu günstig beurteilt habe, glaube ich auch heute noch nicht. Als Dichter gewiß nicht. Als Mensch vielleicht.
 Ihre Einleitung zu Müllers Faust ist sehr schön, greift aber nach meiner Meinung zu weit aus. Wenn solche Vorreden das Publicum an die Sammlung
<pb/>Mühe, den ich mir vorstellen kann. Ich danke Ihnen herzlichst dafür. Sie hat mir aber auch viele Anregung gegeben. Bes. ist die Bemerkung <damage agent="punchHole"><supplied>[da]</supplied></damage>ß Ramler &amp; Körte doch Kleistsche Lesarten in den gemeinsamen Versen benutzt hätten, nicht abzuweisen. Ohne neue gründl. Prüfung könnte ich freilich ein Urtheil nicht fällen. Daß ich Kleist zu günstig beurteilt habe, glaube ich auch heute noch nicht. Als Dichter gewiß nicht. Als Mensch vielleicht.<lb/> Ihre Einleitung zu Müllers Faust ist sehr schön, greift aber nach meiner Meinung zu weit aus. Wenn solche Vorreden das Publicum an die Sammlung
heranziehen, dann freilich muß dieses Opfer gebracht werden; wie wärs, wenn Sie einmal ein [lu]stiges Heftchen aus den Romantikern brächten, Brentano, Tieck oder Arnim. Auf die Frankfurter Gelehrten Anzeigen freue ich mich sehr. Da hat die Masse der Philologen was zu kauen und ich sehe schon im Geiste wie jeder Recensent des Heftchens neue Entdeckungen über die Scheidung der Autoren macht.
 Ich war mit Übersiedlung, Bücherordnen, Collegienbeginn
<pb/>heranziehen, dann freilich muß dieses Opfer gebracht werden; wie wärs, wenn Sie einmal ein <damage agent="punchHole"><supplied>[lu]</supplied></damage>stiges Heftchen aus den Romantikern brächten, Brentano, Tieck oder Arnim. Auf die Frankfurter Gelehrten Anzeigen freue ich mich sehr. Da hat die Masse der Philologen was zu kauen und ich sehe schon im Geiste wie jeder Recensent des Heftchens neue Entdeckungen über die Scheidung der Autoren macht.<lb/> Ich war mit Übersiedlung, Bücherordnen, Collegienbeginn
etc. so beschäftigt, daß ich seit den zehn Tagen meines Lemberger-Aufenthaltes noch nicht zu Athem gekommen bin. Daher auch die Verzögerung, die Sie gütigst entschuldigen wollen ebenso wie die Flüchtigkeit dieses Briefes.
 Und nun seien Sie bestens gegrüßt von
 Ihrem
 Ergebenen
 DrSauer.

Das Heft ‚an die Kriegsmuse‘ [fo]lgt zurück; es ist der Orig. Druck, den ich in 2 Exemplaren zur Verfügung habe. hätte ich ihn früher gehabt, so wäre vielleicht das Abschreiben zu ersparen gewesen.

<pb/>etc. so beschäftigt, daß ich seit den zehn Tagen meines Lemberger-Aufenthaltes noch nicht zu Athem gekommen bin. Daher auch die Verzögerung, die Sie gütigst entschuldigen wollen ebenso wie die Flüchtigkeit dieses Briefes.<lb/> Und nun seien Sie bestens gegrüßt von<lb/> Ihrem<lb/> Ergebenen<lb/> DrSauer.<lb/><lb/>Das Heft ‚an die Kriegsmuse‘ <damage agent="punchHole"><supplied>[fo]</supplied></damage>lgt zurück; es ist der Orig. Druck, den ich in 2 Exemplaren zur Verfügung habe. hätte ich ihn früher gehabt, so wäre vielleicht das Abschreiben zu ersparen gewesen.</p>
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        <title level="a" n="1">August Sauer an Bernhard Seuffert in Würzburg<lb/>Lemberg, 20. Oktober 1881 (Donnerstag)</title>
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