Themenkommentar „Medien“

Andreas Okopenko war ein aufmerksamer und kritischer Konsument der zeitgenössischen Medienlandschaft, der gewissenhaft seine Lektüren in den Tagebüchern verzeichnete. Der Medienkonsum war, genauso wie heute, eine alltägliche Angelegenheit. Aus einer ruhigen Phase im September 1951 in seiner Firma berichtete Okopenko: Halb zwölf lasen Machwitz in einer Handelszeitschrift, Huber in einem Wochenmagazin, ich in den Heften der 'Meta'. Die „Meta“ waren eine in Österreich nur schwer zu bekommende, moderne Kunst- und Lyrikzeitschrift von Karl Otto Götz aus Frankfurt, in der u.a. Gedichte von Paul Celan abgedruckt waren.

Nach dem großen Zeitschriftensterben 1948/49 in der Folge des zweiten Lohnpreisabkommens hatte sich die Lage am Markt der Kultur- und Literaturzeitschriften zu Beginn der fünfziger Jahre kaum gebessert. Darunter litt vor allem die junge Generation der SchriftstellerInnen, wobei zu dieser Zeit jeder als „jung“ bezeichnet wurde, der nicht schon zur Zeit des Ständestaates bzw. im Dritten Reich reüssiert hatte. Das größte Problem war das Fehlen eines konstanten Forums, denn auch die bestehenden Zeitschriften und Zeitungen boten meist nur fallweise und höchst unregelmäßig Möglichkeiten zum Abdruck von neuen Texten an. Dass die „Neuen Wege“ zum Versammlungsort der jungen SchriftstellerInnen wurden, lag nicht zuletzt an ihrer durch die Anbindung an das „Theater der Jugend“ als einer öffentlichen Stelle gesicherten finanziellen Ausnahmeposition.

Tages- und Wochenzeitungen

Für Okopenko war aus einem ähnlichen Grund auch die von der französischen Besatzungsmacht gegründeten und dann von der SPÖ übernommenen Wochenzeitung „Welt am Montag“ attraktiv, bot sie doch mit der „Tribüne der Jugend“ ein Forum, in dem – wenn auch stark moderiert – regelmäßig Stellungnahmen jugendlicher LeserInnen abgedruckt wurden. Diskutiert wurden hier das Schmutz- und Schundgesetz (siehe auch Themenkommentar Zeithistorische Diskurse), die Beziehungen österreichischer Frauen zu Besatzungssoldaten („Jeepkatzerln“) oder berufliche Probleme der jungen ArbeiterInnen. Okopenko beteiligte sich an den Diskussionen mit Artikeln, die wohl eher als Leserbriefe wahrgenommen wurden. Mein Artikel ist überraschenderweise in der 'Welt am Montag' […]. Auch sonst die Zeitung interessant. Die Bestätigung, die der Abdruck eines Leserbriefes dem angehenden Autor lieferte, sollte nicht unterschätzt werden: Tante erzählt, mein WaM-Artikel habe Sensation im Büro gemacht. Sie sagt, ich dürfe nicht mehr diesen „elenden“ Schal anhaben, ich müsse elegantere Sachen mit der Zeit bekommen, wo ich nun „in der Stadt bekannt“ werde (!) So ist Tante. Interessant wurde die Zeitung für Okopenko zusätzlich durch die Glossen von Hans Weigel, die dieser fallweise für Hinweise auf oder auch Kritik an AutorInnen aus Okopenkos Bekannten- und Freundeskreis nützte. Als die Zeitung sich von Weigel trennte ('Welt am Montag' ab nächster Woche ohne Kulturglosse.), sank auch das Interesse von Okopenko: 'Welt am Montag' ist im letzten Jahr vollkommen abgesunken. Im April 1952 schrieb Okopenko: Neues 'Öst. Tagebuch' gekauft, die einzige Zeitschrift, mit der ich mich jetzt noch aufrichtig auseinandersetzen kann. Dahinter stand auch das Interesse, das Viktor Matejka an Okopenkos Gedichten zeigte. Allerdings stellte deren Publikation in der kommunistischen Zeitung auch ihren Autor unter politischen Verdacht.

Andere Zeitungen werden in Okopenkos Tagebuch meist dann genannt, wenn sich darin Artikel auf Okopenko bzw. auf Personen aus seinem Bekanntenkreis beziehen. In den meisten Fällen handelte es sich dabei wieder um Artikel von Hans Weigel (In der Sonntagnummer der 'Arbeiter-Zeitung' waren wir von Weigel gelobt worden.). Die generell seltenen Nennungen von anderen Tageszeitungen sind ein Beleg für die relative Isolation, in der sich die jungen Schriftstellerinnen und Schriftsteller befanden. Dass gleich drei Zeitungen, die „Wiener Zeitung", das „Österreichische Tagebuch“ und die „Wiener Tageszeitung“ Berichte von der Lesung der „Neue Wege“-AutorInnen im Mai 1950 brachten, war eher die Ausnahme. Wurden die Aktivitäten jüngerer SchriftstellerInnen erwähnt, dann mischte sich doch meist Unverständnis in die Äußerungen: In der 'Presse' schimpft Habeck auf Eisenreich /„junge österr. Autoren in Hamburg“/, in der „Furche“ tadelt Fiechtner Toman. In einer anderen Zeitung ist ein schönes indisches Mädchen abgebildet. Obwohl gerade die „Furche“ über ein im Vergleich zu anderen Zeitungen und Wochenzeitungen ausgesprochen umfängliches Feuilleton verfügte, spielten die VertreterInnen der jungen Generation kaum eine Rolle darin. Sie wurden übergangen ('Furche' mit Mauthe schweigt sich über uns aus) oder angegriffen (Gestern eine elende Kritik über Fuchs und mich in der 'Furche'. Ebenso Abfuhren an Eisenreich, Jeannie Ebner.)

Kultur- und Literaturzeitschriften

Es war bezeichnend, dass die für Okopenko prägendste Kulturzeitschrift gar keine aktuelle war. Der von Otto Basil zwischen 1945 und 1948 herausgegebene und dann eingestellte „Plan“ wurde von Okopenko im Sommer 1950 mit Begeisterung rezipiert: Über Politik tief gegrübelt, zuhause wieder im „Plan“ gelesen, alle Argumente auf mich einstürmen lassen. Wenn er in der Einleitung des ersten Heftes lesen konnte: „Wir rufen diese unbekannte geistige Jugend!“ (Plan 1945, S. 2), dann lag nahe, dass er sich hier angesprochen fühlte. Der „Plan“ öffnete eine Tür zur Dichtung des Exils, er erinnerte aber auch an jene Literatur der Zwischenkriegszeit, die in den Jahren des Faschismus aus dem Gedächtnis getilgt werden sollte: Im 'Plan' Interessantes gelesen: Erich Fried, surr. Lyrik ... Die von der US Information Services Division herausgegebene Zeitschrift „Neue Auslese“ brachte das österreichische Publikum in Kontakt mit der Weltliteratur, wobei hier der Schwerpunkt auf englischer und amerikanischer Literatur lag. Okopenko war im Februar 1950 besonders von T.S. Eliot eingenommen und bemerkte erst bei einer Wiederlektüre im Sommer, dass die Übersetzungen von Erich Fried stammten.

Neben den für Okopenko durch seine eigene Mitarbeit wichtigsten Zeitschriften „Neue Wege“ und „publikationen“ gab es keine andere zeitgenössische Kulturzeitschrift, bei der sich eine regelmäßige Lektüre aus dem Tagebuch erschließen ließe. Zum Teil lag das sicherlich auch an der Kurzlebigkeit der Zeitschriftengründungen bzw. an der schlechten Erhältlichkeit von in Deutschland erscheinenden Titeln. Einige Male vermerkt er den Eingang der österreichischen Zeitschrift „Freude an Büchern“, hebt aber nur ein einziges Mal positiv eine Erzählung von Kafka darin hervor. Während er in seinen veröffentlichten Erinnerungen lediglich festhielt, dass „wenig Platz für junge Autoren“ (Okopenko 2000, S. 23) in den Heften sei, war er im Tagebuch deutlicher: Abends die sehr tiefstehende Zeitschrift „Freude an Büchern“ vorgefunden. Ob für sein Urteil auch die Präsenz von höchstbelasteten Autoren wie Hans Carossa, Franz Karl Ginzkey, Siegfried Freiberg und Julius Zerzer eine Rolle spielte, muss offen bleiben, auch, ob ihm die NS-Vergangenheit der Herausgeberin Margret Dietrich, die zudem eine regelmäßige Beiträgerin der „Neuen Wege“ war, überhaupt bekannt war.

Bei Kurt Klingers „Von Mensch zu Mensch“ fiel Okopenkos Urteil ebenfalls nicht besonders positiv aus: Diese Zeitung ist trotz Keins und Weissenborns Beiträgen am Hund. Trotz weiterer personeller Überschneidungen mit den „Neuen Wegen“ wie René Altmann, Jeannie Ebner und Vera Ferra-Mikura blieb Okopenko in diesem Fall auch in den öffentlichen Erinnerungen konsequent in seinem negativen Urteil über das vervielfältigte „Selbsthilfe-Blättchen“ (Okopenko 2000, S. 23) aus Linz.

Das Tagebuch von Okopenko lässt erkennen, wie abgeschlossen der literarische Betrieb Österreichs war. Zeitschriften aus Deutschland erreichten Okopenko meist nur in Einzelexemplaren und durch persönliche Kontakte. Zeitschriften, die mit Geldern der CIA finanziert wurden und bei denen größere Verbreitung nachgerade das Ziel war, gelangten etwas leichter an österreichische InteressentInnen, wie die von der Ford Foundation herausgegeben „Perspektiven“ oder „Der Monat“, der von Melvin Lasky herausgegeben wurde und fallweise Hans Weigel zum Mitarbeiter hatte. Beim „Monat“war Okopenko die politische Ausrichtung bekannt, er bezeichnete ihn drastisch als Kriegshetzerzeitung mit Kulturanstrich, las dort aber auch gerne über und von Federico García Lorca und F. Scott Fitzgerald. An Literaturzeitschriften im engeren Sinne gelangte Okopenko durch seine eigene Herausgebertätigkeit für die „publikationen": Zur Vernetzung wurden die Zeitschriften „ophir“ von Claus Henneberg aus München und „Meta“ von Karl Otto Götz aus Frankfurt zum Abonnement in der eigenen Zeitschrift angeboten, die „publikationen" dafür in den anderen Zeitschriften. Darüberhinausgehende Pläne, einen „Bundesstaat der Kellerzeitschriften“ zu gründen, d.h. einen Zusammenschluss der Zeitschriften unter Wahrung ihres eigenen Namens zu vollziehen (Gausterer, 11-12), wurden nicht umgesetzt. Die Zeitschrift „Fragmente. Eine internationale Revue für moderne Dichtung“ von Rainer Maria Gerhardt, in der Texte von Ezra Pound, William Carlos Williams, T.S. Eliot, Robert Creeley, Aimé Césaire und Henry Miller, teils in Erstübertragung durch Gerhard und seiner Frau, erschienen, stieß auch auf H.C. Artmanns Interesse.

1953 wurde Okopenko zur Mitarbeit an der im selben Jahr neugegründeten Zeitschrift „Die Schau. Halbmonatsschrift für Kultur, Kunst und Politik“ eingeladen. Am Titelblatt der ersten Nummer wurde zwar die vollständige Unabhängigkeit der Zeitschrift erklärt, die – auch personelle – Nähe zur SPÖ war jedoch unübersehbar. Für den literarischen Teil schien Hermann Hakel die Verantwortung übernommen zu haben, die Zeitschrift wurde im Art Club als neues Projekt besprochen. Okopenko wurde jedoch eher enttäuscht: Bekam beim Kiosk endlich die seit zwei Wochen fällige Nummer der 'Schau'. Von meinen Glossen ist keine drin.

Radio

Eine weitere Informationsquelle für Okopenko war das Radio. Vor allem auf dem von amerikanischer Seite geförderten Sender Rot-Weiß-Rot fanden AutorInnen rund um Okopenko fallweise ein Podium. Hertha Kräftner und Friedrich Polakovics wurden in der Reihe „Dichter zu Gast“ vorgestellt, Überblicke der österreichischen Literatur gebracht, die auch die junge Generation berücksichtigen, und Austauschsendungen mit Paris gesendet. Auf dem Sender Radio Wien hörte Okopenko Erika Danneberg und (ohne sie dabei im Tagebuch namentlich zu erwähnen) Friederike Mayröcker. Allerdings blieb auch hier Ärger nicht aus: Über eine Kabarettsendung giftete er im Tagebuch: 'Fideles Brettl' (wie geistlos!) gehört, Statistik über die dortigen Witzlosigkeiten geführt. An 1. Stelle steht der 'Weiberhaß' mit 5 Nennungen, an 2. Stelle (3 N.) Suff, Jodler, Leck mich im Arsch; an 3. Stelle endlich Staatsvertrag, Fensterln.

Verfasst von: Holger Englerth

Zitiervorschlag
Englerth, Holger: Themenkommentar „Medien“. In: Okopenko, Andreas: Tagebücher 1949–1954. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 1.1, 15.1.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko/o:oko.com-medien/methods/sdef:TEI/get?mode=comment