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Tagebuch

1952

AOk

260

Tagebuch

von ... Mo 15 9 52

bis ... So 2 11 52

Mo, 15 9 52:

Herbstlich. Plus 5 Grad.

Im Büro mit dem Apparat befaßt, leider viel "andere" Arbeit "daneben".

Abends las ich einmal gründlich Zeitungen.


Di 16 9 52:

Sonniger Morgen.

Früh hatte ich etwas Zeit, vor der Hetzjagd.

Im Büro kam ich gar nicht zum weiteren Studium des Apparates, auch nicht zur Hauptarbeit (Abrechnung der Kopplungen), sondern wurde bis 17 Uhr mit Nebensachen geplagt. Alles Wichtige bleibt für morgen.

Kalte und zeitig finstere Abende.

Tante grüßte uns aus Zürich.

Fräulein H. erzählte (außer über ihren Sch-nupfen) noch folgendes: "Ich kenne ein Büro, da wird gezahlt, daß man vor Neid zerplatzt; da würde ein Mädchen in meiner Position oder Andr. mit seiner Arbeit S 2200.- kriegen."

(...!)

Ihre Position zeigte sich indes heute labiler als man annimmt. Und überhaupt ist Streit über Streit im Büro. Ich schwimme wie Walroß durch dieses ungünstige Medium.

Gemütlicher ist es am Abend. Schreiben natürlich illusorisch. Fertigte mittags gerade noch Mayröcker ab; schrieb ihr nicht so unbarmherzig wie es im Konzept steht.

Ich las die letzten Tage Gottfried Benn. Sogar herausgeschrieben habe ich eines: "Blaue Stunde" aus den "Fragmenten", jetzigen Gedichten!

"... Was sich erhebt, das will auch wieder enden,
Was sich erlebt - wer weiß denn das genau?
Die Kette schließt. Man schweigt in diesen Wänden.
Und dort die Weite, hoch und dunkelblau."

Mi 17 9 52:

....


Do 18 9 52:

Photovolt-Anleitungen fertig übersetzt. Etwas weniger dichte Arbeit. Abends Naturpapier (Pol) abgeholt.


Fr 19 9 52:

Regen.

Büro: Kopplungskartei fertig. Nachmittag mit Distel Batterie bestellen gefahren (für den Helligkeitsmesser).

Scheußliche Bürostimmung.

(Frl. H.; Frau Marchsteiner wird von Huber gehunzt. H. u. Mj. nervös. Unübersichtliches Arbeiten.)


Sa 20 9 52:

Steidl ließ sich diese Woche mehrmals bei uns blicken.

Häßliches Arbeiten, alles durcheinander.

Nachmittags froh. Erster Tag mit Kältegefühl im Körper.

Letzte Tage:

Tschadek als Justizminister durch Gerö ersetzt. Erste unbemannte Bomber ("Höllenkatzen" genannt) in Korea. Demonstrationen mit 70 Verletzten beim Gartenbau-Kino wegen des amerikanischen Rommel-Films.

(Mossadeq und Naguib werde ich sicher notiert haben, die letzten Wochen.)

Gestern kamen die bestellten Bände: Eluard u. Neruda an. Tichonow folgt.

Später nachmittags begann ich zu arbeiten:

"Aus einer Fortsetzung des Gespräches: mit Kein" (für Jirgal).

Versuchte auch ein Gedicht: "Michèle J. reist kreuz und quer durch Europa ..." zur "Verewigung" des "mediterranen Spediteurs".


So 21 9 52:

Vormittags weitergearbeitet, mit etwas Erfolg nur an der Niederschrift für Jirgal.

Tante von ihrer Fünfländerfahrt zurück, berichtete nachmittags, anschaulich.

Auch abends an der Niederschrift gearbeitet, fertig geworden.

19 Uhr um die Steinhofer Mauer spazieren gegangen. Der Abend um diese Jahreszeit in dieser Gegend ist gewaltig. (Sendetürme von Steinhof, Licht in Fenstern, Himmels Farbabstufungen, Der Wald ...)


Mo 22 9:

Büro viel Arbeit.

Tante muß operiert werden.

Abends Scheuner aus Breitensee da. Bekam ein Paket aus Rußland zurück.

Das Sept.-(Lehrer-) Heft der "Neuen Wege" da. Viel von Polakovics und Dienel darin. Umfangreiches und interessantes Heft. (Als bemühe sich die Redaktion nochmals ...)

Eigentümlich ist ein reimloser Versuch von Polakovics (Absturz eines Düsenjägers).

Wie geplant, viel von Jandl in diesem Heft. Abends noch länger darin gelesen.


Di 23 9:

Nach anstrengendem Bürodienst abends nach Währing (...) gefahren zu Dr. Polz, dem ehemaligen Mystifikanten.

Er war aber, obwohl er mich eingeladen hatte, nicht daheim.

Später abends viel aus Benn herausgeschrieben.

Es ist schon kalt geworden.


Mi 24 9:

Vormittag Akkumulatoren gekauft. Arbeit für Witzmann. Arbeit für Dr. Machwitz. Abends überraschend Dienst. Erste Bestimmungen mit dem Apparat durchgeführt.

Zu Fritsch gefahren. Überaus herzlich. Bändchen-Manuskript durchgegangen.


Do 25 9:

Nichts: Büro.


Fr 26 9:

Anstrengende Tage.


Sa 27 9:

Tante schon zu Hause. Operation ging in Ordnung. Ekelhaftes Büro.

Nachmittag auf den Bierhäuselberg. Mit Kein dort weitere 6 Seiten abgezogen. Abends müde heim. Kein findet diese Nummer schwächer. Über Fritsch u.a. diskutiert. Fritsch ist in Keins Augen zu unverbindlich: zieht nur publikumsbequeme Konsequenzen.


So 28 9:

Weiter abgezogen. Herrliches Wetter (nur war es seit nachts recht windig).

Blauer frischer Himmel wie im März. Autobusfahrt erfreut mich immer.

Heute kam Kein nicht. Mit Hilfe von Wittmanns Buben fertiggeworden. Sehr abgespannt heim.

Ausgeruht, dann wieder ein paar Korrespondenzen erledigt.

Mama half bei den "publ." mit.

Einiges niedergeschrieben. Abends um die Steinhofer Mauer mit Mama spaziert.


Mo 29 9:

Ich fahre jetzt nie mehr mit Briggi.

Im Büro war ich zufrieden mit meinen Arbeiten, auch für mich selbst; Brief an Erich Fried weiter.

Abends gute Stimmung. Wein.

Herbstlich, es regnet.


Di 30 9 52
T

Demonstrationen der Chemiker gegen bevorstehende untragbare Gebührenerhöhung

Treffe jetzt öfter Karl Schik in der Früh. Er redet mit mir meist über kulturelle Dinge.

Heute erstmals wieder Tante im Büro, nach Spital und Ruhezeit.


Di 30 9:

Erstmals Kopfschmerzen. Fast ununterbrochene Arbeit bis 18h.

Am Friedbrief konnte ich ein Stückerl weiterschreiben.

Abends Post von Matejka (mein Gedicht diesmal abgelehnt) und einer deutschen Zeitschrift "Profile".


T
Mi 1 10:

Abends gutes Essen, Nachricht von Altmann , ich schrieb lang am Antwortbrief.


Do 2 10:

Sehr ermüdender Bürotag. Neuigkeiten: Marchsteiner angestellt. Huber wird fliegen. (Es weiß außer Tante noch niemand im Büro.)

Abends sehr netter Brief von Jandl aus England. So einen gut geschriebene Brief habe ich selten erhalten.


Fr 3 10 52:

Schöner Tagesanfang, , (zwar nur plus 2 Grad morgens).

Zu schade fürs Büro.

Man las von Studentendemonstrationen.

Spruchbänder:

"es ist alles eins,
ob man ein Hirn hat oder keins"

"Welches ist das gesündeste Land für Nobelpreisträger? - Österreich, denn dort ist noch keiner gestorben."

Sprechchöre: "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld"

Kolb, Kolb, komm bald,
sonst wirst du im Amt nicht alt."

Ich fahre jetzt immer 10 Minuten vor acht von zuhause ab.

Krawall Machwitz - Huber, gemütl. Abend daheim.


Sa 4 10:

Im Büro habe ich mir etwas Übersicht geschaffen.

Nachmittag kam Kein. Wir arbeiteten an den "publikationen". Ich erzählte ihm die letzten Sachen, zeigte ihm Neues von Mayröcker, Ebner, Altmann, Fritsch. Bearbeiteten einiges, vor allem wieder das Thema der Assoziationentechnik.


So 5 10:

Vormittags dem Modellhund ein Gesicht gezeichnet. Es sieht Weigels Gesicht ähnlich.

Mußte ihm daher ein "Mikrophon" basteln. Jetzt wird er samstäglich auf unserm Radio stehen und "in den Wind sprechen".

Nachmittags Friedbrief fertigkonzipiert.

Dann an den "publ." gearbeitet.

Abends habe ich mir etwas Zeit für Tucholsky genommen.

Tucholsky ist reizend zu lesen. In Bezug auf seine Lebens-Skizzen: So einen mitleidenden Relativisten lasse ich mir gefallen.

(Es ist natürlich kein Relativismus des Lebens, sondern nur einer des verpatzten Lebens. Darum akzeptiere ich ihn so ungewöhnlich gern.)


Mo 6 10:

Hatte noch etwas Zeit. Korrekturreich Tagebuch geführt.

Gestern hatte ich einen guten Satz im Französisch-Lehrbuch gefunden: Die Wertskala der Wörter lautet: Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb.

Man müßte eine Sprache haben konzentriert, natürlich, präzis und anschaulich, notierte ich gestern.

Im Büro alles für die "publikationen" getan, was ich vorgehabt hatte, und alle Besuche organisiert.


Di 7 10:

Nach dem Büro Besuch bei Polakovics.


Mi 8 10:

Abends Besuch bei Fritsch. Danach Gedanken, noch ohne Synthese. Herbstregen.


Do 9 10:

Früh literarisch ein wenig gearbeitet. Böser Dienst. Kalt. Fieberig.


Fr 10.10.:

Abends zu Polz, der mir sympathisch ist.

Er dissertierte über Tiefenpsychologie.

Kannte Brigitte Kahr, auch Kräftner.

Schon ziemlich kalte Tage. Polz begleitete mich zur Straßenbahn. Währing ist eine trübe Gegend.

Kam auch heute abends wieder spät nachhause.


Sa 11 10:

Im Büro steigert sich die Stimmung ins Unerträgliche, von Tag zu Tag.

Ich gehe mit einer noch nicht

in der Tasche herum.

Zwei Behälter Olivenöl immerhin vom Büro profitiert.

Nachmittag ausgeruht. Arbeit: Rilke (Insel Auswahl Ausgabe) gelesen.

Rilke (Eines der paar, die ich mir herausschreiben werde):

Es liebt ein Herz, daß es die Welt uns rühme,
nicht sich, nicht den Geliebten, denn: wer wars?
Ein Anonymes preist das Anonyme .....

So 12 10:

Früh Lust zur Hakel-Prosa über Steinhof bekommen. Ich begann. Dann besuchte mich, wie abgemacht, Kein. Stellten die "publikationen" fertig, die letzten, und unterhielten uns über den Kommunismus und die westliche Entwicklung.

Nachmittags den Versand der "publikationen" vorbereitet.

Später Hakel-Prosa weiter, abends glaubte ich fertig zu sein; jetzt gefällt mir der Schluß nicht.

Tiefer Herbst.


Mo 13 Okt:

Huber wieder im Büro. Alte Zollaffären flackern auf.

Fleißig für die "publ.". - Abends zu Matejka, übers Gedicht mit dem Titel "Projekt" unterhalten. Die Schlußzeilen erscheinen ihm zu abstrakt-nichtssagend. Er spricht interessant, über Kraus, das Verhalten Kästners, Hauptmanns in der Nazizeit, sehr temparamentvoll und weitausholend. An mir lobte er die "Gabe zum Sezieren" und zur unmittelbar verständlichen Darstellung.

Sandte meine Sachen für Hakel und Eisenreich ab.




Im Institut wurden, laut Schik Karlis Bericht, meine "publikationen" mit Interesse gelesen. Übersetzungen in ihrer Gegenüberstellung gefielen. Kräftners Gedicht hinterließ einen überraschend intensiven Eindruck.

Ich habe ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen - .

Kalt.


Di 14 Okt:

Demonstrationen der Studenten vor dem Konzerthaus. Mächtiger Eindruck.

Intensiv gearbeitet.


Mi 15 Okt:

Lebhafter Arbeitstag, aber angenehmer. Gottwald von der Welser Papierfabrik wegen Überarbeitung zusammengebrochen. (Blutgerinnsel nahe dem Herzen.)

Abends viel für die "publ." erledigt. Café Landtmann (Qualtinger); Wiesflecker nicht angetroffen. Also zeitiger als gedacht heimgekommen.

Für Morgen mit Jirgal mich verabredet, für Montag mit dem Zahnarzt.


Das Gefühl meiner gegenwärtigen Unerfülltheit schlägt sich vor allem in die i-unkte.

16 10 52

Do 16 Okt:

Abends nach häßlichem Büro zu Jirgal.

Dort diskutiert. Bratwurst aufgewartet bekommen.

Über Phänomenologie.

Die vitale Frau Dr. Schreiber ist auf der Psychiatr. Klinik und muß vielleicht nach Steinhof kommen. Sie ist, höre ich, seit je geisteskrank.

16/10

Die abendliche Begegnung mit "dem Tanz" im Zehner wiederholte sich nicht nochmals.

Es war ja ein kalter Oktober-Donnerstag.

Ich wollte notieren für weiteren Gebrauch:

Ich möchte, daß man sagen könnte:
Kleiner Komet mit weiter Bahn ..."

Dann unterbrach ich diese Konzeption.

Ich verbiete mir in letzter Zeit alle

16/10
Arbeit an Gedichten über meinen Zustand; ferner an Gedichten im Bennschen Versmaß (Benn hat mir jede Möglichkeit zu dichten genommen).

Weitere Selbstverbote:

Surrealistischer Gedichte; Verbot der stereotypen Einbeziehung der Kosmetik in die Reportagen.


Fr 17 10 52:

Legte den ganzen Tag auf Freude an, da ich morgen frei habe.

Auch leichter erträgliches Büro. Abends reparierte Schuhe abgeholt. Artmann kommt Sonntag oder Montag aus der Schweiz zurück.

Daheim gebackene Leber, Wein.


Sa 18 10:

Länger, mit den Büchern von Rilke und Jünger, im Bett geblieben.

Meine absurde "Jungfräulichkeit".

Vormittag:

Fried-Brief geschrieben. "Neue Wege", Oktoberheft, empfangen neben unwesentlicher Post.

18/19 10

Meine Arbeiten aufgeholt. Ließ mir's Samstag Abend gut gehn.


(So)

Früh im Bett gelesen. Vormittag, im Herbstlaub, bei Sonnenschein, zu Brigitte Kahr einen Spaziergang gemacht. (Gab dort die neuen "publikationen" ab.)

Auf meinem Hinweg und meinem Rückweg spielten Mädchen im Gras mit einer Katze.


Zu den "Verboten":

Man hüte sich vor der Niederschrift von selbstgestellten Fragen.

Man hüte sich vor der grosszügigen Feststellung, dass man fad ist.

18 10 52

Die, wie die Leute schön sagen, "phänomenologische" Art, darzustellen, die Stellung an dem Schnittpunkt von Impression und Ueberschau, die ich einnehme, sind meine bedeutsamsten Möglichkeiten.

19 10 52
Ich, Chipekwe, seltenes Tier,
in Afrika beheimatet,
ein einzelgängerischer Phänomenologe,
mit dem Gemeinschaftstraum tief ins Gehirn geimpft ...

/Variation zum "Abendlied des Chipekwe", im Laufe dieses Jahrs./


19 10

Nachmittags schrieb ich einiges nieder. Zufrieden mit dem Wetter, mit den Tagen.

Abends Wein und Rohscheiben.


Mo 20 10

Abends Zahnarzt. Diesmal noch nichts notwendig.


Di 21 10

1630.- zusätzlich bekommen. Abends Dienst; spät erst kam ich zu Fritsch.

Dort war ich nicht fähig, wesentliche Gespräche anzufangen.

Ich fürchte, ich langweilte ihn, wenn er es auch nicht zeigte.


Mi 22 10:

Figl mußte seine Auslandreise abbrechen. Budget-Krise.

Föhnwetter.

Im Büro großer Krach zwischen Tante und Witzmann, den Witzmann einleitete. Tante bat den Direktor um ihre Kündigung; der ging freilich darauf nicht ein. Unerträgliche Atmosphäre.

Abends kaufte ich mir einen kleinen modernen Fotoapparat. (150.-, Daci).

Daheim Post; Wein.


Do 23 10:

Dienstag hatte ich erstmals wieder Briggi getroffen. Heute wiederholte sich das.

Ich fragte sie über Politik aus.

Regierung ist zurückgetreten.

Der Krach im Büro verschärfte sich. Witzmann nannte T. eine Intrigantin, zu Unrecht.

Ich bin unter den Herren Schweinen zu völliger Neutralität gezwungen.

Abends sehr müde.


Fr 24 10:

Stabilisierung im Büro.

Regierung bleibt zunächst im Amt.

Föhnwetter, grau.

Gemütlicher Abend.


Sa 25 10:

Bürostimmung gehoben. Noch viel gearbeitet, aber konnte aufarbeiten.

Nachmittag geordnet; Kein kam. Sehr anregend gesprochen.

Abends Wein, gutes Abendessen.

Föhnig.


So 26 10 52:

Einen Tag in Allerheiligenwetter zugebracht.

Mit Resten meines gestrigen Schwungs einige Arbeiten für mich gemacht.

Versuch zweier Aufnahmen trotz Schlechtwetter.

Nachmittag nichts Nützliches oder Erfreuliches zuwegegebracht.


Traumfragmente
25/26 10 52:

Mußte in Zürich einen Acker pflügen. Der lag unter den Brettern eines Fußbodens.

Am Eingang von Zürich stand ein Mann mit großer Nase wie Moldovan. Es war schon spät am Abend.

Unlängst:

Wir bekamen ein neues Büro. Arbeitspausen von je 5 Minuten je Stunde wurden eingeführt. In diesen Arbeitspausen durfte man aber nur bis zur

2
Nachbartür spazieren. Reiter auf kleinen Pferdchen wachten in jedem Stockwerk darüber.


26/27 10 52:

Hatte laut Kalender eine Verabredung mit Artmann und Kein in Mödling.

x) Da ich befürchtete, dass Artmann auf Sie vergessen haben könnte,
, wollte ich ihn aus der Wohnung abholen , anstatt in Mödling auf ihn zu warten.

In seiner Wohnung aber wohnten andere Leute:

3

Ein Bursch und ein älterer Mann; sie fragten mich, ob ich über Karl May mitdiskutieren wolle. Ich sagte, ich suche Artmann. Artmann, sagte der Bursch, sei längst in eine andere Wohnung gezogen; die könne ich nur auf dem Magistrat erfragen.

Ich glaube, ich fuhr dann allein nach Mödling.

Es war aber schon 4 Uhr Nachmittags geworden.

Ins Büro kamen Beamtinnen eines Informationszentrums und verlangten von uns, wir müßten den Zeitungsroman von Guareschi kritisieren.

4

Ich wurde zuerst übersehen. Dann kam eine Beamtin auch zu mir und sagte, "ich dürfte auch mittun". Ich bekam einen blauen Bleistift und machte mich über die Arbeit. Die Frau, die nicht sonderlich hübsch war, dicklich und mit rundumrahmten Brillen, drückte ich dabei an mich, als wollte ich mich irgendwo geborgen fühlen.

Ich fuhr in einer sehr kleinen Straßenbahn in hellblaues Wetter und war etwas , als ich an Briggis Haus vorbeifuhr.

Alles notiert 27 10 52

Mo 27 10:

Froher Abend.

Großer Unterschied zwischen der Schrift geschrieben   schöpferischer Arbeit und

Großer Unterschied zwischen der Schrift einer

Großer Unterschied zwischen

Es wirkt sich in der Schrift sehr deutlich aus, ob man schöpferisch schreibt oder abschreibt.

Ebenso, ob man etwas auszudrücken hat oder nicht.

Vor allem im Schreibgefühl.

Das minder echte Schreiben ist eine quälend häßliche Tätigkeit.


Di 28 10:

Begann morgens ein Dido-Thema.

Viel Arbeit im Büro, nachmittags Besprechung mit einem sehr hübschen Mädchen unserer Import-Partnerfirma.

Abends zuhause noch gearbeitet (Freißler-Brief geschrieben).


Mi 29 10:

Früh Dido-Gedicht weiter versucht, auf der Straßenbahn noch mehrere Ideen.

Im Büro entlädt sich mehr und mehr Arbeit auf mich.

Abends erste "Differenz" mit Witzmann.

Habe mich schon neulich nach dem Inseraten-Tarif erkundigt.

Ruhigerer Abend als gestern.


Do 30 10:

Abschwellende Spannung im Büro.

Etwas Arbeit aufgeholt. Abends Post von Wittkopf (Zeitschrift "Profile", Heidelberg).


Fr 31 10:

Erster Nachmittag ohne Dr. Machwitz. Ich muß einen Teil seiner Arbeit mitleisten, zum Beispiel englische Korrespondenz.

Die einzige Stellungnahme zu meiner Arbeit war die Rüge, warum ich einen Überweisungsauftrag nicht in meine sondern in eine andere Unterschriftenmappe gelegt habe.

Sehr froh, daß die Werktage zu Ende sind.


Nach der traurigen Geschichte mit Briggi meine vollkommene geistige Rückkehr ins Büroleben; diese Falle schliesst anscheinend für immer.

Aufhebung meiner Gestaltungskraft durch Benn.

Keine Zeit zu theoretischer Arbeit oder auch nur zu Selbstbesinnung.

1 11 52 morgens

Sa 1 11 ALLERHEILIGEN:

Machte Ordnungen und Arbeiten für mich. (Korrespondenz Görlich , Freißler, Wittkopf.)

Genoß daneben die Freizeit.

Vormittags schönes Wetter.

Zu schreiben gelang mir nicht.

Abends Friedhofspaziergang, es war noch zu hell: Korso der Bürger, der Pelzweibchen an diesem Ort ...

Abends das jährliche Geflügelessen.

Versuchte abends verbissen, zu schreiben. Es resultierten nur ziemlich zerstörte Stimmung und wirre Träume nachts.


Für Tagebuch: 2 11 52

Man erkennt an der Art ihrer Aufmachung, wohin Hedy H. abends zu gehen vorhat. Trägt sie Stöckelschuhe, so bedeutet das einen Besuch bei Peter, trägt sie gemäßigte Absätze, so besucht sie abends ihren "Bräutigam" Fritz.

Legt sie Lack auf ihre Nägel, bedeutet das eine Nacht mit Peter, wäscht sie den Lack mittags mit Azeton herunter, bedeutet das einen Abend mit Fritz.


So 2 11 52 ALLERSEELEN:

Früh länger im Bett geblieben.

Weniger gedrängte Stimmung.

Früh Schönwetter, später wurde es wolkiger. Recht kalt.

Photospaziergang.

Nur 1 Zeit-Aufnahme.

Nachmittags nach langer Zeit mich mit meinen Briefmarken beschäftigt.

Bestellung geschrieben sogar.

Dann kam Artmann. Nicht sehr guter Laune. Er nahm mir mein "krämerhaftes" Interesse an den Schweizer Geldeingängen für die "publ.", die er dort verstümpert hat, übel.

Las einige seiner neueren Arbeiten; halte wenig davon ...


Tagebuch

1952

AOk

2  60

Tagebuch

von ... Mo 15 9 52

bis ... So 2 11 52

Mo, 15 9 52:

Herbstlich. Plus 5 Grad.

Im Büro mit dem
Apparat befaßt, leider
viel "andere" Arbeit
"daneben".

Abends las ich
einmal gründlich
Zeitungen.


Di 16 9 52:

Sonniger Morgen.

Früh hatte ich etwas
Zeit, vor der Hetzjagd.

Im Büro kam ich
gar nicht zum
weiteren Studium
des Apparates,
auch nicht zur
Hauptarbeit
(Abrechnung der
Kopplungen), sondern
wurde bis 17 Uhr
mit Nebensachen
geplagt. Alles Wichtige bleibt für
morgen.

Kalte und zeitig
finstere Abende.

Tante grüßte uns
aus Zürich.

Fräulein H. erzählte
(außer über ihren
Sch-nupfen) noch
folgendes: "Ich
kenne ein Büro,
da wird gezahlt, daß man vor Neid
zerplatzt; da würde
ein Mädchen in
meiner Position
oder Andr. mit
seiner Arbeit
S 2200.- kriegen."

(...!)

Ihre Position zeigte
sich indes heute
labiler als man
annimmt. Und
überhaupt ist Streit
über Streit im Büro.
Ich schwimme wie
Walroß durch dieses ungünstige
Medium.

Gemütlicher ist es am
Abend. Schreiben
natürlich illusorisch.
Fertigte mittags
gerade noch Mayröcker
ab; schrieb ihr
nicht so unbarm-
herzig wie es im
Konzept steht.

Ich las die letzten
Tage Gottfried Benn.
Sogar herausgeschrieben
habe ich eines:
"Blaue Stunde" aus
den "Fragmenten",
jetzigen Gedichten!

"... Was sich erhebt, das will
auch wieder enden,
Was sich erlebt -
wer weiß denn das
genau?
Die Kette schließt.
Man schweigt in
diesen Wänden.
Und dort die Weite,
tief hoch und
dunkelblau."

Mi 17 9 52:

....


Do 18 9 52:

Photovolt-Anleitungen
fertig übersetzt.
Etwas weniger
dichte Arbeit.
Abends Naturpapier
(Pol) abgeholt.


Fr 19 9 52:

Regen.

Büro: Kopplungs-
kartei fertig.
Nachmittag mit
Distel Batterie
bestellen gefahren (für den Helligkeits-
messer).

Scheußliche Büro-
stimmung.

(Frl. H.; Frau
Marchsteiner
wird von Huber
gehunzt. H. u. Mj.
nervös. Unüber-
sichtliches Arbeiten.)


Sa 20 9 52:

Steidl ließ sich
diese Woche mehr-
mals bei uns
blicken.

Häßliches Arbeiten,
alles durcheinander.

Nachmittags froh.
Erster Tag mit
Kältegefühl im
Körper.

Letzte Tage:

Tschadek als Justiz-
minister durch Gerö
ersetzt. Erste
unbemannte Bomber
("Höllenkatzen" genannt)
in Korea. Demon-
strationen mit
70 Verletzten beim
Gartenbau-Kino wegen des amerika-
nischen Rommel-
Films
.

(Mossadeq und
Naguib werde ich
sicher notiert
haben, die letzten
Wochen.)

Gestern kamen
die bestellten Bände:
Eluard u. Neruda
an. Tiechonow
folgt.

Später nachmittags begann
ich zu arbeiten:

"Aus einer Fortsetzung des
Gespräches: mit Kein
"
(für Jirgal).

Versuchte auch ein
Gedicht: "Michèle J.
reist kreuz und quer
durch Europa ...
"
zur "Verewigung" des
"mediterranen Spediteurs".


So 21 9 52:

Vormittags weiterge-
arbeitet, mit etwas
Erfolg nur an
der Niederschrift
für Jirgal.

Tante von ihrer
Fünfländerfahrt
zurück, berichtete
nachmittags,
anschaulich.

Auch abends.
an der Niederschrift
gearbeitet, fertig
geworden.

19 Uhr um die
Steinhofer Mauer
spazieren gegangen.
Der Abend um
diese Jahreszeit
in dieser Gegend ist gewaltig.
(Sendetürme von
Steinhof, Licht
in Fenstern,
Himmels Farb-
abstufungen,
Der Wald ...)


Mo 22 9:

Büro viel Arbeit.

Tante muß operiert
werden.

Abends Scheuner
aus Breitensee da.
Bekam ein Paket
aus Rußland zurück.

Das Sept.-(Lehrer-)
Heft der "Neuen
Wege
" da. Viel
von Polakovics und
Dienel darin.
Umfangreiches und interessantes Heft.
(Als bemühe sich
die Redaktion
nochmals ...)

Eigentümlich ist
ein reimloser
Versuch von Pola-
kovics
(Absturz
eines Düsenjägers).

Wie geplant, viel
von Jandl in
diesem Heft.
Abends noch
länger darin
gelesen.


Di 23 9:

Nach anstrengendem
Bürodienst abends
nach Währing (...)
gefahren zu Dr. Polz,
dem ehemaligen
Mystifikanten.

Er war aber, obwohl
er mich eingeladen
hatte, nicht daheim.

Später abends
viel aus Benn
herausgeschrieben.

Es ist schon kalt
geworden.


Mi 24 9:

Vormittag Akkumulatoren
gekauft. Arbeit für
Witzmann. Arbeit
für Dr. Machwitz.
Abends überraschend
Dienst. Erste Bestim-
mungen mit dem
Apparat durchgeführt.

Zu Fritsch gefahren.
Überaus herzlich.
Bändchen-Manuskript
durchgegangen.


Do 25 9:

Nichts: Büro.


Fr 26 9:

Anstrengende Tage.


Sa 27 9:

Tante schon zu Hause.
Operation ging
in Ordnung.
Ekelhaftes Büro.

Nachmittag auf den
Bierhäuselberg. Mit
Kein dort weitere
6 Seiten abgezogen.
Abends müde heim.
Kein findet diese
Nummer schwächer.
Über Fritsch u.a.
diskutiert. Fritsch
ist in Keins Augen
zu unverbindlich:
zieht nur publikums-
bequeme Konsequenzen.


So 28 9:

Weiter abgezogen.
Herrliches Wetter
(nur war es seit
nachts recht
windig).

Blauer frischer
Himmel wie im
März. Autobus-
fahrt erfreut
mich immer.

Heute kam Kein
nicht. Mit
Hilfe von Witt-
manns
Buben
fertiggeworden. Sehr abgespannt
heim.

Ausgeruht, dann
wieder ein paar
Korrespondenzen
erledigt.

Mama half
bei den "publ."
mit.

Einiges niedergeschrie-
ben. Abends
um die Steinhofer
Mauer
mit
Mama spaziert.


Mo 29 9:

Ich fahre jetzt
nie mehr mit
Briggi.

Im Büro war ich zufrieden
mit meinen
Arbeiten, auch
für mich selbst;
Brief an Erich
Fried
weiter.

Abends gute
Stimmung. Wein.

Herbstlich, es regnet.


Di 30 9
52
T

StudentenstreikDemonstrationen der Chemiker
gegen bevorstehende untragbare
Gebührenerhöhung

Treffe jetzt öfter Karl Schik
in der Früh. Er redet mit mir meist
über kulturelle Dinge.

Heute erstmals wieder Tante im Büro,
nach Spital und Ruhezeit.


Di 30 9:

Erstmals Kopfschmerzen.
Fast ununterbrochene
Arbeit bis 18h.

Am Friedbrief konnte
ich ein Stückerl
weiterschreiben.

Abends Post von
Matejka (mein
Gedicht diesmal
abgelehnt) und
einer deutschen
Zeitschrift "Profile".


T
Mi 1 10:

Abends gutes Essen, PostNachricht von Altmann brief,
ich schrieb lang am der Antwortbrief.


Do 2 10:

Nach sSehr ermüdender Bürotag.
Neuigkeiten: Marchsteiner angestellt.
Huber wird fliegen. (Es weiß sonst
außer Tante noch niemand im Büro.)

Abends sehr netter Brief von
Jandl aus England. So einen gut
geschriebenern Brief
habe ich selten erhalten.


Fr 3 10 52:

Scjhöner OktobermorgenTagesanfang,
Herbstmorgen, (zwar nur
plus 2 Grad morgens).

Zu schade fürs Büro.

Man las von Studenten-
demonstrationen.

Spruchbänder:

"es ist alles eins,
ob du ein man ein Hirn hat oder keins"

"Welches ist das gesündeste Land für
Nobelpreisträger? - Österreich, denn dort
da ist noch keiner gestorben."

Sprech-
chöre:
"Wer soll das bezahlen, wer hat soviel
Geld"

Kolb, Kolb, komm bald,
sonst wirst du im Amt nicht alt."

Ich fahre jetzt immer 10 Minuten vor
acht von zuhause ab.

Neuig

Krawall Machwitz - Huber,
gemütl. Abend daheim.


Sa 4 10:

Im Büro habe ich mir etwas Übers    icht
geschaffen.

Nachmittag kam
Kein. Wir arbeiteten
an den "publika-
tionen
". Ich erzählte
ihm die letzten
Sachen, zeigte ihm
Neues von Mayröcker, Ebner,
Altmann, Fritsch.
Bearbeiteten einiges,
vor allem wieder
das Thema der
Assoziationentechnik.


So 5 10:

Vormittags dem
Modellhund unfreiwillig
Weigelsein Gesicht
gezeichnet. Es sieht
Weigels Gesicht ähnlich.

Mußte ihm daher
ein "Mikrophon"
basteln. und ihn
Jetzt wird er
samstäglich
auf unserm
Radio stehen
und wie
sein Vorbild
"in den Wind
sprechen".

Nachmittags Friedbrief
fertigkonzipiert.

Dann an den
"publ." gearbeitet.

Abends habe ich mir etwas Zeit
für Tucholsky
genommen.

Tucholsky ist
reizend zu lesen.
In Bezug auf
seine Lebens-Skizzen:
So einen mitleidenden
Relativisten lasse ich
mir gefallen.

(Es ist natürlich
kein Relativismus des Lebens, sondern
nur einer des verpatzten
Lebens. Darum akzep-
tiere ich ihn so
ungewöhnlich bereitgern.)


Mo 6 10:

Hatte noch etwas
Zeit. Korrektur-
reich Tagebuch
geführt.

Gestern hatte ich
einen guten Satz im Französisch-
Lehrbuch gefunden:
Die Wertskala der
Wörter lautet:
Verb, Substantiv,
Adjektiv, Adverb.

Man müßte eine
Sprache haben
konzentriert, natürlich,
präzis und
anschaulich,
notierte ich gestern.

Im Büro alles für die
"publikationen" getan,
was ich vorgehabt
hatte, und alle
Besuche organisiert.


Di 7 10:

Nach dem Büro
Besuch bei Polakovics.


Mi 8 10:

Abends Besuch bei
Fritsch. Danach
Gedanken, noch ohne Synthese. Herbstregen.


Do 9 10:

Früh literarisch ein wenig gearbeitet.
Böser Dienst. Kalt.
Fieberig.


Fr 10.10.:

Abends zu Polz,
der mir sympathisch
ist.

Er dissertierte über Tiefenpsychologie.

Kannte Brigitte Kahr,
auch Kräftner.

Schon ziemlich kalte
Tage. Polz beglei-
tete mich zur
Straßenbahn.
Währing ist eine
trübe Gegend.

Kam auch heute
abends wieder
spät nachhause.


Sa 11 10:

Im Büro steigert sich
die Stimmung ins
Unerträgliche, von
Tag zu Tag.

Ich gehe mit einer
noch nicht

in der Tasche herum.

Zwei Behälter
Olivenöl immerhin
vom Büro profitiert.

Nachmittag ausgeruht.
Arbeit: Rilke
(Insel Auswahl Ausgabe)
gelesen.

Rilke (Eines der
paar, die ich mir
herausschreiben
werde):

Es liebt ein Herz,
daß es die Welt
uns rühme,
nicht sich, nicht den
Geliebten, denn:
wer wars?
Ein Anonymes preist
das Anonyme .....

So 12 10:

Früh Lust zur Hakel-Prosa
über Steinhof bekommen.
Ich begann. Dann
besuchte mich, wie
abgemacht, Kein.
Stellten die "publika-
tionen
" zusammen
fertig, die letzten,
und unterhielten
uns über den Kommu-
nismus und die
westliche Entwicklung.

Nachmittags alles
für
den Versand
der "publikationen" vorbereitet.

Später Hakel-Prosa
weiter, abends
glaubte ich fertig
zu sein; jetzt gefällt
mir der Schluß
nicht.

Tiefer Herbst.


Mo 13 Okt:

Huber wieder im Büro.
Alte Zollaffären flackern
auf.

Fleißig für die "publ.". -
Abends zu Matejka,
übers Gedicht mit
dem Titel "Projekt"
unterhalten. Die
Schlußzeilen erscheinen
ihm zu abstrakt-
nichtssagend. Er
spricht interessant,
über Kraus, das
Verhalten Kästners,
Hauptmanns in
der Nazizeit, sehr temparamentvoll und
weitausholend. An mir
lobte er die "Gabe zum
Sezieren" und zur
unmittelbar verständlichen
Darstellung.

Sandte meine Sachen
für Hakel und Eisenreich
ab.


























Im Institut wurden, laut Schik
Karlis
Bericht, meine "publi-
kationen
" mit Interesse
gelesen. Übersetzungen
in ihrer Gegenüberstellung
gefielen. Kräftners Gedicht
hinterließ einen über-
raschend intensiven Eindruck.

Ich habe ihr gegenüber
ein schlechtes Gewissen
- .

Kalt.


Di 14 Okt:

Demonstrationen der
Studenten vor dem
Konzerthaus. Mächtiger
Eindruck.

Intensiv gearbeitet.


Mi 15 Okt:

Lebhafter Arbeitstag,
aber angenehmer.
Gottwald von der
Welser Papierfabrik
wegen Überarbeitung
zusammengebrochen. (Blutgerinnsel nahe
dem Herzen.)

Abends viel für die
"publ." erledigt.
Café Landtmann
(Qualtinger);
Wiesflecker nicht
angetroffen. Also
zeitiger als gedacht
heimgekommen.

Für Morgen mit Jirgal
mich verabredet,
für Montag mit dem
Zahnarzt.


Das Gefühl meiner gegenwärtigen
Unerfülltheit schlägt sich vor allem
in die i-Punkte.

16 10 52

Do 16 Okt:

Abends nach häßlichem
Büro zu Jirgal.

Dort diskutiert.
Bratwurst aufgewartet
bekommen.

Über Phänomenologie.

Die vitale Frau
Dr. Schreiber ist
auf der Psychiatr.
Klinik
und
muß vielleicht
nach Steinhof
kommen. Sie ist,
höre ich, seit je
geisteskrank.

16/10

Die abendliche Begegnung mit "dem
Tanz" im Zehner
wiederholte sich nicht
nochmals.

Es war ja ein kalter
Oktober-Donnerstag.

Ich wollte notieren
für weiteren Gebrauch:

Ich möchte, daß man
sagen könnte:
Kleiner Komet mit
weiter Bahn ..."

Dann unterbrach
ich diese Konzeption.

Ich verbiete mir in
letzter Zeit alle

16/10
Arbeit an Gedichten über
meinen Zustand; ferner
an Gedichten im Bennschen
Versmaß (Benn hat mir
jede Möglichkeit zu
dichten genommen).

Weitere Selbstverbote:

Surrealistischer Gedichte;
Verbot der stereotypen
Einbeziehung der
Kosmetik in die
Reportagen.


Fr 17 10 52:

Legte den ganzen Tag
auf Freude an,
da ich morgen
frei habe.

Auch leichter
erträgliches Büro.
Abends reparierte
Schuhe abgeholt.
Artko Artmann kommt
Sonntag oder Montag
aus der Schweiz
zurück.

Daheim gebackene
Leber, Wein.


Sa 18 10:

Länger, mit den
Büchern von Rilke
und Jünger, im
Bett geblieben.

Meine absurde
"Jungfräulichkeit".

Vormittag:

Fried-Brief geschrieben.
"Neue Wege", Oktoberheft,
empfangen neben
unwesentlicher Post.

18/19 10

Meine Arbeiten aufgeholt.
Ließ mir's Samstag Abend
gut gehn.


(So)

Früh im Bett gelesen.
Vormittag, im Herbstlaub,
bei Sonnenschein, zu
Brigitte Kahr einen
Spaziergang gemacht.
(Gab dort die neuen
"publikationen" ab.)

Auf meinem Hinweg
und meinem Rückweg
spielten Mädchen
im Gras mit einer
Katze.


Zu den "Verboten":

Man hüte sich vor der Niederschrift von selbstgestellten
Fragen.

Man hüte sich vor der grosszügigen Feststellung, dass man
fad ist.

18 10 52

Die, wie die Leute schön sagen, "phänomenologische" Art,
darzustellen, die Stellung an dem Schnittpunkt von
Impression und Ueberschau, die ich einnehme, sind meine
bedeutsamsten Möglichkeiten.

19 10 52
Ich, Chipekwe, seltenes Tier,
in Afrika beheimatet,
ein einzelgängerischer Phänomenologe,
mit dem Gemeinschaftstraum tief ins Gehirn geimpft ...

/Variation zum "Abendlied des Chipekwe",
im Laufe dieses Jahrs./


19 10

Nachmittags schrieb ich
einiges nieder. Zufrieden
mit dem Wetter, mit den
Tagen.

Abends Wein und Rohscheiben.


DMo 20 10

Abends Zahnarzt. Diesmal
noch nichts notwendig.


Di 21 10

1630.- zusätzlich bekommen.
Abends Dienst; spät erst
kam ich zu Fritsch.

Dort war ich nicht fähig,
wesentliche Gespräche zu
führen
anzufangen.

Ich fürchte, ich langweilte ihn,
wenn er es auch nicht zeigte.


Mi 22 10:

Figl mußte seine Auslandreise
abbrechen. Budget-Krise.

Föhnwetter.

Im Büro großer Krach
zwischen Tante und
Witzmann, den Witzmann
einleitete. Tante
bat den Direktor um
ihre Kündigung;
der ging freilich darauf
nicht ein. Unerträgliche
Atmosphäre.

Abends kaufte ich
mir einen kleinen
modernen Fotoapparat.
(150.-, Daci).

Daheim Post; Wein.


Do 23 10:

Dienstag hatte ich erstmals
wieder Briggi getroffen.
Heute wiederholte sich
das.

Ich fragte sie über
Politik aus.

Regierung ist zurückgetreten.

Der Krach im Büro
verschärfte sich.
Witzmann nannte
T. eine Intrigantin,
zu Unrecht.

Ich bin unter den Herren
Schweinen zu völliger
Neutralität gezwungen.

Abends sehr müde.


Fr 24 10:

Stabilisierung im Büro.

Regierung bleibt zunächst
im Amt.

Föhnwetter, grau.

Gemütlicher Abend.


Sa 25 10:

Bürostimmung gehoben.
Noch viel gearbeitet,
aber konnte aufarbeiten.

Nachmittag geordnet;
Kein kam. Sehr
anregend gesprochen.

Abends Wein, gutes
Abendessen.

Föhnig.


So 26 10 52:

Einen Tag in Allerheiligen-
wetter zugebracht.

Mit Resten meines
gestrigen Schwungs
einige Arbeiten für
mich gemacht.

Versuch zweier
Aufnahmen trotz
Schlechtwetter.

Nachmittag nichts
Nützliches oder
Erfreuliches zuwege-
gebracht.


Traumfragmente
25/26 10 52:

Mußte in Zürich einen
Acker pflügen. Der
lag unter den Brettern
eines Fußbodens.

Am Eingang von Zürich
stand ein Mann mit
großer Nase wie
Moldovan. Es war
schon spät am Abend.

Unlängst:

Wir bekamen ein
neues Büro. Arbeits-
pausen von je
5 Minuten je Stunde
wurden eingeführt.
In diesen Arbeits-
pausen durfte man
aber nur bis zur

2
Nachbartür spazieren.
Reiter auf kleinen
Pferdchen wachten
in jedem Stockwerk
darüber.


26/27 10 52:

Hatte laut Kalender
eine Verabredung mit
Artmann und Kein
in Mödling.

x) Da ich befürchtete, dass Artmann auf Sie vergessen haben könnte, sicher zu
gehen,
daß
Um mich
zu vergewissern, ob
Artmanndarauf nicht inzwischen ver-
gessen häatte
, wollte ich
ihn aus der Wohnung abholen erst zu ihm    , anstatt
in Mödling auf ihn
zu warten.

In seiner Wohnung
aber wohnten andere
Leute:

3

Ein Bursch und ein älterer Mann;
sie fragten mich, ob ich über
Karl May mitdiskutieren
wolle. Ich sagte, ich suche
Artmann. Artmann, sagte der
Bursch, sei längst in eine
andere Wohnung gezogen;
die könne ich nur auf dem
Magistrat erfragen.

Ich glaube, ich fuhr dann
allein nach Mödling.

Es war aber schon 4 Uhr
Nachmittags geworden.

Ins Büro kamen Beamtinnen
eines Informationszentrums
und verlangten von uns,
wir müßten den Zeitungsroman
von Guareschi Kkritisieren.

4

Ich wurde zuerst übersehen.
Dann kam eine Beamtin auch
zu mir und sagte, "ich
dürfte auch mittun". Ich bekam
einen blauen Bleistift und
machte mich über die Arbeit.
Die Frau, die nicht sonderlich
hübsch war, dicklich und
mit rundumrahmten Brillen,
drückte ich dabei an mich,
als wollte ich                           mich irgendwo
geborgen      fühlen.

Ich fuhr in einer sehr kleinen
Straßenbahn in hellblaues
Wetter und war etwas         
traurig , als ich an Briggis
Haus
vorbeifuhr.

Alles notiert
27 10 52

Mo 27 10:

Froher Abend.

Großer Unterschied zwischen
der Schrift geschrieben   schöpferischer Arbeit
und

Großer Unterschied zwischen
der Schrift einer

Großer Unterschied
zwischen

Es wirkt sich in der Schrift,
sehr deutlich aus, ob man schöpferisch
schreibt oder abschreibt.

Ebenso, ob man etwas
auszudrücken hat
oder nicht.

Vor allem im Schreibgefühl.

Das minder echte Schreiben ist
eine quälend häßliche Tätigkeit.


Di 28 10:

Begann morgens ein
Dido-Thema.

Viel Arbeit im Büro,
nachmittags Besprechung
mit einem sehr hübschen
Mädchen unserer
Import-Partnerfirma.

Abends zuhause noch
gearbeitet (Freißler-Brief
geschrieben).


Mi 29 10:

Früh Dido-Gedicht
weiter versucht,
auf der Straßenbahn
noch mehrere Ideen.

Im Büro entlädt sich mehr
und mehr Arbeit auf mich.

Abends erste "Differenz"
mit Witzmann.

Habe mich schon neulich
nach dem Inseraten-Tarif
erkundigt.

Ruhigerer Abend als gestern.


Do 30 10:

Abschwellende Spannung
im Büro.

Etwas Arbeit aufgeholt.
Abends Post von Wittkopf
(Zeitschrift "Profile", Heidelberg).


Fr 31 10:

Erster Nachmittag ohne
Dr. Machwitz. Ich muß
einen Teil seiner Arbeit
mitleisten, zum Beispiel
englische Korrespondenz.

Die einzige Stellungnahme
zu meiner Arbeit war
die Rüge, warum ich
einen Überweisungsauftrag
nicht in meine sondern
in eine andere Unter-
schriftenmappe gelegt
habe.

Sehr froh, daß die
Werktage zu Ende
sind.


Nach der traurigen Geschichte mit Briggi meine
vollkommene geistige Rückkehr in     s Büroleben;
diese Falle schliesst anscheinend für immer.

Aufhebung meiner Gestaltungskraft durch Benn.

Keine Zeit zu theoretischer Arbeit oder auch nur zu
Selbstbesinnung.

1 11 52 morgens

Sa 1 11
ALLERHEILIGEN:

Machte Ordnungen
und Arbeiten für
mich. (Korrespondenz
Görlich , Freißler,
Wittkopf.)

Genoß daneben die
Freizeit.

Vormittags schönes
Wetter.

Zu schreiben gelang
mir nicht.

Abends Friedhofspazier-
gang, es war noch
zu hell: Korso
der Bürger, der Pelzweibchen an diesem
Ort ...

Abends das jährliche
Geflügelessen.

Versuchte abends
verbissen, zu schreiben.
Es resultierten nur
ziemlich zerstörte
Stimmung und
wirre Träume nachts.


Für Tagebuch: 2 11 52

Man erkennt an ihrer der Art
ihrer Aufmachung, wohin
Frl. Hedy H. abends geht.zu gehen vorhat. Trägt sie
Stöckelschuhe, so besucht heißt bedeutet
das, sie wirdeinen Besuch bei Peter, besuchen,
trägt sie gemäßigte Absätze, so
bedeutet das besucht sie abends ihren
"Bräutigam" Fritz.

Legt sie Lack auf ihre Nägel,
bedeutet das eine Nacht mit Peter, wäscht sie
den Lack mittags mit Azeton
ab, herunter, bedeutet das
einen Abend mit Fritz.


So 2 11 52
ALLERSEELEN:

Früh länger im Bett
geblieben.

Weniger gedrängte
Stimmung.

Früh Schönwetter,
später wurde es
wolkiger. Recht kalt.

Photospaziergang.

Nur 1 Zeit-Aufnahme.

Nachmittags nach
langer Zeit mich
mit meinen Brief-
marken beschäftigt.

Bestellung geschrieben
sogar.

Dann kam Artmann.
Nicht sehr guter
Laune. Er nahm
mir mein "krämerhaftes"
Interesse an den
Schweizer Geldeingängen
für die "publ.",
die er dort ver-
stümpert hat,
übel.

Las einige seiner neueren
Arbeiten;      halte
wenig davon ...


Laden...

Tagebuch

1952

AOk

260

Tagebuch

von ... Mo 15 9 52

bis ... So 2 11 52

Mo, 15 9 52:

Herbstlich. Plus 5 Grad.

Im Büro mit dem Apparat befaßt, leider viel "andere" Arbeit "daneben".

Abends las ich einmal gründlich Zeitungen.


Di 16 9 52:

Sonniger Morgen.

Früh hatte ich etwas Zeit, vor der Hetzjagd.

Im Büro kam ich gar nicht zum weiteren Studium des Apparates, auch nicht zur Hauptarbeit (Abrechnung der Kopplungen), sondern wurde bis 17 Uhr mit Nebensachen geplagt. Alles Wichtige bleibt für morgen.

Kalte und zeitig finstere Abende.

Tante grüßte uns aus Zürich.

Fräulein H. erzählte (außer über ihren Sch-nupfen) noch folgendes: "Ich kenne ein Büro, da wird gezahlt, daß man vor Neid zerplatzt; da würde ein Mädchen in meiner Position oder Andr. mit seiner Arbeit S 2200.- kriegen."

(...!)

Ihre Position zeigte sich indes heute labiler als man annimmt. Und überhaupt ist Streit über Streit im Büro. Ich schwimme wie Walroß durch dieses ungünstige Medium.

Gemütlicher ist es am Abend. Schreiben natürlich illusorisch. Fertigte mittags gerade noch Mayröcker ab; schrieb ihr nicht so unbarmherzig wie es im Konzept steht.

Ich las die letzten Tage Gottfried Benn. Sogar herausgeschrieben habe ich eines: "Blaue Stunde" aus den "Fragmenten", jetzigen Gedichten!

"... Was sich erhebt, das will auch wieder enden,
Was sich erlebt - wer weiß denn das genau?
Die Kette schließt. Man schweigt in diesen Wänden.
Und dort die Weite, hoch und dunkelblau."

Mi 17 9 52:

....


Do 18 9 52:

Photovolt-Anleitungen fertig übersetzt. Etwas weniger dichte Arbeit. Abends Naturpapier (Pol) abgeholt.


Fr 19 9 52:

Regen.

Büro: Kopplungskartei fertig. Nachmittag mit Distel Batterie bestellen gefahren (für den Helligkeitsmesser).

Scheußliche Bürostimmung.

(Frl. H.; Frau Marchsteiner wird von Huber gehunzt. H. u. Mj. nervös. Unübersichtliches Arbeiten.)


Sa 20 9 52:

Steidl ließ sich diese Woche mehrmals bei uns blicken.

Häßliches Arbeiten, alles durcheinander.

Nachmittags froh. Erster Tag mit Kältegefühl im Körper.

Letzte Tage:

Tschadek als Justizminister durch Gerö ersetzt. Erste unbemannte Bomber ("Höllenkatzen" genannt) in Korea. Demonstrationen mit 70 Verletzten beim Gartenbau-Kino wegen des amerikanischen Rommel-Films.

(Mossadeq und Naguib werde ich sicher notiert haben, die letzten Wochen.)

Gestern kamen die bestellten Bände: Eluard u. Neruda an. Tichonow folgt.

Später nachmittags begann ich zu arbeiten:

"Aus einer Fortsetzung des Gespräches: mit Kein" (für Jirgal).

Versuchte auch ein Gedicht: "Michèle J. reist kreuz und quer durch Europa ..." zur "Verewigung" des "mediterranen Spediteurs".


So 21 9 52:

Vormittags weitergearbeitet, mit etwas Erfolg nur an der Niederschrift für Jirgal.

Tante von ihrer Fünfländerfahrt zurück, berichtete nachmittags, anschaulich.

Auch abends an der Niederschrift gearbeitet, fertig geworden.

19 Uhr um die Steinhofer Mauer spazieren gegangen. Der Abend um diese Jahreszeit in dieser Gegend ist gewaltig. (Sendetürme von Steinhof, Licht in Fenstern, Himmels Farbabstufungen, Der Wald ...)


Mo 22 9:

Büro viel Arbeit.

Tante muß operiert werden.

Abends Scheuner aus Breitensee da. Bekam ein Paket aus Rußland zurück.

Das Sept.-(Lehrer-) Heft der "Neuen Wege" da. Viel von Polakovics und Dienel darin. Umfangreiches und interessantes Heft. (Als bemühe sich die Redaktion nochmals ...)

Eigentümlich ist ein reimloser Versuch von Polakovics (Absturz eines Düsenjägers).

Wie geplant, viel von Jandl in diesem Heft. Abends noch länger darin gelesen.


Di 23 9:

Nach anstrengendem Bürodienst abends nach Währing (...) gefahren zu Dr. Polz, dem ehemaligen Mystifikanten.

Er war aber, obwohl er mich eingeladen hatte, nicht daheim.

Später abends viel aus Benn herausgeschrieben.

Es ist schon kalt geworden.


Mi 24 9:

Vormittag Akkumulatoren gekauft. Arbeit für Witzmann. Arbeit für Dr. Machwitz. Abends überraschend Dienst. Erste Bestimmungen mit dem Apparat durchgeführt.

Zu Fritsch gefahren. Überaus herzlich. Bändchen-Manuskript durchgegangen.


Do 25 9:

Nichts: Büro.


Fr 26 9:

Anstrengende Tage.


Sa 27 9:

Tante schon zu Hause. Operation ging in Ordnung. Ekelhaftes Büro.

Nachmittag auf den Bierhäuselberg. Mit Kein dort weitere 6 Seiten abgezogen. Abends müde heim. Kein findet diese Nummer schwächer. Über Fritsch u.a. diskutiert. Fritsch ist in Keins Augen zu unverbindlich: zieht nur publikumsbequeme Konsequenzen.


So 28 9:

Weiter abgezogen. Herrliches Wetter (nur war es seit nachts recht windig).

Blauer frischer Himmel wie im März. Autobusfahrt erfreut mich immer.

Heute kam Kein nicht. Mit Hilfe von Wittmanns Buben fertiggeworden. Sehr abgespannt heim.

Ausgeruht, dann wieder ein paar Korrespondenzen erledigt.

Mama half bei den "publ." mit.

Einiges niedergeschrieben. Abends um die Steinhofer Mauer mit Mama spaziert.


Mo 29 9:

Ich fahre jetzt nie mehr mit Briggi.

Im Büro war ich zufrieden mit meinen Arbeiten, auch für mich selbst; Brief an Erich Fried weiter.

Abends gute Stimmung. Wein.

Herbstlich, es regnet.


Di 30 9 52
T

Demonstrationen der Chemiker gegen bevorstehende untragbare Gebührenerhöhung

Treffe jetzt öfter Karl Schik in der Früh. Er redet mit mir meist über kulturelle Dinge.

Heute erstmals wieder Tante im Büro, nach Spital und Ruhezeit.


Di 30 9:

Erstmals Kopfschmerzen. Fast ununterbrochene Arbeit bis 18h.

Am Friedbrief konnte ich ein Stückerl weiterschreiben.

Abends Post von Matejka (mein Gedicht diesmal abgelehnt) und einer deutschen Zeitschrift "Profile".


T
Mi 1 10:

Abends gutes Essen, Nachricht von Altmann , ich schrieb lang am Antwortbrief.


Do 2 10:

Sehr ermüdender Bürotag. Neuigkeiten: Marchsteiner angestellt. Huber wird fliegen. (Es weiß außer Tante noch niemand im Büro.)

Abends sehr netter Brief von Jandl aus England. So einen gut geschriebene Brief habe ich selten erhalten.


Fr 3 10 52:

Schöner Tagesanfang, , (zwar nur plus 2 Grad morgens).

Zu schade fürs Büro.

Man las von Studentendemonstrationen.

Spruchbänder:

"es ist alles eins,
ob man ein Hirn hat oder keins"

"Welches ist das gesündeste Land für Nobelpreisträger? - Österreich, denn dort ist noch keiner gestorben."

Sprechchöre: "Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld"

Kolb, Kolb, komm bald,
sonst wirst du im Amt nicht alt."

Ich fahre jetzt immer 10 Minuten vor acht von zuhause ab.

Krawall Machwitz - Huber, gemütl. Abend daheim.


Sa 4 10:

Im Büro habe ich mir etwas Übersicht geschaffen.

Nachmittag kam Kein. Wir arbeiteten an den "publikationen". Ich erzählte ihm die letzten Sachen, zeigte ihm Neues von Mayröcker, Ebner, Altmann, Fritsch. Bearbeiteten einiges, vor allem wieder das Thema der Assoziationentechnik.


So 5 10:

Vormittags dem Modellhund ein Gesicht gezeichnet. Es sieht Weigels Gesicht ähnlich.

Mußte ihm daher ein "Mikrophon" basteln. Jetzt wird er samstäglich auf unserm Radio stehen und "in den Wind sprechen".

Nachmittags Friedbrief fertigkonzipiert.

Dann an den "publ." gearbeitet.

Abends habe ich mir etwas Zeit für Tucholsky genommen.

Tucholsky ist reizend zu lesen. In Bezug auf seine Lebens-Skizzen: So einen mitleidenden Relativisten lasse ich mir gefallen.

(Es ist natürlich kein Relativismus des Lebens, sondern nur einer des verpatzten Lebens. Darum akzeptiere ich ihn so ungewöhnlich gern.)


Mo 6 10:

Hatte noch etwas Zeit. Korrekturreich Tagebuch geführt.

Gestern hatte ich einen guten Satz im Französisch-Lehrbuch gefunden: Die Wertskala der Wörter lautet: Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb.

Man müßte eine Sprache haben konzentriert, natürlich, präzis und anschaulich, notierte ich gestern.

Im Büro alles für die "publikationen" getan, was ich vorgehabt hatte, und alle Besuche organisiert.


Di 7 10:

Nach dem Büro Besuch bei Polakovics.


Mi 8 10:

Abends Besuch bei Fritsch. Danach Gedanken, noch ohne Synthese. Herbstregen.


Do 9 10:

Früh literarisch ein wenig gearbeitet. Böser Dienst. Kalt. Fieberig.


Fr 10.10.:

Abends zu Polz, der mir sympathisch ist.

Er dissertierte über Tiefenpsychologie.

Kannte Brigitte Kahr, auch Kräftner.

Schon ziemlich kalte Tage. Polz begleitete mich zur Straßenbahn. Währing ist eine trübe Gegend.

Kam auch heute abends wieder spät nachhause.


Sa 11 10:

Im Büro steigert sich die Stimmung ins Unerträgliche, von Tag zu Tag.

Ich gehe mit einer noch nicht

in der Tasche herum.

Zwei Behälter Olivenöl immerhin vom Büro profitiert.

Nachmittag ausgeruht. Arbeit: Rilke (Insel Auswahl Ausgabe) gelesen.

Rilke (Eines der paar, die ich mir herausschreiben werde):

Es liebt ein Herz, daß es die Welt uns rühme,
nicht sich, nicht den Geliebten, denn: wer wars?
Ein Anonymes preist das Anonyme .....

So 12 10:

Früh Lust zur Hakel-Prosa über Steinhof bekommen. Ich begann. Dann besuchte mich, wie abgemacht, Kein. Stellten die "publikationen" fertig, die letzten, und unterhielten uns über den Kommunismus und die westliche Entwicklung.

Nachmittags den Versand der "publikationen" vorbereitet.

Später Hakel-Prosa weiter, abends glaubte ich fertig zu sein; jetzt gefällt mir der Schluß nicht.

Tiefer Herbst.


Mo 13 Okt:

Huber wieder im Büro. Alte Zollaffären flackern auf.

Fleißig für die "publ.". - Abends zu Matejka, übers Gedicht mit dem Titel "Projekt" unterhalten. Die Schlußzeilen erscheinen ihm zu abstrakt-nichtssagend. Er spricht interessant, über Kraus, das Verhalten Kästners, Hauptmanns in der Nazizeit, sehr temparamentvoll und weitausholend. An mir lobte er die "Gabe zum Sezieren" und zur unmittelbar verständlichen Darstellung.

Sandte meine Sachen für Hakel und Eisenreich ab.




Im Institut wurden, laut Schik Karlis Bericht, meine "publikationen" mit Interesse gelesen. Übersetzungen in ihrer Gegenüberstellung gefielen. Kräftners Gedicht hinterließ einen überraschend intensiven Eindruck.

Ich habe ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen - .

Kalt.


Di 14 Okt:

Demonstrationen der Studenten vor dem Konzerthaus. Mächtiger Eindruck.

Intensiv gearbeitet.


Mi 15 Okt:

Lebhafter Arbeitstag, aber angenehmer. Gottwald von der Welser Papierfabrik wegen Überarbeitung zusammengebrochen. (Blutgerinnsel nahe dem Herzen.)

Abends viel für die "publ." erledigt. Café Landtmann (Qualtinger); Wiesflecker nicht angetroffen. Also zeitiger als gedacht heimgekommen.

Für Morgen mit Jirgal mich verabredet, für Montag mit dem Zahnarzt.


Das Gefühl meiner gegenwärtigen Unerfülltheit schlägt sich vor allem in die i-unkte.

16 10 52

Do 16 Okt:

Abends nach häßlichem Büro zu Jirgal.

Dort diskutiert. Bratwurst aufgewartet bekommen.

Über Phänomenologie.

Die vitale Frau Dr. Schreiber ist auf der Psychiatr. Klinik und muß vielleicht nach Steinhof kommen. Sie ist, höre ich, seit je geisteskrank.

16/10

Die abendliche Begegnung mit "dem Tanz" im Zehner wiederholte sich nicht nochmals.

Es war ja ein kalter Oktober-Donnerstag.

Ich wollte notieren für weiteren Gebrauch:

Ich möchte, daß man sagen könnte:
Kleiner Komet mit weiter Bahn ..."

Dann unterbrach ich diese Konzeption.

Ich verbiete mir in letzter Zeit alle

16/10
Arbeit an Gedichten über meinen Zustand; ferner an Gedichten im Bennschen Versmaß (Benn hat mir jede Möglichkeit zu dichten genommen).

Weitere Selbstverbote:

Surrealistischer Gedichte; Verbot der stereotypen Einbeziehung der Kosmetik in die Reportagen.


Fr 17 10 52:

Legte den ganzen Tag auf Freude an, da ich morgen frei habe.

Auch leichter erträgliches Büro. Abends reparierte Schuhe abgeholt. Artmann kommt Sonntag oder Montag aus der Schweiz zurück.

Daheim gebackene Leber, Wein.


Sa 18 10:

Länger, mit den Büchern von Rilke und Jünger, im Bett geblieben.

Meine absurde "Jungfräulichkeit".

Vormittag:

Fried-Brief geschrieben. "Neue Wege", Oktoberheft, empfangen neben unwesentlicher Post.

18/19 10

Meine Arbeiten aufgeholt. Ließ mir's Samstag Abend gut gehn.


(So)

Früh im Bett gelesen. Vormittag, im Herbstlaub, bei Sonnenschein, zu Brigitte Kahr einen Spaziergang gemacht. (Gab dort die neuen "publikationen" ab.)

Auf meinem Hinweg und meinem Rückweg spielten Mädchen im Gras mit einer Katze.


Zu den "Verboten":

Man hüte sich vor der Niederschrift von selbstgestellten Fragen.

Man hüte sich vor der grosszügigen Feststellung, dass man fad ist.

18 10 52

Die, wie die Leute schön sagen, "phänomenologische" Art, darzustellen, die Stellung an dem Schnittpunkt von Impression und Ueberschau, die ich einnehme, sind meine bedeutsamsten Möglichkeiten.

19 10 52
Ich, Chipekwe, seltenes Tier,
in Afrika beheimatet,
ein einzelgängerischer Phänomenologe,
mit dem Gemeinschaftstraum tief ins Gehirn geimpft ...

/Variation zum "Abendlied des Chipekwe", im Laufe dieses Jahrs./


19 10

Nachmittags schrieb ich einiges nieder. Zufrieden mit dem Wetter, mit den Tagen.

Abends Wein und Rohscheiben.


Mo 20 10

Abends Zahnarzt. Diesmal noch nichts notwendig.


Di 21 10

1630.- zusätzlich bekommen. Abends Dienst; spät erst kam ich zu Fritsch.

Dort war ich nicht fähig, wesentliche Gespräche anzufangen.

Ich fürchte, ich langweilte ihn, wenn er es auch nicht zeigte.


Mi 22 10:

Figl mußte seine Auslandreise abbrechen. Budget-Krise.

Föhnwetter.

Im Büro großer Krach zwischen Tante und Witzmann, den Witzmann einleitete. Tante bat den Direktor um ihre Kündigung; der ging freilich darauf nicht ein. Unerträgliche Atmosphäre.

Abends kaufte ich mir einen kleinen modernen Fotoapparat. (150.-, Daci).

Daheim Post; Wein.


Do 23 10:

Dienstag hatte ich erstmals wieder Briggi getroffen. Heute wiederholte sich das.

Ich fragte sie über Politik aus.

Regierung ist zurückgetreten.

Der Krach im Büro verschärfte sich. Witzmann nannte T. eine Intrigantin, zu Unrecht.

Ich bin unter den Herren Schweinen zu völliger Neutralität gezwungen.

Abends sehr müde.


Fr 24 10:

Stabilisierung im Büro.

Regierung bleibt zunächst im Amt.

Föhnwetter, grau.

Gemütlicher Abend.


Sa 25 10:

Bürostimmung gehoben. Noch viel gearbeitet, aber konnte aufarbeiten.

Nachmittag geordnet; Kein kam. Sehr anregend gesprochen.

Abends Wein, gutes Abendessen.

Föhnig.


So 26 10 52:

Einen Tag in Allerheiligenwetter zugebracht.

Mit Resten meines gestrigen Schwungs einige Arbeiten für mich gemacht.

Versuch zweier Aufnahmen trotz Schlechtwetter.

Nachmittag nichts Nützliches oder Erfreuliches zuwegegebracht.


Traumfragmente
25/26 10 52:

Mußte in Zürich einen Acker pflügen. Der lag unter den Brettern eines Fußbodens.

Am Eingang von Zürich stand ein Mann mit großer Nase wie Moldovan. Es war schon spät am Abend.

Unlängst:

Wir bekamen ein neues Büro. Arbeitspausen von je 5 Minuten je Stunde wurden eingeführt. In diesen Arbeitspausen durfte man aber nur bis zur

2
Nachbartür spazieren. Reiter auf kleinen Pferdchen wachten in jedem Stockwerk darüber.


26/27 10 52:

Hatte laut Kalender eine Verabredung mit Artmann und Kein in Mödling.

x) Da ich befürchtete, dass Artmann auf Sie vergessen haben könnte,
, wollte ich ihn aus der Wohnung abholen , anstatt in Mödling auf ihn zu warten.

In seiner Wohnung aber wohnten andere Leute:

3

Ein Bursch und ein älterer Mann; sie fragten mich, ob ich über Karl May mitdiskutieren wolle. Ich sagte, ich suche Artmann. Artmann, sagte der Bursch, sei längst in eine andere Wohnung gezogen; die könne ich nur auf dem Magistrat erfragen.

Ich glaube, ich fuhr dann allein nach Mödling.

Es war aber schon 4 Uhr Nachmittags geworden.

Ins Büro kamen Beamtinnen eines Informationszentrums und verlangten von uns, wir müßten den Zeitungsroman von Guareschi kritisieren.

4

Ich wurde zuerst übersehen. Dann kam eine Beamtin auch zu mir und sagte, "ich dürfte auch mittun". Ich bekam einen blauen Bleistift und machte mich über die Arbeit. Die Frau, die nicht sonderlich hübsch war, dicklich und mit rundumrahmten Brillen, drückte ich dabei an mich, als wollte ich mich irgendwo geborgen fühlen.

Ich fuhr in einer sehr kleinen Straßenbahn in hellblaues Wetter und war etwas , als ich an Briggis Haus vorbeifuhr.

Alles notiert 27 10 52

Mo 27 10:

Froher Abend.

Großer Unterschied zwischen der Schrift geschrieben   schöpferischer Arbeit und

Großer Unterschied zwischen der Schrift einer

Großer Unterschied zwischen

Es wirkt sich in der Schrift sehr deutlich aus, ob man schöpferisch schreibt oder abschreibt.

Ebenso, ob man etwas auszudrücken hat oder nicht.

Vor allem im Schreibgefühl.

Das minder echte Schreiben ist eine quälend häßliche Tätigkeit.


Di 28 10:

Begann morgens ein Dido-Thema.

Viel Arbeit im Büro, nachmittags Besprechung mit einem sehr hübschen Mädchen unserer Import-Partnerfirma.

Abends zuhause noch gearbeitet (Freißler-Brief geschrieben).


Mi 29 10:

Früh Dido-Gedicht weiter versucht, auf der Straßenbahn noch mehrere Ideen.

Im Büro entlädt sich mehr und mehr Arbeit auf mich.

Abends erste "Differenz" mit Witzmann.

Habe mich schon neulich nach dem Inseraten-Tarif erkundigt.

Ruhigerer Abend als gestern.


Do 30 10:

Abschwellende Spannung im Büro.

Etwas Arbeit aufgeholt. Abends Post von Wittkopf (Zeitschrift "Profile", Heidelberg).


Fr 31 10:

Erster Nachmittag ohne Dr. Machwitz. Ich muß einen Teil seiner Arbeit mitleisten, zum Beispiel englische Korrespondenz.

Die einzige Stellungnahme zu meiner Arbeit war die Rüge, warum ich einen Überweisungsauftrag nicht in meine sondern in eine andere Unterschriftenmappe gelegt habe.

Sehr froh, daß die Werktage zu Ende sind.


Nach der traurigen Geschichte mit Briggi meine vollkommene geistige Rückkehr ins Büroleben; diese Falle schliesst anscheinend für immer.

Aufhebung meiner Gestaltungskraft durch Benn.

Keine Zeit zu theoretischer Arbeit oder auch nur zu Selbstbesinnung.

1 11 52 morgens

Sa 1 11 ALLERHEILIGEN:

Machte Ordnungen und Arbeiten für mich. (Korrespondenz Görlich , Freißler, Wittkopf.)

Genoß daneben die Freizeit.

Vormittags schönes Wetter.

Zu schreiben gelang mir nicht.

Abends Friedhofspaziergang, es war noch zu hell: Korso der Bürger, der Pelzweibchen an diesem Ort ...

Abends das jährliche Geflügelessen.

Versuchte abends verbissen, zu schreiben. Es resultierten nur ziemlich zerstörte Stimmung und wirre Träume nachts.


Für Tagebuch: 2 11 52

Man erkennt an der Art ihrer Aufmachung, wohin Hedy H. abends zu gehen vorhat. Trägt sie Stöckelschuhe, so bedeutet das einen Besuch bei Peter, trägt sie gemäßigte Absätze, so besucht sie abends ihren "Bräutigam" Fritz.

Legt sie Lack auf ihre Nägel, bedeutet das eine Nacht mit Peter, wäscht sie den Lack mittags mit Azeton herunter, bedeutet das einen Abend mit Fritz.


So 2 11 52 ALLERSEELEN:

Früh länger im Bett geblieben.

Weniger gedrängte Stimmung.

Früh Schönwetter, später wurde es wolkiger. Recht kalt.

Photospaziergang.

Nur 1 Zeit-Aufnahme.

Nachmittags nach langer Zeit mich mit meinen Briefmarken beschäftigt.

Bestellung geschrieben sogar.

Dann kam Artmann. Nicht sehr guter Laune. Er nahm mir mein "krämerhaftes" Interesse an den Schweizer Geldeingängen für die "publ.", die er dort verstümpert hat, übel.

Las einige seiner neueren Arbeiten; halte wenig davon ...


Tagebuch

1952

AOk

2  60

Tagebuch

von ... Mo 15 9 52

bis ... So 2 11 52

Mo, 15 9 52:

Herbstlich. Plus 5 Grad.

Im Büro mit dem
Apparat befaßt, leider
viel "andere" Arbeit
"daneben".

Abends las ich
einmal gründlich
Zeitungen.


Di 16 9 52:

Sonniger Morgen.

Früh hatte ich etwas
Zeit, vor der Hetzjagd.

Im Büro kam ich
gar nicht zum
weiteren Studium
des Apparates,
auch nicht zur
Hauptarbeit
(Abrechnung der
Kopplungen), sondern
wurde bis 17 Uhr
mit Nebensachen
geplagt. Alles Wichtige bleibt für
morgen.

Kalte und zeitig
finstere Abende.

Tante grüßte uns
aus Zürich.

Fräulein H. erzählte
(außer über ihren
Sch-nupfen) noch
folgendes: "Ich
kenne ein Büro,
da wird gezahlt, daß man vor Neid
zerplatzt; da würde
ein Mädchen in
meiner Position
oder Andr. mit
seiner Arbeit
S 2200.- kriegen."

(...!)

Ihre Position zeigte
sich indes heute
labiler als man
annimmt. Und
überhaupt ist Streit
über Streit im Büro.
Ich schwimme wie
Walroß durch dieses ungünstige
Medium.

Gemütlicher ist es am
Abend. Schreiben
natürlich illusorisch.
Fertigte mittags
gerade noch Mayröcker
ab; schrieb ihr
nicht so unbarm-
herzig wie es im
Konzept steht.

Ich las die letzten
Tage Gottfried Benn.
Sogar herausgeschrieben
habe ich eines:
"Blaue Stunde" aus
den "Fragmenten",
jetzigen Gedichten!

"... Was sich erhebt, das will
auch wieder enden,
Was sich erlebt -
wer weiß denn das
genau?
Die Kette schließt.
Man schweigt in
diesen Wänden.
Und dort die Weite,
tief hoch und
dunkelblau."

Mi 17 9 52:

....


Do 18 9 52:

Photovolt-Anleitungen
fertig übersetzt.
Etwas weniger
dichte Arbeit.
Abends Naturpapier
(Pol) abgeholt.


Fr 19 9 52:

Regen.

Büro: Kopplungs-
kartei fertig.
Nachmittag mit
Distel Batterie
bestellen gefahren (für den Helligkeits-
messer).

Scheußliche Büro-
stimmung.

(Frl. H.; Frau
Marchsteiner
wird von Huber
gehunzt. H. u. Mj.
nervös. Unüber-
sichtliches Arbeiten.)


Sa 20 9 52:

Steidl ließ sich
diese Woche mehr-
mals bei uns
blicken.

Häßliches Arbeiten,
alles durcheinander.

Nachmittags froh.
Erster Tag mit
Kältegefühl im
Körper.

Letzte Tage:

Tschadek als Justiz-
minister durch Gerö
ersetzt. Erste
unbemannte Bomber
("Höllenkatzen" genannt)
in Korea. Demon-
strationen mit
70 Verletzten beim
Gartenbau-Kino wegen des amerika-
nischen Rommel-
Films
.

(Mossadeq und
Naguib werde ich
sicher notiert
haben, die letzten
Wochen.)

Gestern kamen
die bestellten Bände:
Eluard u. Neruda
an. Tiechonow
folgt.

Später nachmittags begann
ich zu arbeiten:

"Aus einer Fortsetzung des
Gespräches: mit Kein
"
(für Jirgal).

Versuchte auch ein
Gedicht: "Michèle J.
reist kreuz und quer
durch Europa ...
"
zur "Verewigung" des
"mediterranen Spediteurs".


So 21 9 52:

Vormittags weiterge-
arbeitet, mit etwas
Erfolg nur an
der Niederschrift
für Jirgal.

Tante von ihrer
Fünfländerfahrt
zurück, berichtete
nachmittags,
anschaulich.

Auch abends.
an der Niederschrift
gearbeitet, fertig
geworden.

19 Uhr um die
Steinhofer Mauer
spazieren gegangen.
Der Abend um
diese Jahreszeit
in dieser Gegend ist gewaltig.
(Sendetürme von
Steinhof, Licht
in Fenstern,
Himmels Farb-
abstufungen,
Der Wald ...)


Mo 22 9:

Büro viel Arbeit.

Tante muß operiert
werden.

Abends Scheuner
aus Breitensee da.
Bekam ein Paket
aus Rußland zurück.

Das Sept.-(Lehrer-)
Heft der "Neuen
Wege
" da. Viel
von Polakovics und
Dienel darin.
Umfangreiches und interessantes Heft.
(Als bemühe sich
die Redaktion
nochmals ...)

Eigentümlich ist
ein reimloser
Versuch von Pola-
kovics
(Absturz
eines Düsenjägers).

Wie geplant, viel
von Jandl in
diesem Heft.
Abends noch
länger darin
gelesen.


Di 23 9:

Nach anstrengendem
Bürodienst abends
nach Währing (...)
gefahren zu Dr. Polz,
dem ehemaligen
Mystifikanten.

Er war aber, obwohl
er mich eingeladen
hatte, nicht daheim.

Später abends
viel aus Benn
herausgeschrieben.

Es ist schon kalt
geworden.


Mi 24 9:

Vormittag Akkumulatoren
gekauft. Arbeit für
Witzmann. Arbeit
für Dr. Machwitz.
Abends überraschend
Dienst. Erste Bestim-
mungen mit dem
Apparat durchgeführt.

Zu Fritsch gefahren.
Überaus herzlich.
Bändchen-Manuskript
durchgegangen.


Do 25 9:

Nichts: Büro.


Fr 26 9:

Anstrengende Tage.


Sa 27 9:

Tante schon zu Hause.
Operation ging
in Ordnung.
Ekelhaftes Büro.

Nachmittag auf den
Bierhäuselberg. Mit
Kein dort weitere
6 Seiten abgezogen.
Abends müde heim.
Kein findet diese
Nummer schwächer.
Über Fritsch u.a.
diskutiert. Fritsch
ist in Keins Augen
zu unverbindlich:
zieht nur publikums-
bequeme Konsequenzen.


So 28 9:

Weiter abgezogen.
Herrliches Wetter
(nur war es seit
nachts recht
windig).

Blauer frischer
Himmel wie im
März. Autobus-
fahrt erfreut
mich immer.

Heute kam Kein
nicht. Mit
Hilfe von Witt-
manns
Buben
fertiggeworden. Sehr abgespannt
heim.

Ausgeruht, dann
wieder ein paar
Korrespondenzen
erledigt.

Mama half
bei den "publ."
mit.

Einiges niedergeschrie-
ben. Abends
um die Steinhofer
Mauer
mit
Mama spaziert.


Mo 29 9:

Ich fahre jetzt
nie mehr mit
Briggi.

Im Büro war ich zufrieden
mit meinen
Arbeiten, auch
für mich selbst;
Brief an Erich
Fried
weiter.

Abends gute
Stimmung. Wein.

Herbstlich, es regnet.


Di 30 9
52
T

StudentenstreikDemonstrationen der Chemiker
gegen bevorstehende untragbare
Gebührenerhöhung

Treffe jetzt öfter Karl Schik
in der Früh. Er redet mit mir meist
über kulturelle Dinge.

Heute erstmals wieder Tante im Büro,
nach Spital und Ruhezeit.


Di 30 9:

Erstmals Kopfschmerzen.
Fast ununterbrochene
Arbeit bis 18h.

Am Friedbrief konnte
ich ein Stückerl
weiterschreiben.

Abends Post von
Matejka (mein
Gedicht diesmal
abgelehnt) und
einer deutschen
Zeitschrift "Profile".


T
Mi 1 10:

Abends gutes Essen, PostNachricht von Altmann brief,
ich schrieb lang am der Antwortbrief.


Do 2 10:

Nach sSehr ermüdender Bürotag.
Neuigkeiten: Marchsteiner angestellt.
Huber wird fliegen. (Es weiß sonst
außer Tante noch niemand im Büro.)

Abends sehr netter Brief von
Jandl aus England. So einen gut
geschriebenern Brief
habe ich selten erhalten.


Fr 3 10 52:

Scjhöner OktobermorgenTagesanfang,
Herbstmorgen, (zwar nur
plus 2 Grad morgens).

Zu schade fürs Büro.

Man las von Studenten-
demonstrationen.

Spruchbänder:

"es ist alles eins,
ob du ein man ein Hirn hat oder keins"

"Welches ist das gesündeste Land für
Nobelpreisträger? - Österreich, denn dort
da ist noch keiner gestorben."

Sprech-
chöre:
"Wer soll das bezahlen, wer hat soviel
Geld"

Kolb, Kolb, komm bald,
sonst wirst du im Amt nicht alt."

Ich fahre jetzt immer 10 Minuten vor
acht von zuhause ab.

Neuig

Krawall Machwitz - Huber,
gemütl. Abend daheim.


Sa 4 10:

Im Büro habe ich mir etwas Übers    icht
geschaffen.

Nachmittag kam
Kein. Wir arbeiteten
an den "publika-
tionen
". Ich erzählte
ihm die letzten
Sachen, zeigte ihm
Neues von Mayröcker, Ebner,
Altmann, Fritsch.
Bearbeiteten einiges,
vor allem wieder
das Thema der
Assoziationentechnik.


So 5 10:

Vormittags dem
Modellhund unfreiwillig
Weigelsein Gesicht
gezeichnet. Es sieht
Weigels Gesicht ähnlich.

Mußte ihm daher
ein "Mikrophon"
basteln. und ihn
Jetzt wird er
samstäglich
auf unserm
Radio stehen
und wie
sein Vorbild
"in den Wind
sprechen".

Nachmittags Friedbrief
fertigkonzipiert.

Dann an den
"publ." gearbeitet.

Abends habe ich mir etwas Zeit
für Tucholsky
genommen.

Tucholsky ist
reizend zu lesen.
In Bezug auf
seine Lebens-Skizzen:
So einen mitleidenden
Relativisten lasse ich
mir gefallen.

(Es ist natürlich
kein Relativismus des Lebens, sondern
nur einer des verpatzten
Lebens. Darum akzep-
tiere ich ihn so
ungewöhnlich bereitgern.)


Mo 6 10:

Hatte noch etwas
Zeit. Korrektur-
reich Tagebuch
geführt.

Gestern hatte ich
einen guten Satz im Französisch-
Lehrbuch gefunden:
Die Wertskala der
Wörter lautet:
Verb, Substantiv,
Adjektiv, Adverb.

Man müßte eine
Sprache haben
konzentriert, natürlich,
präzis und
anschaulich,
notierte ich gestern.

Im Büro alles für die
"publikationen" getan,
was ich vorgehabt
hatte, und alle
Besuche organisiert.


Di 7 10:

Nach dem Büro
Besuch bei Polakovics.


Mi 8 10:

Abends Besuch bei
Fritsch. Danach
Gedanken, noch ohne Synthese. Herbstregen.


Do 9 10:

Früh literarisch ein wenig gearbeitet.
Böser Dienst. Kalt.
Fieberig.


Fr 10.10.:

Abends zu Polz,
der mir sympathisch
ist.

Er dissertierte über Tiefenpsychologie.

Kannte Brigitte Kahr,
auch Kräftner.

Schon ziemlich kalte
Tage. Polz beglei-
tete mich zur
Straßenbahn.
Währing ist eine
trübe Gegend.

Kam auch heute
abends wieder
spät nachhause.


Sa 11 10:

Im Büro steigert sich
die Stimmung ins
Unerträgliche, von
Tag zu Tag.

Ich gehe mit einer
noch nicht

in der Tasche herum.

Zwei Behälter
Olivenöl immerhin
vom Büro profitiert.

Nachmittag ausgeruht.
Arbeit: Rilke
(Insel Auswahl Ausgabe)
gelesen.

Rilke (Eines der
paar, die ich mir
herausschreiben
werde):

Es liebt ein Herz,
daß es die Welt
uns rühme,
nicht sich, nicht den
Geliebten, denn:
wer wars?
Ein Anonymes preist
das Anonyme .....

So 12 10:

Früh Lust zur Hakel-Prosa
über Steinhof bekommen.
Ich begann. Dann
besuchte mich, wie
abgemacht, Kein.
Stellten die "publika-
tionen
" zusammen
fertig, die letzten,
und unterhielten
uns über den Kommu-
nismus und die
westliche Entwicklung.

Nachmittags alles
für
den Versand
der "publikationen" vorbereitet.

Später Hakel-Prosa
weiter, abends
glaubte ich fertig
zu sein; jetzt gefällt
mir der Schluß
nicht.

Tiefer Herbst.


Mo 13 Okt:

Huber wieder im Büro.
Alte Zollaffären flackern
auf.

Fleißig für die "publ.". -
Abends zu Matejka,
übers Gedicht mit
dem Titel "Projekt"
unterhalten. Die
Schlußzeilen erscheinen
ihm zu abstrakt-
nichtssagend. Er
spricht interessant,
über Kraus, das
Verhalten Kästners,
Hauptmanns in
der Nazizeit, sehr temparamentvoll und
weitausholend. An mir
lobte er die "Gabe zum
Sezieren" und zur
unmittelbar verständlichen
Darstellung.

Sandte meine Sachen
für Hakel und Eisenreich
ab.


























Im Institut wurden, laut Schik
Karlis
Bericht, meine "publi-
kationen
" mit Interesse
gelesen. Übersetzungen
in ihrer Gegenüberstellung
gefielen. Kräftners Gedicht
hinterließ einen über-
raschend intensiven Eindruck.

Ich habe ihr gegenüber
ein schlechtes Gewissen
- .

Kalt.


Di 14 Okt:

Demonstrationen der
Studenten vor dem
Konzerthaus. Mächtiger
Eindruck.

Intensiv gearbeitet.


Mi 15 Okt:

Lebhafter Arbeitstag,
aber angenehmer.
Gottwald von der
Welser Papierfabrik
wegen Überarbeitung
zusammengebrochen. (Blutgerinnsel nahe
dem Herzen.)

Abends viel für die
"publ." erledigt.
Café Landtmann
(Qualtinger);
Wiesflecker nicht
angetroffen. Also
zeitiger als gedacht
heimgekommen.

Für Morgen mit Jirgal
mich verabredet,
für Montag mit dem
Zahnarzt.


Das Gefühl meiner gegenwärtigen
Unerfülltheit schlägt sich vor allem
in die i-Punkte.

16 10 52

Do 16 Okt:

Abends nach häßlichem
Büro zu Jirgal.

Dort diskutiert.
Bratwurst aufgewartet
bekommen.

Über Phänomenologie.

Die vitale Frau
Dr. Schreiber ist
auf der Psychiatr.
Klinik
und
muß vielleicht
nach Steinhof
kommen. Sie ist,
höre ich, seit je
geisteskrank.

16/10

Die abendliche Begegnung mit "dem
Tanz" im Zehner
wiederholte sich nicht
nochmals.

Es war ja ein kalter
Oktober-Donnerstag.

Ich wollte notieren
für weiteren Gebrauch:

Ich möchte, daß man
sagen könnte:
Kleiner Komet mit
weiter Bahn ..."

Dann unterbrach
ich diese Konzeption.

Ich verbiete mir in
letzter Zeit alle

16/10
Arbeit an Gedichten über
meinen Zustand; ferner
an Gedichten im Bennschen
Versmaß (Benn hat mir
jede Möglichkeit zu
dichten genommen).

Weitere Selbstverbote:

Surrealistischer Gedichte;
Verbot der stereotypen
Einbeziehung der
Kosmetik in die
Reportagen.


Fr 17 10 52:

Legte den ganzen Tag
auf Freude an,
da ich morgen
frei habe.

Auch leichter
erträgliches Büro.
Abends reparierte
Schuhe abgeholt.
Artko Artmann kommt
Sonntag oder Montag
aus der Schweiz
zurück.

Daheim gebackene
Leber, Wein.


Sa 18 10:

Länger, mit den
Büchern von Rilke
und Jünger, im
Bett geblieben.

Meine absurde
"Jungfräulichkeit".

Vormittag:

Fried-Brief geschrieben.
"Neue Wege", Oktoberheft,
empfangen neben
unwesentlicher Post.

18/19 10

Meine Arbeiten aufgeholt.
Ließ mir's Samstag Abend
gut gehn.


(So)

Früh im Bett gelesen.
Vormittag, im Herbstlaub,
bei Sonnenschein, zu
Brigitte Kahr einen
Spaziergang gemacht.
(Gab dort die neuen
"publikationen" ab.)

Auf meinem Hinweg
und meinem Rückweg
spielten Mädchen
im Gras mit einer
Katze.


Zu den "Verboten":

Man hüte sich vor der Niederschrift von selbstgestellten
Fragen.

Man hüte sich vor der grosszügigen Feststellung, dass man
fad ist.

18 10 52

Die, wie die Leute schön sagen, "phänomenologische" Art,
darzustellen, die Stellung an dem Schnittpunkt von
Impression und Ueberschau, die ich einnehme, sind meine
bedeutsamsten Möglichkeiten.

19 10 52
Ich, Chipekwe, seltenes Tier,
in Afrika beheimatet,
ein einzelgängerischer Phänomenologe,
mit dem Gemeinschaftstraum tief ins Gehirn geimpft ...

/Variation zum "Abendlied des Chipekwe",
im Laufe dieses Jahrs./


19 10

Nachmittags schrieb ich
einiges nieder. Zufrieden
mit dem Wetter, mit den
Tagen.

Abends Wein und Rohscheiben.


DMo 20 10

Abends Zahnarzt. Diesmal
noch nichts notwendig.


Di 21 10

1630.- zusätzlich bekommen.
Abends Dienst; spät erst
kam ich zu Fritsch.

Dort war ich nicht fähig,
wesentliche Gespräche zu
führen
anzufangen.

Ich fürchte, ich langweilte ihn,
wenn er es auch nicht zeigte.


Mi 22 10:

Figl mußte seine Auslandreise
abbrechen. Budget-Krise.

Föhnwetter.

Im Büro großer Krach
zwischen Tante und
Witzmann, den Witzmann
einleitete. Tante
bat den Direktor um
ihre Kündigung;
der ging freilich darauf
nicht ein. Unerträgliche
Atmosphäre.

Abends kaufte ich
mir einen kleinen
modernen Fotoapparat.
(150.-, Daci).

Daheim Post; Wein.


Do 23 10:

Dienstag hatte ich erstmals
wieder Briggi getroffen.
Heute wiederholte sich
das.

Ich fragte sie über
Politik aus.

Regierung ist zurückgetreten.

Der Krach im Büro
verschärfte sich.
Witzmann nannte
T. eine Intrigantin,
zu Unrecht.

Ich bin unter den Herren
Schweinen zu völliger
Neutralität gezwungen.

Abends sehr müde.


Fr 24 10:

Stabilisierung im Büro.

Regierung bleibt zunächst
im Amt.

Föhnwetter, grau.

Gemütlicher Abend.


Sa 25 10:

Bürostimmung gehoben.
Noch viel gearbeitet,
aber konnte aufarbeiten.

Nachmittag geordnet;
Kein kam. Sehr
anregend gesprochen.

Abends Wein, gutes
Abendessen.

Föhnig.


So 26 10 52:

Einen Tag in Allerheiligen-
wetter zugebracht.

Mit Resten meines
gestrigen Schwungs
einige Arbeiten für
mich gemacht.

Versuch zweier
Aufnahmen trotz
Schlechtwetter.

Nachmittag nichts
Nützliches oder
Erfreuliches zuwege-
gebracht.


Traumfragmente
25/26 10 52:

Mußte in Zürich einen
Acker pflügen. Der
lag unter den Brettern
eines Fußbodens.

Am Eingang von Zürich
stand ein Mann mit
großer Nase wie
Moldovan. Es war
schon spät am Abend.

Unlängst:

Wir bekamen ein
neues Büro. Arbeits-
pausen von je
5 Minuten je Stunde
wurden eingeführt.
In diesen Arbeits-
pausen durfte man
aber nur bis zur

2
Nachbartür spazieren.
Reiter auf kleinen
Pferdchen wachten
in jedem Stockwerk
darüber.


26/27 10 52:

Hatte laut Kalender
eine Verabredung mit
Artmann und Kein
in Mödling.

x) Da ich befürchtete, dass Artmann auf Sie vergessen haben könnte, sicher zu
gehen,
daß
Um mich
zu vergewissern, ob
Artmanndarauf nicht inzwischen ver-
gessen häatte
, wollte ich
ihn aus der Wohnung abholen erst zu ihm    , anstatt
in Mödling auf ihn
zu warten.

In seiner Wohnung
aber wohnten andere
Leute:

3

Ein Bursch und ein älterer Mann;
sie fragten mich, ob ich über
Karl May mitdiskutieren
wolle. Ich sagte, ich suche
Artmann. Artmann, sagte der
Bursch, sei längst in eine
andere Wohnung gezogen;
die könne ich nur auf dem
Magistrat erfragen.

Ich glaube, ich fuhr dann
allein nach Mödling.

Es war aber schon 4 Uhr
Nachmittags geworden.

Ins Büro kamen Beamtinnen
eines Informationszentrums
und verlangten von uns,
wir müßten den Zeitungsroman
von Guareschi Kkritisieren.

4

Ich wurde zuerst übersehen.
Dann kam eine Beamtin auch
zu mir und sagte, "ich
dürfte auch mittun". Ich bekam
einen blauen Bleistift und
machte mich über die Arbeit.
Die Frau, die nicht sonderlich
hübsch war, dicklich und
mit rundumrahmten Brillen,
drückte ich dabei an mich,
als wollte ich                           mich irgendwo
geborgen      fühlen.

Ich fuhr in einer sehr kleinen
Straßenbahn in hellblaues
Wetter und war etwas         
traurig , als ich an Briggis
Haus
vorbeifuhr.

Alles notiert
27 10 52

Mo 27 10:

Froher Abend.

Großer Unterschied zwischen
der Schrift geschrieben   schöpferischer Arbeit
und

Großer Unterschied zwischen
der Schrift einer

Großer Unterschied
zwischen

Es wirkt sich in der Schrift,
sehr deutlich aus, ob man schöpferisch
schreibt oder abschreibt.

Ebenso, ob man etwas
auszudrücken hat
oder nicht.

Vor allem im Schreibgefühl.

Das minder echte Schreiben ist
eine quälend häßliche Tätigkeit.


Di 28 10:

Begann morgens ein
Dido-Thema.

Viel Arbeit im Büro,
nachmittags Besprechung
mit einem sehr hübschen
Mädchen unserer
Import-Partnerfirma.

Abends zuhause noch
gearbeitet (Freißler-Brief
geschrieben).


Mi 29 10:

Früh Dido-Gedicht
weiter versucht,
auf der Straßenbahn
noch mehrere Ideen.

Im Büro entlädt sich mehr
und mehr Arbeit auf mich.

Abends erste "Differenz"
mit Witzmann.

Habe mich schon neulich
nach dem Inseraten-Tarif
erkundigt.

Ruhigerer Abend als gestern.


Do 30 10:

Abschwellende Spannung
im Büro.

Etwas Arbeit aufgeholt.
Abends Post von Wittkopf
(Zeitschrift "Profile", Heidelberg).


Fr 31 10:

Erster Nachmittag ohne
Dr. Machwitz. Ich muß
einen Teil seiner Arbeit
mitleisten, zum Beispiel
englische Korrespondenz.

Die einzige Stellungnahme
zu meiner Arbeit war
die Rüge, warum ich
einen Überweisungsauftrag
nicht in meine sondern
in eine andere Unter-
schriftenmappe gelegt
habe.

Sehr froh, daß die
Werktage zu Ende
sind.


Nach der traurigen Geschichte mit Briggi meine
vollkommene geistige Rückkehr in     s Büroleben;
diese Falle schliesst anscheinend für immer.

Aufhebung meiner Gestaltungskraft durch Benn.

Keine Zeit zu theoretischer Arbeit oder auch nur zu
Selbstbesinnung.

1 11 52 morgens

Sa 1 11
ALLERHEILIGEN:

Machte Ordnungen
und Arbeiten für
mich. (Korrespondenz
Görlich , Freißler,
Wittkopf.)

Genoß daneben die
Freizeit.

Vormittags schönes
Wetter.

Zu schreiben gelang
mir nicht.

Abends Friedhofspazier-
gang, es war noch
zu hell: Korso
der Bürger, der Pelzweibchen an diesem
Ort ...

Abends das jährliche
Geflügelessen.

Versuchte abends
verbissen, zu schreiben.
Es resultierten nur
ziemlich zerstörte
Stimmung und
wirre Träume nachts.


Für Tagebuch: 2 11 52

Man erkennt an ihrer der Art
ihrer Aufmachung, wohin
Frl. Hedy H. abends geht.zu gehen vorhat. Trägt sie
Stöckelschuhe, so besucht heißt bedeutet
das, sie wirdeinen Besuch bei Peter, besuchen,
trägt sie gemäßigte Absätze, so
bedeutet das besucht sie abends ihren
"Bräutigam" Fritz.

Legt sie Lack auf ihre Nägel,
bedeutet das eine Nacht mit Peter, wäscht sie
den Lack mittags mit Azeton
ab, herunter, bedeutet das
einen Abend mit Fritz.


So 2 11 52
ALLERSEELEN:

Früh länger im Bett
geblieben.

Weniger gedrängte
Stimmung.

Früh Schönwetter,
später wurde es
wolkiger. Recht kalt.

Photospaziergang.

Nur 1 Zeit-Aufnahme.

Nachmittags nach
langer Zeit mich
mit meinen Brief-
marken beschäftigt.

Bestellung geschrieben
sogar.

Dann kam Artmann.
Nicht sehr guter
Laune. Er nahm
mir mein "krämerhaftes"
Interesse an den
Schweizer Geldeingängen
für die "publ.",
die er dort ver-
stümpert hat,
übel.

Las einige seiner neueren
Arbeiten;      halte
wenig davon ...


Zitiervorschlag

Okopenko, Andreas: Tagebuch 15.09.1952–02.11.1952. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 1.1, 15.1.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko/o:oko.tb-19520915-19521102/methods/sdef:TEI/get?mode=p_1

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

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