Laden...

Tagebuch

1953

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 3 2 53

bis ... Do, 30 4 53

Dienstag, 3. Feber 1953:

Abends (nach ermüdendem Tag) bei Fritsch. Wir unterhielten uns über die Voraussetzungen guter Epik.

Schnee fällt fort und fort.


Mittwoch, 4. Feber 1953:

Abends nach viel Tagesarbeit zu Polakovics. Dort war wieder Dabatschek, und ich lernte Otto Laaber kennen.

Gute Arbeiten von beiden wurden vorgelesen.

x) Im Gegensatz zu Erich Fischer ein versprechender Autor, von dessen "Ismene" Hakel aber auch wir freudig überrascht worden sind.
W. Fischer kam bis jetzt noch nicht.

Polakovics war im ersten Teil des Abends sehr schwungvoll (er fühlt sich wohl in diesem neuen noch unverbitterten Kreis; auch auf mich färbte die Freude über das, woran man nicht mehr zu glauben gewagt hatte, ab).

Später bekam Polakovics Kopf- und Augenschmerzen, die den Abend trübten.


Donnerstag, 5. Feber:

Sehr viel Arbeit im Büro. Die letzten Tage gab es viel Streit zwischen Huber und ihren Kollegen.

Huber hat in den letzten Wochen ihren "Freund" verloren, und die Leute im Büro bekommen das sehr zu spüren.

Diese Frau kann nicht traurig sein sondern nur bissig, und wenn sie Liebeskummer hat, schimpft sie (was sie auch sonst tut. Es ist nur ein Quantitätsunterschied.). Denn wenn sie liebt, liebt sie nur mit den Nerven und mit dem Stolz.


Abends kam ein Rundschreiben von Prof. Dobretsberger.


Freitag, 6. Februar:

Früh: zeitig auf. Gute Laune. Konnte noch mehrere Arbeiten früh erledigen.

Unterwegs Briggi getroffen, die heute abend auf ein G'schnasfest geht. Sie trägt jetzt eine Zipfelmütze aus grellblau gefärbtem flaumigem Fell, das ihr ein bißchen eine verschwommene Kontur gibt.

Nach arbeitsreichem Tag im Büro ein schöner Abend zuhaus.


Samstag, 7. Feber:

-10°.

Nachmittags kam Kein. (Statt morgen Vormittag.) Art Club wird vom Gschnas gesäubert werden, ein neues Lokal ohne pseudo-pariserische Kulisse erhalten. In diesem Lokal werden auch Gedichte als "Wandzeitung" angeschlagen werden. Gab einiges dazu her nach einigem Widerstand.

Artmann soll mir nicht feindlich gesinnt sein, hör ich von Kein.

Angenehmer Abend.


Sonntag, 8. Februar:

Arbeitstag für mich. Briefe, "publikationen"-Versand.

Schnee fällt.

Abends versuchte ich vergebens, zu schreiben.


Montag, 9. Feber:

-12°.

Fast hätte ich vergessen: Huber kommt ja heut aus dem Schönheitsalon. Ich darf nicht vergessen, sie mir anzuschaun.

Mittlerer Arbeitstag im Büro. Abends noch Arbeiten für mich.


Dienstag, 10. Feber:
-9°.

Früh alle "publikationen", die verschickt werden sollen, auf die Hietzinger Post gebracht.

Magistrat wegen Steuerermäßigung.

Kaufte mir 49 stories unterwegs (nur 80.- Schilling).

Viel Arbeit im Büro. Auch Hitchman zu Gast. Abends Weg in die Waidhausenstraße wegen der Steuerermäßigung. Wieder umsonst. Abends angenehm, 1 Story gelesen.


Mittwoch, 11. Feber:

Frost.

Arbeit, viele, im Büro.

Abends ein paar Wege mit den "publikationen" gemacht.


Donnerstag, 12. Feber:

Früh Fabrik-Geschichte fertiggeschrieben.

Brief von "Karl Dálava" abgesandt mittags.


Freitag, 13. Feber:

Letzter Bürotag.

Gnadengesuch der Rosenberg ist verworfen worden.

Briggi und Schick-Karli getroffen. Trübes und kaltes Wetter. -4°.

Nachmittags und Abends Arbeit über Arbeit. Unterbrach, bis Montag, mit einem Rückstand von 20 "EVE-Daten".


Samstag, 14. Feber:

Lang im Bett geblieben und Gondžarovs Roman "Oblomow" von der Mitte an gelesen. Psychologisch ist er nicht um ein Haar zurück hinter Sartre zum Beispiel. Dabei weiß er das tausendmal schwierigere Positive noch konkret und ohne jene traurige "Fadheit des Positiven" darzustellen.

Vormittag für daheim gearbeitet.

Dann Ausarbeitung und Reinschrift vieler Notizen. Neben dem "philosophischen" Kleinkram befaßte ich mich mit der Rekonstruktion eines Gedichtes.

Die Unterschrift der Fürsorgerätin in der Waidhausenstraße endlich eingeholt.

Nachmittag zu Polakovics. Fischer kam nicht. Nach der Reihe erschienen Laaber, Dabatschek und Dressler (ein junger Deutschprofessor, dem Polakovics seine Gedichte als unbrauchbar zurückgeben mußte). Sehr interessanter und unterhaltsamer Abend. Beschreibung des leergegessenen Tisches als Übung. Gutübersetzte Hokkus gelesen.

Maja sah japanisch aus. Weiße Blumen ins Haar hätten ihr gepaßt.

Erst 23,15 heimgefahren. Zwei Gürtel-Huren gesehen. Mehrere Besoffene am Flötzersteig. Schöner Schnee. Freute mich, daß morgen Sonntag ist.


Sonntag, 15. Feber:

Vormittag für daheim gearbeitet.

Viel geschrieben. Analysierte das Nichtgelingen eines Satzes, dann das Nichtgelingen eines Gedichtes, das Polakovics angeregt hatte.

Nachmittags verschiedene Notizen ausgearbeitet. Später getrunken, die alten Kurzgeschichten zu reparieren versucht. Aus Hemingway vorgelesen.

Abends das Stückerl übers Mädchen aus Unter-Laa begraben, da es keine Handlung hat und da die Situation keine Ansätze bietet für Folgerungen.

Die "arroganten Leute von der Stadtbahntreppe" repariert und wieder eingereiht, die Katzengeschichte zerrissen.

Mich bedrückt, daß morgen Montag ist.


Montag, 16. Feber:

Kalt in der Früh.


Dienstag, 17. Feber:

Abends bei Fritsch.

Über das Herrenmenschentum, die Relativität der Ethik und über die begrenzte und doch nie endende menschliche Bemühung gesprochen ...


Mittwoch

wieder ein kalter Tag. Früh Briggi und Karli getroffen. Karli hat ein Renaturierungsverfahren für denaturierten Alkohol gefunden und stellt im Labor reinen Alkohol auf solche Weise mit den Kosten von nur S 10.- her.

(Destillation mit Chloroform.)


Donnerstag:

18h zu Matejka, sehr freundlich, las schöne untendenziöse Gedichte von Becher. 1930 Weißenborns Trakl-Lesung in der Urania. Wieder Frieden geschlossen, auch mit Art- und Altmann sehr gut vertragen. Spät heim.


Freitag:

Szene von gestern früh fertiggemacht. "Veranstaltung unter freiem Himmel" - Lynchgespräche.

Frühlinghaftes Wetter.


Samstag:

+3°. Nach dem Büro Adamsgasse. Ziemlich über- anstrengter Gehirnzustand. Häßliche Tatsachen über Gerhards Leben mit Trude und die elende Behandlung seiner Mutter durch das junge Paar gehört.

Zu Polakovics. Dort waren Hakel, Danneberg, Dabatschek, Fischer auch.

1) Über Religion 2) Konkret über Autoren und Gedichte.

Spät heim.


Sonntag:

Kein. Differenzen wegen des politischen Einsatzes.

Vorher über Metaphysik und ganz vernünftig über das Thema: Der Reiz als Funktion des Gedichts.

(Durch Jandl angeregt. 2 Briefe von ihm gestern und vorgestern bekommen.)

1) Der Reiz ... schlechter Ausdruck für psychische Wirkung, 2) als Mittel zur Fesselung des Interesses der Leser. Nicht durch krumme Bilder (wie Jirgal, Dez. Heft "NW", schrieb ["heutige verdorbene Menschheit nur noch durch krumm herankommende Aussagen ansprechbar"]), sondern durch naheliegende Bilder. Die nur das "Unpoetische" *) an beiden Techniken sehen, machen keinen Unterschied in der Bewertung dieser beiden Techniken. Sie sehen schon die Aufnahme von Zeitgebundenem in das Gedicht als verrückt genug an, auch wo gegenüber dem Leben nichts vom Platz gerückt ist.

Reiz: zur Konkretisierung. Wesentlich, nicht zur Irritation in bloßer emotioneller Sphäre.

Gestern Spottgedicht gegen die Benn-Schule gemacht: Abend-ländisches Lied (bei geselligen Zusammenkünften mit Lemuren zu singen).


Elsies River (Südafrika.) Ein lieber Name.

Unbegabt Tagebuch geführt.

Zur Mitarbeit an der "Schau" wieder eingeladen worden. Im Radio (Wien) wurde ich oder werde ich gelesen werden. (50.-).

Heute war Wahltag.

Jandlbrief geschrieben.

Großen Wunsch nach einem Mädchen. Lynch-Prosa zerrissen.


Montag, 23. Feber:

Früh, wenn auch kühler, frühlinghaft.

Mit Karli gefahren.

Hätte Freude, wenn kein Büro wäre.

Frau Marchsteiner ärgert sich über das Vorfrühlingwetter, weil sie Kopfweh davon kriegt.

Huber hat jetzt einen Italiener. Sie zieht sehr viel verschiedene Sachen an, trägt teure Schuhe und sucht die Schönste im ganzen Land zu werden.

Erst am unwirtlichen (kalten) Abend aus dem Büro gekommen.


Dienstag, 24. Feber:

Früh ein Gedicht versucht:

Wo er eigentlich nicht viel zu suchen hat,
Spielt wie ein Kind auf dem warmen Asphalt
Und macht alles so neu und ist so uralt."

...

...


Mittwoch, 25. Feber:

Früh wieder etwas versucht:

"Die Plakatwände haben den Krieg von unlängst vergessen.
Wehrlos nehmen sie die neuen Anschläge hin
Die uns zum Besuch der Kasernen-Lustspiele laden
.....
.....
.....
Ich sehe der Errichtung von Wehrertüchtigungsbahnen im Prater
Sorgenvoll entgegen."

Es sind jetzt schöne Tage. In die Bürofenster scheint die Sonne. Zu Mittag liegt ihr Schein über den Straßen der Stadt.


Donnerstag

Früh eine Geschichte versucht. Dann unproduktiv geblieben.

Traf Briggi. Unterhielten uns lebhafter als ich befürchtet hatte. Der Mann, den sie wird heiraten, ist russischer Jude (wenngleich amerikanischer Staatsbürger).

Huber verkauft sich nunmehr für S 600.- monatlich.

Abends Altmann in seiner Junggesellenwohnung in der Fasangasse besucht. Seinen halb lyrischen Kurz-Roman gelesen.

Über Mädchen, Schriftstellerprobleme ganz schwungvoll
gesprochen.


Freitag, 27. Feber:

Schöner Morgen.

Mittags in der Innern Stadt spaziert. Ich war müde und mußte viel arbeiten.

Huber ging abends das erste Mal huren. (Die andere Kollegin, Frau M., hatte ihr geraten, sich nicht unter Schilling 1500.- monatlich hinzugeben.)

Montag wird unser Keller gehoben werden. Wir müssen ihn deshalb morgen ganz ausräumen. Ich bin traurig, weil ich um ein Stückerl Wochenende komm.


Samstag, 28. Feber:

Viel Arbeit im Büro, besonders gegen Mittag.

Viel Post wartete daheim auf mich. (Zeitschriften und wieder ein Brief von Jandl.)

Mittags wurde ich im Radio gelesen. ("Erste Sonnenwärme".) Das Wetter stimmte gut dazu.

Nachmittag einen Artikel geschrieben gegen Wiesfleckers "Querschnitt" in den "Neuen Wegen". (Erstmals wieder erfolgreich versucht, zu schreiben. Gute Stimmung.)


Sonntag, 1. März:

Weil Sonntag war, verregnet. Vormittags gearbeitet.

Artikel für "Neue Wege" hergerichtet, auch Henneberg geschrieben. "Abendländisches Lied" und "Aschenbecher-Serie".

Müßte für Hakels "Schau" auch was schreiben.

Die Zeit ist viel zu kurz.

Abends intensive Gedanken

über das Gedicht.

Montag, 2. März:

Mama sprach gestern sehr treffend einen meiner Hauptgedanken aus: "Du solltest dir für dein freies Geld Gehirne kaufen können."

Heute (anders als gestern) schöner blauer Morgen.

Der Reim verlangt meistens die Aufopferung der Erlebenstreue oder zumindest der Konzentration von erlebenstreuen Stellen im Gedicht.

Er hat andererseits den Vorteil, daß er auch aus Substanzlosigkeit noch "was machen" kann; während substanzlose ungereimte Gedichte von vornherein der Lächerlichkeit preisgegeben sind.

Es ist sehr bequem (und wird von den meisten geachteten Dichtern geübt), sich vom Reim treiben zu lassen. Der Reim ist der Freilauf des Gedichts. Wenn man ihn im hügeligen Land anwendet, kommt man nur zufällig ans Ziel: wenn das Dorf, das man erreichen will, gerade am Fuß des Gefälles liegt, das vom Anfangspunkt des Gedichtes ausgeht.

Abends kam Artmann und erzählte mir sehr viel.


Di, 3. März:

mittags (bei sehr schönem Wetter) einen kurzen Besuch in der Art Club Galerie gemacht. Hundertwasser mit einem wahrscheinlich unecht infantilen "Auto mit roten Regentropfen"; Abstrakte, Grob- ↓Badestrand und Fein-Chaotische. ↓Lehmden. (Ich nannte es Morchelmalerei; auch erinnert sein Bild sehr an den verbrannten Lehrer Lempel von Busch.)

Kubin, der in eine andere Welt zählt.

Vor allem: Matisse mit sehr farbenfrohen, intensiven Bildern, auch einem raffinierten Akt und geordneten Zeichnungen.

Kriesch dort getroffen. Diskutiert.

Abends in den "Strohkoffer". Englisches Interview mit zwei bolivianischen Malerinnen. Mit der Ruhe von Äquatorbewohnerinnen sitzen sie den größten Teil der Zeit im Strohkoffer und bewachen ihre Bilder.

Heiß und ein bißchen benommen die Kärntnerstraße hinauf, zum 62-er, gegangen.

Zu Fritsch gefahren.

Gesprochen über Hakel, die Bolivianerinnen, die Phrase. (Man müßte den Wortschatz überhaupt wissenschaftlich untersuchen: Entstehung der Phrasen, Aneignung von Phrasen und Wörtern, Ort und Häufigkeit der Verwendung.)

Kommunisten, sagt er, erkennt man am Wort "konkret" oder dem rhetorischen Frage- und Antwortspiel. (Z.B.: "Wie ist die wirtschaftliche Lage Österreichs? Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist .....") Es ist * für den Leser der "Furche". klar, daß Wörter wie "Gespräch", "Zusammenschau", "Klitterung" (!!) von den Rechten Intellektuellen bevorzugt werden.


Mittwoch, 4. März:

Früh Einfälle. Trüberes Wetter. Unterwegs hörte ich, daß Stalin der Schlag gestreift habe.


Donnerstag, 5. März:

Früh an der Niederschrift des Interviews weitergearbeitet. Aprilwetter.

Noch keine neuen Nachrichten über Stalin.

Wieder mit Schik-Karli gefahren. Heute ist schon Donnerstag, ich fühlte schmerzhaft stark, wie man seine Lebenszeit .

Sehr müde.


Freitag, 6. März:

Stalin tot.

Früh Interview fertiggeschrieben roh.

Hellerer Tag im Büro. Mittags sinnlos zur RAVAG gefahren.

Abends: In der "Zeit", Hamburg, interessanter Eisenreich-Artikel und eines meiner Gedichte . Wein.

Träumte von zwei Büchern: 1) Eine brutale Vergewaltigung und der darauf folgende Beischlaf, in den Handlungen, in den Gedanken beider Menschen gesehen, mit realistischen Erklärungen, psychologischen Bemerkungen und . 2) Ein analoges Buch über die Liebesnacht zweier Liebender, die einander fad zu werden beginnen; die Frau bemüht sich aber, den Mann mit allen erdenklichen Reizen zu halten.

Samstag, 7. März:

Nach dem Büro mit seinen ekelhaften Intrigen schrieb ich zuhaus das Bolivianische Interview fertig. Dann zu Polakovics gefahren. Mißlungener Abend, aber ohne böse Laune bis 23,30 Uhr dortgeblieben.

Den Bolivien-Artikel zerrissen.


Sonntag, 8. März:

Rückkehr der Kälte! Schnee fiel.

Ordnungen, Reinschriften, Ausarbeitungen.

Ein harmloses "Märchen" geschrieben.


Mo, 9.3.

Nichts als Arbeit.

Bauer wieder krank.


Di, 10.3.

Aprilwetter. Kleine Schneestürme. Im Büro heute übersichtlichere Arbeit.

Abends beißende Kälte. Schwarze Wolkenwand, aus der der Nordwind fährt.

Abends: boliv. Artikel neugeschrieben.


Mi, 11.3.

Wieder kalter Morgen. Früh boliv. Artikel fast fertig, diesmal gut. Im Büro Artikel fertiggeschrieben, freundlicher Abend, Reinschrift.


Do, 12.3.

Schon wieder Donnerstag! Artikel express an Hakel abgerichtet.

Starre Kälte im Vorfrühling macht uns besonders ungeduldig.

Sehr anstrengender Tag im Büro. Wieder der Gedanke, die "publikationen" aufzugeben. Für abends war ich mit Altmann verabredet.

Ich traf ihn aber nicht mehr an. Er ist aus dem Kabinett, wo er in Untermiete gewohnt hatte, fortgezogen und hat keine Adresse zurückgelassen.

Komödiantisches Schneegestöber über der Stadt. Dichter Schnee aber, der liegen bleibt, vom Flötzersteig aufwärts.


Fr, 13.3.

Ich möchte so gern ein Schweinernes sein. Da könnt ich in der Auslage liegen und mir lang den blauen Himmel anschauen.

-8° früh. Herrlich blauer Himmel. Früh das "Märchen" in die endgültige Form gebracht.


Sonntag, 8. März:

Sa, 14.3.

Früh Phaidon-Ausgabe von van Gogh gekauft.

Kunschak †. Der Rektor der Universität †. Gottwald liegt im Sterben.

Verlangte im Büro vernünftige Einteilung meiner Arbeit. Montag wird wieder ein scheußlicher Tag werden.

Durch Auflösung der "publikationen", Radiohonorar und 100.- (Geburtstag) erstmals wieder etwas freies Geld.

Herrliches Wetter. Mittags taute es.

Nachmittags ausgeruht.

Gottwald gestorben.


So, 15.3.

Sehr müde. Zweifelte daran, daß ich heute zu irgendwelchen Ergebnissen kommen würde.

Mit einer Denkaufgabe sichere S 500.- gemacht. Ergebnislos versucht, zu schreiben.

Nm. Säuberungen in der letzten "Philosophie"-Mappe.


Mo, 16.3.

Wieder kalt ...

Früh Brief an Polakovics und noch mehrere andere Arbeiten.


Mo 16 3:

früh Briggi getroffen.

Viel Arbeit im Büro. /Abrechnungen./ Abends Zeitungen.


abends Mo/Di früh:

Gedanken über das "unmittelbare" Gedicht, zum grossen Teil quälende Gedanken.

a/ über seinen Verlust b/ über die Schwierigkeit, es und seine Voraussetzungen festzulegen.

Di abends:

Stegergespräch, vergeblicher Besuch bei den Bolivianerinnen, danach sehr müde. Zu Fritsch, wieder lebhafter in Gedanken gekommen. /Gespräche über die Entwicklung der jungen Nachkriegsautoren - die kollektive und die der einzelnen Persönlichkeiten./


Sa:

erster Frühlingsnachmittag /Adamsgasse, dann zu Kein/.

Vor allem über Jandl-Thema gesprochen.


So:

bei Jirgal. Erster frühlinghafter Tag. Jirgal ist an Südfrankreich fast geisteskrank geworden; ich werde mit dem hiesigen Frühling schon nicht fertig. Ich bin draufgekommen, dass der Zeitmangel das grösste Hindernis des intensiven Lebens ist. Alle psychischen Verkrampfungen lassen sich bei einem bisschen Zeit wieder lösen.

Musste den ganzen Tag über /fast schon mit zusammengebissenen Zähnen/ meine Rückstände in Ordnung bringen, vor allem den Jandl-Brief machen, der von 14 bis 20 Uhr nicht fertig wurde.


23, 24 3 53 Mo, Di:

Jandl-Brief. Kühle Morgen. Seit Sonntag gehe ich schon im leichten Mantel. Ausserhalb der Stadt klar, in der Stadt neblig. Montag am Abend zum ersten Mal in diesem Frühling beim Fenster gestanden. Die Freundlichkeit dieser Wohnung empfunden.

Aufgearbeitet.


Di:

früh unterwegs Sonja vom Institut.



Di:

Einfall: "Misslungene gute Gedichte" mit Analysen.


Mi:

Abends zu Hofmann ins Dom-Café /Art Club-Galerie/. Der Raum gefällt mir viel besser als der Strohkoffer. Erzählte Hofmann vom "Eingehen" der "publikationen”. Sie war sehr freundlich. Ich sah mir noch einmal genauer Matisse an. Dann sprach ich "Minchen" vom Art Club, die den Saal bewacht, an. Unterhielten uns übers Gedeihen des Art Clubs. Sie betonte übrigens, dass er nicht von Mautner-Markhof subventioniert wird, wohl aber aus öffentlichem Geld.

Ueber Hofmann, Maler, das kindliche Farbensehen gesprochen, sehr sympathisches Gespräch.

Ziemlich am Abend, laues Wetter, heim.


Do 26 3:

im Büro müde.

Abends Briggi getroffen, frühlingshaft, roter Mantel /vorgestern lichtbraun/. Daheim Wein. Von den NW erstes Honorar seit langer Zeit /wenn auch nur für eine "Leserzuschrift"/. S 44.-- Ich habe jetzt ein bisschen Geld bei mir.


Fr früh

Holthusen gelesen. Kaltes Wetter angekündigt. Es ist auch schon trüb.

Im Büro stehen die Sprech- und Abhörapparate nun in Betrieb.

Wir sind heute der Gewerkschaft beigetreten.

Der Direktor sagt, die Bemerkungen unserer beiden unmittelbaren Vorgesetzten über uns reissen nicht ab.

Abends Wiesflecker besucht. Er erzählte mir von Literatenintrigen /so: eine sehr unsaubere Geschichte über Brigitte Kahr/ und von der Frankreich-Reise.

Dann sprachen wir über die Verpflichtungen des Schriftstellers.

Den Anfang von Wiesfleckers Roman gesehen. Wiesfleckers Stil wird mit der Zeit fester.

Es regnete am Abend leicht.


Sa 28 3:

Artikel für die "Schau" über den Adrienne-Prozeß geschrieben.


So 29 3:

Fertiggeschrieben. Fenster geputzt. Ordnungen, besonders in der alten Philosophie-Mappe. Viel gedacht und gesprochen.


Mo 30 3:

Morgens ungern im Büro.

Es ist warm, der Himmel ist klar, das Gras steht schon grün, in den Parks keimen die Forsythien.

In das Bürozimmer scheint am Morgen die Sonne.

Weniger zu tun.

Abends Briggi (die ihr Haar schon wieder anders trägt; diesmal à la Spatzennest) getroffen.

Nach dem Essen mit Mama um die Steinhofer Mauer, zum ersten Mal dieses Jahr, spaziert.

Görlich sandte Gedichte für die "publ." ein.

Verlag in Klagenfurt sandte meine Gedichte des schon festgelegten Verlagsprogramms wegen zurück.

Es ist aber möglich, schrieben sie, daß sie sich wieder an mich wenden werden.

Osterbier getrunken.

Immer großen Wunsch nach einem Mädchen.


Di, 31.3:

Früh konnte ich für mich arbeiten.

Abends Fritsch (Benn und der Jugendstil, Fehlen der Weltanschauung bei den modernen Dichtern. Psychologie des "ersten Gedichtes" und der Wendepunkte in der Entwicklung des Dichters ...).


Mi, 1.4.:

Brigitte Kahr in den April geschickt.  Büro: Ärger. Abends Glossen für die "Schau" geschrieben.


Do, 2.4.:

Weiter geschrieben.

Die Büsche des Parks werden grün.

Abends Glossen zu Ende.


Fr, 3.4.:

Karfreitag.

Frühlingsmorgen.

Durch das Grün scheint die Sonne gelb. Der Himmel ist blau, in der Richtung der Sonne glänzt er fast weiß.

Im Büro schon Osterstimmung. Vor dem Weggehen noch drei Briefe ("Postarbeit") an Americatrans.

Abends, wie zerschlagen und trotzdem versuchend, den Frühling einzusaugen, um die Steinhofer Mauer mit Mama.

Ein überwältigendes Bild die beleuchtete Stadt weit bis Hütteldorf hinüber mit ihren zehntausenden Fenstern am Abend.


Sa, 4 4:

Früh bei schon starker Sonne von der Linzerstraße die Wäsche geholt.

Viele Korrespondenzen. Später nachmittags damit Schluß gemacht.

Bier vom Kaffeehaus geholt; es geht zu den Schnitzeln.


So 5 4:

Ostersonntag, geschrieben Nachmittag "Don Camillo und Peppone. Ein ausgezeichneter Film.


Mo 6 4:

Wegen Wolkenwetter früh nicht mehr geschrieben, gescheit.

Kein. Zweiter Teil (wie immer) des Gesprächs interessant. Über Beschränkung des Themenkreises durch den beschränkten Erlebniskreis.

Über Plakate, den Kitsch, die Ironie, das x allzu Allgemeine und das Vage.

Mo nm:

Nichts Wesentliches. Aber zuhaus viel geredet. Zu schlag worthaft.

Abends über meinen Stillstand seit eineinhalb Jahren nachgedacht, mit dem Gefühl, es ist eine unleistbare Arbeit.


Di 7 4:

Wieder Büro.

In der Früh Briggi getroffen, die sich seit den eineinhalb Jahren weißGottwie entwickelt hat.

Abends Art Club, um Artmann eine Nachricht zu hinterlassen. Es war aber niemand dort.


Mi 8 4:

Früh im Bett eine Geschichte geschrieben (Sonja).

Recht kühles Wetter.

Im Büro schlägt die Arbeit über allen zusammen. Witzmann seit Montag fort, Steger seit heute.

Abends Art Club. Hörte vom Streit um das "Dichter-Brett" zwischen Art Club und Hakel (!).

Daheim Post: Gewerkschaft (bin also seit 1.4. dabei), "Neue Wege", Aprilheft, mit meinem Artikel (aber unter meinem Namen, gegen die Abmachung). Auch die Photos kamen vom Kopieren. Abends noch ein bißchen gearbeitet.


Do 9 4:

Abends Blitzgerät und Heftmaschine "Maus" gekauft. Habgierig.


Fr 10 4:

19h Hakel. Besprechung der "Schau" im Art Club.

Sehr angenehmes Lokal, man kann dort einsam sitzen oder nett reden; ungestört.

Die Besprechung ergab natürlich nichts (nur Lärm von Milo Dor, Leinfellner, Merz).

Wir (Kein, W. Fischer, ich) blieben nachher und sprachen dann interessant. (Notwendigkeit der Bildung für den Lyriker. Der kultivierte Lyriker und der naive-eruptive.)

Regen. Durch die nasse Stadt heim.


Sa 11 4:

Nach dem Büro, in dem wieder irrsinnig viel zu arbeiten ist, heim. Schönes Wetter. Ich schrieb "Sonja" und "Sisyphos" in der endgültigen Fassung ins Reine.

Sehr ausgeruht, hatte es auch nötig.


So 12 4:

Vormittag bei Jirgal.

Wollte durchbrechen, noch immer nicht gelungen. Bei ihm gehe ich am wenigsten aus mir hinaus. Es müßte eigentlich zu machen sein.

Herrlich schöner Tag, aber kalter Wind stört die Sonne beim Wärmen.

Nachmittags Korrespondenzen, Tagebuch.


So 12 4 nm., Mo 13 4:

Aus dem Ärger über ein Radiolied ein Gedicht gemacht. Montag wurde es fertig.

Bei "Problem-Gedichten" x mit starkem gedanklichem Konzept sieht man oft erst dem fertigen Produkt die Gültigkeit an.

(Denn hier ist das Konzept unanzweifelbar, die Erfüllung zunächst anzweifelbar, während das aus dem undurchleuchteten oder auch nur unarrangierten Gefühl unmittelbar dargestellte Gedicht unanzweifelbar ist wie ein Konzept.)

Honorar DM 40.- kam, ganz unerwartet. ("Die Zeit", Hamburg.)


Di 14 4:

2 Fotoaufnahmen im Büro.

Abends zu Fritsch: Über die Gefahr des ambivalenten Romans, über die Klischees, über die noch unformulierbare künftige Weltanschauung, gesprochen.

(Kann von den Gesprächen leider nichts niederschreiben, weil ich mich aus Zeitmangel mit nichts breiter befassen kann. Mittwoch nachmittags.)


Mi 15 4:

früh: ein paar Notizen vom gestrigen Abend. Möchte gern mit meinen Freunden eine neue Offensive, diesmal eine essayistische, in den "Neuen Wegen" beginnen.

bürofrei gemacht, krank. Kafkas "Erzählungen" gekauft. Nachhause gekommen, ins Bett gelegt. Kafka gelesen. Seit wie langer Zeit eine vollkommene Prosa!

"Josefine, die Sängerin", zum Beispiel, nicht übertrefflich.

Angenehm ausgeruht.

Früh Sonja ein zweitesmal getroffen. Redete diesmal mit ihr. Auslagen während des Heimwegs angeschaut. Nachmittag im Bett Wermut, Sonnenblumenkerne, Radio.


Do 16 4:

Die Kälte nimmt kein Ende. Nur +4°. Angekündigt ist Abkühlung bis 0°.

Öder Tag. Im Büro viel gearbeitet. Abends Zahnarzt, aber erst Voruntersuchung.

Brief an Kein wegen Rückkehr zu den "Neuen Wegen" geschrieben.


Fr 17 4:

Besserer Tag.

Abends Sprung in den Art Club. Mit Haller gut, bis ein toter Punkt bei mir eintrat, philosophiert.


Sa 18 4:

Nach lebhaftem Büro nachmittags Korrespondenzen. Wärmeres Wetter. Bier.


So 19 4:

Früh Sartre (nur zweiten Teil des Romans [von Fritsch entliehen]) gelesen.

Wärmerer Tag. Kein kam. Artmann setzt "publ." fort. Viel hin und her erwogen. Nix mit Mitarbeit an NW. Beiderseits aus.

Nachmittags nach Zuhausegespräch kam Artmann, fast erwartet. Freundschaftlich gesprochen. Bald aber ging er.

Beim Wirt war Gedränge diesmal, endlich bekam ich den Wein.

Kafka gelesen, Radio gehört, ausgeruht durch Flüchtigkeit und Fehlen von Absichten (gestern auch viel dafür gearbeitet).


Mo 20 4:

Aus dem Gedicht von gestern Abend (improvisiert, aber nicht durchgehalten) bisher nichts geworden.

Ungern ins Büro.

Früh Gedanken über die "aktivistischen" Gedichte.

Abends hatte ich mich ursprünglich in den Art Club setzen wollen, um zu schreiben, dann aber war ich zu müde und fuhr lieber nachhause.


Di 21 4:

auch noch kalt. Aber blau. Schreibmaschine reparieren lassen.

Autobusfahrt (Innere Stadt) bei diesem Wetter ist schön.


Mi 22 4:

Früh schon wärmer.

Blauer Himmel, schön.

Wieder aus der Ordnung gebrochen; heute könnte ich gut schreiben.

Bürozeit verging rasch. (Ich habe freilich getrübte Freude daran, weil sie Lebenszeit ist.)

Abends im Art Club konnte ich nicht schreiben (Änderung in meiner Kurzgeschichte um die arroganten Leute), denn lebhafte Besprechungen wurden dort geführt von Malern, mit denen auch ich anfangs geplaudert hatte.

Abends Post vom "Briefmarkendoppler" und von Schmied und Jandl. Antwort an Schmied noch konzipiert.


Do 23 4:

Warmes Wetter wird angekündigt. Bei geschlossenem Fenster sieht es aus wie im wärmsten Frühling. +5° früh.

Schmied geschrieben. Ordnungen.

Abends zu müde, in die Urania zur Weissenborn-Lesung zu gehen, und, in mein Schicksal ergeben, heimgefahren.


Fr 24 4:

Ich muss doch festhalten, dass das Meinl-Plakat gut ist: Gegen hellblauen Grund der bekannte Mohrenkopf, vereinfacht als Kaffeebohne und Flüssigkeitspiegel, mit dem roten Fez, dem Einschnitt der Kaffeebohne als weiss lachendem Mund, in weisser leichter Tasse; darüber nur die Worte "ich bin's".

Schaute unterwegs Frauen an: mir fiel der Unterschied ein zwischen dem Eindruck, den sie auf Knaben machen mögen, und dem Leben, das sie wirklich führen.


Sa 25 4:

Freier Samstag. Vormittag, als ich auf die Linzerstrasse ging, scheinte noch warm die Sonne. Später, als ich auf die Wiese wollte, wurde es windig, und Wolken kamen. Ich ging trotzdem aus, musste aber, auf der Wiese angelangt, gleich umkehren.

Es regnete schon.

Zuhause zornig wegen des schlechten Wetters. Auch zornig, weil ich fühle, dass ich keinen Gedanken fassen kann:

Ueber jedes Ding habe ich anscheinend zwei Meinungen. Jede dieser beiden Meinungen reagiert auf eine von aussen kommende gegensätzliche Meinung mit leidenschaftlichem Zorn. Diesen Zorn nehme ich nicht übel, denn ich erhoffe mir von ihm den Schwung zu positiver Arbeit über das Thema. Sogleich aber, wenn ich mich mit dem Thema intellektuell befasse, entgleitet mir die ursprüngliche Stimmung, die gewiss die richtigen Argumente einkapselt, sodass ich mich mit mühsam herbeigeschleppten Argumenten begnügen muss, mit einem Höchstgefühl an Ekel und Misstrauen. Alsbald stellt sich verlässlich die Antithese in mir ein.

Keine Korrespondenz-Rückstände. Ich nahm mir vor, wenn schon nicht unter freiem Himmel, so doch zuhause auszuruhen. Nachmittag arrangierte ich eine "neoveristische Aufnahme".

Froher Abend.


26 4 53:

Der Frühling ist da; es ist aber, als dürfte er nicht frei arbeiten.


So 26 4:

Trotz ein wenig verschleiertem Wetter auf die Wiese gegangen, den Vormittag lang gesonnt.

Früh Idee zu einer Kurzgeschichte, dann aber, auf der Wiese, an einem langen Gedicht geschrieben.

Nachmittag trübes Wetter.

Weiter gearbeitet.


Mo 27 4:

Trüb, sogar Regen.

Schlechter Tagesanfang. Ich fürchte mich vor dem Büro und dem Zahnarzt.

Dann ist doch beides vorübergegangen.

In der "Presse" schimpft Habeck auf Eisenreich /"junge österr. Autoren in Hamburg"/, in der "Furche" tadelt Fiechtner Toman. In einer anderen Zeitung ist ein schönes indisches Mädchen abgebildet.


Di 28 4:

Der Morgen beginnt mit Regen. Schwieriger Tag im Büro. Freundlicher Abend. Brief an Fiechtner entworfen. Jeden Brief, den ich in letzter Zeit schreibe, muss ich gleichsam meisseln: Mein Stil ist unerträglich.


Di 28 4 53 früh

Ich bin bis zur Verzweiflung unzufrieden über den Verlust der Unmittelbarkeit.

Das Bild von den "Elephanten" zum Beispiel ist ein sekundäres, intellektuelles Bild. Es ist kein Bild, das an sich in jemandes Leben eine Rolle spielt, wenn auch der Gedanke es tut, der dem Bild zu Grunde liegt.

/später:/

Stimmungen lassen sich nicht synthetisieren.

Also muss man zur Herstellung eines Gedichtes, das Stimmung enthalten soll, von einer Stimmung und nicht von einem Thema ausgehen.

Sekundäre, intellektuelle Bilder /nur rhetorische Verdeutlichungen/ zeichnen sich durch ihre Stimmunglosigkeit aus. So berühren sie nur die intellektuelle Sphäre im Leser und wirken unsinnlich.

Stimmung im künstlerischen "Bild" ist wahrscheinlich notwendig zu seiner Bildwerdung im Leser.


/später:/ /29 4 53/

Man "Elephanten-Gedicht" die Stimmung vielleicht doch nicht absprechen. Sie ist nur nicht auf das tragende Bild zentriert, auf das Bild der "Elephanten", sondern vermutlich auf den Gegensatz zwischen den idyllischen und jenen Anteilen der Szene, die meine Satire herausgefordert haben. /Dieser Gegensatz ist und nicht mehr intellektuell. Denn mich zerrt diese Dialektik, im Gedicht spürbar, mit./


für Tagebuch und Philosophie Mappe (?)
Mi 29 4:

An Kein ist der Auszug ins intellektuelle Gedicht noch deutlicher als an mir zu beobachten. Man merkt es vor allem an den unerlebten Landschaften.

Im Büro lebhafte Arbeit, aber die Spannung hat etwas nachgelassen.

Abends wieder in unzufriedenen Gedanken befangen:

Meine Sätze sind nicht stichhaltig. Besonders in den Briefen hören sie sich "lehrhaft" an, dabei sind sie wie "Lehren", die ein Kind erteilt. Sie sehen "wichtig" aus, aber so, wie wenn ein Kind etwas und dadurch sich wichtig nimmt. Unregelmäßigkeit: Einmal geschwätzig, einmal karg (wenn geschwätzig, so unbeholfen; wenn karg, so geschraubt. Keinen Ton kann man mir glauben; es ist, als spräche ich nie einen wahren Satz).

Für Gefühl fehlt mir der Ausdruck vollkommen. Logik habe ich keine. Erzählen kann ich nicht. Meine Formulierung wirkt manchmal prägnant. Dann sieht man nach, und man entdeckt, daß alles in ihr enthalten ist außer dem Wesentlichen.

Wenn ich rein dumm wäre. Aber ich merke meine Möglichkeit. Vorstellbar aber unausführbar.


Do 30 4:

Früh Notizen.

Kalt. Keine Aussicht auf schönes Wetter für die drei freien Tage mehr.

Viel Arbeit.

Zeitig am Nachmittag aber machten wir Schluß.

In die 16 Uhr-Vorstellung ins Künstlerhaus-Kino gegangen: "Le Plaisir" nach drei Novellen von Maupassant. Mittlere gefiel mir eigentlich am besten (Ausflug der "Freudenmädchen" zu einer Erstkommunionfeier auf dem Land). Froh, das Stück gesehen zu haben.

Danach Regen.

In der Straßenbahn Briggis Vater getroffen. Der erzählte, daß Briggi heute nach Spanien gefahren ist.

Abend daheim.

Zeitschriften angeschaut.


Tagebuch

1953

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 3 2 53

bis ... Do, 30 4 53

Dienstag, 3. Feber 1953:

Abends (nach ermüdendem
Tag) bei Fritsch. Wir
unterhielten uns über
die Voraussetzungen
guter Epik.

Schnee fällt fort und
fort.


Mittwoch, 4. Feber 1953:

Abends nach viel
Tagesarbeit zu Polakovics.
Dort war wieder Dabatschek, und ich lernte
Otto Laaber kennen.

Gute Arbeiten von beiden
wurden vorgelesen.

x) Im Gegensatz zu Erich Fischer ein versprechender
Autor, von dessen "Ismene" Hakel aber auch wir
freudig überrascht worden sind.
W. Fischer kam bis jetzt
noch nicht.

Polakovics war im ersten Teil
des Abends sehr schwungvoll
(er fühlt sich wohl in
diesem neuen noch un-
verbitterten Kreis; auch
auf mich färbte die Freude
über das, worüber woran
man nicht mehr zu
glauben wagtegewagt hatte, ab).

Später bekam Polakovics Kopf- und Augenschmerzen,
die den Abend trübten.


Donnerstag, 5. Feber:

Sehr viel Arbeit im
Büro. Die letzten Tage
gab es viel Streit
zwischen Huber und
ihren Kollegen.

Huber hat in den
letzten Wochen ihren
"Freund" verloren,
und die Leute im
vom
Büro bekommen
das sehr zu spüren.

Diese Frau kann nicht traurig
sein sondern nur bissig, und
wenn sie Liebeskummer hat,
schimpft sie (was sie auch
sonst tut. Es ist nur ein
Quantitätsunterschied.).
Denn wenn sie liebt, liebt
sie nur mit den Nerven
und mit dem Stolz.










Abends kam ein
Rundschreiben von
Prof. Dobretsberger.


Freitag, 6. Februar:

Früh: zeitig auf. Gute Laune.
Konnte noch mehrere
Arbeiten früh erledigen.

Unterwegs Briggi getroffen,
die heute abend auf
ein G'schnasfest geht.
Sie trägt jetzt eine Zipfel-
mütze aus grellblau
gefärbtem flaumigem
Fell, das ihr ein bißchen eine verschwommene
Kontur gibt.

Nach arbeitsreichem Tag
im Büro ein schöner
Abend zuhaus.


Samstag, 7. Feber:

-10°.

Nachmittags kam Kein.
(Statt morgen vVormittag.)
Art Club wird vom
Gschnas gesäubert
werden, ein neues Lokal
ohne pseudo-pariserische Kulisse erhalten. In
diesem Lokal werden
auch Gedichte als
"Wandzeitung" ange-
schlagemn werden.
Gab einiges dazu her
nach einigem Widerstand.

Artmann soll mir nicht
feindlich gesinnt sein,
hör ich von Kein.

Angenehmer Abend.


Sonntag, 8. Februar:

Arbeitstag für mich.
Briefe, "publikationen"-
Versand.

Schnee fällt.

Abends versuchte ich
vergebens, zu schreiben.


Montag, 9. Feber:

-12°.

Fast hätte ich vergessen:
Huber kommt ja heut
aus dem Schönheitsalon.
Ich darf nicht vergessen,
sie mir anzuschaun.

Mittlerer Arbeitstag im Büro.
Abends noch Arbeiten
für mich.


Dienstag, 10. Feber:
-9°.

Früh alle "publikationen",
die verschickt werden
sollen, auf die Hietzinger
Post
gebracht.

Magistrat wegen Steuer-
ermäßigung.

Kaufte mir
49 stories unterwegs
(nur 80.- Schilling).

Viel Arbeit im Büro.
Auch Hitchman zu Gast. Abends Weg in die
Waidhausenstraße
wegen der Steuerermä-
ßigung. Wieder
umsonst. Abends angenehm,
1 Story gelesen.


Mittwoch, 11. Feber:

Frost.

Arbeit, viele, im Büro.

Abends ein paar Wege
mit den "publikationen"
gemacht.


Donnerstag, 12. Feber:

Früh Fabrik-Geschichte
fertiggeschrieben.

Brief von "Karl Dálava"
abgesandt mittags.


Freitag, 13. Feber:

Letzter Bürotag.

Gnadengesuch der
Rosenberg ist verworfen
worden.

Briggi und Schick-Karli
getroffen. Trübes und
kaltes Wetter.   -4°.

Nachmittags und Abends Arbeit über Arbeit.
Unterbrach, bis Montag,
mit einem Rückstand
von 20 "EVE-Daten".


Samstag, 14. Feber:

Lang im Bett geblieben
und Gondžarovs Roman
"Oblomow" von der Mitte
an gelesen. Psycho-
logisch ist er nicht
um ein Haar zurück
hinter Sartre zum
Beispiel. Dabei weiß
er das tausendmal
schwierigere Positive noch konkret und
ohne jene traurige
"Fadheit des Positiven"
darzustellen.

Vormittag für daheim
gearbeitet.

Dann Ausarbeitung
und Reinschrift vieler
Notizen. Neben dem
"philosophischen"
Kleinkram befaßte
ich mich mit der
Rekonstruktion eines
Gedichtes.

Die Unterschrift der
Fürsorgerätin in der
Waidhausenstraße
endlich eingeholt.

Nachmittag zu Polakovics.
Fischer kam nicht.
Nach der Reihe erschienen
Laaber, Dabatschek
und Dressler (ein
junger Deutschprofessor,
dem Polakovics seine
Gedichte als unbrauch-
bar zurückgeben mußte).
Sehr interessanter
und unterhaltsamer
Abend. Beschreibung des leergegessenen Tisches
als Übung. Gutübersetzte
Hokkus gelesen.

Maja sah japanisch aus.
Weiße Blumen ins Haar
hätten ihr gepaßt.

Erst 23,15 heimgefahren.
Zwei Gürtel-Huren gesehen.
Mehrere Besoffene am
Flötzersteig. Schöner
Schnee. Freute mich,
daß morgen Sonntag
ist.


Sonntag, 15. Feber:

Vormittag für daheim
gearbeitet.

Viel geschrieben.
Analysierte das Nicht-
gelingen eines Satzes,
dann das Nicht-
gelingen eines Gedichtes,
das Polakovics angeregt
hatte.

Nachmittags verschiedene
Notizen ausgearbeitet.
Später getrunken, die
alten Kurzgeschichten zu reparieren versucht. Aus
Hemingway vorgelesen.

Abends das Stückerl
übers Mädchen aus
Unter-Laa begraben,
da es keine Handlung
hat und nicht einmal
da die Situation keine
Ansätze bietet für
Folgerungen.

Die "arroganten Leute von
der Stadtbahntreppe
"
repariert und wieder
eingereiht, die Katzen-
geschichte
zerrissen.

Mich bedrückt, daß
morgen Montag ist.


Montag, 16. Feber:

Kalt in der Früh.


Dienstag, 17. Feber:

Abends bei Fritsch.

Über das Herrenmenschen-
tum, die Relativität der
Ethik und über die
begrenzte und doch nie endende menschliche
Bemühung gesprochen ...


Mittwoch

wieder ein kalter Tag.
Früh Briggi und Karli
getroffen. Karli hat ein
Renaturierungsverfahren
für denaturierten
Alkohol gefunden und
stellt im Labor reinen
Alkohol auf solche
Weise mit den Kosten
von nur S 10.- her.

(Destillation mit Chloroform.)


Donnerstag:

18h zu Matejka,
sehr freundlich, las
schöne untendenziöse
Gedichte von Becher.
1930 Weißenborns
Trakl-Lesung in der
Urania. Wieder Frieden
geschlossen, auch mit
Art- und Altmann
sehr gut vertragen.
Spät heim.


Freitag:

Szene von gestern früh
fertiggemacht.
"Veranstaltung unter
freiem Himmel
" -
Lynchgespräche.

Frühlinghaftes Wetter.


Samstag:

+3°. Nach dem
Büro Adamsgasse.
Ziemlich über- anstrengter Gehirnzustand.
Häßliche ErzählungTatsachen
über Gerhards Leben
mit Trude und die
elende Behandlung
seiner Mutter durch
das junge Paar
gehört.

Zu Polakovics. Dort
waren Hakel, Danneberg,
Dabatschek, Fischer
auch.

1) Über Religion 2) Konkret über
Autoren und Gedichte.

Spät heim.


Sonntag:

Kein. Differenzen
wegen des politischen
Einsatzes.

Vorher über Meta-
physik und ganz
vernünftig über
das Thema: Der
Reiz als Funktion
des Gedichts.

(Durch Jandl angeregt.
2 Briefe von ihm
gestern und vorgestern
bekommen.)

1) Der Reiz ... schlechter
Ausdruck für psychische Wirkung, 2) als Mittel zur Fesselung des Interesses der
Leser. Nicht durch
krumme Bilder (wie
Jirgal, Dez. Heft "NW",
schrieb ["heutige verdor-
bene Menschheit nur
noch durch krumm
herankommende Aussagen
ansprechbar"]), sondern
durch naheliegende
Bilder. Die nur das
"Unpoetische" *) an beiden Techniken sehen, machen
keinen Unterschied
in der Bewertung dieser
beiden Techniken. Sie sehen schon die
Aufnahme von Zeit-
gebundenem in das
Gedicht als verrückt
genug an, auch bei
wo die gegenüber dem
Leben nichts vom Platz
gerückt ist.

Reiz: zur Konkretisierung.
Wesentlich, nicht zur
Irritation in bloßer
emotioneller Sphäre.

Gestern Spottgedicht gegen
die Benn-Schule
gemacht: Abend-ländisches Lied
(bei geselligen Zusammen-
künften mit Lemuren
zu singen).







Elsies River (Südafrika.)
Ein lieber Name.

Unbegabte Tagebuch
geführt.

Zur Mitarbeit an der
"Schau" wieder eingeladen
worden. Im Radio (Wien)
wurde ich oder werde
ich gelesen werden.
(50.-).

Heute war Wahltag.

Jandlbrief geschrieben.

Großen Wunsch nach einem Mädchen.
Lynch-Prosa zerrissen.


Montag, 23. Feber:

Früh, wenn auch kühler,
frühlinghaft.

Mit Karli gefahren.

Hätte Freude, wenn kein
Büro wäre.

Frau Marchsteiner ärgert
sich über das Vorfrühling-
wetter, weil sie Kopfweh
davon kriegt.

Huber hat jetzt einen
Italiener. Sie zieht sehr
viel verschiedene Sachen an, trägt teure Schuhe
und sucht die Schönste
im ganzen Land zu
werden.

Erst am unwirtlichen
(kalten) Abend aus
dem Büro gekommen.


Dienstag, 24. Feber:

Früh ein Gedicht versucht:

Wo er eigentlich nicht viel
zu suchen hat,
Spielt wie ein Kind auf
dem warmen Asphalt
Und macht alles so neu
und ist so uralt."

...

...


Mittwoch, 25. Feber:

Früh wieder etwas versucht:

"Die Plakatwände haben
den Krieg von unlängst
vergessen.
Wehrlos nehmen sie die
neuen Anschläge hin
Die uns zum Besuch der
Kasernen-Lustspiele laden
.....
.....
.....
Ich sehe der Errichtung
von Wehrertüchtigungs-
bahnen im Prater
Sorgenvoll entgegen."

Es sind jetzt schöne Tage.
In die Bürofenster scheint
die Sonne. Zu Mittag
liegt sieihr Schein über den
Straßen der Stadt.


Donnerstag

Früh eine Geschichte
versucht. Dann un-
produktiv geblieben.

Traf Briggi. Unterhiel-
ten uns lebhafter als
ich befürchtet hatte. Der Mann, den sie
wird heiraten, ist
russischer Jude
(wenngleich amerika-
nischer Staatsbürger).

Huber verkauft sich
nunmehr für S 600.-
monatlich.

Abends Altmann in
seiner Junggesellenwohnung
in der Fasangasse
besucht. Seinen halb lyrischen
Kurz-Roman gelesen.

Über Mädchen,
Schriftstellerprobleme,
ganz schwungvoll
gesprochen.


Freitag, 27. Feber:

Schöner Morgen.

Mittags in der Innern Stadt
spaziert. Ich war müde
und mußte viel
arbeiten.

Huber ging abends das
erste Mal huren.
(Die andere Kollegin,
Frau M., hatte ihr geraten, sich nicht
unter Schilling 1500.-
monatlich hinzugeben.)

Montag wird unser Keller
gehoben werden. Wir
müssen ihn deshalb
morgen ganz ausräumen.
Ich bin traurig, weil ich
um ein Stückerl
Wochenende komm.


Samstag, 28. Feber:

Viel Arbeit im Büro, besonders
gegen Mittag.

Viel Post wartete daheim
auf mich. (Zeitschriften
und wieder ein Brief
von Jandl.)

Mittags wurde ich im
Radio gelesen. ("Erste
Sonnenwärme
".) Das
Wetter stimmte gut dazu.

Nachmittag einen Artikel
geschrieben gegen Wies-
fleckers
"Querschnitt" in
den "Neuen Wegen".
(Erstmals wieder erfolg-
reich versucht, zu
schreiben. Gute Stimmung.)


Sonntag, 1. März:

Weil Sonntag war, verregnet.
Vormittags gearbeitet.

Artikel für "Neue Wege"
hergerichtet, auch
Henneberg geschrieben.
"Abendländisches Lied"
und "Aschenbecher-Serie".

Müßte für Hakels "Schau"
auch was schreiben.

Die Zeit ist viel zu kurz.

Abends intensive Gedanken

über das Gedicht.

Montag, 2. März:

Mama sprach gestern sehr treffend
aus einen meiner Hauptgedanken
aus: "Du solltest dir für dein
freies Geld Gehirne kaufen
können."

Heute (anders als gestern)
schöner blauer Morgen.

Der Reim verlangt meistens
die Aufopferung der
Erlebenstreue oder zumindest
der Konzentration von
erlebenstreuen Stellen im
Gedicht.

Er hat andererseits den Vorteil,
daß er auch aus Substanz-
losigkeit noch "was machen"
kann; während substanzlose
ungereimte Gedichte von
vornherein der Lächerlich-
keit preisgegeben sind.

Es ist sehr bequem (und
wird von den meisten
geachteten Dichtern geübt),
sich vom Reim treiben zu
lassen. Der Reim ist
der Freilauf des Gedichts.
Wenn man ihn im hügeligen
Land anwendet, kommt man
nur zufällig ans Ziel:
wenn das Dorf, das man
erreichen will, gerade am
Fuß des Gefälles liegt, das
vom Anfangspunkt des Gedichtes ausgeht.

Abends kam Artmann
und erzählte mir sehr
viel.


Di, 3. März:

mittags (bei sehr schönem Wetter)
einen kurzen Besuch in der
Art Club Galerie gemacht.
Hundertwasser mit einem wahr-
scheinlich unecht infantilen
"Auto mit roten Regentropfen";
Abstrakte, Grob- Bade-
strand
und Fein-Chaotische. Lehmden.
(Ich nannte es
Morchelmalerei; oder
auch erinnert sein
Bild sehr an den
verbrannten Maler
Lehrer Lempel
von Busch.)

Kubin, der in eine andere Welt
zählt.

Vor allem: Matisse mit sehr farben-
frohen, intensiven Bildern, auch
einem raffinierten Akt und
geordneten Zeichnungen.

Kriesch dort getroffen. Diskutiert.

Abends in den "Strohkoffer".
Englisches Interview mit zwei
bolivianischen Malerinnen
.
Mit der Ruhe von Äquator-
bewohnerinnen sitzen sie
den größten Teil der Zeit
im Strohkoffer und bewachen
ihre Bilder.

Heiß und ein bißchen benommen
die Kärntnerstraße hinauf,
zum 62-er, gegangen.

Zu Fritsch gefahren.

Gesprochen über Hakel, die
Bolivianerinnen, die Phrase.
(Man müßte den Wortschatz
überhaupt wissenschaftlich
untersuchen: Entstehung der
Phrasen, Aneignung von
Phrasen und Wörtern, Ort und Häufigkeit der
Verwendung.)

Kommunisten, sagt er, erkennt
man am Wort "konkret"
oder dem rhetorischen Frage-
und Antwortspiel. (Z.B.:
"Wie ist die wirtschaftliche Lage Österreichs?
Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist .....")
Es ist * für den Leser der "Furche". klar, daß Wörter wie
"Gespräch", "Zusammenschau",
"Klitterung" (!!) von den Rechten
Intellektuellen bevorzugt
werden.


Mittwoch, 4. März:

Früh Einfälle. Trüberes Wetter.
Unterwegs hörte ich, daß
Stalin der Schlag gestreift
habe.


Donnerstag, 5. März:

Früh an der Niederschrift
des Interviews weitergearbeitet.
Aprilwetter.

Noch keine neuen Nachrichten
über Stalin.

Wieder mit Schik-Karli
gefahren. Heute ist schon
Donnerstag, ich fühlte
schmerzhaft stark, wie
man seine Lebenszeit
.

Sehr müde.


Freitag, 6. März:

Stalin tot.

Früh Interview fertig-
geschrieben roh.

Hellerer Tag im Büro.
Mittags sinnlos zur RAVAG
gefahren.

Abends: In der "Zeit",
Hamburg, interessanter
Eisenreich-Artikel
und eines meiner Gedichte .
Wein.

Träumte von zwei Büchern: 1) Eine brutale Vergewaltigung
und der darauf folgende
Beischlaf, in den Handlungen,
in den Gedanken beider
Menschen gesehen, mit realistischen Erklärungen,
psychologischen Bemerkungen
und . 2) Ein analoges Buch über die
Liebesnacht zweier Liebender,
die einander fad zu werden
beginnen; die Frau bemüht
sich aber, den Mann mit
allen erdenklichen Reizen
zu halten.

Samstag, 7. März:

Nach dem Büro mit seinemn
ekelhaften Intrigen
schrieb ich zuhaus das
Bolivianische Interview
fertig. Dann zu Polakovics
gefahren. Mißlungener
Abend, aber ohne böse Laune
bis 23,30 Uhr dortgeblieben.

Den Bolivien-Artikel zerrissen.


Sonntag, 8. März:

Rückkehr der Kälte!
Schnee fiel.

Ordnungen, Reinschriften,
Ausarbeitungen.

Ein harmloses "Märchen"
geschrieben.


Mo, 9.3.

Nichts als Arbeit.

Bauer
wieder
krank.


Di, 10.3.

Aprilwetter. Kleine Schnee-
stürme. Im Büro heute
übersichtlichere Arbeit.

Abends beißende Kälte.
Schwarze Wolkenwand,
aus der der Nordwind
fährt.

Abends: boliv. Artikel
neugeschrieben.


Mi, 11.3.

Wieder kalter Morgen.
Früh boliv. Artikel fast
fertig, diesmal gut. Im Büro Artikel fertiggeschrieben,
freundlicher Abend, Reinschrift.


Do, 12.3.

Schon wieder Donnerstag!
Artikel express an Hakel
abgerichtet.

Starre Kälte im Vorfrühling
macht uns besonders
ungeduldig.

Sehr anstrengender Tag im Büro.
Wieder der Gedanke, die
"publikationen" aufzugeben.
Für abends war ich mit
Altmann verabredet.

Ich traf ihn aber nicht
mehr an. Er ist aus dem
Kabinett, wo er in Untermiete gewohnt hatte,
fortgezogen und hat keine
Adresse zurückgelassen.

Komödiantisches Schneegestöber
über der Stadt. Dichter Schnee
aber, der liegen bleibt, vom
Flötzersteig aufwärts.


Fr, 13.3.

Ich möchte so gern ein
Schweinernes sein. Da
könnt ich in der Auslage
liegen und mir lang den
blauen Himmel anschauen.

-8° früh. Herrlich blauer Himmel.
Früh das "Märchen" in die
endgültige Form gebracht.


Sonntag, 8. März:

Sa, 14.3.

Früh Phaidon-Ausgabe von
van Gogh gekauft.

Kunschak †. Der Rektor der
Universität
†. Gottwald liegt
im Sterben.

Verlangte im Büro vernünftige
Einteilung meiner Arbeit.
Montag wird wieder ein
scheußlicher Tag werden.

Durch Auflösung der "publi-
kationen
", Radiohonorar
und 100.- (Geburtstag)
erstmals wieder etwas
freies Geld.

Herrliches Wetter. Mittags
taute es.

Nachmittags ausgeruht.

Gottwald gestorben.


So, 15.3.

Sehr müde. Zweifelte daran,
daß ich heute zu irgend-
welchen Ergebnissen kommen
würde.

Mit einer Denkaufgabe
sichere S 500.- gemacht.
Ergebnislos versucht,
zu schreiben.

Nm. Säuberungen in der
letzten "Philosophie"-Mappe.


Mo, 16.3.

Wieder kalt ...

Früh Brief an Polakovics ,
und noch mehrere andere
Arbeiten.


Mo 16 3:

früh Briggi getroffen.

Viel Arbeit im Büro. /Abrechnungen./
Abends Zeitungen.


abends Mo/Di früh:

Gedanken über das
"unmittelbare" Gedicht, zum grossen
Teil quälende Gedanken.

a/ über seinen Verlust b/ über die Schwierigkeit, es und
seine Voraussetzungen festzulegen.

Di abends:

Stegergespräch, vergeblicher Besuch
bei den Bolivianerinnen, danach sehr
müde. Zu Fritsch, wieder lebhafter in
Gedanken gekommen. /Gespräche über
die Entwicklung der jungen Nachkriegs-
autoren - die kollektive und die der
einzelnen Persönlichkeiten./


Sa:

erster Frühlingsnachmittag
/Adamsgasse, dann zu Kein/.

Vor allem über Jandl-Thema gesprochen.


So:

bei Jirgal. Erster frühlinghafter Tag.
Jirgal ist an Südfrankreich fast
geisteskrank geworden; ich werde mit
dem hiesigen Frühling schon nicht
fertig. Ich bin draufgekommen, dass
der Zeitmangel das grösste
Hindernis des intensiven Lebens ist.
Alle psychischen Verkrampfungen lassen
sich bei einem bisschen Zeit wieder
lösen.

Musste den ganzen Tag über /fast schon
mit zusammengebissenen Zähnen/ meine
Rückstände in Ordnung bringen, vor
allem den Jandl-Brief machen, der von
14 bis 20 Uhr nicht fertig wurde.


23, 24 3 53 Mo, Di:

Jandl-Brief. Kühle Morgen. Seit
Sonntag gehe ich schon im leichten
Mantel. Ausserhalb der Stadt klar,
in der Stadt neblig. Montag am Abend
zium ersten Mal in diesem Frühling
beim Fenster gestanden. Die
Freundlichkeit dieser Wohnung
empfunden.

Aufgearbeitet.


Di:

früh unterwegs Sonja vom Institut.







Di:

Einfall: "Misslungene gute Gedichte"
mit Analysen.


Mi:

Abends zu Hofmann ins Dom-Café
/Art Club-Galerie/. Der Raum
gefällt mir viel besser als der
Strohkoffer. Erzählte Hofmann vom
"Eingehen" der "publikationen”.
Sie war sehr freundlich. Ich sah
mir noch einmal genauer Matisse an.
Dann sprach ich "Minchen" vom Art Club,
die den Saal bewacht, an. Unterhielten
uns übers Gedeihen des Art Clubs.
Sie betonte übrigens, dass er nicht
von Mautner-Markhof subventioniert
wird, wohl aber aus öffentlich.em Geld.

Ueber Hofmann, Maler, das kindliche
Farbensehen gesprochen, sehr sym-
pathisches Gespräch.

Ziemlich am Abend, laues Wetter, heim.


Do 26 3:

im Büro müde.

Abends Briggi getroffen,
frühlingshaft, roter Mantel
/vorgestern lichtbraun/.
Daheim Wein. Von den NW
erstes Honorar seit langer
Zeit /wenn auch nur für eine
"Leserzuschrift"/. S 44.--
Ich habe jetzt ein bisschen
Geld bei mir.


Fr früh

Holthusen fgelesen. Kaltes Wetter
angekündigt. Es ist auch schon
trüb.

Im Büro stehen die Sprech- und
Abhörapparate nun in Betrieb.

Wir sind heute der Gewerkschaft beige-
treten.

Der Direktor sagt, die Bemerkungen unserer
beiden unmittelbaren Vorgesetzten über uns
reissen nicht ab.

Abends Wiesflecker besucht. Er erzählte
mir von Literatenintrigen /so: eine
sehr unsuaaubere Geschichte über Brigitte
Kahr
/ und von der Frankreich-Reise.

Dann sprachen wir über die Verpflichtungen
des Schriftstellers.

Den Anfang von Wiesfleckers Roman
gesehen.                               Wiesfleckers Stil wird mit der
        WiesfleckersZeit fester.

Es regnete am Abend leicht,. es war aber


Sa 28 3:

Artikel für die "Schau" über den
Adrienne-Prozeß geschrieben.


So 29 3:

Fertiggeschrieben. Fenster geputzt.
Ordnungen, besonders in der
alten Philosophie-Mappe. Viel gedacht
und gesprochen.


Mo 30 3:

Morgens ungern im Büro.

Es ist warm, der Himmel ist
klar, das Gras steht schon grün,
in den Parks keimen die
Forsythien.

In das Bürozimmer scheint
am Morgen die Sonne.

Weniger zu tun.

Abends Briggi (die ihr Haar
schon wieder anders trägt;
diesmal à la Spatzennest)
getroffen.

Nach dem Essen mit Mama
um die Steinhofer Mauer,
zum ersten Mal dieses Jahr,
spaziert.

Görlich sandte Gedichte
für die "publ." ein.

Verlag in Klagenfurt sandte
meine Gedichte des schon festgelegten Verlagspro-
gramms wegen zurück.

Es ist aber möglich, schrieben
sie, daß sie sich wieder an
mich wenden werden.

Osterbier getrunken.

Immer großen Wunsch
nach einem Mädchen.


Di, 31.3:

Früh konnte ich für mich
arbeiten.

Abends Fritsch (Benn und
der Jugendstil, Fehlen der
Weltanschauung bei den modernen Dichtern.
Psychologie des "ersten
Gedichtes" und der
Wendepunkte in der
Entwicklung des Dichters ...).


Mi, 1.4.:

Brigitte Kahr in den April
geschickt.      Büro: Ärger.
Abends Glossen für die
"Schau" geschrieben.


Do, 2.4.:

Weiter geschrieben.

Grün in den Büschen
des Parks.

Die Büsche des Parks
werden grün.

Abends Glossen zu Ende.


Fr, 3.4.:

Karfreitag.

Frühlingsmorgen.

Durch das Grün scheint
die Sonne gelb. Der
Himmel ist blau, in
der Richtung der Sonne
glänzt er fast weiß.

Im Büro schon Osterstimmung.
Vor dem Weggehen noch
drei Briefe ("Postarbeit").
an Americatrans.

Abends, wie zerschlagen
und trotzdem versuchend,
den Frühling einzusaugen,
um die Steinhofer Mauer
mit Mama.

Ein überwältigendes Bild
die beleuchtete Stadt weit
bis Hütteldorf hinüber
mit ihren zehntausenden
Fenstern am Abend.


Sa, 4 4:

Früh bei schon starker Sonne
von der Linzerstraße
die Wäsche geholt.

Viele Korrespondenzen.
Später nachmittags damit
Schluß gemacht.

Bier vom Kaffeehaus
geholt; es geht zu den
Schnitzeln.


So 5 4:

Ostersonntag, geschrieben
Nachmittag "Don Camillo
und Peppone
. Ein
ausgezeichneter Film.


Mo 6 4:

Wegen Wolkenwetter
früh nicht mehr
geschrieben, gescheit.

Kein. Zweiter Teil
(wie immer) des Gesprächs
interessant. Über
Beschränkung des Themen-
kreises durch den beschränkten Erlebniskreis.

Über Plakate, das
A
den Kitsch, die Ironie,
das x allzu Allgemeine und
das Vage.

Mo nm:

Nichts Wesentliches.
Aber zuhaus viel
geredet.            Zu schlag-
       worthaft.

Abends über meinen Stillstand
seit eineinhalb Jahren nach-
gedacht, mit dem Gefühl,
es ist eine unleistbare Arbeit.


Di 7 4:

Wieder Büro.

In der Früh Briggi getroffen,
die sich seit den eineinhalb
Jahren weißGottwie entwickelt
hat.

Abends Art Club, um Artmann
eine Nachricht zu hinterlassen.
Es war aber niemand dort.


Mi 8 4:

Früh im Bett eine Geschichte
geschrieben (Sonja).

Recht kühles Wetter.

Im Büro schlägte die Arbeit
über allen zusammen.
Witzmann seit Montag fort,
Steger seit heute.

Abends Art Club. Hörte vom
Streit um das "Dichter-Brett"
zwischen Art Club und Hakel (!).

Daheim Post: Gewerkschaft
(bin also seit 1.4. dabei),
"Neue Wege", Aprilheft, mit
meinem Artikel (aber unter meinem Namen, gegen
die Abmachung). Auch die
Photos kamen vom Kopieren.
Abends noch ein bißchen
gearbeitet.


Do 9 4:

Abends Blitzgerät und
Heftmaschine "Maus"
gekauft. Habgierig.


Fr 10 4:

19h Hakel. Besprechung der
"Schau" im Art Club.

Sehr angenehmes Lokal,
man kann dort einsam
sitzen oder nett reden;
ungestört.

Die Besprechung ergab
natürlich nichts (nur
Lärm von Milo Dor,
Leinfellner, Merz).

Wir (Kein, W. Fischer, ich)
blieben nachher und
sprachen dann interessant.
(Notwendigkeit der Bildung
für den Lyriker. Der
kultivierte Lyriker und
der naive-eruptive.)

Regen. Durch die nasse
Stadt heim.


Sa 11 4:

Nach dem Büro, in dem
wieder irrsinnig viel
zu arbeiten ist, heim.
Schönes Wetter. Ich schrieb
"Sonja" und "Sisyphos"
in der endgültigen Fassung
ins Reine.

Sehr ausgeruht, hatte es
auch nötig.


So 12 4:

Vormittag bei Jirgal.

Wollte durchbrechen,
noch immer nicht gelungen.
Bei ihm gehe ich am
wenigsten aus mir hinaus.
Es müßte eigentlich zu
machen sein.

Herrlich schöner Tag,
aber kalter Wind
stört die Sonne beim
Wärmen.

Nachmittags Korrespon-
denzen, Tagebuch.


So 12 4 nm.,
Mo 13 4:

Aus einem dem Ärger über
ein Radiolied ein Gedicht
d  gemacht. Montag wurde
es fertig. Erst
dDas ganzeGedicht sieht
jeweils fertig aus

Bei solchen die einen
"Problem-Gedichten" x die einen
mit starkem
gedanklichem
Konzept
sieht man
oft erst dasem fertigen GedichtProdukt
überzeugend aus.die Gültigkeit an.

(Denn hier ist die das Konzept
unanzweifelbar, die
Erfüllung zunächst
anzweifelbar, während
das aus dem undurch-
leuchteten oder auch nur
unarrangierten Gefühl
unmittelbar dargestellte
Gedicht        unanzweifelbar
ist wie ein Konzept.)

Honorar DM 40.- kam,
ganz unerwartet. ("Die Zeit",
Hamburg.)


Di 14 4:

2 Fotoaufnahmen im Büro.

Abends zu Fritsch: Über
die Gefahr des ambivalenten
Romans, über die Klischees,
über die noch unformulier-
bare künftige Weltanschauung,
gesprochen.

(Kann von den Gesprächen
leider nichts niederschreiben,
weil ich                    mich aus Zeitmangel
mit nichts breiter befassen
kann. ) Mittwoch nachmittags.)


Mi 15 4:

früh: ein paar Notizen vom
gestrigen Abend. Möchte
gern mit meinen Freunden
eine neue Offensive, diesmal
eine essayistische, in den
"Neuen Wegen" beginnen.

bürofrei gemacht, krank.
Kafkas "Erzählungen" gekauft.
Nachhause gekommen, ins
Bett gelegt. Kafka gelesen.
Seit wie langer Zeit eine
vollkommene Prosa!

"Josefine, die Sängerin", zunm
Beispiel,          nicht übertrefflich.

Angenehm ausgeruht.

Früh Sonja ein zweitesmal
getroffen. Redete diesmal
mit ihr. Auslagen während
des Heimwegs angeschaut.
Nachmittag im Bett Wermut,
Sonnenblumenkerne, Radio.


Do 16 4:

Die Kälte nimmt kein Ende.
Nur +4°. Angekündigt ist
Abkühlung bis 0°.

Öder Tag. Im Büro viel
gearbeitet. Abends Zahnarzt,
aber erst Voruntersuchung.

Brief an Kein wegen Rückkehr
zu den "Neuen Wegen"
geschrieben.


Fr 17 4:

Besserer Tag.

Abends Sprung in den Art Club.
Mit Haller gut, bis ein toter
Punkt bei mir eintrat, philo-
sophiert.


Sa 18 4:

Nach lebhaftem Büro
nachmittags Korrespondenzen.
Wärmeres Wetter. Bier.


So 19 4:

Früh Sartre (nur zweiten Teil
des Romans [von Fritsch ent-
liehen]) gelesen.

Wärmerer Tag. Kein kam.
Artmann setzt "publ." fort. Viel hin und her erwogen.
Nix mit Mitarbeit an NW.
Beiderseits aus.

Nachmittags nach Zuhausegespräch
kam Artmann, fast erwartet.
Freundschaftlich gesprochen.
Bald aber ging er.

Beim Wirt war Gedränge
diesmal, endlich bekam
ich den Wein.

Kafka gelesen, Radio
gehört, ausg   eruht durch
Flüchtigkeit und Fehlen
von Absichten (gestern auch
viel dafür gearbeitet).


Mo 20 4:

Aus dem Gedicht von gestern
Abend (improvisiert), aber nicht durchgehalten)
bisher nichts geworden.

Ungern ins Büro.

Früh Gedanken über die
"aktivistischen" Gedichte.

Abends wolltehatte ich mich ursprüng-
lich in den Art Club setzen wollen,
um zu schreiben, dann
aber war ich zu müde und
fuhr lieber nachhause.


Di 21 4:

auch noch kalt. Aber blau.
Schreibmaschine reparieren
lassen.

Autobusfahrt (Innere Stadt)
bei diesem Wetter ist schön.


Mi 22 4:

Früh schon wärmer.

Blauer Himmel, schön.

Wieder aus der Ordnung
gebrochen; heute könnte ich
gut schreiben.

Bürozeit verging rasch.
(Ich habe freilich getrübte
Freude daran, weil sie
Lebenszeit ist.)

Abends im Art Club konnte
ich nicht schreiben
(Änderung in meiner
Kurzgeschichte um die
arroganten Leute),
denn lebhafte Besprechungen
warenwurden dort geführt von
Malern, mit denen auch ich
anfangs geplaudert hatte.

Abends Post vom "Briefmarken-
doppler
" und von Schmied
und Jandl. Antwort an
Schmied noch konzipiert.


Do 23 4:

Warmes Wetter wird angekündigt.
Bei geschlossenem Fenster sieht
es aus wie im wärmsten Frühling.
+5° früh.

Schmied geschrieben. Ordnungen.

Abends zu müde, in die Urania zur
Weissenborn-      Lesung zu gehen, und,
in mein Schicksal ergeben, heim-
gefahren.


Fr 24 4:

Ich muss doch festhalten, dass das
Meinl-Plakat gut ist: Gegen hellblauen
Grund der bekannte Mohrenkopf, ver-
einfacht als Kaffeebohne und Flüssigkeitspiegel, mit dem roten
Fez, dem Einschnitt der Kaffeebohne
als weiss lachendem Mund, in weisser
leichter Tasse; darüber nur die
Worte "ich bin's".

Schaute unterwegs Frauen an:
mir fiel der Unterschied    ein zwischen
dem Eindruck, den sie auf Knaben
machen mögen, und dem Leben, das sie
wirklich führen.


Sa 25 4:

Freier Samstag. Vormittag, als ich auf die
Linzerstrasse ging, scheinte noch     warm die
Sonne. Später, als ich auf die Wiese wollte,
wurde es windig, und Wolken kamen. Ich
ging trotzdem aus, musste aber, auf der
Wiese angelangt, gleich umkehren.

Es regnete schon.

Zuhause zornig wegen des schlechten
Wetters. Auch zornig, weil ich fühle,
dass ich keinen Gedanken fassen kann:

Ueber jedes Ding habe ich anscheinend
zwei Meinungen. Jede dieser beiden
Meinungen reagiert auf eine von aussen
kommende gegensätzliche Meinung mit
leidenschaftlichem Zorn. Diesen Zorn
nehme ich nicht übel, denn ich erhoffe
mir von ihm den Schwung zu positiver Arbeit über das Thema. Sogleich aber,
wenn ich mich mit dem Thema intellektuell
befasse, entgleitet mir die ursprüngliche
Stimmung, die gewiss die richtigen
Argumente einkapselt, sodass ich mich
mit mühsam herbeigeschleppten
Argumenten begnügen muss, mit einem
Höchstgefühl an Ekel und Misstrauen.
Alsbald stellt sich verlässlich die
Antithese in mir ein.

Keine Korrespondenz-Rückstände. Ich
nahm mir vor, wenn schon nicht unter
freiem Himmel, so doch zuhause auszuruhen.
Nachmittag arrangierte ich eine "neo-
veristische Aufnahme".

Froher Abend.


26 4 53:

Der Frühling ist da; es ist aber, als
dürfte er nicht frei arbeiten.


So 26 4:

Trotz ein wenig verschleiertem
Wetter auf die Wiese gegangen,
den Vormittag lang gesonnt.

Früh Idee zu einer Kurzgeschichte,
dann aber, auf der Wiese, an einem
langen Gedicht geschrieben.

Nachmittag trübes Wetter.

Weiter gearbeitet.


Mo 27 4:

Trüb, sogar Regen.

Schlechter Tagesanfang. Ich
fürchte mich vor dem Büro und dem
Zahnarzt.

Dann ist doch beides vorüber-
gegangen.

In der "Presse" schimpft Habeck
auf Eisenreich /"junge österr.
Autoren in Hamburg"/, in der
"Furche" tadelt Fiechtner
Toman.                             In einer anderen Zeitung ist
ein schönes indisches Mädchen abge-
bildet.


Di 28 4:

Der Morgen beginnt mit Regen.
Schwieriger Tag im Büro.
Freundlicher Abend. Brief an
Fiechtner entworfen. Jeden
Brief, den ich in letzter Zeit
schreibe, muss ich gleichsam
meisseln: Mein Stil ist uner-
träglich.


Di 28 4 53 früh

Ich bin bis zur Verzweiflung unzufrieden über den Verlust
der Unmittelbarkeit.

Das Bild von den "Elephanten" zum Beispiel ist ein
sekundäres, intellektuelles Bild. Es ist kein Bild,
das an sich in jemandes Leben eine Rolle spielt,
wenn auch der Gedanke es tut, der dem Bild zu Grunde
liegt.

/später:/

Stimmungen lassen sich nicht synthetisieren.

Also muss man zur Herstellung eines Gedichtes, das Stimmung
enthalten soll, von einer Stimmung und nicht von einem Thema
ausgehen.

Sekundäre, intellektuelle Bilder /nur rhetorische
Verdeutlichungen/ zeichnen sich durch ihre Stimmunglosigkeit
aus. So berühren sie nur die intellektuelle Söphäre im Leser
und wirken unsinnlich.

Stimmung im künstlerischen "Bild" ist wahrscheinlich
notwendig zu seiner Bildwerdung im Leser.


/später:/
/29 4 53/

Man muss imkann dem "Elephanten-Gedicht" die Stimmung
vielleicht doch nicht absprechen. Sie ist nur nicht auf
das tragende Bild zentriert, auf das Bild der "Elephanten",
sondern vermutlich auf den Gegensatz zwischen den
idyllischen und         jenen Anteilen der Szene, die meine
Satire herausgefordert haben. /Dieser Gegensatz ist erlitten
persönlich
und nicht mehr intellektuell. Denn mich
zerrt diese Dialektik, im Gedicht spürbar, mit./


für Tagebuch und Philosophie Mappe (?)
Mi 29 4:

An Kein ist der Auszug ins
intellektuelle Gedicht noch
deutlicher als an mir zu
beobachten. Man merkt
es vor allem an den
unerlebten Landschaften.

Im Büro lebhafte Arbeit, aber
die Spannung ist hat etwas
nachgelassen.

Abends wieder in unzufriedenen
Gedanken befangen:

Meine Sätze sind nicht stichhaltig.
Besonders in den Briefen hören
sie sich "lehrhaft" an, dabei
sind sie wie "Lehren", die
ein Kind erteilt. Sie sehen
"wichtig" aus, aber so, wie
wenn ein Kind etwas und
dadurch sich wichtig nimmt. Unregelmäßigkeit: Einmal
geschwätzig, einmal karg
(wenn geschwätzig, so unbeholfen;
wenn karg, so geschraubt.
Keinen Ton kann man mir
glauben; es ist, als spräche ich
nie einen wahren Satz).

Für Gefühl fehlt mir der
Ausdruck vollkommen.
Logik habe ich keine.
Erzählen kann ich nicht.
Meine Formulierung wirkt
manchmal prägnant. Dann
sieht man nach, und man
entdeckt, daß alles in ihr
enthalten ist außer dem
Wesentlichen.

Wenn ich rein dumm wäre.
Aber ich merke meine
Möglichkeit. Vorstellbar
aber unausführbar.


Do 30 4:

Früh Notizen.

Kalt. Keine Aussicht auf
schönes Wetter für die
drei freien Tage mehr.

Viel Arbeit.

Zeitig am Nachmittag aber
machten wir Schluß.

In die 16 Uhr-Vorstellung
inms Künstlerhaus-Kino
gegangen: "Le Plaisir"
nach drei Novellen von
Maupassant. Mittlere
gefiel mir eigentlich am
besten (Ausflug der "Freuden-
mädchen" zu einer Erst-
kommunionfeier auf dem Land).
Froh, das Stück gesehen zu
haben.

Danach Regen.

In der Straßenbahn Briggis Vater
getroffen. Der erzählte, daß
Briggi heute nach Spanien
gefahren ist.

Abend daheim.

Zeitschriften angeschaut.


Laden...

Tagebuch

1953

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 3 2 53

bis ... Do, 30 4 53

Dienstag, 3. Feber 1953:

Abends (nach ermüdendem Tag) bei Fritsch. Wir unterhielten uns über die Voraussetzungen guter Epik.

Schnee fällt fort und fort.


Mittwoch, 4. Feber 1953:

Abends nach viel Tagesarbeit zu Polakovics. Dort war wieder Dabatschek, und ich lernte Otto Laaber kennen.

Gute Arbeiten von beiden wurden vorgelesen.

x) Im Gegensatz zu Erich Fischer ein versprechender Autor, von dessen "Ismene" Hakel aber auch wir freudig überrascht worden sind.
W. Fischer kam bis jetzt noch nicht.

Polakovics war im ersten Teil des Abends sehr schwungvoll (er fühlt sich wohl in diesem neuen noch unverbitterten Kreis; auch auf mich färbte die Freude über das, woran man nicht mehr zu glauben gewagt hatte, ab).

Später bekam Polakovics Kopf- und Augenschmerzen, die den Abend trübten.


Donnerstag, 5. Feber:

Sehr viel Arbeit im Büro. Die letzten Tage gab es viel Streit zwischen Huber und ihren Kollegen.

Huber hat in den letzten Wochen ihren "Freund" verloren, und die Leute im Büro bekommen das sehr zu spüren.

Diese Frau kann nicht traurig sein sondern nur bissig, und wenn sie Liebeskummer hat, schimpft sie (was sie auch sonst tut. Es ist nur ein Quantitätsunterschied.). Denn wenn sie liebt, liebt sie nur mit den Nerven und mit dem Stolz.


Abends kam ein Rundschreiben von Prof. Dobretsberger.


Freitag, 6. Februar:

Früh: zeitig auf. Gute Laune. Konnte noch mehrere Arbeiten früh erledigen.

Unterwegs Briggi getroffen, die heute abend auf ein G'schnasfest geht. Sie trägt jetzt eine Zipfelmütze aus grellblau gefärbtem flaumigem Fell, das ihr ein bißchen eine verschwommene Kontur gibt.

Nach arbeitsreichem Tag im Büro ein schöner Abend zuhaus.


Samstag, 7. Feber:

-10°.

Nachmittags kam Kein. (Statt morgen Vormittag.) Art Club wird vom Gschnas gesäubert werden, ein neues Lokal ohne pseudo-pariserische Kulisse erhalten. In diesem Lokal werden auch Gedichte als "Wandzeitung" angeschlagen werden. Gab einiges dazu her nach einigem Widerstand.

Artmann soll mir nicht feindlich gesinnt sein, hör ich von Kein.

Angenehmer Abend.


Sonntag, 8. Februar:

Arbeitstag für mich. Briefe, "publikationen"-Versand.

Schnee fällt.

Abends versuchte ich vergebens, zu schreiben.


Montag, 9. Feber:

-12°.

Fast hätte ich vergessen: Huber kommt ja heut aus dem Schönheitsalon. Ich darf nicht vergessen, sie mir anzuschaun.

Mittlerer Arbeitstag im Büro. Abends noch Arbeiten für mich.


Dienstag, 10. Feber:
-9°.

Früh alle "publikationen", die verschickt werden sollen, auf die Hietzinger Post gebracht.

Magistrat wegen Steuerermäßigung.

Kaufte mir 49 stories unterwegs (nur 80.- Schilling).

Viel Arbeit im Büro. Auch Hitchman zu Gast. Abends Weg in die Waidhausenstraße wegen der Steuerermäßigung. Wieder umsonst. Abends angenehm, 1 Story gelesen.


Mittwoch, 11. Feber:

Frost.

Arbeit, viele, im Büro.

Abends ein paar Wege mit den "publikationen" gemacht.


Donnerstag, 12. Feber:

Früh Fabrik-Geschichte fertiggeschrieben.

Brief von "Karl Dálava" abgesandt mittags.


Freitag, 13. Feber:

Letzter Bürotag.

Gnadengesuch der Rosenberg ist verworfen worden.

Briggi und Schick-Karli getroffen. Trübes und kaltes Wetter. -4°.

Nachmittags und Abends Arbeit über Arbeit. Unterbrach, bis Montag, mit einem Rückstand von 20 "EVE-Daten".


Samstag, 14. Feber:

Lang im Bett geblieben und Gondžarovs Roman "Oblomow" von der Mitte an gelesen. Psychologisch ist er nicht um ein Haar zurück hinter Sartre zum Beispiel. Dabei weiß er das tausendmal schwierigere Positive noch konkret und ohne jene traurige "Fadheit des Positiven" darzustellen.

Vormittag für daheim gearbeitet.

Dann Ausarbeitung und Reinschrift vieler Notizen. Neben dem "philosophischen" Kleinkram befaßte ich mich mit der Rekonstruktion eines Gedichtes.

Die Unterschrift der Fürsorgerätin in der Waidhausenstraße endlich eingeholt.

Nachmittag zu Polakovics. Fischer kam nicht. Nach der Reihe erschienen Laaber, Dabatschek und Dressler (ein junger Deutschprofessor, dem Polakovics seine Gedichte als unbrauchbar zurückgeben mußte). Sehr interessanter und unterhaltsamer Abend. Beschreibung des leergegessenen Tisches als Übung. Gutübersetzte Hokkus gelesen.

Maja sah japanisch aus. Weiße Blumen ins Haar hätten ihr gepaßt.

Erst 23,15 heimgefahren. Zwei Gürtel-Huren gesehen. Mehrere Besoffene am Flötzersteig. Schöner Schnee. Freute mich, daß morgen Sonntag ist.


Sonntag, 15. Feber:

Vormittag für daheim gearbeitet.

Viel geschrieben. Analysierte das Nichtgelingen eines Satzes, dann das Nichtgelingen eines Gedichtes, das Polakovics angeregt hatte.

Nachmittags verschiedene Notizen ausgearbeitet. Später getrunken, die alten Kurzgeschichten zu reparieren versucht. Aus Hemingway vorgelesen.

Abends das Stückerl übers Mädchen aus Unter-Laa begraben, da es keine Handlung hat und da die Situation keine Ansätze bietet für Folgerungen.

Die "arroganten Leute von der Stadtbahntreppe" repariert und wieder eingereiht, die Katzengeschichte zerrissen.

Mich bedrückt, daß morgen Montag ist.


Montag, 16. Feber:

Kalt in der Früh.


Dienstag, 17. Feber:

Abends bei Fritsch.

Über das Herrenmenschentum, die Relativität der Ethik und über die begrenzte und doch nie endende menschliche Bemühung gesprochen ...


Mittwoch

wieder ein kalter Tag. Früh Briggi und Karli getroffen. Karli hat ein Renaturierungsverfahren für denaturierten Alkohol gefunden und stellt im Labor reinen Alkohol auf solche Weise mit den Kosten von nur S 10.- her.

(Destillation mit Chloroform.)


Donnerstag:

18h zu Matejka, sehr freundlich, las schöne untendenziöse Gedichte von Becher. 1930 Weißenborns Trakl-Lesung in der Urania. Wieder Frieden geschlossen, auch mit Art- und Altmann sehr gut vertragen. Spät heim.


Freitag:

Szene von gestern früh fertiggemacht. "Veranstaltung unter freiem Himmel" - Lynchgespräche.

Frühlinghaftes Wetter.


Samstag:

+3°. Nach dem Büro Adamsgasse. Ziemlich über- anstrengter Gehirnzustand. Häßliche Tatsachen über Gerhards Leben mit Trude und die elende Behandlung seiner Mutter durch das junge Paar gehört.

Zu Polakovics. Dort waren Hakel, Danneberg, Dabatschek, Fischer auch.

1) Über Religion 2) Konkret über Autoren und Gedichte.

Spät heim.


Sonntag:

Kein. Differenzen wegen des politischen Einsatzes.

Vorher über Metaphysik und ganz vernünftig über das Thema: Der Reiz als Funktion des Gedichts.

(Durch Jandl angeregt. 2 Briefe von ihm gestern und vorgestern bekommen.)

1) Der Reiz ... schlechter Ausdruck für psychische Wirkung, 2) als Mittel zur Fesselung des Interesses der Leser. Nicht durch krumme Bilder (wie Jirgal, Dez. Heft "NW", schrieb ["heutige verdorbene Menschheit nur noch durch krumm herankommende Aussagen ansprechbar"]), sondern durch naheliegende Bilder. Die nur das "Unpoetische" *) an beiden Techniken sehen, machen keinen Unterschied in der Bewertung dieser beiden Techniken. Sie sehen schon die Aufnahme von Zeitgebundenem in das Gedicht als verrückt genug an, auch wo gegenüber dem Leben nichts vom Platz gerückt ist.

Reiz: zur Konkretisierung. Wesentlich, nicht zur Irritation in bloßer emotioneller Sphäre.

Gestern Spottgedicht gegen die Benn-Schule gemacht: Abend-ländisches Lied (bei geselligen Zusammenkünften mit Lemuren zu singen).


Elsies River (Südafrika.) Ein lieber Name.

Unbegabt Tagebuch geführt.

Zur Mitarbeit an der "Schau" wieder eingeladen worden. Im Radio (Wien) wurde ich oder werde ich gelesen werden. (50.-).

Heute war Wahltag.

Jandlbrief geschrieben.

Großen Wunsch nach einem Mädchen. Lynch-Prosa zerrissen.


Montag, 23. Feber:

Früh, wenn auch kühler, frühlinghaft.

Mit Karli gefahren.

Hätte Freude, wenn kein Büro wäre.

Frau Marchsteiner ärgert sich über das Vorfrühlingwetter, weil sie Kopfweh davon kriegt.

Huber hat jetzt einen Italiener. Sie zieht sehr viel verschiedene Sachen an, trägt teure Schuhe und sucht die Schönste im ganzen Land zu werden.

Erst am unwirtlichen (kalten) Abend aus dem Büro gekommen.


Dienstag, 24. Feber:

Früh ein Gedicht versucht:

Wo er eigentlich nicht viel zu suchen hat,
Spielt wie ein Kind auf dem warmen Asphalt
Und macht alles so neu und ist so uralt."

...

...


Mittwoch, 25. Feber:

Früh wieder etwas versucht:

"Die Plakatwände haben den Krieg von unlängst vergessen.
Wehrlos nehmen sie die neuen Anschläge hin
Die uns zum Besuch der Kasernen-Lustspiele laden
.....
.....
.....
Ich sehe der Errichtung von Wehrertüchtigungsbahnen im Prater
Sorgenvoll entgegen."

Es sind jetzt schöne Tage. In die Bürofenster scheint die Sonne. Zu Mittag liegt ihr Schein über den Straßen der Stadt.


Donnerstag

Früh eine Geschichte versucht. Dann unproduktiv geblieben.

Traf Briggi. Unterhielten uns lebhafter als ich befürchtet hatte. Der Mann, den sie wird heiraten, ist russischer Jude (wenngleich amerikanischer Staatsbürger).

Huber verkauft sich nunmehr für S 600.- monatlich.

Abends Altmann in seiner Junggesellenwohnung in der Fasangasse besucht. Seinen halb lyrischen Kurz-Roman gelesen.

Über Mädchen, Schriftstellerprobleme ganz schwungvoll
gesprochen.


Freitag, 27. Feber:

Schöner Morgen.

Mittags in der Innern Stadt spaziert. Ich war müde und mußte viel arbeiten.

Huber ging abends das erste Mal huren. (Die andere Kollegin, Frau M., hatte ihr geraten, sich nicht unter Schilling 1500.- monatlich hinzugeben.)

Montag wird unser Keller gehoben werden. Wir müssen ihn deshalb morgen ganz ausräumen. Ich bin traurig, weil ich um ein Stückerl Wochenende komm.


Samstag, 28. Feber:

Viel Arbeit im Büro, besonders gegen Mittag.

Viel Post wartete daheim auf mich. (Zeitschriften und wieder ein Brief von Jandl.)

Mittags wurde ich im Radio gelesen. ("Erste Sonnenwärme".) Das Wetter stimmte gut dazu.

Nachmittag einen Artikel geschrieben gegen Wiesfleckers "Querschnitt" in den "Neuen Wegen". (Erstmals wieder erfolgreich versucht, zu schreiben. Gute Stimmung.)


Sonntag, 1. März:

Weil Sonntag war, verregnet. Vormittags gearbeitet.

Artikel für "Neue Wege" hergerichtet, auch Henneberg geschrieben. "Abendländisches Lied" und "Aschenbecher-Serie".

Müßte für Hakels "Schau" auch was schreiben.

Die Zeit ist viel zu kurz.

Abends intensive Gedanken

über das Gedicht.

Montag, 2. März:

Mama sprach gestern sehr treffend einen meiner Hauptgedanken aus: "Du solltest dir für dein freies Geld Gehirne kaufen können."

Heute (anders als gestern) schöner blauer Morgen.

Der Reim verlangt meistens die Aufopferung der Erlebenstreue oder zumindest der Konzentration von erlebenstreuen Stellen im Gedicht.

Er hat andererseits den Vorteil, daß er auch aus Substanzlosigkeit noch "was machen" kann; während substanzlose ungereimte Gedichte von vornherein der Lächerlichkeit preisgegeben sind.

Es ist sehr bequem (und wird von den meisten geachteten Dichtern geübt), sich vom Reim treiben zu lassen. Der Reim ist der Freilauf des Gedichts. Wenn man ihn im hügeligen Land anwendet, kommt man nur zufällig ans Ziel: wenn das Dorf, das man erreichen will, gerade am Fuß des Gefälles liegt, das vom Anfangspunkt des Gedichtes ausgeht.

Abends kam Artmann und erzählte mir sehr viel.


Di, 3. März:

mittags (bei sehr schönem Wetter) einen kurzen Besuch in der Art Club Galerie gemacht. Hundertwasser mit einem wahrscheinlich unecht infantilen "Auto mit roten Regentropfen"; Abstrakte, Grob- ↓Badestrand und Fein-Chaotische. ↓Lehmden. (Ich nannte es Morchelmalerei; auch erinnert sein Bild sehr an den verbrannten Lehrer Lempel von Busch.)

Kubin, der in eine andere Welt zählt.

Vor allem: Matisse mit sehr farbenfrohen, intensiven Bildern, auch einem raffinierten Akt und geordneten Zeichnungen.

Kriesch dort getroffen. Diskutiert.

Abends in den "Strohkoffer". Englisches Interview mit zwei bolivianischen Malerinnen. Mit der Ruhe von Äquatorbewohnerinnen sitzen sie den größten Teil der Zeit im Strohkoffer und bewachen ihre Bilder.

Heiß und ein bißchen benommen die Kärntnerstraße hinauf, zum 62-er, gegangen.

Zu Fritsch gefahren.

Gesprochen über Hakel, die Bolivianerinnen, die Phrase. (Man müßte den Wortschatz überhaupt wissenschaftlich untersuchen: Entstehung der Phrasen, Aneignung von Phrasen und Wörtern, Ort und Häufigkeit der Verwendung.)

Kommunisten, sagt er, erkennt man am Wort "konkret" oder dem rhetorischen Frage- und Antwortspiel. (Z.B.: "Wie ist die wirtschaftliche Lage Österreichs? Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist .....") Es ist * für den Leser der "Furche". klar, daß Wörter wie "Gespräch", "Zusammenschau", "Klitterung" (!!) von den Rechten Intellektuellen bevorzugt werden.


Mittwoch, 4. März:

Früh Einfälle. Trüberes Wetter. Unterwegs hörte ich, daß Stalin der Schlag gestreift habe.


Donnerstag, 5. März:

Früh an der Niederschrift des Interviews weitergearbeitet. Aprilwetter.

Noch keine neuen Nachrichten über Stalin.

Wieder mit Schik-Karli gefahren. Heute ist schon Donnerstag, ich fühlte schmerzhaft stark, wie man seine Lebenszeit .

Sehr müde.


Freitag, 6. März:

Stalin tot.

Früh Interview fertiggeschrieben roh.

Hellerer Tag im Büro. Mittags sinnlos zur RAVAG gefahren.

Abends: In der "Zeit", Hamburg, interessanter Eisenreich-Artikel und eines meiner Gedichte . Wein.

Träumte von zwei Büchern: 1) Eine brutale Vergewaltigung und der darauf folgende Beischlaf, in den Handlungen, in den Gedanken beider Menschen gesehen, mit realistischen Erklärungen, psychologischen Bemerkungen und . 2) Ein analoges Buch über die Liebesnacht zweier Liebender, die einander fad zu werden beginnen; die Frau bemüht sich aber, den Mann mit allen erdenklichen Reizen zu halten.

Samstag, 7. März:

Nach dem Büro mit seinen ekelhaften Intrigen schrieb ich zuhaus das Bolivianische Interview fertig. Dann zu Polakovics gefahren. Mißlungener Abend, aber ohne böse Laune bis 23,30 Uhr dortgeblieben.

Den Bolivien-Artikel zerrissen.


Sonntag, 8. März:

Rückkehr der Kälte! Schnee fiel.

Ordnungen, Reinschriften, Ausarbeitungen.

Ein harmloses "Märchen" geschrieben.


Mo, 9.3.

Nichts als Arbeit.

Bauer wieder krank.


Di, 10.3.

Aprilwetter. Kleine Schneestürme. Im Büro heute übersichtlichere Arbeit.

Abends beißende Kälte. Schwarze Wolkenwand, aus der der Nordwind fährt.

Abends: boliv. Artikel neugeschrieben.


Mi, 11.3.

Wieder kalter Morgen. Früh boliv. Artikel fast fertig, diesmal gut. Im Büro Artikel fertiggeschrieben, freundlicher Abend, Reinschrift.


Do, 12.3.

Schon wieder Donnerstag! Artikel express an Hakel abgerichtet.

Starre Kälte im Vorfrühling macht uns besonders ungeduldig.

Sehr anstrengender Tag im Büro. Wieder der Gedanke, die "publikationen" aufzugeben. Für abends war ich mit Altmann verabredet.

Ich traf ihn aber nicht mehr an. Er ist aus dem Kabinett, wo er in Untermiete gewohnt hatte, fortgezogen und hat keine Adresse zurückgelassen.

Komödiantisches Schneegestöber über der Stadt. Dichter Schnee aber, der liegen bleibt, vom Flötzersteig aufwärts.


Fr, 13.3.

Ich möchte so gern ein Schweinernes sein. Da könnt ich in der Auslage liegen und mir lang den blauen Himmel anschauen.

-8° früh. Herrlich blauer Himmel. Früh das "Märchen" in die endgültige Form gebracht.


Sonntag, 8. März:

Sa, 14.3.

Früh Phaidon-Ausgabe von van Gogh gekauft.

Kunschak †. Der Rektor der Universität †. Gottwald liegt im Sterben.

Verlangte im Büro vernünftige Einteilung meiner Arbeit. Montag wird wieder ein scheußlicher Tag werden.

Durch Auflösung der "publikationen", Radiohonorar und 100.- (Geburtstag) erstmals wieder etwas freies Geld.

Herrliches Wetter. Mittags taute es.

Nachmittags ausgeruht.

Gottwald gestorben.


So, 15.3.

Sehr müde. Zweifelte daran, daß ich heute zu irgendwelchen Ergebnissen kommen würde.

Mit einer Denkaufgabe sichere S 500.- gemacht. Ergebnislos versucht, zu schreiben.

Nm. Säuberungen in der letzten "Philosophie"-Mappe.


Mo, 16.3.

Wieder kalt ...

Früh Brief an Polakovics und noch mehrere andere Arbeiten.


Mo 16 3:

früh Briggi getroffen.

Viel Arbeit im Büro. /Abrechnungen./ Abends Zeitungen.


abends Mo/Di früh:

Gedanken über das "unmittelbare" Gedicht, zum grossen Teil quälende Gedanken.

a/ über seinen Verlust b/ über die Schwierigkeit, es und seine Voraussetzungen festzulegen.

Di abends:

Stegergespräch, vergeblicher Besuch bei den Bolivianerinnen, danach sehr müde. Zu Fritsch, wieder lebhafter in Gedanken gekommen. /Gespräche über die Entwicklung der jungen Nachkriegsautoren - die kollektive und die der einzelnen Persönlichkeiten./


Sa:

erster Frühlingsnachmittag /Adamsgasse, dann zu Kein/.

Vor allem über Jandl-Thema gesprochen.


So:

bei Jirgal. Erster frühlinghafter Tag. Jirgal ist an Südfrankreich fast geisteskrank geworden; ich werde mit dem hiesigen Frühling schon nicht fertig. Ich bin draufgekommen, dass der Zeitmangel das grösste Hindernis des intensiven Lebens ist. Alle psychischen Verkrampfungen lassen sich bei einem bisschen Zeit wieder lösen.

Musste den ganzen Tag über /fast schon mit zusammengebissenen Zähnen/ meine Rückstände in Ordnung bringen, vor allem den Jandl-Brief machen, der von 14 bis 20 Uhr nicht fertig wurde.


23, 24 3 53 Mo, Di:

Jandl-Brief. Kühle Morgen. Seit Sonntag gehe ich schon im leichten Mantel. Ausserhalb der Stadt klar, in der Stadt neblig. Montag am Abend zum ersten Mal in diesem Frühling beim Fenster gestanden. Die Freundlichkeit dieser Wohnung empfunden.

Aufgearbeitet.


Di:

früh unterwegs Sonja vom Institut.



Di:

Einfall: "Misslungene gute Gedichte" mit Analysen.


Mi:

Abends zu Hofmann ins Dom-Café /Art Club-Galerie/. Der Raum gefällt mir viel besser als der Strohkoffer. Erzählte Hofmann vom "Eingehen" der "publikationen”. Sie war sehr freundlich. Ich sah mir noch einmal genauer Matisse an. Dann sprach ich "Minchen" vom Art Club, die den Saal bewacht, an. Unterhielten uns übers Gedeihen des Art Clubs. Sie betonte übrigens, dass er nicht von Mautner-Markhof subventioniert wird, wohl aber aus öffentlichem Geld.

Ueber Hofmann, Maler, das kindliche Farbensehen gesprochen, sehr sympathisches Gespräch.

Ziemlich am Abend, laues Wetter, heim.


Do 26 3:

im Büro müde.

Abends Briggi getroffen, frühlingshaft, roter Mantel /vorgestern lichtbraun/. Daheim Wein. Von den NW erstes Honorar seit langer Zeit /wenn auch nur für eine "Leserzuschrift"/. S 44.-- Ich habe jetzt ein bisschen Geld bei mir.


Fr früh

Holthusen gelesen. Kaltes Wetter angekündigt. Es ist auch schon trüb.

Im Büro stehen die Sprech- und Abhörapparate nun in Betrieb.

Wir sind heute der Gewerkschaft beigetreten.

Der Direktor sagt, die Bemerkungen unserer beiden unmittelbaren Vorgesetzten über uns reissen nicht ab.

Abends Wiesflecker besucht. Er erzählte mir von Literatenintrigen /so: eine sehr unsaubere Geschichte über Brigitte Kahr/ und von der Frankreich-Reise.

Dann sprachen wir über die Verpflichtungen des Schriftstellers.

Den Anfang von Wiesfleckers Roman gesehen. Wiesfleckers Stil wird mit der Zeit fester.

Es regnete am Abend leicht.


Sa 28 3:

Artikel für die "Schau" über den Adrienne-Prozeß geschrieben.


So 29 3:

Fertiggeschrieben. Fenster geputzt. Ordnungen, besonders in der alten Philosophie-Mappe. Viel gedacht und gesprochen.


Mo 30 3:

Morgens ungern im Büro.

Es ist warm, der Himmel ist klar, das Gras steht schon grün, in den Parks keimen die Forsythien.

In das Bürozimmer scheint am Morgen die Sonne.

Weniger zu tun.

Abends Briggi (die ihr Haar schon wieder anders trägt; diesmal à la Spatzennest) getroffen.

Nach dem Essen mit Mama um die Steinhofer Mauer, zum ersten Mal dieses Jahr, spaziert.

Görlich sandte Gedichte für die "publ." ein.

Verlag in Klagenfurt sandte meine Gedichte des schon festgelegten Verlagsprogramms wegen zurück.

Es ist aber möglich, schrieben sie, daß sie sich wieder an mich wenden werden.

Osterbier getrunken.

Immer großen Wunsch nach einem Mädchen.


Di, 31.3:

Früh konnte ich für mich arbeiten.

Abends Fritsch (Benn und der Jugendstil, Fehlen der Weltanschauung bei den modernen Dichtern. Psychologie des "ersten Gedichtes" und der Wendepunkte in der Entwicklung des Dichters ...).


Mi, 1.4.:

Brigitte Kahr in den April geschickt.  Büro: Ärger. Abends Glossen für die "Schau" geschrieben.


Do, 2.4.:

Weiter geschrieben.

Die Büsche des Parks werden grün.

Abends Glossen zu Ende.


Fr, 3.4.:

Karfreitag.

Frühlingsmorgen.

Durch das Grün scheint die Sonne gelb. Der Himmel ist blau, in der Richtung der Sonne glänzt er fast weiß.

Im Büro schon Osterstimmung. Vor dem Weggehen noch drei Briefe ("Postarbeit") an Americatrans.

Abends, wie zerschlagen und trotzdem versuchend, den Frühling einzusaugen, um die Steinhofer Mauer mit Mama.

Ein überwältigendes Bild die beleuchtete Stadt weit bis Hütteldorf hinüber mit ihren zehntausenden Fenstern am Abend.


Sa, 4 4:

Früh bei schon starker Sonne von der Linzerstraße die Wäsche geholt.

Viele Korrespondenzen. Später nachmittags damit Schluß gemacht.

Bier vom Kaffeehaus geholt; es geht zu den Schnitzeln.


So 5 4:

Ostersonntag, geschrieben Nachmittag "Don Camillo und Peppone. Ein ausgezeichneter Film.


Mo 6 4:

Wegen Wolkenwetter früh nicht mehr geschrieben, gescheit.

Kein. Zweiter Teil (wie immer) des Gesprächs interessant. Über Beschränkung des Themenkreises durch den beschränkten Erlebniskreis.

Über Plakate, den Kitsch, die Ironie, das x allzu Allgemeine und das Vage.

Mo nm:

Nichts Wesentliches. Aber zuhaus viel geredet. Zu schlag worthaft.

Abends über meinen Stillstand seit eineinhalb Jahren nachgedacht, mit dem Gefühl, es ist eine unleistbare Arbeit.


Di 7 4:

Wieder Büro.

In der Früh Briggi getroffen, die sich seit den eineinhalb Jahren weißGottwie entwickelt hat.

Abends Art Club, um Artmann eine Nachricht zu hinterlassen. Es war aber niemand dort.


Mi 8 4:

Früh im Bett eine Geschichte geschrieben (Sonja).

Recht kühles Wetter.

Im Büro schlägt die Arbeit über allen zusammen. Witzmann seit Montag fort, Steger seit heute.

Abends Art Club. Hörte vom Streit um das "Dichter-Brett" zwischen Art Club und Hakel (!).

Daheim Post: Gewerkschaft (bin also seit 1.4. dabei), "Neue Wege", Aprilheft, mit meinem Artikel (aber unter meinem Namen, gegen die Abmachung). Auch die Photos kamen vom Kopieren. Abends noch ein bißchen gearbeitet.


Do 9 4:

Abends Blitzgerät und Heftmaschine "Maus" gekauft. Habgierig.


Fr 10 4:

19h Hakel. Besprechung der "Schau" im Art Club.

Sehr angenehmes Lokal, man kann dort einsam sitzen oder nett reden; ungestört.

Die Besprechung ergab natürlich nichts (nur Lärm von Milo Dor, Leinfellner, Merz).

Wir (Kein, W. Fischer, ich) blieben nachher und sprachen dann interessant. (Notwendigkeit der Bildung für den Lyriker. Der kultivierte Lyriker und der naive-eruptive.)

Regen. Durch die nasse Stadt heim.


Sa 11 4:

Nach dem Büro, in dem wieder irrsinnig viel zu arbeiten ist, heim. Schönes Wetter. Ich schrieb "Sonja" und "Sisyphos" in der endgültigen Fassung ins Reine.

Sehr ausgeruht, hatte es auch nötig.


So 12 4:

Vormittag bei Jirgal.

Wollte durchbrechen, noch immer nicht gelungen. Bei ihm gehe ich am wenigsten aus mir hinaus. Es müßte eigentlich zu machen sein.

Herrlich schöner Tag, aber kalter Wind stört die Sonne beim Wärmen.

Nachmittags Korrespondenzen, Tagebuch.


So 12 4 nm., Mo 13 4:

Aus dem Ärger über ein Radiolied ein Gedicht gemacht. Montag wurde es fertig.

Bei "Problem-Gedichten" x mit starkem gedanklichem Konzept sieht man oft erst dem fertigen Produkt die Gültigkeit an.

(Denn hier ist das Konzept unanzweifelbar, die Erfüllung zunächst anzweifelbar, während das aus dem undurchleuchteten oder auch nur unarrangierten Gefühl unmittelbar dargestellte Gedicht unanzweifelbar ist wie ein Konzept.)

Honorar DM 40.- kam, ganz unerwartet. ("Die Zeit", Hamburg.)


Di 14 4:

2 Fotoaufnahmen im Büro.

Abends zu Fritsch: Über die Gefahr des ambivalenten Romans, über die Klischees, über die noch unformulierbare künftige Weltanschauung, gesprochen.

(Kann von den Gesprächen leider nichts niederschreiben, weil ich mich aus Zeitmangel mit nichts breiter befassen kann. Mittwoch nachmittags.)


Mi 15 4:

früh: ein paar Notizen vom gestrigen Abend. Möchte gern mit meinen Freunden eine neue Offensive, diesmal eine essayistische, in den "Neuen Wegen" beginnen.

bürofrei gemacht, krank. Kafkas "Erzählungen" gekauft. Nachhause gekommen, ins Bett gelegt. Kafka gelesen. Seit wie langer Zeit eine vollkommene Prosa!

"Josefine, die Sängerin", zum Beispiel, nicht übertrefflich.

Angenehm ausgeruht.

Früh Sonja ein zweitesmal getroffen. Redete diesmal mit ihr. Auslagen während des Heimwegs angeschaut. Nachmittag im Bett Wermut, Sonnenblumenkerne, Radio.


Do 16 4:

Die Kälte nimmt kein Ende. Nur +4°. Angekündigt ist Abkühlung bis 0°.

Öder Tag. Im Büro viel gearbeitet. Abends Zahnarzt, aber erst Voruntersuchung.

Brief an Kein wegen Rückkehr zu den "Neuen Wegen" geschrieben.


Fr 17 4:

Besserer Tag.

Abends Sprung in den Art Club. Mit Haller gut, bis ein toter Punkt bei mir eintrat, philosophiert.


Sa 18 4:

Nach lebhaftem Büro nachmittags Korrespondenzen. Wärmeres Wetter. Bier.


So 19 4:

Früh Sartre (nur zweiten Teil des Romans [von Fritsch entliehen]) gelesen.

Wärmerer Tag. Kein kam. Artmann setzt "publ." fort. Viel hin und her erwogen. Nix mit Mitarbeit an NW. Beiderseits aus.

Nachmittags nach Zuhausegespräch kam Artmann, fast erwartet. Freundschaftlich gesprochen. Bald aber ging er.

Beim Wirt war Gedränge diesmal, endlich bekam ich den Wein.

Kafka gelesen, Radio gehört, ausgeruht durch Flüchtigkeit und Fehlen von Absichten (gestern auch viel dafür gearbeitet).


Mo 20 4:

Aus dem Gedicht von gestern Abend (improvisiert, aber nicht durchgehalten) bisher nichts geworden.

Ungern ins Büro.

Früh Gedanken über die "aktivistischen" Gedichte.

Abends hatte ich mich ursprünglich in den Art Club setzen wollen, um zu schreiben, dann aber war ich zu müde und fuhr lieber nachhause.


Di 21 4:

auch noch kalt. Aber blau. Schreibmaschine reparieren lassen.

Autobusfahrt (Innere Stadt) bei diesem Wetter ist schön.


Mi 22 4:

Früh schon wärmer.

Blauer Himmel, schön.

Wieder aus der Ordnung gebrochen; heute könnte ich gut schreiben.

Bürozeit verging rasch. (Ich habe freilich getrübte Freude daran, weil sie Lebenszeit ist.)

Abends im Art Club konnte ich nicht schreiben (Änderung in meiner Kurzgeschichte um die arroganten Leute), denn lebhafte Besprechungen wurden dort geführt von Malern, mit denen auch ich anfangs geplaudert hatte.

Abends Post vom "Briefmarkendoppler" und von Schmied und Jandl. Antwort an Schmied noch konzipiert.


Do 23 4:

Warmes Wetter wird angekündigt. Bei geschlossenem Fenster sieht es aus wie im wärmsten Frühling. +5° früh.

Schmied geschrieben. Ordnungen.

Abends zu müde, in die Urania zur Weissenborn-Lesung zu gehen, und, in mein Schicksal ergeben, heimgefahren.


Fr 24 4:

Ich muss doch festhalten, dass das Meinl-Plakat gut ist: Gegen hellblauen Grund der bekannte Mohrenkopf, vereinfacht als Kaffeebohne und Flüssigkeitspiegel, mit dem roten Fez, dem Einschnitt der Kaffeebohne als weiss lachendem Mund, in weisser leichter Tasse; darüber nur die Worte "ich bin's".

Schaute unterwegs Frauen an: mir fiel der Unterschied ein zwischen dem Eindruck, den sie auf Knaben machen mögen, und dem Leben, das sie wirklich führen.


Sa 25 4:

Freier Samstag. Vormittag, als ich auf die Linzerstrasse ging, scheinte noch warm die Sonne. Später, als ich auf die Wiese wollte, wurde es windig, und Wolken kamen. Ich ging trotzdem aus, musste aber, auf der Wiese angelangt, gleich umkehren.

Es regnete schon.

Zuhause zornig wegen des schlechten Wetters. Auch zornig, weil ich fühle, dass ich keinen Gedanken fassen kann:

Ueber jedes Ding habe ich anscheinend zwei Meinungen. Jede dieser beiden Meinungen reagiert auf eine von aussen kommende gegensätzliche Meinung mit leidenschaftlichem Zorn. Diesen Zorn nehme ich nicht übel, denn ich erhoffe mir von ihm den Schwung zu positiver Arbeit über das Thema. Sogleich aber, wenn ich mich mit dem Thema intellektuell befasse, entgleitet mir die ursprüngliche Stimmung, die gewiss die richtigen Argumente einkapselt, sodass ich mich mit mühsam herbeigeschleppten Argumenten begnügen muss, mit einem Höchstgefühl an Ekel und Misstrauen. Alsbald stellt sich verlässlich die Antithese in mir ein.

Keine Korrespondenz-Rückstände. Ich nahm mir vor, wenn schon nicht unter freiem Himmel, so doch zuhause auszuruhen. Nachmittag arrangierte ich eine "neoveristische Aufnahme".

Froher Abend.


26 4 53:

Der Frühling ist da; es ist aber, als dürfte er nicht frei arbeiten.


So 26 4:

Trotz ein wenig verschleiertem Wetter auf die Wiese gegangen, den Vormittag lang gesonnt.

Früh Idee zu einer Kurzgeschichte, dann aber, auf der Wiese, an einem langen Gedicht geschrieben.

Nachmittag trübes Wetter.

Weiter gearbeitet.


Mo 27 4:

Trüb, sogar Regen.

Schlechter Tagesanfang. Ich fürchte mich vor dem Büro und dem Zahnarzt.

Dann ist doch beides vorübergegangen.

In der "Presse" schimpft Habeck auf Eisenreich /"junge österr. Autoren in Hamburg"/, in der "Furche" tadelt Fiechtner Toman. In einer anderen Zeitung ist ein schönes indisches Mädchen abgebildet.


Di 28 4:

Der Morgen beginnt mit Regen. Schwieriger Tag im Büro. Freundlicher Abend. Brief an Fiechtner entworfen. Jeden Brief, den ich in letzter Zeit schreibe, muss ich gleichsam meisseln: Mein Stil ist unerträglich.


Di 28 4 53 früh

Ich bin bis zur Verzweiflung unzufrieden über den Verlust der Unmittelbarkeit.

Das Bild von den "Elephanten" zum Beispiel ist ein sekundäres, intellektuelles Bild. Es ist kein Bild, das an sich in jemandes Leben eine Rolle spielt, wenn auch der Gedanke es tut, der dem Bild zu Grunde liegt.

/später:/

Stimmungen lassen sich nicht synthetisieren.

Also muss man zur Herstellung eines Gedichtes, das Stimmung enthalten soll, von einer Stimmung und nicht von einem Thema ausgehen.

Sekundäre, intellektuelle Bilder /nur rhetorische Verdeutlichungen/ zeichnen sich durch ihre Stimmunglosigkeit aus. So berühren sie nur die intellektuelle Sphäre im Leser und wirken unsinnlich.

Stimmung im künstlerischen "Bild" ist wahrscheinlich notwendig zu seiner Bildwerdung im Leser.


/später:/ /29 4 53/

Man "Elephanten-Gedicht" die Stimmung vielleicht doch nicht absprechen. Sie ist nur nicht auf das tragende Bild zentriert, auf das Bild der "Elephanten", sondern vermutlich auf den Gegensatz zwischen den idyllischen und jenen Anteilen der Szene, die meine Satire herausgefordert haben. /Dieser Gegensatz ist und nicht mehr intellektuell. Denn mich zerrt diese Dialektik, im Gedicht spürbar, mit./


für Tagebuch und Philosophie Mappe (?)
Mi 29 4:

An Kein ist der Auszug ins intellektuelle Gedicht noch deutlicher als an mir zu beobachten. Man merkt es vor allem an den unerlebten Landschaften.

Im Büro lebhafte Arbeit, aber die Spannung hat etwas nachgelassen.

Abends wieder in unzufriedenen Gedanken befangen:

Meine Sätze sind nicht stichhaltig. Besonders in den Briefen hören sie sich "lehrhaft" an, dabei sind sie wie "Lehren", die ein Kind erteilt. Sie sehen "wichtig" aus, aber so, wie wenn ein Kind etwas und dadurch sich wichtig nimmt. Unregelmäßigkeit: Einmal geschwätzig, einmal karg (wenn geschwätzig, so unbeholfen; wenn karg, so geschraubt. Keinen Ton kann man mir glauben; es ist, als spräche ich nie einen wahren Satz).

Für Gefühl fehlt mir der Ausdruck vollkommen. Logik habe ich keine. Erzählen kann ich nicht. Meine Formulierung wirkt manchmal prägnant. Dann sieht man nach, und man entdeckt, daß alles in ihr enthalten ist außer dem Wesentlichen.

Wenn ich rein dumm wäre. Aber ich merke meine Möglichkeit. Vorstellbar aber unausführbar.


Do 30 4:

Früh Notizen.

Kalt. Keine Aussicht auf schönes Wetter für die drei freien Tage mehr.

Viel Arbeit.

Zeitig am Nachmittag aber machten wir Schluß.

In die 16 Uhr-Vorstellung ins Künstlerhaus-Kino gegangen: "Le Plaisir" nach drei Novellen von Maupassant. Mittlere gefiel mir eigentlich am besten (Ausflug der "Freudenmädchen" zu einer Erstkommunionfeier auf dem Land). Froh, das Stück gesehen zu haben.

Danach Regen.

In der Straßenbahn Briggis Vater getroffen. Der erzählte, daß Briggi heute nach Spanien gefahren ist.

Abend daheim.

Zeitschriften angeschaut.


Tagebuch

1953

AOk

260

Tagebuch

von ... Di, 3 2 53

bis ... Do, 30 4 53

Dienstag, 3. Feber 1953:

Abends (nach ermüdendem
Tag) bei Fritsch. Wir
unterhielten uns über
die Voraussetzungen
guter Epik.

Schnee fällt fort und
fort.


Mittwoch, 4. Feber 1953:

Abends nach viel
Tagesarbeit zu Polakovics.
Dort war wieder Dabatschek, und ich lernte
Otto Laaber kennen.

Gute Arbeiten von beiden
wurden vorgelesen.

x) Im Gegensatz zu Erich Fischer ein versprechender
Autor, von dessen "Ismene" Hakel aber auch wir
freudig überrascht worden sind.
W. Fischer kam bis jetzt
noch nicht.

Polakovics war im ersten Teil
des Abends sehr schwungvoll
(er fühlt sich wohl in
diesem neuen noch un-
verbitterten Kreis; auch
auf mich färbte die Freude
über das, worüber woran
man nicht mehr zu
glauben wagtegewagt hatte, ab).

Später bekam Polakovics Kopf- und Augenschmerzen,
die den Abend trübten.


Donnerstag, 5. Feber:

Sehr viel Arbeit im
Büro. Die letzten Tage
gab es viel Streit
zwischen Huber und
ihren Kollegen.

Huber hat in den
letzten Wochen ihren
"Freund" verloren,
und die Leute im
vom
Büro bekommen
das sehr zu spüren.

Diese Frau kann nicht traurig
sein sondern nur bissig, und
wenn sie Liebeskummer hat,
schimpft sie (was sie auch
sonst tut. Es ist nur ein
Quantitätsunterschied.).
Denn wenn sie liebt, liebt
sie nur mit den Nerven
und mit dem Stolz.










Abends kam ein
Rundschreiben von
Prof. Dobretsberger.


Freitag, 6. Februar:

Früh: zeitig auf. Gute Laune.
Konnte noch mehrere
Arbeiten früh erledigen.

Unterwegs Briggi getroffen,
die heute abend auf
ein G'schnasfest geht.
Sie trägt jetzt eine Zipfel-
mütze aus grellblau
gefärbtem flaumigem
Fell, das ihr ein bißchen eine verschwommene
Kontur gibt.

Nach arbeitsreichem Tag
im Büro ein schöner
Abend zuhaus.


Samstag, 7. Feber:

-10°.

Nachmittags kam Kein.
(Statt morgen vVormittag.)
Art Club wird vom
Gschnas gesäubert
werden, ein neues Lokal
ohne pseudo-pariserische Kulisse erhalten. In
diesem Lokal werden
auch Gedichte als
"Wandzeitung" ange-
schlagemn werden.
Gab einiges dazu her
nach einigem Widerstand.

Artmann soll mir nicht
feindlich gesinnt sein,
hör ich von Kein.

Angenehmer Abend.


Sonntag, 8. Februar:

Arbeitstag für mich.
Briefe, "publikationen"-
Versand.

Schnee fällt.

Abends versuchte ich
vergebens, zu schreiben.


Montag, 9. Feber:

-12°.

Fast hätte ich vergessen:
Huber kommt ja heut
aus dem Schönheitsalon.
Ich darf nicht vergessen,
sie mir anzuschaun.

Mittlerer Arbeitstag im Büro.
Abends noch Arbeiten
für mich.


Dienstag, 10. Feber:
-9°.

Früh alle "publikationen",
die verschickt werden
sollen, auf die Hietzinger
Post
gebracht.

Magistrat wegen Steuer-
ermäßigung.

Kaufte mir
49 stories unterwegs
(nur 80.- Schilling).

Viel Arbeit im Büro.
Auch Hitchman zu Gast. Abends Weg in die
Waidhausenstraße
wegen der Steuerermä-
ßigung. Wieder
umsonst. Abends angenehm,
1 Story gelesen.


Mittwoch, 11. Feber:

Frost.

Arbeit, viele, im Büro.

Abends ein paar Wege
mit den "publikationen"
gemacht.


Donnerstag, 12. Feber:

Früh Fabrik-Geschichte
fertiggeschrieben.

Brief von "Karl Dálava"
abgesandt mittags.


Freitag, 13. Feber:

Letzter Bürotag.

Gnadengesuch der
Rosenberg ist verworfen
worden.

Briggi und Schick-Karli
getroffen. Trübes und
kaltes Wetter.   -4°.

Nachmittags und Abends Arbeit über Arbeit.
Unterbrach, bis Montag,
mit einem Rückstand
von 20 "EVE-Daten".


Samstag, 14. Feber:

Lang im Bett geblieben
und Gondžarovs Roman
"Oblomow" von der Mitte
an gelesen. Psycho-
logisch ist er nicht
um ein Haar zurück
hinter Sartre zum
Beispiel. Dabei weiß
er das tausendmal
schwierigere Positive noch konkret und
ohne jene traurige
"Fadheit des Positiven"
darzustellen.

Vormittag für daheim
gearbeitet.

Dann Ausarbeitung
und Reinschrift vieler
Notizen. Neben dem
"philosophischen"
Kleinkram befaßte
ich mich mit der
Rekonstruktion eines
Gedichtes.

Die Unterschrift der
Fürsorgerätin in der
Waidhausenstraße
endlich eingeholt.

Nachmittag zu Polakovics.
Fischer kam nicht.
Nach der Reihe erschienen
Laaber, Dabatschek
und Dressler (ein
junger Deutschprofessor,
dem Polakovics seine
Gedichte als unbrauch-
bar zurückgeben mußte).
Sehr interessanter
und unterhaltsamer
Abend. Beschreibung des leergegessenen Tisches
als Übung. Gutübersetzte
Hokkus gelesen.

Maja sah japanisch aus.
Weiße Blumen ins Haar
hätten ihr gepaßt.

Erst 23,15 heimgefahren.
Zwei Gürtel-Huren gesehen.
Mehrere Besoffene am
Flötzersteig. Schöner
Schnee. Freute mich,
daß morgen Sonntag
ist.


Sonntag, 15. Feber:

Vormittag für daheim
gearbeitet.

Viel geschrieben.
Analysierte das Nicht-
gelingen eines Satzes,
dann das Nicht-
gelingen eines Gedichtes,
das Polakovics angeregt
hatte.

Nachmittags verschiedene
Notizen ausgearbeitet.
Später getrunken, die
alten Kurzgeschichten zu reparieren versucht. Aus
Hemingway vorgelesen.

Abends das Stückerl
übers Mädchen aus
Unter-Laa begraben,
da es keine Handlung
hat und nicht einmal
da die Situation keine
Ansätze bietet für
Folgerungen.

Die "arroganten Leute von
der Stadtbahntreppe
"
repariert und wieder
eingereiht, die Katzen-
geschichte
zerrissen.

Mich bedrückt, daß
morgen Montag ist.


Montag, 16. Feber:

Kalt in der Früh.


Dienstag, 17. Feber:

Abends bei Fritsch.

Über das Herrenmenschen-
tum, die Relativität der
Ethik und über die
begrenzte und doch nie endende menschliche
Bemühung gesprochen ...


Mittwoch

wieder ein kalter Tag.
Früh Briggi und Karli
getroffen. Karli hat ein
Renaturierungsverfahren
für denaturierten
Alkohol gefunden und
stellt im Labor reinen
Alkohol auf solche
Weise mit den Kosten
von nur S 10.- her.

(Destillation mit Chloroform.)


Donnerstag:

18h zu Matejka,
sehr freundlich, las
schöne untendenziöse
Gedichte von Becher.
1930 Weißenborns
Trakl-Lesung in der
Urania. Wieder Frieden
geschlossen, auch mit
Art- und Altmann
sehr gut vertragen.
Spät heim.


Freitag:

Szene von gestern früh
fertiggemacht.
"Veranstaltung unter
freiem Himmel
" -
Lynchgespräche.

Frühlinghaftes Wetter.


Samstag:

+3°. Nach dem
Büro Adamsgasse.
Ziemlich über- anstrengter Gehirnzustand.
Häßliche ErzählungTatsachen
über Gerhards Leben
mit Trude und die
elende Behandlung
seiner Mutter durch
das junge Paar
gehört.

Zu Polakovics. Dort
waren Hakel, Danneberg,
Dabatschek, Fischer
auch.

1) Über Religion 2) Konkret über
Autoren und Gedichte.

Spät heim.


Sonntag:

Kein. Differenzen
wegen des politischen
Einsatzes.

Vorher über Meta-
physik und ganz
vernünftig über
das Thema: Der
Reiz als Funktion
des Gedichts.

(Durch Jandl angeregt.
2 Briefe von ihm
gestern und vorgestern
bekommen.)

1) Der Reiz ... schlechter
Ausdruck für psychische Wirkung, 2) als Mittel zur Fesselung des Interesses der
Leser. Nicht durch
krumme Bilder (wie
Jirgal, Dez. Heft "NW",
schrieb ["heutige verdor-
bene Menschheit nur
noch durch krumm
herankommende Aussagen
ansprechbar"]), sondern
durch naheliegende
Bilder. Die nur das
"Unpoetische" *) an beiden Techniken sehen, machen
keinen Unterschied
in der Bewertung dieser
beiden Techniken. Sie sehen schon die
Aufnahme von Zeit-
gebundenem in das
Gedicht als verrückt
genug an, auch bei
wo die gegenüber dem
Leben nichts vom Platz
gerückt ist.

Reiz: zur Konkretisierung.
Wesentlich, nicht zur
Irritation in bloßer
emotioneller Sphäre.

Gestern Spottgedicht gegen
die Benn-Schule
gemacht: Abend-ländisches Lied
(bei geselligen Zusammen-
künften mit Lemuren
zu singen).







Elsies River (Südafrika.)
Ein lieber Name.

Unbegabte Tagebuch
geführt.

Zur Mitarbeit an der
"Schau" wieder eingeladen
worden. Im Radio (Wien)
wurde ich oder werde
ich gelesen werden.
(50.-).

Heute war Wahltag.

Jandlbrief geschrieben.

Großen Wunsch nach einem Mädchen.
Lynch-Prosa zerrissen.


Montag, 23. Feber:

Früh, wenn auch kühler,
frühlinghaft.

Mit Karli gefahren.

Hätte Freude, wenn kein
Büro wäre.

Frau Marchsteiner ärgert
sich über das Vorfrühling-
wetter, weil sie Kopfweh
davon kriegt.

Huber hat jetzt einen
Italiener. Sie zieht sehr
viel verschiedene Sachen an, trägt teure Schuhe
und sucht die Schönste
im ganzen Land zu
werden.

Erst am unwirtlichen
(kalten) Abend aus
dem Büro gekommen.


Dienstag, 24. Feber:

Früh ein Gedicht versucht:

Wo er eigentlich nicht viel
zu suchen hat,
Spielt wie ein Kind auf
dem warmen Asphalt
Und macht alles so neu
und ist so uralt."

...

...


Mittwoch, 25. Feber:

Früh wieder etwas versucht:

"Die Plakatwände haben
den Krieg von unlängst
vergessen.
Wehrlos nehmen sie die
neuen Anschläge hin
Die uns zum Besuch der
Kasernen-Lustspiele laden
.....
.....
.....
Ich sehe der Errichtung
von Wehrertüchtigungs-
bahnen im Prater
Sorgenvoll entgegen."

Es sind jetzt schöne Tage.
In die Bürofenster scheint
die Sonne. Zu Mittag
liegt sieihr Schein über den
Straßen der Stadt.


Donnerstag

Früh eine Geschichte
versucht. Dann un-
produktiv geblieben.

Traf Briggi. Unterhiel-
ten uns lebhafter als
ich befürchtet hatte. Der Mann, den sie
wird heiraten, ist
russischer Jude
(wenngleich amerika-
nischer Staatsbürger).

Huber verkauft sich
nunmehr für S 600.-
monatlich.

Abends Altmann in
seiner Junggesellenwohnung
in der Fasangasse
besucht. Seinen halb lyrischen
Kurz-Roman gelesen.

Über Mädchen,
Schriftstellerprobleme,
ganz schwungvoll
gesprochen.


Freitag, 27. Feber:

Schöner Morgen.

Mittags in der Innern Stadt
spaziert. Ich war müde
und mußte viel
arbeiten.

Huber ging abends das
erste Mal huren.
(Die andere Kollegin,
Frau M., hatte ihr geraten, sich nicht
unter Schilling 1500.-
monatlich hinzugeben.)

Montag wird unser Keller
gehoben werden. Wir
müssen ihn deshalb
morgen ganz ausräumen.
Ich bin traurig, weil ich
um ein Stückerl
Wochenende komm.


Samstag, 28. Feber:

Viel Arbeit im Büro, besonders
gegen Mittag.

Viel Post wartete daheim
auf mich. (Zeitschriften
und wieder ein Brief
von Jandl.)

Mittags wurde ich im
Radio gelesen. ("Erste
Sonnenwärme
".) Das
Wetter stimmte gut dazu.

Nachmittag einen Artikel
geschrieben gegen Wies-
fleckers
"Querschnitt" in
den "Neuen Wegen".
(Erstmals wieder erfolg-
reich versucht, zu
schreiben. Gute Stimmung.)


Sonntag, 1. März:

Weil Sonntag war, verregnet.
Vormittags gearbeitet.

Artikel für "Neue Wege"
hergerichtet, auch
Henneberg geschrieben.
"Abendländisches Lied"
und "Aschenbecher-Serie".

Müßte für Hakels "Schau"
auch was schreiben.

Die Zeit ist viel zu kurz.

Abends intensive Gedanken

über das Gedicht.

Montag, 2. März:

Mama sprach gestern sehr treffend
aus einen meiner Hauptgedanken
aus: "Du solltest dir für dein
freies Geld Gehirne kaufen
können."

Heute (anders als gestern)
schöner blauer Morgen.

Der Reim verlangt meistens
die Aufopferung der
Erlebenstreue oder zumindest
der Konzentration von
erlebenstreuen Stellen im
Gedicht.

Er hat andererseits den Vorteil,
daß er auch aus Substanz-
losigkeit noch "was machen"
kann; während substanzlose
ungereimte Gedichte von
vornherein der Lächerlich-
keit preisgegeben sind.

Es ist sehr bequem (und
wird von den meisten
geachteten Dichtern geübt),
sich vom Reim treiben zu
lassen. Der Reim ist
der Freilauf des Gedichts.
Wenn man ihn im hügeligen
Land anwendet, kommt man
nur zufällig ans Ziel:
wenn das Dorf, das man
erreichen will, gerade am
Fuß des Gefälles liegt, das
vom Anfangspunkt des Gedichtes ausgeht.

Abends kam Artmann
und erzählte mir sehr
viel.


Di, 3. März:

mittags (bei sehr schönem Wetter)
einen kurzen Besuch in der
Art Club Galerie gemacht.
Hundertwasser mit einem wahr-
scheinlich unecht infantilen
"Auto mit roten Regentropfen";
Abstrakte, Grob- Bade-
strand
und Fein-Chaotische. Lehmden.
(Ich nannte es
Morchelmalerei; oder
auch erinnert sein
Bild sehr an den
verbrannten Maler
Lehrer Lempel
von Busch.)

Kubin, der in eine andere Welt
zählt.

Vor allem: Matisse mit sehr farben-
frohen, intensiven Bildern, auch
einem raffinierten Akt und
geordneten Zeichnungen.

Kriesch dort getroffen. Diskutiert.

Abends in den "Strohkoffer".
Englisches Interview mit zwei
bolivianischen Malerinnen
.
Mit der Ruhe von Äquator-
bewohnerinnen sitzen sie
den größten Teil der Zeit
im Strohkoffer und bewachen
ihre Bilder.

Heiß und ein bißchen benommen
die Kärntnerstraße hinauf,
zum 62-er, gegangen.

Zu Fritsch gefahren.

Gesprochen über Hakel, die
Bolivianerinnen, die Phrase.
(Man müßte den Wortschatz
überhaupt wissenschaftlich
untersuchen: Entstehung der
Phrasen, Aneignung von
Phrasen und Wörtern, Ort und Häufigkeit der
Verwendung.)

Kommunisten, sagt er, erkennt
man am Wort "konkret"
oder dem rhetorischen Frage-
und Antwortspiel. (Z.B.:
"Wie ist die wirtschaftliche Lage Österreichs?
Die wirtschaftliche Lage Österreichs ist .....")
Es ist * für den Leser der "Furche". klar, daß Wörter wie
"Gespräch", "Zusammenschau",
"Klitterung" (!!) von den Rechten
Intellektuellen bevorzugt
werden.


Mittwoch, 4. März:

Früh Einfälle. Trüberes Wetter.
Unterwegs hörte ich, daß
Stalin der Schlag gestreift
habe.


Donnerstag, 5. März:

Früh an der Niederschrift
des Interviews weitergearbeitet.
Aprilwetter.

Noch keine neuen Nachrichten
über Stalin.

Wieder mit Schik-Karli
gefahren. Heute ist schon
Donnerstag, ich fühlte
schmerzhaft stark, wie
man seine Lebenszeit
.

Sehr müde.


Freitag, 6. März:

Stalin tot.

Früh Interview fertig-
geschrieben roh.

Hellerer Tag im Büro.
Mittags sinnlos zur RAVAG
gefahren.

Abends: In der "Zeit",
Hamburg, interessanter
Eisenreich-Artikel
und eines meiner Gedichte .
Wein.

Träumte von zwei Büchern: 1) Eine brutale Vergewaltigung
und der darauf folgende
Beischlaf, in den Handlungen,
in den Gedanken beider
Menschen gesehen, mit realistischen Erklärungen,
psychologischen Bemerkungen
und . 2) Ein analoges Buch über die
Liebesnacht zweier Liebender,
die einander fad zu werden
beginnen; die Frau bemüht
sich aber, den Mann mit
allen erdenklichen Reizen
zu halten.

Samstag, 7. März:

Nach dem Büro mit seinemn
ekelhaften Intrigen
schrieb ich zuhaus das
Bolivianische Interview
fertig. Dann zu Polakovics
gefahren. Mißlungener
Abend, aber ohne böse Laune
bis 23,30 Uhr dortgeblieben.

Den Bolivien-Artikel zerrissen.


Sonntag, 8. März:

Rückkehr der Kälte!
Schnee fiel.

Ordnungen, Reinschriften,
Ausarbeitungen.

Ein harmloses "Märchen"
geschrieben.


Mo, 9.3.

Nichts als Arbeit.

Bauer
wieder
krank.


Di, 10.3.

Aprilwetter. Kleine Schnee-
stürme. Im Büro heute
übersichtlichere Arbeit.

Abends beißende Kälte.
Schwarze Wolkenwand,
aus der der Nordwind
fährt.

Abends: boliv. Artikel
neugeschrieben.


Mi, 11.3.

Wieder kalter Morgen.
Früh boliv. Artikel fast
fertig, diesmal gut. Im Büro Artikel fertiggeschrieben,
freundlicher Abend, Reinschrift.


Do, 12.3.

Schon wieder Donnerstag!
Artikel express an Hakel
abgerichtet.

Starre Kälte im Vorfrühling
macht uns besonders
ungeduldig.

Sehr anstrengender Tag im Büro.
Wieder der Gedanke, die
"publikationen" aufzugeben.
Für abends war ich mit
Altmann verabredet.

Ich traf ihn aber nicht
mehr an. Er ist aus dem
Kabinett, wo er in Untermiete gewohnt hatte,
fortgezogen und hat keine
Adresse zurückgelassen.

Komödiantisches Schneegestöber
über der Stadt. Dichter Schnee
aber, der liegen bleibt, vom
Flötzersteig aufwärts.


Fr, 13.3.

Ich möchte so gern ein
Schweinernes sein. Da
könnt ich in der Auslage
liegen und mir lang den
blauen Himmel anschauen.

-8° früh. Herrlich blauer Himmel.
Früh das "Märchen" in die
endgültige Form gebracht.


Sonntag, 8. März:

Sa, 14.3.

Früh Phaidon-Ausgabe von
van Gogh gekauft.

Kunschak †. Der Rektor der
Universität
†. Gottwald liegt
im Sterben.

Verlangte im Büro vernünftige
Einteilung meiner Arbeit.
Montag wird wieder ein
scheußlicher Tag werden.

Durch Auflösung der "publi-
kationen
", Radiohonorar
und 100.- (Geburtstag)
erstmals wieder etwas
freies Geld.

Herrliches Wetter. Mittags
taute es.

Nachmittags ausgeruht.

Gottwald gestorben.


So, 15.3.

Sehr müde. Zweifelte daran,
daß ich heute zu irgend-
welchen Ergebnissen kommen
würde.

Mit einer Denkaufgabe
sichere S 500.- gemacht.
Ergebnislos versucht,
zu schreiben.

Nm. Säuberungen in der
letzten "Philosophie"-Mappe.


Mo, 16.3.

Wieder kalt ...

Früh Brief an Polakovics ,
und noch mehrere andere
Arbeiten.


Mo 16 3:

früh Briggi getroffen.

Viel Arbeit im Büro. /Abrechnungen./
Abends Zeitungen.


abends Mo/Di früh:

Gedanken über das
"unmittelbare" Gedicht, zum grossen
Teil quälende Gedanken.

a/ über seinen Verlust b/ über die Schwierigkeit, es und
seine Voraussetzungen festzulegen.

Di abends:

Stegergespräch, vergeblicher Besuch
bei den Bolivianerinnen, danach sehr
müde. Zu Fritsch, wieder lebhafter in
Gedanken gekommen. /Gespräche über
die Entwicklung der jungen Nachkriegs-
autoren - die kollektive und die der
einzelnen Persönlichkeiten./


Sa:

erster Frühlingsnachmittag
/Adamsgasse, dann zu Kein/.

Vor allem über Jandl-Thema gesprochen.


So:

bei Jirgal. Erster frühlinghafter Tag.
Jirgal ist an Südfrankreich fast
geisteskrank geworden; ich werde mit
dem hiesigen Frühling schon nicht
fertig. Ich bin draufgekommen, dass
der Zeitmangel das grösste
Hindernis des intensiven Lebens ist.
Alle psychischen Verkrampfungen lassen
sich bei einem bisschen Zeit wieder
lösen.

Musste den ganzen Tag über /fast schon
mit zusammengebissenen Zähnen/ meine
Rückstände in Ordnung bringen, vor
allem den Jandl-Brief machen, der von
14 bis 20 Uhr nicht fertig wurde.


23, 24 3 53 Mo, Di:

Jandl-Brief. Kühle Morgen. Seit
Sonntag gehe ich schon im leichten
Mantel. Ausserhalb der Stadt klar,
in der Stadt neblig. Montag am Abend
zium ersten Mal in diesem Frühling
beim Fenster gestanden. Die
Freundlichkeit dieser Wohnung
empfunden.

Aufgearbeitet.


Di:

früh unterwegs Sonja vom Institut.







Di:

Einfall: "Misslungene gute Gedichte"
mit Analysen.


Mi:

Abends zu Hofmann ins Dom-Café
/Art Club-Galerie/. Der Raum
gefällt mir viel besser als der
Strohkoffer. Erzählte Hofmann vom
"Eingehen" der "publikationen”.
Sie war sehr freundlich. Ich sah
mir noch einmal genauer Matisse an.
Dann sprach ich "Minchen" vom Art Club,
die den Saal bewacht, an. Unterhielten
uns übers Gedeihen des Art Clubs.
Sie betonte übrigens, dass er nicht
von Mautner-Markhof subventioniert
wird, wohl aber aus öffentlich.em Geld.

Ueber Hofmann, Maler, das kindliche
Farbensehen gesprochen, sehr sym-
pathisches Gespräch.

Ziemlich am Abend, laues Wetter, heim.


Do 26 3:

im Büro müde.

Abends Briggi getroffen,
frühlingshaft, roter Mantel
/vorgestern lichtbraun/.
Daheim Wein. Von den NW
erstes Honorar seit langer
Zeit /wenn auch nur für eine
"Leserzuschrift"/. S 44.--
Ich habe jetzt ein bisschen
Geld bei mir.


Fr früh

Holthusen fgelesen. Kaltes Wetter
angekündigt. Es ist auch schon
trüb.

Im Büro stehen die Sprech- und
Abhörapparate nun in Betrieb.

Wir sind heute der Gewerkschaft beige-
treten.

Der Direktor sagt, die Bemerkungen unserer
beiden unmittelbaren Vorgesetzten über uns
reissen nicht ab.

Abends Wiesflecker besucht. Er erzählte
mir von Literatenintrigen /so: eine
sehr unsuaaubere Geschichte über Brigitte
Kahr
/ und von der Frankreich-Reise.

Dann sprachen wir über die Verpflichtungen
des Schriftstellers.

Den Anfang von Wiesfleckers Roman
gesehen.                               Wiesfleckers Stil wird mit der
        WiesfleckersZeit fester.

Es regnete am Abend leicht,. es war aber


Sa 28 3:

Artikel für die "Schau" über den
Adrienne-Prozeß geschrieben.


So 29 3:

Fertiggeschrieben. Fenster geputzt.
Ordnungen, besonders in der
alten Philosophie-Mappe. Viel gedacht
und gesprochen.


Mo 30 3:

Morgens ungern im Büro.

Es ist warm, der Himmel ist
klar, das Gras steht schon grün,
in den Parks keimen die
Forsythien.

In das Bürozimmer scheint
am Morgen die Sonne.

Weniger zu tun.

Abends Briggi (die ihr Haar
schon wieder anders trägt;
diesmal à la Spatzennest)
getroffen.

Nach dem Essen mit Mama
um die Steinhofer Mauer,
zum ersten Mal dieses Jahr,
spaziert.

Görlich sandte Gedichte
für die "publ." ein.

Verlag in Klagenfurt sandte
meine Gedichte des schon festgelegten Verlagspro-
gramms wegen zurück.

Es ist aber möglich, schrieben
sie, daß sie sich wieder an
mich wenden werden.

Osterbier getrunken.

Immer großen Wunsch
nach einem Mädchen.


Di, 31.3:

Früh konnte ich für mich
arbeiten.

Abends Fritsch (Benn und
der Jugendstil, Fehlen der
Weltanschauung bei den modernen Dichtern.
Psychologie des "ersten
Gedichtes" und der
Wendepunkte in der
Entwicklung des Dichters ...).


Mi, 1.4.:

Brigitte Kahr in den April
geschickt.      Büro: Ärger.
Abends Glossen für die
"Schau" geschrieben.


Do, 2.4.:

Weiter geschrieben.

Grün in den Büschen
des Parks.

Die Büsche des Parks
werden grün.

Abends Glossen zu Ende.


Fr, 3.4.:

Karfreitag.

Frühlingsmorgen.

Durch das Grün scheint
die Sonne gelb. Der
Himmel ist blau, in
der Richtung der Sonne
glänzt er fast weiß.

Im Büro schon Osterstimmung.
Vor dem Weggehen noch
drei Briefe ("Postarbeit").
an Americatrans.

Abends, wie zerschlagen
und trotzdem versuchend,
den Frühling einzusaugen,
um die Steinhofer Mauer
mit Mama.

Ein überwältigendes Bild
die beleuchtete Stadt weit
bis Hütteldorf hinüber
mit ihren zehntausenden
Fenstern am Abend.


Sa, 4 4:

Früh bei schon starker Sonne
von der Linzerstraße
die Wäsche geholt.

Viele Korrespondenzen.
Später nachmittags damit
Schluß gemacht.

Bier vom Kaffeehaus
geholt; es geht zu den
Schnitzeln.


So 5 4:

Ostersonntag, geschrieben
Nachmittag "Don Camillo
und Peppone
. Ein
ausgezeichneter Film.


Mo 6 4:

Wegen Wolkenwetter
früh nicht mehr
geschrieben, gescheit.

Kein. Zweiter Teil
(wie immer) des Gesprächs
interessant. Über
Beschränkung des Themen-
kreises durch den beschränkten Erlebniskreis.

Über Plakate, das
A
den Kitsch, die Ironie,
das x allzu Allgemeine und
das Vage.

Mo nm:

Nichts Wesentliches.
Aber zuhaus viel
geredet.            Zu schlag-
       worthaft.

Abends über meinen Stillstand
seit eineinhalb Jahren nach-
gedacht, mit dem Gefühl,
es ist eine unleistbare Arbeit.


Di 7 4:

Wieder Büro.

In der Früh Briggi getroffen,
die sich seit den eineinhalb
Jahren weißGottwie entwickelt
hat.

Abends Art Club, um Artmann
eine Nachricht zu hinterlassen.
Es war aber niemand dort.


Mi 8 4:

Früh im Bett eine Geschichte
geschrieben (Sonja).

Recht kühles Wetter.

Im Büro schlägte die Arbeit
über allen zusammen.
Witzmann seit Montag fort,
Steger seit heute.

Abends Art Club. Hörte vom
Streit um das "Dichter-Brett"
zwischen Art Club und Hakel (!).

Daheim Post: Gewerkschaft
(bin also seit 1.4. dabei),
"Neue Wege", Aprilheft, mit
meinem Artikel (aber unter meinem Namen, gegen
die Abmachung). Auch die
Photos kamen vom Kopieren.
Abends noch ein bißchen
gearbeitet.


Do 9 4:

Abends Blitzgerät und
Heftmaschine "Maus"
gekauft. Habgierig.


Fr 10 4:

19h Hakel. Besprechung der
"Schau" im Art Club.

Sehr angenehmes Lokal,
man kann dort einsam
sitzen oder nett reden;
ungestört.

Die Besprechung ergab
natürlich nichts (nur
Lärm von Milo Dor,
Leinfellner, Merz).

Wir (Kein, W. Fischer, ich)
blieben nachher und
sprachen dann interessant.
(Notwendigkeit der Bildung
für den Lyriker. Der
kultivierte Lyriker und
der naive-eruptive.)

Regen. Durch die nasse
Stadt heim.


Sa 11 4:

Nach dem Büro, in dem
wieder irrsinnig viel
zu arbeiten ist, heim.
Schönes Wetter. Ich schrieb
"Sonja" und "Sisyphos"
in der endgültigen Fassung
ins Reine.

Sehr ausgeruht, hatte es
auch nötig.


So 12 4:

Vormittag bei Jirgal.

Wollte durchbrechen,
noch immer nicht gelungen.
Bei ihm gehe ich am
wenigsten aus mir hinaus.
Es müßte eigentlich zu
machen sein.

Herrlich schöner Tag,
aber kalter Wind
stört die Sonne beim
Wärmen.

Nachmittags Korrespon-
denzen, Tagebuch.


So 12 4 nm.,
Mo 13 4:

Aus einem dem Ärger über
ein Radiolied ein Gedicht
d  gemacht. Montag wurde
es fertig. Erst
dDas ganzeGedicht sieht
jeweils fertig aus

Bei solchen die einen
"Problem-Gedichten" x die einen
mit starkem
gedanklichem
Konzept
sieht man
oft erst dasem fertigen GedichtProdukt
überzeugend aus.die Gültigkeit an.

(Denn hier ist die das Konzept
unanzweifelbar, die
Erfüllung zunächst
anzweifelbar, während
das aus dem undurch-
leuchteten oder auch nur
unarrangierten Gefühl
unmittelbar dargestellte
Gedicht        unanzweifelbar
ist wie ein Konzept.)

Honorar DM 40.- kam,
ganz unerwartet. ("Die Zeit",
Hamburg.)


Di 14 4:

2 Fotoaufnahmen im Büro.

Abends zu Fritsch: Über
die Gefahr des ambivalenten
Romans, über die Klischees,
über die noch unformulier-
bare künftige Weltanschauung,
gesprochen.

(Kann von den Gesprächen
leider nichts niederschreiben,
weil ich                    mich aus Zeitmangel
mit nichts breiter befassen
kann. ) Mittwoch nachmittags.)


Mi 15 4:

früh: ein paar Notizen vom
gestrigen Abend. Möchte
gern mit meinen Freunden
eine neue Offensive, diesmal
eine essayistische, in den
"Neuen Wegen" beginnen.

bürofrei gemacht, krank.
Kafkas "Erzählungen" gekauft.
Nachhause gekommen, ins
Bett gelegt. Kafka gelesen.
Seit wie langer Zeit eine
vollkommene Prosa!

"Josefine, die Sängerin", zunm
Beispiel,          nicht übertrefflich.

Angenehm ausgeruht.

Früh Sonja ein zweitesmal
getroffen. Redete diesmal
mit ihr. Auslagen während
des Heimwegs angeschaut.
Nachmittag im Bett Wermut,
Sonnenblumenkerne, Radio.


Do 16 4:

Die Kälte nimmt kein Ende.
Nur +4°. Angekündigt ist
Abkühlung bis 0°.

Öder Tag. Im Büro viel
gearbeitet. Abends Zahnarzt,
aber erst Voruntersuchung.

Brief an Kein wegen Rückkehr
zu den "Neuen Wegen"
geschrieben.


Fr 17 4:

Besserer Tag.

Abends Sprung in den Art Club.
Mit Haller gut, bis ein toter
Punkt bei mir eintrat, philo-
sophiert.


Sa 18 4:

Nach lebhaftem Büro
nachmittags Korrespondenzen.
Wärmeres Wetter. Bier.


So 19 4:

Früh Sartre (nur zweiten Teil
des Romans [von Fritsch ent-
liehen]) gelesen.

Wärmerer Tag. Kein kam.
Artmann setzt "publ." fort. Viel hin und her erwogen.
Nix mit Mitarbeit an NW.
Beiderseits aus.

Nachmittags nach Zuhausegespräch
kam Artmann, fast erwartet.
Freundschaftlich gesprochen.
Bald aber ging er.

Beim Wirt war Gedränge
diesmal, endlich bekam
ich den Wein.

Kafka gelesen, Radio
gehört, ausg   eruht durch
Flüchtigkeit und Fehlen
von Absichten (gestern auch
viel dafür gearbeitet).


Mo 20 4:

Aus dem Gedicht von gestern
Abend (improvisiert), aber nicht durchgehalten)
bisher nichts geworden.

Ungern ins Büro.

Früh Gedanken über die
"aktivistischen" Gedichte.

Abends wolltehatte ich mich ursprüng-
lich in den Art Club setzen wollen,
um zu schreiben, dann
aber war ich zu müde und
fuhr lieber nachhause.


Di 21 4:

auch noch kalt. Aber blau.
Schreibmaschine reparieren
lassen.

Autobusfahrt (Innere Stadt)
bei diesem Wetter ist schön.


Mi 22 4:

Früh schon wärmer.

Blauer Himmel, schön.

Wieder aus der Ordnung
gebrochen; heute könnte ich
gut schreiben.

Bürozeit verging rasch.
(Ich habe freilich getrübte
Freude daran, weil sie
Lebenszeit ist.)

Abends im Art Club konnte
ich nicht schreiben
(Änderung in meiner
Kurzgeschichte um die
arroganten Leute),
denn lebhafte Besprechungen
warenwurden dort geführt von
Malern, mit denen auch ich
anfangs geplaudert hatte.

Abends Post vom "Briefmarken-
doppler
" und von Schmied
und Jandl. Antwort an
Schmied noch konzipiert.


Do 23 4:

Warmes Wetter wird angekündigt.
Bei geschlossenem Fenster sieht
es aus wie im wärmsten Frühling.
+5° früh.

Schmied geschrieben. Ordnungen.

Abends zu müde, in die Urania zur
Weissenborn-      Lesung zu gehen, und,
in mein Schicksal ergeben, heim-
gefahren.


Fr 24 4:

Ich muss doch festhalten, dass das
Meinl-Plakat gut ist: Gegen hellblauen
Grund der bekannte Mohrenkopf, ver-
einfacht als Kaffeebohne und Flüssigkeitspiegel, mit dem roten
Fez, dem Einschnitt der Kaffeebohne
als weiss lachendem Mund, in weisser
leichter Tasse; darüber nur die
Worte "ich bin's".

Schaute unterwegs Frauen an:
mir fiel der Unterschied    ein zwischen
dem Eindruck, den sie auf Knaben
machen mögen, und dem Leben, das sie
wirklich führen.


Sa 25 4:

Freier Samstag. Vormittag, als ich auf die
Linzerstrasse ging, scheinte noch     warm die
Sonne. Später, als ich auf die Wiese wollte,
wurde es windig, und Wolken kamen. Ich
ging trotzdem aus, musste aber, auf der
Wiese angelangt, gleich umkehren.

Es regnete schon.

Zuhause zornig wegen des schlechten
Wetters. Auch zornig, weil ich fühle,
dass ich keinen Gedanken fassen kann:

Ueber jedes Ding habe ich anscheinend
zwei Meinungen. Jede dieser beiden
Meinungen reagiert auf eine von aussen
kommende gegensätzliche Meinung mit
leidenschaftlichem Zorn. Diesen Zorn
nehme ich nicht übel, denn ich erhoffe
mir von ihm den Schwung zu positiver Arbeit über das Thema. Sogleich aber,
wenn ich mich mit dem Thema intellektuell
befasse, entgleitet mir die ursprüngliche
Stimmung, die gewiss die richtigen
Argumente einkapselt, sodass ich mich
mit mühsam herbeigeschleppten
Argumenten begnügen muss, mit einem
Höchstgefühl an Ekel und Misstrauen.
Alsbald stellt sich verlässlich die
Antithese in mir ein.

Keine Korrespondenz-Rückstände. Ich
nahm mir vor, wenn schon nicht unter
freiem Himmel, so doch zuhause auszuruhen.
Nachmittag arrangierte ich eine "neo-
veristische Aufnahme".

Froher Abend.


26 4 53:

Der Frühling ist da; es ist aber, als
dürfte er nicht frei arbeiten.


So 26 4:

Trotz ein wenig verschleiertem
Wetter auf die Wiese gegangen,
den Vormittag lang gesonnt.

Früh Idee zu einer Kurzgeschichte,
dann aber, auf der Wiese, an einem
langen Gedicht geschrieben.

Nachmittag trübes Wetter.

Weiter gearbeitet.


Mo 27 4:

Trüb, sogar Regen.

Schlechter Tagesanfang. Ich
fürchte mich vor dem Büro und dem
Zahnarzt.

Dann ist doch beides vorüber-
gegangen.

In der "Presse" schimpft Habeck
auf Eisenreich /"junge österr.
Autoren in Hamburg"/, in der
"Furche" tadelt Fiechtner
Toman.                             In einer anderen Zeitung ist
ein schönes indisches Mädchen abge-
bildet.


Di 28 4:

Der Morgen beginnt mit Regen.
Schwieriger Tag im Büro.
Freundlicher Abend. Brief an
Fiechtner entworfen. Jeden
Brief, den ich in letzter Zeit
schreibe, muss ich gleichsam
meisseln: Mein Stil ist uner-
träglich.


Di 28 4 53 früh

Ich bin bis zur Verzweiflung unzufrieden über den Verlust
der Unmittelbarkeit.

Das Bild von den "Elephanten" zum Beispiel ist ein
sekundäres, intellektuelles Bild. Es ist kein Bild,
das an sich in jemandes Leben eine Rolle spielt,
wenn auch der Gedanke es tut, der dem Bild zu Grunde
liegt.

/später:/

Stimmungen lassen sich nicht synthetisieren.

Also muss man zur Herstellung eines Gedichtes, das Stimmung
enthalten soll, von einer Stimmung und nicht von einem Thema
ausgehen.

Sekundäre, intellektuelle Bilder /nur rhetorische
Verdeutlichungen/ zeichnen sich durch ihre Stimmunglosigkeit
aus. So berühren sie nur die intellektuelle Söphäre im Leser
und wirken unsinnlich.

Stimmung im künstlerischen "Bild" ist wahrscheinlich
notwendig zu seiner Bildwerdung im Leser.


/später:/
/29 4 53/

Man muss imkann dem "Elephanten-Gedicht" die Stimmung
vielleicht doch nicht absprechen. Sie ist nur nicht auf
das tragende Bild zentriert, auf das Bild der "Elephanten",
sondern vermutlich auf den Gegensatz zwischen den
idyllischen und         jenen Anteilen der Szene, die meine
Satire herausgefordert haben. /Dieser Gegensatz ist erlitten
persönlich
und nicht mehr intellektuell. Denn mich
zerrt diese Dialektik, im Gedicht spürbar, mit./


für Tagebuch und Philosophie Mappe (?)
Mi 29 4:

An Kein ist der Auszug ins
intellektuelle Gedicht noch
deutlicher als an mir zu
beobachten. Man merkt
es vor allem an den
unerlebten Landschaften.

Im Büro lebhafte Arbeit, aber
die Spannung ist hat etwas
nachgelassen.

Abends wieder in unzufriedenen
Gedanken befangen:

Meine Sätze sind nicht stichhaltig.
Besonders in den Briefen hören
sie sich "lehrhaft" an, dabei
sind sie wie "Lehren", die
ein Kind erteilt. Sie sehen
"wichtig" aus, aber so, wie
wenn ein Kind etwas und
dadurch sich wichtig nimmt. Unregelmäßigkeit: Einmal
geschwätzig, einmal karg
(wenn geschwätzig, so unbeholfen;
wenn karg, so geschraubt.
Keinen Ton kann man mir
glauben; es ist, als spräche ich
nie einen wahren Satz).

Für Gefühl fehlt mir der
Ausdruck vollkommen.
Logik habe ich keine.
Erzählen kann ich nicht.
Meine Formulierung wirkt
manchmal prägnant. Dann
sieht man nach, und man
entdeckt, daß alles in ihr
enthalten ist außer dem
Wesentlichen.

Wenn ich rein dumm wäre.
Aber ich merke meine
Möglichkeit. Vorstellbar
aber unausführbar.


Do 30 4:

Früh Notizen.

Kalt. Keine Aussicht auf
schönes Wetter für die
drei freien Tage mehr.

Viel Arbeit.

Zeitig am Nachmittag aber
machten wir Schluß.

In die 16 Uhr-Vorstellung
inms Künstlerhaus-Kino
gegangen: "Le Plaisir"
nach drei Novellen von
Maupassant. Mittlere
gefiel mir eigentlich am
besten (Ausflug der "Freuden-
mädchen" zu einer Erst-
kommunionfeier auf dem Land).
Froh, das Stück gesehen zu
haben.

Danach Regen.

In der Straßenbahn Briggis Vater
getroffen. Der erzählte, daß
Briggi heute nach Spanien
gefahren ist.

Abend daheim.

Zeitschriften angeschaut.


Zitiervorschlag

Okopenko, Andreas: Tagebuch 03.02.1953–30.04.1953. Digitale Edition, hrsg. von Roland Innerhofer, Bernhard Fetz, Christian Zolles, Laura Tezarek, Arno Herberth, Desiree Hebenstreit, Holger Englerth, Österreichische Nationalbibliothek und Universität Wien. Wien: Version 1.1, 15.1.2019. URL: https://edition.onb.ac.at/okopenko/o:oko.tb-19530203-19530430/methods/sdef:TEI/get?mode=p_1

Lizenzhinweis

Die Transkriptionen der Tagebücher sind unter CC BY-SA 4.0 verfügbar. Weitere Informationen entnehmen Sie den Lizenzangaben.

LinksInformation

Jegliche Nutzung der Digitalisate muss mit dem Rechtsnachfolger von Andreas Okopenko, August Bisinger, individuell abgeklärt werden.