Forschungsziele
Die mannigfaltigen Forschungsziele, die nicht nur versuchen die Geschichte der Privatbibliothek Kaiser Franz‘ I. in bibliothekswissenschaftlicher und buchgeschichtlicher Hinsicht zu untersuchen, sondern ihre Bestände auch im Hinblick auf die kulturgeschichtlichen Meilensteine dieser Epoche zu beleuchten, können zu drei Schwerpunkten zusammengefasst werden:
- die Rekonstruktion der historischen Privatbibliothek Franz I. anhand archivalischer und bibliotheksgeschichtlicher Quellen
- die Beschreibung und Analyse der Bibliothek als ein kulturgeschichtlicher Erinnerungsraum im Spannungsfeld privaten (fürstlichen) Interesses und imperialer Repräsentation
- die Einbettung der Bibliotheksgeschichte in den politischen, sozialen, intellektuellen und kulturellen Kontext des Zeitraumes von 1784 bis 1835
Während für die Zeit vor 1806 die Rekonstruktion der Buchakquisitionen des Kaisers Franz durch zahlreiche Buchhändler- und Buchbinderrechnungen im Bestand der k.k. Privatkasse beinahe lückenlos möglich war, sind des für die Phase bis 1835 die Einnahmen- und Ausgabenjournale samt der korrespondierenden Belegsammlung, die die Erwerbsstrategien der Privatbibliothek und ihre Beziehung zu Wiener und Mannheimer Buchhändlern nachvollziehbar machen. Ankäufe ganzer Sammlung erschlossen sich aus dem reichhaltigen Aktenbestand des Archivs der Bibliothek, Erwerbungen bei Buchauktionen ließen sich durch detaillierte Untersuchungen des Bestandes an Auktionskatalogen rekonstruieren.
Neben der statistischen Auswertung des 1827 fertig gestellten systematischen Kataloges sowie des Standortrepertoriums, konnte durch das Auffinden eines Schätzkataloges aus dem Jahr 1807, der den Bestand an Büchern zu diesem Zeitpunkt widerspiegelt, die im Projektantrag angeführten Zeitpunkte, zu welchen der Buchbestand der Bibliothek rekonstruiert werden sollte (1811, 1827, 1835), um einen weiteren in der Geschichte der Privatbibliothek ergänzt werden.
Die intensive Beschäftigung mit den Katalogen der Privatbibliothek ließ darüber hinaus aus Rückschlüsse auf die sofort nach der Ernennung Youngs zum Bibliothekar begonnenen Katalogisierungsarbeiten zu. Während man aufgrund praktischer Notwendigkeit damit begann, den Buchbestand mittels alphabetischem Katalog und Standortrepertorium zu erschließen, wie es der Pionier auf dem Gebiet der Bibliothekswissenschaft Martin Schrettinger in seinem 1808 erschienenen Handbuch auch darlegt, wurde erst im Anschluss daran ein systematischer Katalog für die Privatbibliothek angefertigt.
Die gewonnenen Erkenntnisse führen in Bezug auf das Verhältnis des Kaisers zu seiner Privatbibliothek zu dem Schluss, dass seine Büchersammlung in den ersten Jahren ihres Bestehens mit Fug und Recht als Gebrauchsbibliothek bezeichnet werden kann und erst im weiteren Verlauf ihrer Geschichte, nicht zuletzt auch durch die Anstellung eines eigenen Bibliothekars und dem vermehrten Ankauf von Prachtwerken und Rara einen Wandel zur repräsentativen Fürstenbibliothek vollzieht.
Der Versuch, die Bibliotheksbestände in einen politischen, sozialen, intellektuellen und kulturellen Kontext zu setzen, konzentrierte sich auf die die gesamte erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägende Phase der Befreiungskriege und des Wiener Kongresses.