Elisabeth Reichart, geboren am 19. 11. 1953 in Steyregg (Oberösterreich), studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Salzburg und dissertierte, von der Historikerin Erika Weinzierl betreut, über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Salzkammergut. Seit 1982 lebt sie als freie Schriftstellerin in Wien, wo sie 1992 das AutorInnenlabor der Alten Schmiede leitete. Als "Writer in Residence" war sie mehrfach an Universitäten in den USA tätig.
Im Mittelpunkt von Elisabeth Reicharts literarischem Werk steht fast immer der Krieg oder dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln, wobei ihr Interesse sich in beharrlicher Spurensuche auf historische Personen und Zusammenhänge, aber auch auf gesellschaftliche Strukturen und Hintergründe bezieht, so bereits in ihrem erfolgreichen Erstlingsroman "Februarschatten" (Wien: Editions Junges Österreich 1984) über die sogenannte "Mühlviertler Hasenjagd", der Jagd auf entflohene russische KZ-Häftlinge durch die benachbarte Bevökerung. Mitreflektiert werden dabei feministische Grundpositionen, doch wirkt Reicharts Prosa nie theorielastig.
Die Erzählung "Komm über den See" (Frankfurt am Main: Fischer 1988) - der Titel ist einem Gedicht von Sarah Kirsch entliehen - kreist um den Bewußtseinszustand einer geschiedenen Mittvierzigerin, die als Kind einer KZ-Insassin und eines Nazi-Protegés nach Jahren der Passivität und Flucht vor der eigenen Biographie durch ein besonderes Erlebnis ihren Selbstzweifeln und ihrer Sprachlosigkeit entkommt und sich zu öffnen und artikulieren lernt. Weitere Werke (Auswahl): "La Valse" (1992), "Die unsichtbare Fotografin" (2008), "Die Voest-Kinder" (2011), "In der Mondsichel und anderen Herzgegenden“ (2013), "Frühstück bei Fortuna" (2016).
Für ihr literarisches Werk wurde die Autorin mehrfach ausgezeichnet, u. a. Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur (1989), dem Österreichischen Würdigungspreis für Literatur (1999), dem Anton-Wildgans-Preis (2000), dem Jahresstipendium für Literatur des Landes Salzburg (2013) und dem Preis der Stadt Wien für Literatur (2015).