Zusammenfassende Forschungsergebnisse (deutsch)
Die Habsburg-lothringische Familien-Fideikommissbibliothek 1835-1921
Metamorphosen einer Sammlung
(P-26943)
Die Projektziele gemäß Forschungsantrag (2013):
Rekonstruktion der Bestandsentwicklung der Fideikommissbibliothek (1835 –1918)
Die Familien-Fideikommissbibliothek als Erinnerungsort einer supranationalen Identität des Herrscherhauses
Die Familien-Fideikommissbibliothek und das kulturelle Erbe der Familie Habsburg-Lothringen in republikanischer Zeit
Rekonstruktion der Bestandsentwicklung der Fideikommissbibliothek (1835 –1918)
Das Hauptaugenmerk lag zunächst auf der Transformierung der Privatbibliothek Kaiser Franz‘ I. zu einer Fideikommissbibliothek und schließlich dem Zusammenschluss mit anderen kaiserlichen Privatbibliotheken (Ferdinands I. und Franz Josephs I.) zur Habsburg-Lothringischen Familienbibliothek. Darüber hinaus wurde im Zuge der Projektarbeit auch versucht, jene Suche nach der eigenen Identität und nach dem Zweck der Sammlung herauszuarbeiten, die die Leiter und Beamten der Fideikommissbibliothek während des Fin de Siècle vor dem Hintergrund des zunehmenden öffentlichen Interesses an diesen Beständen beschäftigte. Zu guter Letzt wurde die Situation während des Ersten Weltkriegs, seine Auswirkung auf das Personal und die in dieser Phase gemachten Bestandszuwächse beleuchtet.
Die Privatbibliothek Kaiser Ferdinands I.
Eine parallel zur Privatbibliothek Franz‘ I. entstandene Buch- und Kunstsammlung ist die seines ältesten Sohnes und Regierungsnachfolgers Ferdinand (1793–1875). Sie hatte nicht nur eine ähnliche Entstehungsgeschichte sondern auch dieselben Aufgaben. Mit dem Regierungsantritt Ferdinands übernahm seine Büchersammlung die Rolle der franziszeischen Privatbibliothek, da sie von nun an alle Werke, die dem Kaiser von Autoren, Künstlern, Verlegern etc. überreicht wurden, zur Aufbewahrung zugeteilt erhielt. Nebenher wuchs die Sammlung durch gezielte Ankäufe von Werken, die das Interesse des für regierungsunfähig gehaltenen Kaisers hervorriefen. Von Beginn an war diese Bibliothek auf mehrere Standorte in und um Ferdinands Wohnappartements verteilt. Eine physische Zusammenführung mit der Fideikommissbibliothek war aus Platzgründen unmöglich. Die Ereignisse 1848 führten im Zuge der Thronentsagung schließlich zum dauerhaften Umzug Ferdinands nach Prag, wohin er seine Bibliothek mitnahm. Die weitere geschichtliche Entwicklung dort konnte im Zuge eines Forschungsaufenthalts zweier Projektmitarbeiter im Prager Nationalarchiv im Herbst 2016 (Standort, Bestandszuwächse, Katalogisierung, Verwaltung etc.) rekonstruiert werden. Im Zuge der Forschungsarbeit konnte die äußert aufschlussreiche Erkenntnis gewonnen werden, dass Ferdinand seine Sammlung nach seinem Tod nicht der Fideikommissbibliothek einverleiben ließ, sondern sie testamentarisch seinem Neffen Franz Josep vermachte, der sie 1875 nach Wien zurücktransportieren ließ und sie zunächst seiner eigenen Privatbibliothek angliederte.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz Josephs I.
Anders als seine Vorgänger, war Franz Joseph kein Bibliophile. Seine Sammlung nimmt, was den Buchbestand betrifft, erst substanzielle Gestalt an, als Franz Joseph 1848 Kaiser von Österreich wird. Dies allerdings nur theoretisch, weil Franz Joseph die an ihn gerichteten Buchgeschenke bis 1870 zunächst durch die Hofbibliothek verwalten ließ. Erst Bibliotheksvorstand Moritz Alois von Becker gelang es diese Entscheidung rückwirkend zu korrigieren und die franzisko-josephinische Privatbibliothek erhielt schließlich jene (seit 1849) eingelangten Bestände zurück, die ihr aufgrund ihrer Funktion zustanden. Seine Privatbibliothek wurde zunächst im Dachgeschoss oberhalb der Fideikommissbibliothek untergebracht und bestand größtenteils aus individuell angefertigten, großformatigen Huldigungsadressen, für deren Aufbewahrung sich die dortigen Bücherregale als ungeeignet erwiesen. Katalogisierungsarbeiten und Maßnahmen zur Bestandserhaltung konnten nur während der wärmeren Jahreshälfte stattfinden, da die Räume aufgrund ihrer Größe nicht beheizt werden konnten. Mit dem Tod Ferdinands I. 1875 und dem Übergang seiner Privatbibliothek in den Besitz Franz Josephs erhielt diese Büchersammlung ihren größten und bedeutendsten Zuwachs. Unter Beckers umsichtiger Führung wurde schlussendlich die Aufstellung zumindest der ferdinandeischen Bestände in den Räumen der Fideikommissbibliothek möglich.
Die Fideikommissbibliothek und ihr wechselvolles Schicksal
Mit dem Tod Franz‘ I. am 2. März 1835 ließ Kaiser Ferdinand Neuerwerbungen für die franziszeische Privatbibliothek einstellen. Lediglich die Fortsetzungswerke (Periodica) durften ergänzt und Neuerscheinungen in Ausnahmefällen angekauft werden. Die Buch- und Kunstsammlung des verstorbenen Kaisers Franz wurde gewissermaßen als abgeschlossene Einheit betrachtet, die sich so zu einem bibliophilen Denkmal für ihren Gründer und seine Ära transformierte. Die finanziellen wie personellen Ressourcen kamen nun der Aufarbeitung der Privatbibliothek Ferdinands zugute. Die Ferdinand übertragene Aufgabe, den zwölften Paragraphen im Testament Franz‘ I. zu vollstrecken und dessen Sammlungen in einen Primogenitur-Fideikommiss zu überführen, konnte während seiner Regierungszeit nicht zustande gebracht werden. Der Grund für die Verzögerung lag etwa bei der Frage, ob nur die im Testament explizit erwähnten Sammlungsbestandteile dem Fideikommiss zuzurechnen wären – der Wille des Kaiser also wortwörtlich auszulegen sei – oder ob man auch all jene Gegenstände, die de facto Teil der franziszeischen Privatbibliothek waren (also auch Gemälde, Münzen, Notendrucke etc.) miteinbeziehen sollte.
Erst Franz Joseph ist das Verdienst zuzuschreiben, die überkommenen bürokratischen Altlasten einer Erledigung zuzuführen. Die Fideikommiss-Errichtungsurkunde wurde bereits im August 1849 aufgesetzt, obwohl die Inventare, in denen jedes einzelne inkorporierte Objekt verzeichnet werden sollte, noch nicht fertiggestellt waren. Zur Klärung strittiger Punkte hatte man eine eigene Kommission eingesetzt. Erst eine Dekade später konnte anhand der schließlich vollendeten Verzeichnisse eine gerichtliche Inventur vorgenommen werden. Zeitgleich wurden das Obersthofmarschallamt als Fideikommissbehörde und Erzherzog Ludwig (1784–1864, ein jüngerer Bruder Kaiser Franz‘ I.) als erster Fideikommisskurator eingesetzt.[1]
Den Mangel an bibliophilen Interessen kompensierte der junge Kaiser nicht nur mit tatkräftigen Maßnahmen, sondern auch mit richtungsweisenden Personalentscheidungen, wie die, den Lehrer Kronprinz Rudolfs, Moritz Alois von Becker, zum Nachfolger des 1869 verstorbenen Bibliotheksvorstehers Khloyber zu ernennen.
Hatte die Fideikommissbibliothek die Ferdinandea 1850 nach Prag verloren, so erwuchs ihr mit der sukzessiv anwachsenden Privatbibliothek Franz Josephs eine neue. Beckers anlässlich des Dienstantritts 1870 verfasster Bericht samt Arbeitsprogramm ist ein eindrucksvolles Zeugnis des damaligen Zustandes dieser Sammlungen und enthält seine richtungsweisenden Visionen, wie sich die Bestände entwickeln und was ihr zukünftiger Zweck sein sollten.[2]
Die Entscheidungen fällte Franz Joseph in seiner Funktion als Oberhaupt der kaiserlichen Familie und als Herrscher. Fideikommissinhaber wurde er den Nachfolgeregelungen des Hauses Habsburg-Lothringen allerdings erst, als sein Vater Erzherzog Franz Karl 1878 verstarb. Franz Karl war seit 1875 Fideikommissherr, vor ihm Kaiser Ferdinand I. seit 1849.[3] Sowohl Onkel als auch Vater hatten Franz Joseph allerdings weitreichende Entscheidungs- und Handlungsfreiheit in diesen Belangen zuerkannt.
Weitreichende Folgen hatte der Umstand, dass auf Beckers Vorschlag hin mit der Erstellung eines gedruckten Realkataloges begonnen wurde – eine Initiative zur erstmaligen Präsentation und Bekanntmachung der Sammlung sowohl unter den weitverzweigten Mitgliedern des Kaisershauses, als auch in anderen fürstlichen und öffentlichen Bibliotheken.[4] Letztere waren im Hinblick auf die Bestandserweiterung vorrangig als Tauschpartner zur Verwertung von Dubletten von großem Interesse. Das Katalogprojekt blieb jedoch unvollendet, da der letzte Teil zur Porträt- und Kunstsammlung nie wirklich in Angriff genommen wurde.
Die Schaffung der Habsburg-lothringischen Familien-Fideikommissbibliothek
Nach der Vereinigung der drei Sammlungen zur Habsburg-lothringischen Familien-Fideikommissbibliothek 1878 entwickelte sich diese schrittweise zu einer semi-öffentlichen Institution. Pläne zur Musealisierung der Sammlung im Sinne eines „Erinnerungsraumes“ wurden ausgearbeitet und zum Teil realisiert.
Als grundlegend für diesen Prozess erwiesen sich zunächst Veränderungen, die sich in der Administration und im Personal ergaben. 1886 wurde durch Zusammenlegung mehrerer Güter- und Finanzverwaltungen eine Generaldirektion der habsburgischen Familienfonde geschaffen, die als vorgesetzte Behörde die Entscheidungen in allen wichtigen Angelegenheiten der Fideikommissbibliothek zu treffen hatte. Als Generaldirektor fungierte zwischen 1892 und 1910 der Finanzpolitiker Emil von Chertek; er hat durch seine sparsame Führung und durch seinen kontrollierenden Charakter wesentlichen Einfluss auf die Neuorganisation der Fideikommissbibliothek ausgeübt.
So wurde etwa auf Cherteks Initiative hin nach dem Tod von Bibliotheksdirektor Joseph von Zhishman (1894), der wie sein Vorgänger Becker ein Lehrer des Kronprinzen Rudolf war, dessen Posten nicht nachbesetzt. Mit der Leitung der Fideikommissbibliothek wurde indes der erste Kustos Alois Karpf betraut, der aber für diese Aufgabe offensichtlich nicht geschaffen war. Die Analyse der auf mehrere Archivbestände verstreuten innerbehördlichen Korrespondenz der Fideikommissbibliothek ergab, dass unter den Beamten der Fideikommissbibliothek teilweise anarchische Zustände herrschten; die Beziehung zwischen Chertek und Karpf war äußerst angespannt und der letztere agierte sehr unsicher und war kaum in der Lage, Akzente zu setzen. Stattdessen beeinflusste der Skriptor Franz Schnürer, der ein enges Vertrauensverhältnis zum Generaldirektor aufbauen konnte, mit verschiedenen Initiativen Prozesse der Entscheidungsfindung. Auf ihn geht etwa ein Regulativ zurück, das die Erwerbspolitik auf Werke mit Bezug zum Haus Habsburg oder zur Monarchie ausrichtete und um 1900 vermutlich auf Cherteks Wunsch hin verfasst wurde. Damit wurde aber lediglich eine bereits bestehende Tendenz beim Bestandszuwachs explizit als Sammlungsschwerpunkt formuliert: An die Fideikommissbibliothek waren bisher laufend Bestände aus den Nachlässen von Mitgliedern der Dynastie, aus habsburgischen Schlössern sowie von obersten Hofstellen abgegeben worden; die Hauptzuwachsquelle waren Widmungsexemplare an den Kaiser, darunter die sog. Huldigungsadressen, die dem Monarchen oder anderen Mitgliedern der Dynastie bei festlichen Anlässen überreicht wurden.
Räumliche Entwicklung
Die räumliche Entwicklung der Fideikommissbibliothek von ihrer ursprünglichen, nicht mehr erhaltenen Unterbringung bis zur heute noch bestehenden Aufstellung im Bereich der Neuen Hofburg konnte im Rahmen des Projektes erstmals genau nachgezeichnet werden. Ausgewertet wurden dabei nicht allein die in den hauseigenen Archivbeständen vorhandenen Aufzeichnungen dazu, sondern auch umfangreiche Quellen im Archiv der Generaldirektion der habsburgischen Familienfonde (Wien, HHStA), die wichtige Aufschlüsse über die in den obersten Hofstellen laufenden Hintergrundverhandlungen und den Entscheidungsfindungsprozess erbrachten. Denn die Frage der Unterbringung der Sammlung hing nicht nur eng mit dem Um- und Neubau der kaiserlichen Hofburg zusammen, sondern auch mit dem in den 1890er Jahren einsetzenden Diskurs über die Zweckbestimmung der Fideikommissbibliothek. Dieser wirkte sich maßgeblich dahingehend aus, dass während der Übersiedlungsvorbereitungen verschiedene neue Formen der Aufstellung (Magazinsbibliothek) sowie der öffentlichen (Lesesaal) und musealen Nutzung (Habsburgermuseum) diskutiert wurden.
Die Entwicklung der Fideikommissbibliothek zu einer quasi-öffentlichen Institution
Wie sich im Laufe der Projektarbeit herausstellte, bestand ein für die weitere Entwicklung der Fideikommissbibliothek kaum zu unterschätzender Faktor darin, dass die Sammlung seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in progressivem Maße die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zog und dass dieses Interesse zu vielfältigen Formen der Nutzung und Präsentation von Sammlungsbeständen führte: Leihgaben für Ausstellungen, fotografische Reproduktionen für Buchillustrationen, Vorlagen aus der Porträtsammlung für Skulpturen, Denkmäler und Bildnisgalerien, Nutzung der Sammlung für Forschungszwecke, Porträtbestimmungen, Erteilung von Auskünften etc. Dieser Aspekt, dessen Bedeutung und Tragweite vor Beginn der Projektarbeit noch nicht erkennbar war, hing zunächst ursächlich mit der Herausgabe des von Moritz Alois Becker initiierten gedruckten Kataloges zusammen, entwickelte jedoch bei zunehmender Nutzung der Fideikommissbibliothek durch die Allgemeinheit eine Eigendynamik. Dabei war die Haltung der Sammlung stets ambivalent: Bis zuletzt hat sie sich als nicht-öffentliches Institut definiert. Man war jedoch bereit, wissenschaftliche und künstlerische Unternehmungen ohne kommerziellen Nutzen zu unterstützen, wobei dies im Laufe der Zeit immer liberaler gehandhabt wurde. Der Fideikommissbibliothek wuchsen damit nicht allein neue Aufgabenbereiche zu, sondern auch ein neues Selbstverständnis als eine der Allgemeinheit dienende Institution. Das aber war der entscheidende Anknüpfungspunkt für den Diskurs um die Zweckbestimmung der Sammlung, der kurz vor der Jahrhundertwende einsetzte: Wie sich herausstellte, zeigte das Kaiserhaus selbst wenig Interesse an der Fideikommissbibliothek und nutzte sie kaum. Damit war, dem Zeitgeist folgend, die Richtung für die Erarbeitung von Konzepten für die zukünftige Verwendung der Sammlung vorgegeben: als einer Institution, die in die Öffentlichkeit wirkt und deren Bestände von dieser auch konsumiert werden.
Versuche, einen supranationalen Erinnerungsraum der Dynastie zu schaffen
Doch die inhaltliche Ausrichtung dieser neuen Zweckbestimmung war durchaus von der Entstehungsgeschichte und vom Charakter der Bestände und vor allem davon, wie man diese interpretierte, bestimmt.
Bereits nach der ersten Übersiedlung wurde in den Jahren 1893/94 eine öffentlich zugängliche Ausstellung in den neuen Räumlichkeiten veranstaltet, als deren zentrale Attraktion die Huldigungsadressen fungierten. Ihre kunstvoll gestalteten Einbände bzw. Kassetten galten als Schlüsselwerke der österreichischen Kunstindustrie und waren als solche neben und bereits vor den Porträtgrafiken die wichtigste Objektklasse, aus der die Fideikommissbibliothek Ausstellungen mit Leihgaben belieferte. Daraus konnten zweierlei Kausalzusammenhänge rekonstruiert werden: Das öffentliche Interesse an den Huldigungsadressen war die eigentliche Inspirationsquelle für die sammlungsinterne Ausstellung und zugleich waren sie als typische Erzeugnisse der franzisko-josephinischen Ära und als Loyalitätsbekundungen gegenüber Kaiser und Dynastie Sammlungsgut, anhand dessen sich die Musealisierung der Bibliothek im Sinne eines habsburgischen „Erinnerungsraumes“ besonders schlüssig objektivieren ließ.
Der geistige Vater des Habsburgermuseums war schließlich Franz Schnürer. Er entwickelte sein Konzept ab 1899, damals noch als einfacher Skriptor, jedoch unterstützt durch Generaldirektor Chertek. Im Archiv der Generaldirektion der habsburgischen Familienfonde (HHStA) wurden im Rahmen der Recherchen zahlreiche Denkschriften Schnürers aufgefunden, aufgrund derer die Genese seiner Absichten und Planungen rekonstruiert werden konnte. Demnach war das Habsburgermuseum programmatisch als ein die supranationale und dynastische Identität der Monarchie förderndes Institut geplant. Als Inspirationsquelle diente Schnürer das Hohenzollern-Museum in Berlin, dass er auch mehrmals zu Studienzwecken besuchte. Darüber hinaus wollte er in einem unter der Bezeichnung „Habsburger-Sammlung“ bzw. „Bibliotheca Habsburgica“ von der Fideikommissbibliothek abzutrennenden Teilbestand eine vollständige Sammlung des Schrifttums zum Haus Habsburg (im weitesten Sinn) anlegen und diese zu einem Zentrum der Habsburger-Forschung mit propagandistischer Stoßrichtung machen. Auch plante Schnürer die Herausgabe eines Habsburger-Jahrbuches für breite Schichten der Bevölkerung nach dem Vorbild einer analogen Publikation in Berlin. Über die Gründe, warum alle diese hochtrabenden Pläne nie verwirklicht wurden, konnten nur Vermutungen angestellt werden.
Für jene Bestände der Fideikommissbibliothek, die in keiner inhaltlichen oder sachlichen Beziehung zum Haus Habsburg standen, plante man bereits in den 1890er Jahren, sie im Rahmen einer administrativen Zusammenlegung mit der Hofbibliothek der Forschung zugänglich zu machen. Auch war im Zuge der Übersiedlung von 1903 ein letztlich nicht realisierter öffentlicher Lesesaal geplant, der schließlich in stark reduzierter Form bei der letzten Transferierung der Sammlung 1908 wieder aufgegriffen wurde. All diese Schritte können als Vorwegnahme des Schicksals der Fideikommissbibliothek nach dem Ende der Monarchie interpretiert werden.
Die Familien-Fideikommissbibliothek und das kulturelle Erbe der Familie Habsburg-Lothringen in republikanischer Zeit
Nach dem Ende der Habsburgermonarchie und der Übernahme der kaiserlichen Kunstsammlungen in den Staatsbesitz wurde die Fideikommissbibliothek, die bis dahin eine eigenständige Institution gewesen war, der (Österreichischen) Nationalbibliothek angegliedert. Ihr Archiv enthält ab diesem Zeitpunkt nur mehr einen Bruchteil jenes Aktenmaterials, welches die Grundlage zur Rekonstruktion ihres weiteren geschichtlichen Verlaufs darstellt. Wichtige Dokumente dieser Jahre werden im Archiv der Nationalbibliothek oder anderen Einrichtungen aufbewahrt. Die Projektmitarbeiterin Dr. Nina Knieling hat sich neben der Phase des Ersten Weltkriegs auch dieses Zeitabschnittes (die Umbruchszeit 1918/19 und die ersten Jahre der jungen Republik) im Zuge ihrer Forschungstätigkeit angenommen. Die etwa 300 Akteneinheiten aus dieser Zeit wurden im Bibliothekssystem Aleph katalogisiert und sind der Öffentlichkeit somit zugänglich. Da Nina Knieling aus beruflichen Gründen mit Ende des Jahres 2016 aus dem Projekt ausschied, beschränken sich ihre Analysen auf eben diesen Aktenbestand des Archivs der Fideikommissbibliothek.
Dieser deckt jedoch nur einen geringen Teil der Quellen ab, die für die Problematik der Übernahme der Fideikommissbibliothek in den Besitz der Republik relevant sind. Außerdem zeigte sich, dass dieser Prozess nur vor dem Hintergrund der Reorganisation der in den Republiksbesitz übergangenen habsburgischen Kunstsammlungen und der Entstehung und Entwicklung der Nationalbibliothek analysiert werden kann. Das Thema ist also bei weitem komplexer, als es in der Planungsphase des Projekts schien. Dies führte schließlich zum Entschluss, diesen Themenkomplex herauszugreifen und anhand einer komplexen Forschungsfragestellung zusammen mit anderen verwandten Themen, die das Habsburg-lothringische Kulturgut betreffen, als Forschungsantrag aufzubereiten.
Dissemination Strategies
The multi-faceted results of our three years of research have been made available to the academic community on our project homepage (http://fkb.onb.ac.at/). The extensive registers on library archive material we compiled during the course of our project are available to the public online at:
- < >
Des Kaisers alte Bücher. Forschungen zur Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen (1784–1921). In: Offen(siv)e Bibliotheken hgg. von Bruno Bauer, Andreas Ferus und Josef Pauser (Graz/Feldkirch 2016) 133–140.
Die Habsburg-Lothringische Familien-Fideikommissbibliothek vom Tod Kaiser Franz I. 1835 bis zu ihrer Eingliederung in die Nationalbibliothek der Republik Österreich 1921. (will soon be published in „Bibliothek. Forschung und Praxis“).
In den Medien wurde über die Forschungsarbeit und ihre Ergebnisse berichtet:
Radiosender Ö1, Programmreihe „Dimensionen“ (21.01.2016): Interview mit Martin Haidinger „Die Ausnahmebibliothek Kaiser Franz‘ I.“
Tageszeitung „Die Presse“, Ausgabe vom 16.09.2017, S. 34 unter dem Titel „Büchergeschenke und kunstvolle Huldigungen“ (Autor Erich Witzmann)
Our project team was also able to secure the participation of the following national and international conferences:
32. Österreichischer Bibliothekartag (Vienna, 15 to 18 September 2015) Präsentation der Forschungsergebnissse durch Nina Knieling, Thomas Huber-Frischeis und Rainer Valenta
„Altösterreicherischer und deutscher Adel im Vergleich (1871–1938/1945) (University of Vienna, Prof. Dr. Marija Wakounig; 1 to 2 December 2016)
“Construction, décor et iconographie des bibliothèques au XIXe siècle” (Budapest 6 to 8 April 2017) durch Rainer Valenta (The Fideikommissbibliothek of the House of Habsburg-Lorraine – structural, decorative and functional aspects of ist locations)
„Forschungstag der Österreichischen Nationalbibliothek 2017“ (19 October 2017). Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden unsere Forschungsergebnisse Fachjournalisten sowie einem an Wissenschaftsfragen interessierten Publikum vorgestellt.
These conferences gave us also the opportunity to present our so far achieved results to the scientific community.
Another exciting aspect of work was the offer to take part in the following annual exhibition of the Austrian National Library:
2014 „An meine Völker! Der Erste Weltkrieg 1914–1918.“
2015 „Wien wird Weltstadt. Die Ringstrasse und ihre Zeit“
2016, „Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. 1830-1916“
„Schatzkammer des Wissens. 650 Jahre Österreichische Nationalbibliothek“ (In Vorbereitung für 2018)
On that occasion, the project team selected various items from the Fideikommissbibliothek for these exhibitions. Not least, this was a rare opportunity for us to suggest items, which had only recently been rediscovered in the Fideikommissbibliothek due to our project efforts. The exhibitions managed to unite a broad range of monarchy-related topics.
Für die Ausstellung 2016, die das Leben Kaiser Franz Josephs anhand politischer, kultureller und privater Meilensteine widerspiegelt, verfassten alle Projektmitglieder wissenschaftliche Beiträge für den Ausstellungskatalog:[5]
Knieling, Nina: Wissen – Macht – Souverän. Erziehung und Unterricht Erzherzog Franz Josephs 1830 bis 1848.
Valenta, Rainer: Der Kaiser im Porträt. Darstellungen im Spannungsfeld von Herrscherwürde und öffentlichem Image.
Huber-Frischeis, Thomas: Der lange Weg zur Demokratie. Verfassung und Parlament im Zeitalter Franz Josephs I.
Huber-Frischeis, Thomas: „Der Kaiser kennt sein Reich in allen Theilen“. Die offiziellen Reisen Franz Josephs I.
Huber-Frischeis, Thomas / Pfundner, Michaela: „Mein geliebtes Kind“. Briefe der Erzherzogin Sophie an ihren Sohn Franz Joseph.
Anstelle der im Projektantrag geplanten international conference zum Thema „Austria-Hungary and the concept oder supranational identity“ war das Projektteam Mitorganisator der am 100. Todestag Kaiser Franz Josephs (21.11.2016) abgehaltenen Tagung: „Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. und die Erinnerung an die Habsburgermonarchie“; Participants: Marco Bellabarba, John Boyer, Milan Hlavacka, Pieter Judson, Carlo Moos, Gunda Barth-Scalami, Brigitte Mazohl, Hans Petschar, Karl Vocelka, Oliver Rathkolb.
[1] Auf ihn folgte Erzherzog Leopold (1823–1898, ältester Sohn Erzherzog Rainers) und schließlich Erzherzog Eugen (1863–1954, ein Enkel des Aspern-Siegers Erzherzog Karl).
[2] Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv und Grafiksammlung, Archiv der Fideikommissbibliothek, FKBA26135.
[3] Ferdinand war freilich schon seit dem Tod seines Vaters Franz 1835 Besitzer dessen Privatbibliothek, doch erst 1849 wurde er durch die Ausstellung der entsprechenden Urkunde auch formell Fideikommissherr.
[4] Moritz Alois von Becker (Hg.), Die Sammlungen der vereinten Familien- und Privat-Bibliothek Sr. M. des Kaisers, 3 in 4 Bde. (Wien 1873–1882).
[5] Petschar, Hans (Ed.): Der ewige Kaiser. Franz Joseph I. 1830–1916 (Wien 2016).